Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.08.2010, Az. B 4 AS 48/10 B

4. Senat | REWIS RS 2010, 4325

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung eines Verfahrensmangels - Verletzung rechtlichen Gehörs - Anordnung des persönlichen Erscheinens - Terminverlegung - Glaubhaftmachung der erheblichen Gründe - Anforderungen an die Belege - notwendige Beiladung Dritter


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 26.3.2010 - L 12 AS 4668/08 - wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für den [X.]raum vom 1.5. bis 31.10.2006.

2

Die Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1, ihrem 1999 geborenen [X.] (Kläger zu 3) sowie dem mit ihnen zusammen lebenden Vater des [X.] zu 3 (Kläger zu 2) für den streitigen [X.]raum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 12.6.2006). Nach Vorlage von Nachweisen über das Einkommen des [X.] zu 2 während des sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte die Leistungen für den streitigen [X.]raum endgültig berechnet (Bescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23.9.2008). Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg (Urteil des L[X.] Baden-Württemberg vom 26.3.2010).

3

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ua ausgeführt, der Senat könne in Abwesenheit der Kläger verhandeln und entscheiden, weil diese in der Ladung ordnungsgemäß auf diese Möglichkeit hingewiesen worden seien. Ihren Anträgen auf Terminsverlegung sei nicht stattzugeben, weil erhebliche Gründe hierfür nicht vorlägen. Soweit die Kläger geltend machten, wegen Mittellosigkeit könnten sie die Fahrt zum Termin nicht bestreiten und bedürften daher zur Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs einer Fahrkarte zum Termin, treffe dies nicht zu. Die Kläger hätten nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften keinen Anspruch auf Übernahme der Reisekosten. Nach ihren Angaben in der zuletzt vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit einem Nettoverdienst des [X.] zu 2 von 1071,15 Euro monatlich und einem Anspruch der Klägerin zu 1 auf Arbeitslosengeld in Höhe von ca 1400 Euro monatlich könnten sie die Reisekosten auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der [X.] zu beachtenden Freibeträge und Aufwendungen aus eigenen Mitteln bestreiten. Schließlich sei dem Antrag auf Terminsverlegung auch nicht wegen einer Erkrankung der Klägerin stattzugeben, weil sie bis zum Ende des Termins weder eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt noch vorgetragen habe, welche Erkrankung sie an der Wahrnehmung des Termins gehindert habe. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen. Nach der Entscheidung des [X.] (Urteil vom [X.], 1 BvL 1/09, 1 [X.], 1 [X.]) blieben die verfassungswidrigen Normen für zurückliegende Leistungszeiträume, die nicht von der geforderten gesetzgeberischen Neuregelung ab 1.1.2011 erfasst würden, anwendbar. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen der Erkrankung des [X.] zu 3 an [X.] sei nicht zu berücksichtigen, weil diese Erkrankung erst für die [X.] ab Ende Januar 2007 nachgewiesen sei. Auf den Bedarf der Kläger seien als Einkommen das von dem Kläger zu 3 bezogene Kindergeld und das Einkommen des [X.] zu 2 anzurechnen.

4

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügen die Kläger eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Gericht habe ihnen durch sein Vorgehen ohne hinreichenden Grund die Möglichkeit genommen, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Zudem hätten weder das [X.] noch das L[X.] geprüft, ob die Beiladung des zuständigen Sozialhilfeträgers nach § 75 Abs 2 [X.]G in Frage komme. Auf Grund der unterlassenen Prüfung anderer Rechtsgrundlagen liege ein erheblicher Rechtsfehler im Verfahren vor.

5

II. [X.] ist nicht zulässig, denn ein Verfahrensmangel des L[X.] ist nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G erforderlichen Weise bezeichnet.

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) zunächst die verletzte Rechtsnorm und die eine Verletzung (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert und schlüssig dargelegt werden (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.], 24, 34, 36; [X.] 3-1500 § 73 [X.]). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.], 36), es sei denn, es werden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 [X.]G iVm § 547 ZPO der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (B[X.]E 4, 281, 288; B[X.] [X.] 1500 § 136 Nr 8).

7

Das Vorbringen der Kläger genügt nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde. Die Kläger haben - soweit ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs betroffen ist - in ihrer Beschwerdebegründung nicht substantiiert dargelegt, dass eine fehlende Anordnung ihres persönlichen Erscheinens, die nach § 111 Abs 1 [X.]G im Ermessen des Vorsitzenden steht ([X.] in [X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 111 RdNr 2b), und nicht die Funktion hat, das rechtliche Gehör der Betroffenen sicherzustellen (B[X.] Beschluss vom 31.1.2008 - B 2 U 311/07 B), ausnahmsweise ermessensfehlerhaft war und die Entscheidung des L[X.] auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Der Beschwerdebegründung der Kläger lässt sich auch nicht entnehmen, dass und ggf welche erheblichen Gründe für eine Verlegung des Termins gegeben sein sollen. Die Kläger haben insbesondere nicht vorgetragen, dass auf Verlangen des Gerichts erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung glaubhaft gemacht worden sind. Insofern muss sich aus den vom Gericht zur Glaubhaftmachung angeforderten Belegen eine Erkrankung oder sonstige Verhinderung so schlüssig ergeben, dass das Gericht auf ihrer Grundlage in der Lage ist, die Frage der behaupteten Verhinderung selbst zu beurteilen (B[X.] Beschluss vom 21.8.2007 - B 11a [X.] 11/07 B). Dies ist hier - auch nach dem tatsächlichen Verfahrensablauf - nicht bis zum Ende der mündlichen Verhandlung geschehen.

8

Hinsichtlich des angeblichen Verfahrensfehlers der unterlassenen Beiladung des Sozialhilfeträgers ist nicht dargelegt, inwieweit an einem streitigen Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten der Sozialhilfeträger derart beteiligt ist, dass eine Entscheidung auch ihm gegenüber iS des § 75 Abs 2 [X.]G nur einheitlich ergehen kann (B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 166/98 B; B[X.] Beschluss vom 15.6.1993 - 12 BK 74/91). Insofern hat das B[X.] im [X.] an das Urteil des [X.] vom [X.] (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) entschieden, dass der grundsätzlich mögliche Rückgriff auf die sozialhilferechtliche Regelung des § 73 [X.]B XII (vgl bereits B[X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 242 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] zu den Kosten des Umgangsrechts) das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage erfordert, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 [X.]B XII geregelten Bedarfslagen aufweist (vgl hierzu zB B[X.] Urteil vom [X.] 11b [X.] - B[X.]E 101, 79 = [X.] 4-3500 § 54 [X.] RdNr 22) und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt (B[X.] Urteil vom [X.] - B 4 AS 29/09 R - RdNr 28). Die Norm dürfe daher nicht zur allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des [X.] mutieren (B[X.] Urteil vom [X.] - B 4 AS 29/09 R - RdNr 26). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht substantiiert dargetan, für welche der von den Klägern geltend gemachten Leistungen eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers ernsthaft in Betracht kommt.

9

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 4 AS 48/10 B

02.08.2010

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 23. September 2008, Az: S 12 AS 2991/06, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 75 Abs 2 SGG, § 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 227 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 02.08.2010, Az. B 4 AS 48/10 B (REWIS RS 2010, 4325)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4325

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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