Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2015, Az. II ZR 369/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16953

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOL[X.]ES

URTEIL
II ZR
369/13
Verkündet am:

20. Januar 2015

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB §§ 138 Aa; GG Art. 12
[X.]undenschutzklauseln, die zwischen einer GmbH und einem ihrer [X.]er anlässlich des Ausscheidens aus der [X.] vereinbart werden, sind nichtig, wenn sie in zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß übersteigen, das in der Regel zwei Jahre beträgt.
[X.], Urteil vom 20. Januar 2015 -
II ZR 369/13 -
OLG [X.]

LG [X.]

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2
-
Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20.
Januar 2015
durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Bergmann
und [X.] Dr. Strohn, die Richterin [X.] sowie [X.]
Drescher und Born

für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 9.
Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in [X.] vom 29.
Oktober 2013 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschie-den ist.
Auf die Anschlussberufung der [X.] wird unter Zurückwei-sung der Berufung der [X.]lägerin das Urteil des [X.]
[X.] vom 7. März 2013 abgeändert und die [X.]lage insgesamt abgewiesen.
Die [X.]lägerin trägt die [X.]osten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Geschäftsführer der Parteien gründeten 2001 die Beklagte, eine GmbH mit Sitz in [X.].

. Die Niederlassung der [X.] in H.

betreute der Geschäftsführer der [X.]lägerin. Durch [X.] vom 29.
September 2006 verkaufte der Geschäftsführer der [X.]lägerin seinen Ge-schäftsanteil an der [X.] an deren Geschäftsführer. Im [X.]
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n-den, die der Niederlassung in H.

zugeordnet waren, an die [X.]lägerin ab. Mit Zustimmung der [X.]unden sollten diese Verträge auf die [X.]lägerin übergehen. Weiter ist geregelt:

1.
Der Verkäufer
oder die a.

H.

[[X.]lägerin] wird ebenfalls gewerblich auf dem Gebiet der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sämtliche Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Parteien oder dem [X.] und der a.

[X.].

[Beklagte] sind durch diesen [X.]. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit dahingehend, dass ein Wettbewerbsschutz nicht vereinbart wird, soweit nicht im folgenden gere-gelt.
2.
Der a.

[X.].

und dem Erschienenen
zu 2 [Geschäftsführer der [X.]] ist es untersagt, an die [X.]unden gemäß Anlage 2 im Bereich der Arbeitsüberlassung und Personalvermittlung heranzutreten, diesen Angebote zu unterbreiten oder diese sonst wie abzuwerben, sich an [X.] durch Dritte zu beteiligen oder dieses zu fördern.
3.
Für jeden Verstoß gegen obiges Wettbewerbsverbot hat die Vertragspar-tei bzw. deren [X.] zu zahlen, ohne dass es auf den Nachweis eines konkret ent-standenen Schadens ankommt. Dieser Betrag ist insgesamt auf 250.000

Schadensersatzansprüche ist nicht ausgeschlossen.
4.
Das Wettbewerbsverbot gemäß Abs. 1 ist auf 5 Jahre ab Vertragsschluss befristet."
Zum 1. August 2011 stellte die Beklagte einen neuen Mitarbeiter ein. Am 6. September 2011 schrieb dieser eine E-Mail an A.

S.

, am 19.
September 2011 an C.

L.

und am 20. September 2011 eine Rundmail an zahlreiche potentielle [X.]unden, in denen er Leistungen der Beklag-ten im Arbeitnehmerüberlassungsbereich anbot. Die Beklagte kündigte danach den Anstellungsvertrag des Mitarbeiters fristlos.

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4
-
Die [X.]lägerin hat mit der [X.]lage von der [X.] Zahlung von 101.000

verlangt, weil mit diesen Werbemaßnahmen gegen das Wettbewerbsverbot aus dem [X.] verstoßen worden sei. Das Landgericht hat

-gerin hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Beru-fung sowie der Anschlussberufung der [X.] das Urteil des [X.] abgeändert und die Beklagte zrichtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der [X.].

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der [X.]lage.
[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die [X.]lägerin habe wegen der an A.

S.

gesandten E-Mail einen Anspruch auf Zahlung einer Vertrags-straZeugen C.

L.

vo

Der Mitarbeiter, dessen Handeln sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, sei mit diesen E-Mails an [X.]unden aus der Anlage 2 zur Auseinander-setzungsvereinbarung herangetreten. Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundla-ge oder einen Wegfall des Sicherungsinteresses der [X.]lägerin könne sich die Beklagte nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht berufen. Die Beklagte habe [X.] in der [X.] vorgebracht, es sei zwischen den Parteien abgesprochen gewesen, dass die [X.] nicht voll ausgeschöpft 3
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werden solle, wenn es der [X.]lägerin vor Ablauf der Frist gelinge, sich auf dem Markt zu etablieren. Eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB komme weder im Hinblick auf den Umfang des [X.] noch im Hinblick auf die vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe in Betracht. Die [X.]lägerin könne mit Erfolg geltend machen, dass die Voraussetzungen einer Herabsetzung der [X.] Vertragsstrafe nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben nicht vorlägen. Ein Missverhältnis der Höhe der [X.] Vertragsstrafe zur Bedeutung der Zuwi-derhandlungen läge nicht vor. Die Parteien hätten intensiv um die Höhe und konkrete Ausgestaltung der [X.] und der Vertragsstrafenrege-lung gerungen. Auch das unmittelbare Bevorstehen des Ablaufens der [X.] führe nicht dazu, dass es unbillig sei, die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe in voller Höhe geltend zu machen. Soweit die Beklagte darauf verweise, dass die Vertragsstrafe angesichts des bevorstehenden Ablaufs der [X.] ihre abschreckende Wirkung nicht mehr entfalten könne, sei dem entgegenzuhalten, dass nicht ersichtlich sei, dass der Abschreckungsge-danke die einzige Motivation für die Vereinbarung der Vertragsstrafe gewesen sei. Die Vorgeschichte lasse auch die Annahme zu, dass die Vertragsstrafe als nachträgliche Sanktionierung für ein vorheriges Fehlverhalten der [X.] gefordert werden könne.
I[X.] Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat der [X.]lägerin rechtsfehlerhaft einen Anspruch aus der Ver-tragsstrafenvereinbarung in § 14 des [X.]s zuerkannt. Die Unterlassungsverpflichtung der [X.] bestand im September 2011 nicht mehr. Das in § 14 des [X.]s vom 29. September 2006 vereinbarte Ansprech-
und Abwerbeverbot überschreitet in zeitlicher Hin-sicht mit fünf Jahren die zulässige Grenze von zwei Jahren für Wettbewerbs-verbote. [X.]undenschutzklauseln zwischen einer GmbH und ihren (scheidenden) [X.]ern sind nach § 138 BGB sittenwidrig und nichtig, wenn sie in [X.]
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cher Hinsicht das notwendige Maß übersteigen, das regelmäßig maximal zwei Jahre beträgt.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind nach-vertragliche Wettbewerbsverbote mit Rücksicht auf die grundgesetzlich ge-schützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht nach §
138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig sind, um einen Vertrags-partner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den ande-ren Vertragspartner zu schützen. Sie sind nur wirksam, wenn sie in räumlicher, gegenständlicher
und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschrei-ten ([X.], Urteil vom 14. Juli 1997 -
II ZR 238/96, [X.], 1707, 1708 mwN; Urteil vom 8. Mai 2000 -
II ZR 308/98, [X.], 1337, 1338 f.; Urteil vom 29.
September 2003 -
II ZR 59/02, [X.], 2251, 2252; Urteil vom 18.
Juli 2005 -
II ZR 159/03, [X.], 1778, 1779; Urteil vom 10. Dezember 2008 -
[X.]ZR 54/08, [X.], 1751 Rn. 24 -
Subunternehmervertrag II;
Beschluss vom 31.
Mai 2012 -
I
ZR
198/11, [X.], 495 Rn.
9 -
[X.]undenschutzklausel). Das betrifft auch nachvertragliche Wettbewerbsverbo-te, die erst anlässlich der Beendigung der gesellschaftsrechtlichen Beziehung vereinbart werden ([X.], Urteil vom 29. September 2003 -
II ZR 59/02, [X.], 2251, 2252).
2. Die vereinbarte Dauer des Wettbewerbsverbots von fünf Jahren über-schreitet das zum Schutz des Geschäftsführers der [X.]lägerin erforderliche Maß.
Mit dem Verbot, die bisherigen [X.]unden der H.

Niederlassung der [X.] anzusprechen oder abzuwerben, wurde versucht, die [X.] der [X.] wie bei einer Personengesellschaft zwischen ihren [X.]ern aufzuteilen, und dem Geschäftsführer der [X.]lägerin die Chance geboten, die von ihm für die Beklagte eingeworbenen [X.]unden zu behalten und 8
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die [X.]undenbeziehungen mit
der [X.]lägerin fortzuführen, also die Erfolge seiner bisherigen Arbeit zu sichern. Von [X.] war es eine Entscheidung der [X.]unden, ob sie mit dem Geschäftsführer der [X.]lägerin weiter zusammenarbeiten wollten oder weiter über die fortbestehende H.

Niederlassung mit der [X.]. Zweck des Abwerbeverbots war es damit, dem ausscheidenden Ge-schäftsführer der [X.]lägerin zu ermöglichen, ungestört [X.]unden mitnehmen zu können. Der Geschäftsführer der [X.]lägerin hat danach ein schutzwürdiges Inte-resse daran, dass sein bisheriger Mitgesellschafter ihm bzw. der von ihm ge-gründeten [X.]lägerin keine [X.]onkurrenz macht, nur so lange die Beziehungen der [X.] zu ehemaligen, von ihm übernommenen [X.]unden noch fortwirken. Nach Ablauf dieser Zeitspanne kann keine Seite ein berechtigtes Interesse an einer fortdauernden Wettbewerbsbeschränkung haben (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 1996 -
II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742).
Für vergleichbare Fälle hat die Rechtsprechung anerkannt, dass eine Wettbewerbsbeschränkung
nicht mehr als zwei Jahre nach Vertragsende [X.] kann. Bei der Freiberuflersozietät wird ein Zeitraum von zwei Jahren als ausreichend für den Schutz der Interessen der Beteiligten angesehen, weil sich danach die Mandantenbeziehungen typischerweise gelockert haben ([X.],
Urteil vom 29. Januar 1996 -
II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 mwN; Urteil vom 8.
Mai 2000 -
II
ZR
308/98, [X.], 1337, 1338
f.; Urteil vom 29.
September 2003 -
II
ZR
59/02, [X.], 2251, 2252; Urteil vom 18.
Juli 2005 -
II ZR 159/03, [X.], 1778, 1780). Die zeitliche Grenze von zwei Jah-ren wurde vom [X.] in anderen Bereichen übernommen. Auch ein Abwerbeverbot von Arbeitnehmern darf nur auf zwei Jahre beschränkt sein, wobei offengelassen wurde, ob in einem Ausnahmefall ein schutzwürdiges Inte-resse eines Unternehmers an einem länger andauernden Abwerbeverbot be-stehen kann ([X.], Urteil vom 30. April 2014 -
I [X.], [X.], 1934 Rn.
35 ff. -
Abwerbeverbot).
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Bei den Parteien als [X.]apitalgesellschaften, die gewerbliche Dienstleis-tungen erbringen, kann grundsätzlich kein längerer Zeitraum gelten. Dass die Parteien nicht freiberuflich tätig sind, sondern ein Gewerbe betreiben, [X.] entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine längere Zeitgren-ze. Die
Begrenzung der Wettbewerbsverbote gründet nach der Rechtsprechung des [X.] nicht darin, dass Wettbewerbsverbote mit dem Berufs-zweck von freien Berufen nicht vereinbar wären, sondern in der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit.
Diese kommt auch Gewerbetreibenden und [X.]ern jedenfalls einer personalistisch geführten GmbH zu.
Soweit sie Dienstleistungen anbieten, bestehen hinsichtlich der [X.]undenbindung nicht von [X.] Unterschiede zu den [X.]undenbeziehungen von Freiberuflern. Dass auf dem Markt der Arbeitnehmerüberlassung Besonderheiten bestehen, die eine [X.]undenbindung typischerweise länger als zwei Jahre fortwirken lässt, ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
Ob in Ausnahmefällen eine längere Dauer in Frage kommt, kann dahin-stehen, weil ein schutzwürdiges Interesse der [X.]lägerin an einem längeren Ab-werbeverbot nicht erkennbar ist.
3. Die durch die Vertragsstrafenvereinbarung gesicherte Unterlassungs-verpflichtung der [X.] bestand zum Zeitpunkt, in dem der Mitarbeiter der [X.] die E-Mails versandte, nicht mehr. Ein die zeitlichen Schranken übersteigendes Wettbewerbsverbot kann zwar im Wege der geltungserhalten-den Reduktion auf das noch zu billigende zeitliche Maß -
hier zwei Jahre
-
zu-rückgeführt werden ([X.], Urteil vom 29. Januar 1996 -
II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741, 742 mwN; Urteil vom 8. Mai 2000 -
II ZR 308/98, [X.], 1337, 1339; Urteil vom 29. September 2003 -
II ZR 59/02, [X.], 2251, 2252;
Urteil vom 18. Juli 2005 -
II ZR 159/03, [X.], 1778, 1780). Im September 2011, als der Mitarbeiter seine E-Mails versandte, waren zwei Jahre seit der 12
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Vereinbarung des Wettbewerbsverbots am 29. September 2006 aber bereits verstrichen.

Bergmann

Strohn

Reichart

Drescher

Born
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 07.03.2013 -
418 H[X.]O 68/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.10.2013 -
9 [X.] -

Meta

II ZR 369/13

20.01.2015

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2015, Az. II ZR 369/13 (REWIS RS 2015, 16953)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16953

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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