Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.07.2011, Az. III R 91/08

3. Senat | REWIS RS 2011, 5035

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Gegenstand

Investitionszulage für eine leer stehende Wohnung


Leitsatz

Zur Vermietung bestimmte Wohnungen können auch dann fremden Wohnzwecken dienen, wenn sie während des Bindungszeitraums mehr als ein Jahr leer stehen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, erwarb im März 1999 ein Mehrfamilienhausgrundstück in [X.] mit einer Nutzfläche von insgesamt 1.373,59 qm und führte daran Modernisierungsarbeiten durch, die je Quadratmeter 614 € kosteten und im Juli 2002 abgeschlossen wurden.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) versagte die beantragte Zulage für Modernisierungsmaßnahmen an [X.] gemäß § 3 des [X.] 1999 ([X.]) von 15 %, soweit sie auf drei Wohnungen entfiel, die seit dem Abschluss der Arbeiten längere Zeit leer standen: Die beiden Dachgeschosswohnungen vermietete die Klägerin selbst seit dem 1. Oktober 2004 ([X.] links) und dem 1. Juli 2005 ([X.] rechts) langfristig zu fremden Wohnzwecken, und die Wohnung im [X.] links wurde von der [X.] veräußert und von der Käuferin seit dem 1. August 2003 langfristig zu fremden Wohnzwecken vermietet.

3

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) entschied, nachträgliche Herstellungs- und Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die mindestens fünf Jahre nach Abschluss der Arbeiten der entgeltlichen Vermietung zu Wohnzwecken dienten, seien nach § 3 [X.] begünstigt. Dafür reiche es aus, wenn das Gebäude zur dauernden Vermietung bestimmt sei und dazu verfügbar gehalten werde. Ein vorübergehender Leerstand schade nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin primär die Vermietung der Wohnungen beabsichtigt habe. Diese hätten aber nicht --wie erforderlich-- während der fünfjährigen Bindungsfrist ununterbrochen fremden Wohnzwecken gedient, da die in allen drei Fällen mehr als einjährige Leerstandsdauer (13 Monate bei der Wohnung [X.] links, 27 Monate bei der [X.]-Wohnung links und 36 Monate bei der [X.]-Wohnung rechts) nicht als --unschädlicher-- vorübergehender Leerstand im Sinne der Rechtsprechung des [X.] --[X.]-- (Urteil vom 21. August 2001 IX R 52/98, [X.] 2002, 325, betr. erhöhte Absetzungen nach § 7c des Einkommensteuergesetzes --EStG-- bei Vermietung an wechselnde Feriengäste) angesehen werden könne. Der Meinung der Klägerin, der fünfjährige Bindungszeitraum beginne erst mit der erstmaligen tatsächlichen Nutzung zu fremden Wohnzwecken, sei nicht zu folgen. Besondere Umstände des [X.] wie die eine Vermietung erschwerenden Straßenbauarbeiten könnten die unschädliche Leerstandsdauer nicht verlängern.

4

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor, eine Wohnung diene Wohnzwecken, wenn sie --was das [X.] für den Streitfall festgestellt habe-- dazu bestimmt und geeignet sei, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren. Ein vorübergehender Leerstand sei unschädlich, eine zeitliche Grenze für den Leerstand habe der [X.] aber weder bei § 3 Abs. 1 [X.] noch bei § 7c Abs. 4 EStG festgelegt. Auch in der Rechtsprechung der [X.] werde ein Leerstand nur dann als schädlich erachtet, wenn die Wohnung währenddessen anderen Zwecken diene und z.B. als Musterwohnung genutzt werde. Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 [X.] sprächen nicht dagegen, dass Wohnungen auch bei längeren Leerstandszeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienten. Das Gesetz verlange eine entgeltliche Nutzung zu Wohnzwecken nur, um eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken oder zu betrieblichen Zwecken von der Förderung auszuschließen. Davon gehe auch die Finanzverwaltung aus, indem sie für diese Fälle eine Rückforderung der Zulage anordne (Schreiben des [X.] vom 28. Februar 2003 IV A 5-InvZ 1272-6/03, [X.], 218).

5

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des [X.]-Urteils den Bescheid über eine Investitionszulage nach § 3 [X.] für das [X.] vom 7. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. August 2004 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage auf 84.375,31 € erhöht wird.

6

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Der [X.] habe in seinem Urteil vom 23. März 1990 [X.] ([X.]E 160, 377, [X.] 1990, 726) ausgeführt, dass eine bloße Zweckbestimmung nicht ausreiche, um ein Wirtschaftsgut diesem Zweck dienen zu lassen; erforderlich sei eine dem Zweck entsprechende tatsächliche Nutzung. Diese Aussage sei in den [X.]-Urteilen vom 19. Mai 2004 [X.] ([X.]E 205, 561, [X.] 2004, 837) und vom 15. Dezember 2005 [X.] ([X.]E 212, 376, [X.] 2006, 561) nicht aufgegeben worden. Soweit im [X.]-Urteil in [X.] 2002, 325 ein vorübergehender Leerstand für unschädlich erachtet worden sei, lasse sich daraus schließen, dass ein nicht vorübergehender Leerstand als schädlich einzustufen wäre. Die Zulage könne im Streitfall aber jedenfalls auch deshalb nicht gewährt werden, weil diese eine ausschließliche Bestimmung der Wohnung zur entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken voraussetze, das [X.] aber die Vermietung lediglich als primären, d.h. überwiegenden Zweck festgestellt habe.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe. Denn die Klägerin hat nach §§ 1, 3 Abs. [X.] einen Anspruch auf Festsetzung einer Investitionszulage auch für die drei zeitweise leer stehenden Wohnungen, da auch diese der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienten.

9

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz [X.] sind --unter weiteren, hier nicht streitigen [X.] u.a. nachträgliche Herstellungs- oder Erhaltungsarbeiten an Gebäuden begünstigt, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahmen der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen.

a) Die drei Wohnungen standen während der Leerstandszeiten objektiv zur entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken zur Verfügung und waren auch dazu bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin neben der vom [X.] festgestellten primären Vermietungsabsicht auch bereit war, die Wohnungen als Anlageobjekte zu verkaufen, und die Wohnung im [X.] links tatsächlich veräußert wurde. Denn auch im Falle der Veräußerung an einen Anleger und der Vermietung zu Wohnzwecken durch diesen kann der Veräußerer eine Zulage beanspruchen (Senatsurteil vom 24. Februar 2010 [X.]/07, [X.], 562). § 3 [X.] unterscheidet sich insoweit von § 7k Abs. 2 Nr. 4 EStG ("dem Steuerpflichtigen zu fremden Wohnzwecken dienen") und setzt nicht voraus, dass der Investor das Gebäude bzw. den Gebäudeteil selbst zu Wohnzwecken überlässt.

b) Aus dem Einkommensteuerrecht übernommene Begriffe sind im Investitionszulagenrecht grundsätzlich nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem [X.], seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes ergibt (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 28. November 2006 [X.], [X.], 975). Daher sind für die Entscheidung, ob eine zur Vermietung bestimmte, aber mehr als ein Jahr leer stehende Wohnung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dient, auch weitere einkommensteuerrechtliche Tatbestände von Bedeutung, die ebenfalls voraussetzen, dass ein Wirtschaftsgut einem bestimmten Zweck dient. Dazu gehören z.B. § 7 Abs. 4 EStG, der die Höhe der Absetzungen für Abnutzung davon abhängig macht, ob ein Gebäude Wohnzwecken dient, sowie § 7c Abs. 4 EStG, der erhöhte Absetzungen ermöglicht, wenn Wohnungen bis zum Ende des Begünstigungszeitraums fremden Wohnzwecken dienen (vgl. des Weiteren z.B. § 5a Abs. 4 EStG, §§ 7d und 7f EStG, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG).

aa) Der Wortlaut des § 3 Abs. [X.] lässt sich dahin verstehen, dass ein Gebäude bzw. Gebäudeteil auch während eines Leerstandes der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen kann.

Der Senat hat zwar in seinen Urteilen vom 29. April 1977 [X.] ([X.], 89, [X.] 1977, 790 a.E.) und in [X.], 377, [X.] 1990, 726 entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal "zu etwas dienen" dem Wortsinn nach eine tatsächliche Nutzung des Wirtschaftsguts zu bestimmten Zwecken erfordere. Daran hält der Senat indes nicht mehr fest; ein Wirtschaftsgut kann bereits durch eine entsprechende Widmung und das Bereithalten einem bestimmten Zweck dienen. Der Senat folgt insoweit dem [X.]-Urteil in [X.], 325, wonach eine zur dauernden Vermietung bestimmte und dafür verfügbar gehaltene Wohnung i.S. des § 7c Abs. 4 EStG auch während eines vorübergehenden Leerstands fremden Wohnzwecken dient.

Diese Auslegung steht im Einklang mit der von der Steuerverwaltung in R 7.2 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 vertretenen Ansicht, dass ein Gebäude nicht erst dann i.S. des § 7 Abs. 4 EStG Wohnzwecken dient, wenn es tatsächlich bewohnt wird, sondern bereits dann, wenn es dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen. Sie wird dadurch bestätigt, dass Wirtschaftsgüter, die objektiv zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb eines Steuerpflichtigen bestimmt sind, zum notwendigen Betriebsvermögen gehören (Blümich/[X.], § 4 EStG [X.] 350, m.w.N.). Diese Wirtschaftsgüter dienen dem Betrieb auch dann, wenn sie gegenwärtig nicht genutzt, aber für eine spätere betriebliche Nutzung vorgehalten werden ([X.]-Urteil vom 6. Dezember 1977 [X.], [X.], 424, [X.] 1978, 330; [X.] vom 5. März 2002 [X.], [X.], 463, [X.] 2002, 690, betr. Erwerb eines Grundstücks zur --später nicht genehmigten-- Betriebserweiterung und dessen Entnahme durch eine stattdessen vorgenommene Wohnbebauung).

bb) Diese Auslegung widerspricht nicht dem Zweck des § 3 [X.]. Der [X.] des § 3 [X.] liegt ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/7792, [X.]) darin, angesichts des großen [X.] im Bereich des Wohnungswesens der Modernisierung des Bestands von Mietwohnungen Vorrang einzuräumen. Gefördert werden durch § 3 [X.] nur Investitionen in Wohnungen, die nach Beendigung der Arbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 325 zum [X.] des § 7c Abs. 4 EStG). Das Merkmal der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken grenzt § 3 [X.] von § 4 [X.] ab, der Modernisierungsmaßnahmen an selbstgenutztem Wohneigentum und an einer Wohnung begünstigt, die unentgeltlich an einen Angehörigen i.S. des § 15 der Abgabenordnung zu Wohnzwecken überlassen wird (Senatsurteil vom 30. Juli 2009 III R 27/07, [X.], 65). Nicht gefördert werden Arbeiten an betrieblich genutzten Wohnungen (z.B. Praxen, Büros) sowie die Modernisierung von Wohnungen, die einer kurzfristigen Beherbergung --bis sechs Monate-- dienen sollen (Senatsurteil vom 15. Dezember 2005 [X.], [X.], 1346) oder Feriengästen überlassen werden ([X.]-Urteile vom 14. März 2000 IX R 8/97, [X.], 502, [X.] 2001, 66; in [X.], 325).

Die von § 3 [X.] angestrebte Sanierung des [X.] wird bereits durch die nachträglichen Herstellungs- und Erhaltungsarbeiten am Wohnungsbestand erreicht. Die angestrebte Verbesserung des Wohnungsbestandes tritt bereits mit Abschluss der Arbeiten ein, d.h. bevor die zur Vermietung angebotenen Wohnungen bezogen werden.

cc) Im Einklang mit der oben zitierten Rechtsprechung zum Einkommensteuerrecht geht der Senat davon aus, dass die Zulage nach § 3 Abs. [X.] auch dann beansprucht werden kann, wenn die zur Vermietung angebotene Wohnung leer steht.

Anhaltspunkte für eine zeitliche Begrenzung des Leerstandes lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen, so dass grundsätzlich auch ein mehrjähriger Leerstand für die Förderung unschädlich ist. Ein lange andauernder Leerstand wird jedoch Zweifel daran begründen, ob das Gebäude tatsächlich i.S. von § 3 Abs. [X.] fremden Wohnzwecken dienen soll, ebenso wie ein langjähriger Leerstand einkommensteuerrechtlich zu Zweifeln Anlass gibt, ob der Steuerpflichtige nicht eine dauerhafte Vermietung ausschließt, um die Wohnung verkaufen zu können (vgl. z.B. den dem [X.]-Urteil vom 5. April 2005 [X.], [X.]/NV 2005, 1299 zugrunde liegenden Sachverhalt, sowie das [X.]-Urteil vom 18. August 2010 [X.]/07, [X.]/NV 2011, 215 --20-jähriger Leerstand--). Im Streitfall hat das [X.] indessen --für den [X.] gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) bindend-- festgestellt, dass die Klägerin alle drei streitigen Wohnungen vermieten wollte.

2. Der Klägerin steht danach eine Investitionszulage von 84.375,31 € zu.

Meta

III R 91/08

07.07.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 27. September 2007, Az: 13 K 2430/04 B, Urteil

§ 3 Abs 1 InvZulG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.07.2011, Az. III R 91/08 (REWIS RS 2011, 5035)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5035

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