Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2014, Az. I ZR 245/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5995

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

I [X.]/12
Verkündet am:

30. April 2014

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

Abwerbeverbot
[X.] § 75f; BGB § 339
a)
Grundsätzlich stellen nicht nur Einstellungsverbote, sondern auch Vereinbarungen zwischen Unternehmern, sich nicht gegenseitig Arbeitskräfte abzuwerben, gericht-lich nicht durchsetzbare [X.] im Sinne von § 75f [X.] dar.
b)
Derartige Abwerbeverbote fallen allerdings nicht in den Anwendungsbereich des §
75f [X.], wenn sie nur Nebenbestimmungen der Vereinbarung sind und einem besonderen Vertrauensverhältnis der [X.]en oder einer besonderen Schutzbe-dürftigkeit einer der beiden Seiten Rechnung tragen.
c)
Ein zwischen zwei Unternehmen im Hinblick auf einen gemeinsamen Vertrieb ver-einbartes Abwerbeverbot darf grundsätzlich einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung der Zusammenarbeit nicht überschreiten.
[X.], Urteil vom 30. April 2014 -
I [X.]/12
-
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 30.
April 2014 durch [X.]
Dr.
Büscher, Pokrant, Dr.
Koch, Dr.
Löffler und die Richterin Dr.
Schwonke

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des [X.] -
5.
Zivilsenat

vom 31.
Oktober 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der [X.] erkannt worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.], Zivilkammer 7, vom 29.
Juni 2010 wird insgesamt zu-rückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die im Nutzfahrzeuggeschäft tätigen [X.]en gehörten ursprünglich zu derselben Firmengruppe, bis ein Drittunternehmen im Jahr 2004 die Geschäfts-anteile an der [X.] erwarb. Um den gemeinsamen Vertrieb ihrer [X.] fortzusetzen, schlossen die in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander an-1
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-
sässigen [X.]en am 19.
August 2005 einen Kooperationsvertrag. Dessen §
12 Abs.
1 lautet:

"Jede [X.] verpflichtet sich, während sowie bis drei Jahre nach Beendigung dieses Vertrages keine Mitarbeiter der anderen [X.] direkt oder indirekt abzu-werben. Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung in Satz
1 zahlt die verstoßende [X.] an die andere [X.] eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttojahresgehältern (einschl. Prämien, Tantiemen) des betreffenden Mitarbeiters, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Satz
1 von der betreffenden [X.] abgeworben wird, wobei zur Berechnung der Vertragsstrafe das Bruttojahresgehalt des betreffenden Mitarbeiters maßgeblich ist, das er im Jahr vor Verwirkung der Vertragsstrafe bezogen hat."

Die Beklagte kündigte den Kooperationsvertrag zum 31.
Dezember 2006.

Im August 2009 erklärten zwei bei der Klägerin beschäftigte
Vertriebs-mitarbeiter die ordentliche Kündigung ihrer Anstellungsverträge
zum 30.
Sep-tember 2009 und nahmen ab dem 1.
Oktober 2009 eine Beschäftigung bei der [X.] auf.

Die Klägerin hat behauptet, der damalige Geschäftsführer der [X.] habe die beiden Mitarbeiter durch [X.] zum Wechsel ihrer [X.] veranlasst. Sie hat von der [X.] wegen der [X.] zweier Vertragsstrafen die Zahlung von 383.770,52

r-langt.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das vertragliche Abwerbeverbot sei unverbindlich, so dass die möglicherweise [X.] nicht einklagbar seien.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläge-rin hat das Berufungsgericht die Beklagte bis auf einen Teil der Zinsforderung 2
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antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen [X.], deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die [X.] des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe wegen der Abwerbung der beiden Mitarbeiter der Klägerin jeweils Vertragsstrafen in Höhe des zweifachen zuletzt gezahlten [X.] verwirkt. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Klägerin könne die Vertragsstrafen gerichtlich durchsetzen, weil das zwischen den [X.]en vereinbarte Abwerbeverbot nach dem Wortlaut des §
75f [X.] keine Sperrabrede im Sinne dieser Regelung sei. Der mit der Vorschrift bezweckte Schutz des Arbeitnehmers vor unzumutbaren Nachteilen im berufli-chen Fortkommen gebiete nicht deren entsprechende Anwendung
auf die in Rede stehende Klausel des Kooperationsvertrags der [X.]en. Als vertragswid-rige Abwerbung im Sinne der vertraglichen Vereinbarung sei nicht schon jedes Verhalten eines Vertragspartners anzusehen, das in irgendeiner Weise kausal dafür werde, dass ein Mitarbeiter einer [X.] ein neues Arbeitsverhältnis bei der anderen [X.] begründe. Die Abrede sei vielmehr dahingehend zu [X.], dass mindestens ein gezieltes, initiatives Einwirken auf den Arbeitnehmer mit dem Ziel erforderlich sei, diesen zum Wechsel seines Arbeitsplatzes zu [X.]. Darum stehe es einem wechselwilligen Arbeitnehmer frei, sich bei einem Arbeitgeber, der einem Abwerbeverbot unterliege, selbst zu bewerben.
Das vertragliche Abwerbeverbot sei nicht nach §
138 BGB sittenwidrig. Die [X.] seien wechselseitige Verpflichtungen eingegangen, die im Interesse bei-7
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-
der [X.]en gelegen hätten. Eine zeitliche Verkürzung des Abwerbeverbots auf einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Kooperationsvertrags sei nicht geboten.

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnah-me stehe zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die beiden dama-ligen Mitarbeiter der Klägerin von dem Geschäftsführer der [X.] abgewor-ben worden seien. Gegen die Höhe der [X.] habe die Beklagte keine Einwendungen erhoben; für deren Angemessenheit spreche im Übrigen, dass auch die Klägerin an das vertragsstrafebewehrte Abwerbeverbot gebunden sei.

I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollständigen Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Landge-richts.

1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Abwerbung von zwei Mitarbeitern nach §
339 Satz
2 BGB in Verbindung mit §
12 Satz
1 des Kooperationsvertrags der [X.] ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vertragsstrafen zusteht. Der Einklagbarkeit des Anspruchs wegen Verletzung des von den [X.]en [X.] steht zwar §
75f Satz
2 [X.] nicht von vornherein entgegen, weil die an sich auf Abwerbeverbote anwendbare Vorschrift (dazu unter II
2) in der vorliegenden Konstellation die Klagbarkeit des in Rede stehen-den Anspruchs nicht ausschließt (dazu unter II
3). Gleichwohl kann die [X.] der [X.] durch das Berufungsgericht keinen Bestand haben; das fragliche Abwerbeverbot ist auf einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendi-9
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gung des Kooperationsvertrags zu begrenzen und erfasst deshalb die vorlie-genden [X.] nicht mehr (dazu unter II
4).

2. Allerdings fallen Abwerbeverbote grundsätzlich in den [X.] des §
75f [X.].

a) Nach dieser Bestimmung findet aus einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal gegenüber einem anderen Prinzipal verpflichtet, einen Handlungs-gehilfen, der bei diesem in Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter be-stimmten Voraussetzungen anzustellen, keine Klage statt. Die fehlende gericht-liche Durchsetzbarkeit erfasst
wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist
[X.], die der Sicherung einer unter §
75f [X.] fallen-den Vereinbarung dienen (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Oktober 1972
I
ZR
88/71, [X.] 1973, 427; Urteil vom 30.
April 1974
VI
ZR
153/72, NJW 1974, 1282). [X.] ist die Vorschrift nicht nur auf Verbandsabsprachen, sondern auch auf eine Vereinbarung zwischen einzelnen Arbeitgebern (vgl. [X.], [X.] 1973, 427), wie sie vorliegend in Rede steht.

Ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit des §
75f [X.] ist weiter, ob die zwei Mitarbeiter der Klägerin [X.] gemäß §
59 [X.] gewesen sind. Nach der Rechtsprechung des [X.] und des Bundesar-beitsgerichts unterfallen dem Anwendungsbereich des §
75f [X.] alle [X.] (vgl. [X.], NJW 1974, 1282, 1283; [X.], 125, 134). Diese Recht-sprechung hat der Gesetzgeber mit der am 1.
Januar 2003 in [X.] getretenen Vorschrift des §
110 Satz
2 GewO nachvollzogen.

b) Umstritten ist allerdings die Frage, ob §
75f [X.] nicht nur die Klag-barkeit von Einstellungsverboten, sondern auch von Vereinbarungen zwischen 12
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Unternehmern ausschließt, keine Arbeitskräfte des Vertragspartners abzuwer-ben.

aa) Nach einer Auffassung versagt § 75f
[X.] nicht nur zwischen [X.] vereinbarten Einstellungsverboten, sondern generell auch [X.] die Durchsetzbarkeit ([X.] in Festschrift [X.], 1994, S.
437, 446; [X.], Arbeitsmarkt und Wettbewerb, 1996, Rn.
1041; [X.], [X.] 2003, 1382, 1383; Schlegelberger/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
75f Rn.
2
a; [X.]/[X.], [X.], 20.
Aufl., Stichwort Abwerbung Rn.
11; [X.] in [X.]/Bornkamm, [X.], 32.
Aufl., §
4 Rn.
10.103).

[X.]) Nach anderer Auffassung fallen Abwerbeverbote nicht in den An-wendungsbereich des § 75f Satz
1 [X.], wenn sie nur die gezielte Abwerbung auf Initiative des Arbeitgebers verbieten (Bauer/[X.] in Festschrift Helm, 2002, S.
3, 6
f.; [X.]/[X.], [X.] 2004, 2574, 2578; Wolf, [X.] 2004, 366, 367
f.; [X.], Abwerbungs-
und Einstellungsverbote im Arbeitsvertrag, 2005, S.
111; von [X.], [X.] 2010, 2903, 2910; [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
75f Rn.
4; [X.] in Großkomm.[X.], 5.
Aufl., §
75f Rn.
3, 6; Boecken in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, [X.], 3.
Aufl., §
75f Rn.
9; [X.].[X.]/von
Hoyningen-Huene, 3.
Aufl., §
75f Rn.
5; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsrecht, 5.
Aufl., §
75f [X.] Rn.
5; [X.], [X.], 3.
Aufl., §
75f Rn.
2; [X.] in [X.] [X.], §
75f Rn.
6 (Stand 1.
Dezember 2013); [X.] in [X.] Kommentar zum Arbeitsrecht, 14.
Aufl., §
75f [X.] Rn.
1).

cc) Nach einer weiteren Ansicht sollen Abwerbeverbote mit Vertragsstra-fen in bestimmten Fällen durchsetzbar sein. Dies soll dann gelten, wenn die Vereinbarung Sachverhalte betrifft, in denen ein Verstoß gegen Vorschriften 16
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des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vorliegt, etwa indem ein Un-ternehmer einen Mitbewerber durch Abwerbung von Mitarbeitern gezielt im [X.] von §
4 Nr.
10 [X.] behindert (vgl. zu §
1 [X.] aF [X.], [X.] unter Arbeitgebern, 2001, S.
78
ff.) oder in denen zwischen den beteiligten [X.] ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht ([X.], [X.] 1976, 1179, 1180; Wagner in [X.]/von
Westphalen/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
75f Rn.
7).

c) Der [X.] hat die Frage, ob §
75f [X.] auf vertragliche Abwerbeverbote zwischen Arbeitgebern Anwendung findet, bislang nicht ent-schieden. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des [X.] vom 30.
April 1974
VI
ZR
132/72 (NJW 1974, 1330). Dieser Ent-scheidung lag kein Abwerbeverbot, sondern ein Einstellungsverbot zugrunde.

d) Nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem
Sinn und Zweck der Norm fallen zwischen Unternehmen vereinbarte Abwerbeverbote im Grundsatz in den Anwendungsbereich des §
75f [X.].

aa) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Norm. Ein vertragliches Abwerbeverbot lässt sich zwanglos als Vereinbarung auffassen, einen [X.] des Vertragspartners im Sinne von §
75f [X.] nur unter bestimmten Voraussetzungen einzustellen.

Unter einer
Abwerbung von Arbeitnehmern wird das Einwirken auf einen arbeitsvertraglich gebundenen Arbeitnehmer mit dem Ziel,
diesen zum [X.] zu bewegen, verstanden ([X.], [X.] 2003, 1382). Es kann [X.] von einer Abwerbung von Arbeitskräften nur dann gesprochen werden, wenn der abgeworbene Arbeitnehmer sein bisheriges Arbeitsverhältnis beendet 19
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und von einem neuen Arbeitgeber eingestellt wird. Unter §
75f [X.] fällt danach eine Klausel, nach der sich Unternehmen wechselseitig verpflichten, nur [X.] einzustellen, die sich von sich aus an den potentiellen Arbeitgeber [X.] haben. Der Sache nach ist das vorliegend zu beurteilende Abwerbever-bot nichts anderes. Von dem konkreten Formulierungsgeschick der [X.] Unternehmen kann aber der Anwendungsbereich des §
75f [X.] nicht abhängen.

[X.]) Auch die Entstehungsgeschichte von §
75f [X.] und der mit
der Schaffung dieser Norm verfolgte [X.] sprechen für ihre Anwendung auf Abwerbeverbote
(vgl. zur Entstehungsgeschichte
[X.], [X.] 1973, 427, 428; [X.], [X.] unter Arbeitgebern aaO S.
27-31; [X.], [X.], 1995, S.
255, 269
f.).

(1) Ausschlaggebend für das Verständnis der Norm ist ihr Zusammen-hang mit der Regelung des nachvertraglichen [X.]verbots für Hand-lungsgehilfen in den §§
74 bis 75d [X.]. Zwar sahen bereits die §§
74 und
75 [X.] in der Fassung des Gesetzes vom
10.
Mai 1897 vor, dass [X.] [X.]verbote unwirksam sind, soweit sie die [X.] in ihrem beruflichen Fortkommen unbillig beschränkten
([X.]. 1897, S.
235). [X.] Regelungen ermöglichten es den [X.] jedoch, ohne Risiken weit ge-fasste nachvertragliche [X.]verbote zu vereinbaren. Verbände der [X.] forderten deshalb vom [X.] eine Neuregelung des Rechts der [X.]. Dies führte zu einem Gesetzesentwurf, der als wesentliche Neuerung gegenüber
der alten Regelung den Grundsatz der be-zahlten Karenz enthielt. Die Möglichkeit von [X.] unter Arbeitgebern war in dem Gesetzesentwurf jedoch zunächst nicht berücksichtigt worden. Da es sich für [X.] aufgedrängt hätte, die künftig für nachvertragliche Wett-23
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-
bewerbsverbote vorgesehene Entschädigungspflicht mittels [X.] zu umgehen, wurden
Stimmen laut, dem durch eine Regelung von [X.] zu begegnen (vgl. hierzu Bericht der [X.] über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der §§
74, 75 und des §
76 Abs.
1 des Handelsgesetz-buchs, [X.]. 1914, Anlage zu den stenographischen Berichten Band 303 Nr.
1387, S.
2803, 2847
ff.). Dies führte zur Einführung der Regelung des § 75f [X.] durch das Gesetz vom 10.
Juni 1914 ([X.]. 1914,
S.
209), die in der [X.] zwar redaktionell angepasst wurde, inhaltlich aber bis heute unverändert fortgilt.

Durch die §§
74
ff. [X.] soll
den Interessen des Arbeitnehmers
an sei-nem beruflichen Fortkommen nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses
gegenüber dem Interesse des Unternehmers, sich durch [X.]verbote vor einer Abwanderung seines Personals zu Konkurrenzunternehmen zu [X.], grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden
([X.], NJW 1974, 1282). Der Arbeitgeber, der ein Abwandern seiner Mitarbeiter verhindern will, soll mit ihnen ein
[X.]verbot vereinbaren und dafür eine Karenzentschädigung zahlen. Eine Behinderung der Abwanderung der Mitarbeiter ohne Entschädi-gungszahlungen an die Betroffenen durch [X.] soll demge-genüber verhindert werden. Der Arbeitnehmer soll seinen Arbeitsplatz grund-sätzlich frei wählen dürfen.
In diesem Zusammenhang kommt §
75f [X.] die Funktion zu, eine Umgehung dieser Zielsetzung zu verhindern. Die gesetzlich normierte Unverbindlichkeit einer Sperrabrede dient damit der Verwirklichung des durch Art.
12 Abs.
1 GG geschützten Rechts des Einzelnen auf berufliche Selbstbestimmung ([X.], NJW 1974, 1282, 1283;
[X.], Urteil vom 27.
September 1983
VI
ZR
294/81,
[X.]Z 88, 260, 265).
25
-
11
-

(2) Dieser durch §
75f [X.] bezweckte Schutz des Arbeitnehmers wird auch durch die Vereinbarung eines Abwerbeverbots zwischen Unternehmern im Allgemeinen in einem Ausmaß beeinträchtigt, dass es gerechtfertigt ist, eine derartige Vereinbarung dem Anwendungsbereich des §
75f [X.] zu unterstel-len.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Vereinbarung des Verbots von aktiven [X.] eines Unternehmers hinderten einen Arbeitnehmer nicht daran, sich aus eigenem Antrieb auf eine derartige Stelle zu bewerben und seinen Arbeitsplatz zu wechseln
(so aber Bauer/[X.] in Festschrift Helm aaO S.
3, 6
f.; Wolf, [X.] 2004, 366, 368; [X.]/[X.], [X.] 2004, 2574, 2578; [X.], Abwerbungs-
und Einstellungsverbote im Arbeits-vertrag aaO S.
111; Sahavi, [X.] nachvertraglicher [X.]-beschränkungen im [X.] und [X.] Recht, 2005, S.
157; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO §
75f [X.] Rn.
5).

Neben der Möglichkeit eines Arbeitnehmers, sich aus eigenem Antrieb auf eine freie Stelle zu bewerben, gehört es zur gängigen Praxis von Unter-nehmern bei der Besetzung offener Stellen, Arbeitnehmer von sich aus oder unter Einschaltung von Personalberatern auf Stellenangebote anzusprechen (vgl. [X.], Urteil vom 4.
März 2004
I
ZR
221/01, [X.]Z 158, 174
[X.] am Arbeitsplatz
I; Urteil vom 9.
Februar 2006
I
ZR
73/02, [X.], 426 = [X.], 577
Direktansprache am Arbeitsplatz
II, Beschluss vom 13.
Dezember 2007
I
ZR
137/07, juris; [X.], GRUR 2010, 963). Eine solche Abwerbung fremder Mitarbeiter ist grundsätzlich erlaubt. Arbeitgeber haben keinen Anspruch darauf, dass der Bestand ihrer Mitarbeiter vor Konkur-renz geschützt wird. Als Folge des freien [X.] müssen es Arbeitgeber 26
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12
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hinnehmen, dass Mitarbeiter abgeworben werden. Hierzu kann auch eine erste Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz des Mitarbeiters zulässig sein. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Mitarbeiter ein Interesse daran hat, von [X.] zu erfahren, wie er seine berufliche Situation durch einen Arbeitsplatz-wechsel verbessern oder verändern kann. Seine Freiheit, über sein berufliches Fortkommen nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses selbst zu bestimmen, vor allem den Arbeitsplatz frei zu wählen, wird durch Art.
12 Abs.
1 GG geschützt (vgl. [X.] 97, 169, 175).

Ein einfaches und wichtiges Informationsmittel dazu ist die für den Ar-beitnehmer bestehende Chance, von einem möglichen neuen Arbeitgeber oder in dessen Auftrag durch einen Personalberater angesprochen werden zu [X.] (vgl. [X.]Z 158, 174, 182
Direktansprache am Arbeitsplatz
I). Ein [X.], der bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist, der mit anderen Unterneh-men ein Abwerbeverbot vereinbart hat, verliert die Möglichkeit, von dem konkre-ten Anstellungsinteresse eines dieser anderen Unternehmen Kenntnis zu erlan-gen und sich durch eine gezielte Ansprache eines interessierten Arbeitgebers beruflich zu verbessern, ohne dass der Arbeitnehmer hierfür eine Entschädi-gung erhält. Das widerspricht dem Zweck des §
75f [X.].

3. Allerdings gibt es besondere
Fallkonstellationen, in denen ein die Be-lange der betroffenen Arbeitnehmer überwiegendes Interesse der [X.] an einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Abwerbeverbots besteht. Auch der Unternehmer als Arbeitgeber hat ein durch Art.
2 Abs.
1, Art.
12 Abs.
1 GG geschütztes Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Das schließt das Recht des Unternehmers ein, in seinem Markterfolg nicht unver-hältnismäßig eingeschränkt oder behindert zu werden (vgl. [X.] 97, 228, 253; [X.], [X.] 2004, 1710, 1711). Insofern ist §
75f [X.] verfassungs-29
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konform einschränkend auszulegen. In bestimmten Fällen sind Abwerbeverbote von dem nach dem Wortlaut weiten Anwendungsbereich des §
75f [X.] daher auszunehmen und als einklagbar zu behandeln.

a) Dies gilt zunächst für alle die Fälle, in denen das Verhalten des ab-werbenden Arbeitgebers eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, deren Verbot nach den Vorschriften des [X.] beansprucht werden kann. Gibt in ei-nem derartigen Fall der Verpflichtete eine strafbewehrte Unterlassungserklä-rung ab, würde es zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn der aus ei-nem derartigen [X.] Berechtigte Ansprüche hieraus we-gen §
75f Satz
2 [X.] gerichtlich nicht durchsetzen könnte.

b) Nicht in den Anwendungsbereich des §
75f [X.] fallen außerdem sol-che Vereinbarungen, bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, son-dern bei denen es nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der [X.]en oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwer-beverbot dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rah-men solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen worden sind, besteht kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.

Zu dieser Fallgruppe gehören etwa Abwerbeverbote, die bei [X.] vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen ver-einbart werden (sog. Due-Diligence-Prüfungen) und die vom [X.] des §
75f [X.] auszunehmen sind. Eine vergleichbare Situation kann bei einer Abspaltung von Unternehmensteilen oder Konzerngesellschaften oder bei [X.] zwischen selbständigen Unternehmen bestehen. Auch in diesen Fallkonstellationen kann die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Abwer-31
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beverboten für eine reibungslose Vertragsabwicklung notwendig und eine ein-schränkende Auslegung des §
75f [X.] geboten sein.

c) Damit stünde §
75f [X.] der Durchsetzbarkeit der hier in Rede ste-henden Vereinbarung nicht von vornherein entgegen, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts die Annahme rechtfertigen, dass zwischen den [X.]en ein besonderes Vertrauensverhältnis im vorstehenden Sinne bestanden hat. Auch nach Herauslösung der [X.] aus der Firmengruppe der Klägerin vertrieben die [X.]en ihre Produkte auf der Grundlage des [X.] zunächst gemeinsam, so dass beide Seiten die Einzelheiten des Mitarbei-terstamms des jeweils anderen Unternehmens kannten.

4. [X.], die im [X.] er-folgt sein soll, fällt indes nicht mehr in den Zeitraum, für den ein Abwerbeverbot vorliegend längstens zulässig ist. Die [X.]en haben sich zwar in §
12 Abs.
1 des Kooperationsvertrags verpflichtet, bis drei Jahre nach Beendigung der ver-traglichen Zusammenarbeit keine Mitarbeiter des Vertragspartners abzuwerben. Ein solches Abwerbeverbot überschreitet aber den für derartige Abreden zuläs-sigen Zeitraum, der grundsätzlich zwei Jahre nach Beendigung der [X.] nicht übersteigen darf.

a) Ein trotz der Regelung des §
75f [X.] gerichtlich [X.] kann die Mitarbeiter in ihrem beruflichen Fortkommen behindern. Eine solche Abrede findet ihre Rechtfertigung in dem besonderen Interesse der Vertragspartner, sich vor einer vertragswidrigen Ausnutzung der den [X.] der anderen [X.] betreffenden, aus der Vertragsbeziehung [X.] Kenntnisse zu schützen. Dieses Interesse besteht auch über das 34
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Ende der Vertragsbeziehung hinaus, wird jedoch typischerweise mit zunehmen-dem Zeitablauf schwächer.

b) In der Rechtsprechung des [X.] ist für vergleichbare Konstellationen anerkannt, dass ein [X.]verbot nicht länger als zwei Jahre
nach Vertragsende wirksam sein kann.

So verstößt ein über zwei Jahre hinausgehendes nachvertragliches [X.] für einen aus einer Sozietät von Angehörigen freier Berufe
aus-geschiedenen Gesellschafter in zeitlicher Hinsicht gegen § 138 BGB, weil sich nach einem Zeitraum von zwei Jahren die während der Zugehörigkeit zur [X.] geknüpften [X.] typischerweise so gelöst haben, dass der ausgeschiedene Gesellschafter wie jeder andere Wettbewerber be-handelt werden kann ([X.], Urteil vom 8.
Mai 2000
II
ZR
308/98, [X.], 2584, 2585; Urteil vom 29.
September 2003
II
ZR
59/02, NJW 2004, 66; Urteil vom 18.
Juli 2005
II
ZR
159/03, NJW 2005, 3061, 3062). Die Frist von zwei Jahren ist auch für [X.]verbote in Form von [X.] als zeitliche Grenze anzusehen (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Januar 1996

II
ZR
286/94, [X.]R 1996, 741, 742).

c) Für eine zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit von [X.] auf maximal zwei Jahre sprechen auch die gesetzlichen Regelungen in §
74a Abs.
1 Satz
3 [X.] und §
90a Abs.
1 Satz
2 [X.]. Diese Vorschriften versagen einem zwischen einem Unternehmer und einem [X.] oder Handelsvertreter vereinbarten nachvertraglichen [X.]verbot die Wirksamkeit, das über einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des jeweiligen Vertragsverhältnisses hinausgeht. Sie bringen die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass die in einem [X.]verbot liegende Ein-37
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schränkung der Berufsfreiheit der hierdurch gebundenen Arbeitnehmer längs-tens
für einen solchen Zeitraum gerechtfertigt ist. Gleiches muss auch für [X.] zwischen Arbeitgebern in Form von [X.] gelten, die für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer vergleichbare Auswirkungen haben können.

d) Ob in Ausnahmefällen ein schutzwürdiges Interesse eines Unterneh-mers an einem länger als zwei Jahre andauernden Abwerbeverbot bestehen kann, braucht nicht entschieden zu werden. Vorliegend ist ein solcher Ausnah-mefall jedenfalls nicht gegeben. Er folgt auch nicht daraus, dass sich die Kläge-rin ebenfalls einer gleichen Beschränkung zugunsten der [X.] unterwor-fen hat. Nach einem Zeitablauf von zwei Jahren nach Ende der vertraglichen Zusammenarbeit kann hier keine Seite mehr ein berechtigtes Interesse an einer fortdauernden Beschränkung der Abwerbemöglichkeiten haben (vgl. [X.], [X.] 1996, 741, 742).

Die in Streit stehenden [X.] sollen 2009 erfolgt sein, mithin im [X.] nach dem Wirksamwerden der Kündigung des [X.] der
[X.]en durch die Beklagte zum 31.
Dezember 2006. Bei einer zuläs-sigen Maximaldauer des Abwerbeverbots von zwei Jahren war die Beklagte im [X.] nicht mehr zur Unterlassung von [X.] verpflichtet. Sie hat aus diesem Grund auch nicht die mit der
Klage geltend gemachten Vertrags-strafen verwirkt.
40
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-

II[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1, §
97 Abs.
1 ZPO.

Büscher
Pokrant
Koch

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.06.2010 -
307 [X.]/09 -

O[X.], Entscheidung vom 31.10.2012 -
5 [X.] -

42

Meta

I ZR 245/12

30.04.2014

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2014, Az. I ZR 245/12 (REWIS RS 2014, 5995)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5995

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I ZR 245/12

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