Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.12.2011, Az. III R 37/09

3. Senat | REWIS RS 2011, 64

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Gegenstand

Kumulationsverbot bei dem Zusammentreffen von Investitionszulage und erhöhten Absetzungen für nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem Wohngebäude


Leitsatz

1. Die Prüfung der Frage, ob bei einer Gebäudesanierung tragende Teile und Fundamente des bisherigen Gebäudes verwendet werden, dient der Abgrenzung zwischen der Herstellung eines neuen Gebäudes und den nachträglichen Herstellungsarbeiten. Deren Beantwortung entscheidet aber nicht über die Abgrenzung zwischen nachträglichen Herstellungsarbeiten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 und Erhaltungsarbeiten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 .

2. Das Verhältnis zwischen der Höhe der Sanierungskosten und der Höhe des Gebäudewerts ist kein Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung zwischen nachträglichen Herstellungsarbeiten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 und Erhaltungsarbeiten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 .

3. Werden für eine an einem Wohngebäude vorgenommene Sanierung erhöhte Absetzungen in Anspruch genommen, schließt das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 die Gewährung einer Investitionszulage für nachträgliche Herstellungsarbeiten nur insoweit aus, als den beiden Förderinstrumenten dieselben Herstellungsarbeiten zugrunde liegen .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob dem Anspruch auf Investitionszulage für Arbeiten im Innenbereich eines Gebäudes und für die Errichtung einer Balkonanlage das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 des [X.] 1999 ([X.]) entgegensteht, weil der Anspruchsberechtigte für Arbeiten an der Außenhülle des Gebäudes bereits erhöhte Absetzungen nach § 7h des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) vorgenommen hat.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine [X.] bürgerlichen Rechts, bestehend aus den Gesellschaftern [X.] und W, begehrt eine Investitionszulage für das [X.] gemäß § 3 [X.] für Umbaumaßnahmen an einem vermieteten Hausgrundstück in [X.] Der Gesellschafter [X.] erwarb im [X.]ahr 1997 das Hausgrundstück für 55.000 DM, wovon auf den Grund und Boden 29.160 DM und auf das Gebäude 25.840 DM entfielen. Der Gesellschafter W erwarb im Zuge der Gründung der Klägerin am 9. [X.]uni 1999 einen hälftigen ideellen Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück von dem Gesellschafter [X.] für 31.000 DM, wovon 16.200 DM auf den Grund und Boden und 14.800 DM auf das Gebäude entfielen. Von Ende 1999 bis September 2000 ließ die Klägerin durch die [X.] ([X.]) umfangreiche Baumaßnahmen an diesem Hausgrundstück durchführen. Grundlage dafür war eine Baugenehmigung vom 5. Mai 2000 über "Modernisierung (straßenseitig) des Wohngebäudes, Neubau von Balkonen (hofseitig), Neubau von [X.], Ausbau Dachgeschoss". Ein schriftlicher Werkvertrag existierte nach Angaben der Klägerin nicht, ebenso wenig Kostenvoranschläge oder Rechnungen mit detaillierten Aufstellungen. Die Klägerin zahlte nach Abschluss der Arbeiten ausweislich der Schlussrechnung vom 22. September 2000 400.200 DM brutto an die [X.].

3

Mit Schreiben vom 3. März 2008 listete die [X.] die Arbeiten wie folgt auf:

- im Titel 1 (Außenarbeiten, Dach- und Fassadenarbeiten) die [X.]. 0 - 23 in einem [X.] von 129.310,34 DM,

- im Titel 2 (Innenarbeiten, Sanierung und Instandsetzungsarbeiten) [X.]. 1 - 47 mit Kosten von 207.589,66 DM und

- im Titel 3 (Balkonanlagen) unter der [X.]. 1 einen Betrag von 8.100 DM,

jeweils netto, insgesamt 345.000 [X.] 16 % [X.] in Höhe von 55.200 DM; brutto 400.200 DM.

4

Ursprünglich hatte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) die erhöhte Absetzung nach § 7h EStG für die [X.] in Höhe von 400.200 DM beantragt. Mit Bescheid der zuständigen Gemeindebehörde vom 10. Dezember 2004 erhielt sie jedoch nur eine Bescheinigung gemäß § 7h EStG über berücksichtigungsfähige Aufwendungen in Höhe von 150.000 DM (= 76.693,78 €) für die Außenarbeiten an Fassade, Fenstern, Dachgauben, Außenanlage, Baubetreuung und sonstige Außenarbeiten. Nur in diesem [X.] hatte die Klägerin einen städtebaulichen Vertrag gemäß § 177 des Baugesetzbuches und § 43 Abs. 3 Satz 2 des Städtebauförderungsgesetzes geschlossen.

5

Weiter erhielt die Klägerin aufgrund des vorgenannten Vertrages Städtebaufördermittel als Zuschuss in Höhe von 14.734,75 €. Nach der Zustimmungserklärung des [X.] wurden Kosten in Höhe von 74.194,69 € berücksichtigt. Das entspricht den tatsächlichen Kosten der Außenarbeiten nach der Kostenübersicht. Ausgangswert der Zuschussberechnung im genannten Vertrag waren Kosten in Höhe von 150.000 DM - die veranschlagten Kosten der Außenarbeiten.

6

Parallel zu diesen Förderungen stellte die Klägerin am 9. Dezember 2003 einen Antrag auf Investitionszulage nach § 3 [X.] für Modernisierungsmaßnahmen an [X.] für das Kalenderjahr 2000 für nachträgliche Herstellungskosten in Höhe von 403.002,83 DM.

7

Mit Bescheid vom 17. Mai 2004 setzte das [X.] die Investitionszulage auf 0 € fest, da für alle Kosten eine Abschreibung nach § 7h EStG beantragt worden sei. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] und dem Schreiben des [X.] ([X.]) vom 28. Februar 2003 ([X.], 218 [X.]. 11) seien die Gewährung einer Investitionszulage und der Abschreibung nach § 7h EStG für dieselben Aufwendungen nicht möglich.

8

Während des hiergegen geführten [X.] erließ das [X.] zu Lasten der Klägerin einen Änderungsbescheid vom 15. Februar 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung und Förderung des Wohnungseigentums für das [X.]. Hierin stellte es anstelle der bisherigen, auf die Gesamtkosten bezogenen Abschreibung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 37.694 DM für das [X.] nur noch eine AfA gemäß § 7h EStG von 12.118,13 DM bezogen auf 150.000 DM abzüglich der Zuschüsse von 28.818,67 DM und eine AfA von 2,5 % in Höhe von 6.330,07 DM auf den Restbetrag der Herstellungskosten in Höhe von 253.202,83 DM in die Berechnung ein.

9

Mit Einspruchsentscheidung vom 19. [X.]uni 2006 wies das [X.] den Einspruch als unbegründet zurück. Die von der Klägerin durchgeführten Arbeiten seien Herstellungsaufwand. Das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] beziehe sich zwar nur auf dieselben nachträglichen Herstellungsarbeiten. Die von der Klägerin durchgeführten Arbeiten hätten aber eine Komplettsanierung des Gebäudes dargestellt und seien daher als eine einheitliche Baumaßnahme zu werten.

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit dem in [X.]Entscheidungsdienst ([X.]) 2009, 1521 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der Klägerin aufgrund des Kumulationsverbots des § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] kein Anspruch auf die noch begehrte Investitionszulage in Höhe von 19.020 € zustehe, da sie bereits für die Arbeiten an der Außenhülle des Gebäudes erhöhte Absetzungen nach § 7h EStG vorgenommen habe.

Hiergegen richtet sich die von der Klägerin eingelegte Revision. Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:

Das [X.] habe § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] unzutreffend ausgelegt und dadurch Bundesrecht verletzt. Es habe sich nicht um Herstellungsarbeiten, sondern um Erhaltungsarbeiten an dem Gebäude gehandelt. Eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes sei nicht eingetreten. In den Bereichen Elektro-, Sanitär- und Heizungsinstallation seien lediglich erneuernde Arbeiten durchgeführt worden, durch die der Wohnstandard nicht verbessert worden sei. Bei der Förderung von Erhaltungsarbeiten finde das Kumulationsverbot keine Anwendung. Selbst wenn man aber von Herstellungsarbeiten ausgehe, werde ein Investitionszulagenanspruch nicht ausgeschlossen. Es sei nicht von einer einheitlichen Baumaßnahme auszugehen. Insbesondere fehle es an einem sachlichen Zusammenhang zwischen den Innen- und den Außenarbeiten. Die Arbeiten seien nicht zwangsläufig miteinander verbunden und hätten auch zeitlich versetzt durchgeführt werden können. Eine zeitliche Trennung der Arbeiten widerspreche aber dem Förderzeck des [X.] und des § 7h EStG. Der Gesetzgeber habe nur die Doppelbegünstigung tatsächlich identischer Arbeiten ausschließen wollen, anderenfalls er dies ausdrücklich abweichend geregelt hätte. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des [X.] --BFH-- vom 24. [X.]uni 2009 [X.], [X.], 431, [X.], 960.

Die Klägerin beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Investitionszulage unter Abänderung des Investitionszulagenbescheids für 2000 vom 25. Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. [X.]uni 2006 auf 19.020 € festzusetzen.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das [X.].

1. Die Revision ist zulässig. Die Zulässigkeit der Revision scheitert nicht an einer Versäumung der [X.]. Die Revisionsbegründung der [X.] ging am letzten Tag der bis zum 9. September 2009 verlängerten [X.] per Telefax beim [X.] ein.

Die erst nach Fristablauf eingegangene Revisionsbegründung der [X.] berührt die Zulässigkeit der Revision daher nicht.

2. Die Revision ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des [X.] kann das Vorliegen nachträglicher Herstellungskosten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] nicht allein daraus abgeleitet werden, dass die tragenden Teile und die Fundamente des bisherigen Gebäudes verwendet wurden und die Kosten der Gesamtsanierung den Gebäudewert weit überschritten.

a) Zu den begünstigten Investitionen gehören nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und [X.] nachträgliche Herstellungsarbeiten sowie Erhaltungsarbeiten des Anspruchsberechtigten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Dagegen ist die Herstellung oder Anschaffung eines neuen Gebäudes nur begünstigt, wenn das Gebäude in einem bestimmten Gebiet, z.B. in einem Sanierungsgebiet oder [X.], liegt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b [X.]). Nachträgliche Herstellungsarbeiten sind daher einerseits von den Erhaltungsarbeiten, andererseits aber auch von der Herstellung eines neuen Gebäudes abzugrenzen.

b) Das von dem [X.] zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene [X.]-Urteil vom 31. März 1992 [X.] ([X.]E 168, 109, [X.] 1992, 808) befasste sich hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 5 EStG mit der Abgrenzung zwischen dem nachträglichen Herstellungsaufwand und der Errichtung eines neuen Gebäudes. Insoweit hat der [X.] ausgeführt, dass die bauliche Umgestaltung eines vorhandenen Gebäudes grundsätzlich nicht als Herstellung eines neuen Gebäudes angesehen werden kann, solange das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz nicht beeinträchtigt wird, so z.B. dann, wenn die Außenmauern zum überwiegenden Teil weiter benutzt werden und mit dem Umbau lediglich eine Umgestaltung des durch die Außenmauern umbauten Raumes vorgenommen wird. Der grundlegende Umbau eines Gebäudes steht nur dann einem Neubau gleich, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem [X.] das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes verleihen. Das ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmend sind, wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschossdecken und die Dachkonstruktion ([X.]-Urteil in [X.]E 168, 109, [X.] 1992, 808, m.w.[X.]).

Da im Urteilsfall eine Mühle zu einem Wohnhaus umgebaut worden war, führte der [X.] aus, dass eine Änderung der Zweckbestimmung zur Herstellung eines neuen Vermögensgegenstandes i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) führen kann. Nur wenn ein solcher neuer Vermögensgegenstand hergestellt wird, liegt --unabhängig davon, ob die Zweckänderung dem Gebäude gleichzeitig auch ein anderes bautechnisches Gepräge im o.g. Sinne verleiht und daher zu einem neuen Gebäude führt-- kein sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand, sondern Herstellungsaufwand vor ([X.]-Urteil in [X.]E 168, 109, [X.] 1992, 808, m.w.[X.]). Danach hat der [X.] im Urteilsfall die Entscheidung der Vorinstanz, dass es sich trotz umfangreicher Veränderungen mangels wesentlichen Eingriffes in die Gebäudesubstanz um keinen Neubau, sondern um nachträgliche Herstellungskosten handelt, nicht beanstandet.

Für den Bereich des Investitionszulagenrechts hat der Senat zudem mit Urteil vom 24. Januar 2008 [X.] ([X.]E 221, 383, [X.] 2008, 688) entschieden, dass die Investitionszulagenförderung für nachträgliche Herstellungsarbeiten selbst dann nicht ausscheidet, wenn ein neues bzw. anderes Wirtschaftsgut im einkommensteuerrechtlichen Sinn entstanden ist. Voraussetzung ist nur, dass kein bautechnisch neues Gebäude geschaffen wurde, da dessen Herstellung nur unter den engeren Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] 1999 förderfähig ist.

Aus den in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätzen kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn keine wesentlichen Eingriffe in die Gebäudesubstanz (insbesondere die Fundamente und die tragenden Mauern) vorgenommen wurden und kein bautechnisch neues Gebäude geschaffen wurde, nachträgliche Herstellungsarbeiten vorliegen würden. Vielmehr bedarf es in diesem Fall der zusätzlichen Abgrenzung gegenüber dem Vorliegen von Erhaltungsarbeiten. Diese sind zwar wie die nachträglichen Herstellungsarbeiten förderfähig. Ihre Förderung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] unterliegt jedoch nicht dem Kumulationsverbot nach § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.].

c) Der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] verwendete Begriff "nachträgliche Herstellungsarbeiten" ist im [X.] ebenso wenig definiert wie der in § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. [X.] für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage verwendete Begriff der "nachträglichen Herstellungskosten". Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Begriffsbestimmung auf die für die Einkommensbesteuerung entwickelten Grundsätze zurückzugreifen ([X.]-Urteil vom 19. Oktober 2006 [X.], [X.]E 215, 438, [X.] 2007, 331, m.w.[X.]).

Im Einkommensteuerrecht beurteilt sich der Begriff der Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB. Herstellungskosten sind danach diejenigen Aufwendungen, welche durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

aa) Entgegen der Auffassung des [X.] ist das Verhältnis zwischen der Höhe der Sanierungskosten und der Höhe des [X.] im Streitfall kein Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung zwischen nachträglichen Herstellungsarbeiten und Erhaltungsarbeiten. Insoweit gibt es keine tatsächliche Vermutung, dass die besondere Höhe der nachträglichen Aufwendungen im Verhältnis zur Höhe des Kaufpreises auf eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes schließen lässt (vgl. etwa [X.]-Urteile vom 12. September 2001 [X.], [X.]E 198, 74, [X.] 2003, 569, zu [X.] cc, und vom 22. September 2009 [X.], [X.]/NV 2010, 846).

Der Gesetzgeber hat zwar mit dem Steueränderungsgesetz 2003 ([X.] 2003) vom 15. Dezember 2003 ([X.], 2645) in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine von der Höhe der Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen abhängige Regelung zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten geschaffen. Diese Neuregelung ist jedoch erstmals auf Baumaßnahmen anzuwenden, mit denen nach dem 31. Dezember 2003 begonnen wurde (§ 52 Abs. 16 Satz 7 EStG i.d.F. des [X.] 2003). Für vor dem 1. Januar 2004 begonnene Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen bleibt es dagegen bei den vom [X.] entwickelten allgemeinen Grundsätzen ([X.]-Urteil vom 15. September 2004 [X.], [X.]E 207, 429, [X.] 2005, 867).

bb) Unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung sind (nachträgliche) Herstellungskosten gegeben, wenn nach Fertigstellung bisher nicht vorhandene Bestandteile in das Gebäude eingefügt werden (Substanzmehrung) und dies eine "Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes" zur Folge hat ([X.]-Urteil vom 14. Juli 2004 [X.], [X.]E 206, 441, [X.] 2004, 949, m.w.[X.]).

Insoweit sind etwa die Kosten für den nachträglichen Anbau von Balkonen und für den Ausbau eines Dachgeschosses zu Wohnraum als nachträgliche Herstellungskosten zu behandeln, soweit durch diese Baumaßnahmen eine Vergrößerung der Wohnfläche und damit eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes eintreten.

cc) Zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB können umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit dann führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das [X.]) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. hier dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird. Eine Steigerung des Wohnstandards setzt voraus, dass die Baumaßnahmen mindestens für drei der vier Kernbereiche (Heizungs-, Sanitär- und Elektro-Installation sowie Fenster) den Gebrauchswert deutlich gesteigert haben; die bloße Reparatur und/oder die Ersetzung des Vorhandenen durch zeitgemäßes Neues führt zu keiner wesentlichen Verbesserung ([X.]-Urteil vom 20. August 2002 IX R 40/97, [X.]E 199, 555, [X.] 2003, 582).

Im Streitfall deuten die vorliegenden [X.] darauf hin, dass in allen vier Kernbereichen Maßnahmen stattgefunden haben. Ob diese jedoch auch zu einer Standardhebung geführt haben, hat das [X.] bislang noch nicht festgestellt.

dd) Im Streitfall wird das [X.] daher zunächst festzustellen haben, inwieweit die einzelnen Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung oder der wesentlichen Verbesserung als Herstellungsarbeiten zu qualifizieren sind und inwieweit sie im Übrigen als Erhaltungsarbeiten anzusehen sind. Die Gesamtkosten sind im Verhältnis der Herstellungs- zu den Erhaltungsarbeiten aufzuteilen, notfalls im Wege der Schätzung.

Von einer Aufteilung in Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen kann nur insoweit abgesehen werden, als die Herstellungs- und Erhaltungsarbeiten in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden; ein sachlicher Zusammenhang in diesem Sinne liegt vor, wenn die einzelnen Baumaßnahmen bautechnisch ineinander greifen ([X.]-Urteil vom 9. Mai 1995 [X.], [X.]E 177, 454, [X.] 1996, 632). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn die einzelnen Baumaßnahmen wechselseitig voneinander abhängig, d.h. entweder die Erhaltungsarbeiten Vorbedingung für die Herstellungsarbeiten oder sonst durch sie veranlasst (verursacht) sind (vgl. [X.]-Urteil vom 27. September 2001 [X.], [X.]/NV 2002, 627; [X.]-Beschluss vom 8. Juni 2004 [X.], [X.] 2004, 1187). Dass die Arbeiten lediglich gleichzeitig vorgenommen worden sind, begründet einen solchen Zusammenhang ebenso wenig wie eine einheitliche Inrechnungstellung ([X.]-Urteil in [X.]E 177, 454, [X.] 1996, 632). Beispielsweise sind Kosten für die Sanierung der Fassade und des Daches nur dann und insoweit den Herstellungskosten zuzurechnen, als sie durch eine Erweiterung (z.B. wegen Anbringung von Dachgauben oder Balkonen) veranlasst sind. Gleiches gilt für die Kosten der Fenstererneuerung, soweit sie nicht bereits wegen einer Standardhebung als Herstellungskosten zu qualifizieren sind.

d) Soweit das [X.] nach diesen Grundsätzen zur Feststellung von Erhaltungsarbeiten gelangt, ist für die hierauf entfallenden Aufwendungen ein Anspruch auf Investitionszulage nicht durch § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgeschlossen, da sich das Kumulationsverbot nicht auf § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] bezieht.

e) aa) Soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten vorliegen, ist eine Investitionszulage nur dann ausgeschlossen, wenn der Anspruchsberechtigte oder im Veräußerungsfall der Erwerber für die betreffenden Herstellungsarbeiten erhöhte Absetzungen in Anspruch nimmt. Dabei kann für jede einzelne, abgrenzbare Maßnahme gesondert gewählt werden, ob die Förderung durch erhöhte Absetzungen oder durch Investitionszulage in Anspruch genommen wird (ebenso [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], Investitionsförderung, Handbuch, Loseblatt - [X.] Archiv, § [X.] Rz 70). Von mangelnder Abgrenzbarkeit einzelner Maßnahmen ist --in Anlehnung an die Unterscheidung zwischen Herstellungs- und [X.] dann auszugehen, wenn sie in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden; ein sachlicher Zusammenhang in diesem Sinne liegt vor, wenn die einzelnen Baumaßnahmen bautechnisch ineinander greifen. Auch insoweit ist daher erforderlich, dass die einzelnen Baumaßnahmen wechselseitig voneinander abhängig sind, d.h. entweder die eine Baumaßnahme Vorbedingung für die andere Baumaßnahme oder sonst durch sie veranlasst (verursacht) ist. Sind die Maßnahmen hingegen nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt worden, hätten sie jedoch --abgesehen von [X.] auch unabhängig voneinander durchgeführt werden können, fehlt es regelmäßig an dem erforderlichen sachlichen Zusammenhang.

bb) Entgegen der Ansicht des [X.] steht diese Auslegung nicht im Widerspruch zum Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Zwar verwendet die Bestimmung nicht die restriktive Konjunktion "soweit", sondern die konditionale Konjunktion "wenn". Der einschränkenden bzw. spezifizierenden Wirkung der Konjunktion "soweit" bedarf es jedoch nicht, da durch die Formulierung "für die Herstellungsarbeiten keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt" bereits eine hinreichende Bestimmtheit gegeben ist. Hierin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber von einem identischen Fördergegenstand --(nachträgliche) [X.] bei der Investitionszulage und bei den erhöhten Absetzungen ausgeht. Hingegen geht der Gesetzgeber im Rahmen des Tatbestands des § 3 Abs. 1 Satz [X.] 1999 von sich gegebenenfalls nur teilweise deckenden Fördergegenständen (z.B. nachträgliche Herstellungsarbeiten bei der Investitionszulage - Gebäude bei der Sonderabschreibung) aus, weshalb hier eine Einschränkung des Kumulationsverbots durch die Konjunktion "soweit" erforderlich ist.

Die vom [X.] zur Verdeutlichung des historischen Willens des Gesetzgebers aus der Gesetzesbegründung zitierten Passagen legen schon deshalb keine andere Auslegung nahe, weil sich diese Ausführungen auf ein Nebeneinander von Investitionszulage und Sonderabschreibungen beziehen, während § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Kumulation von Investitionszulage und erhöhten Absetzungen betrifft.

Dagegen ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] durch das Gesetz zur Änderung des [X.] 1999 ([X.]) vom 20. Dezember 2000 ([X.], 1850) --mit der das Kumulationsverbot auf den Fall der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen durch den Erwerber ausgedehnt wurde--, dass es dem Gesetzgeber nur darum ging, eine "unberechtigte Inanspruchnahme von erhöhten Absetzungen und Investitionszulagen für   dieselben Herstellungsarbeiten" auszuschließen (BTDrucks 14/4626, [X.], 5, zu Nummer 1a --§ 3 Abs. 1 Satz 2-- a.E.).

Auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich nichts anderes. Die Regelung soll eine Mehrfachförderung von Investitionen durch erhöhte Absetzungen und Investitionszulage ausschließen. Diesem Regelungszweck ist jedoch genügt, wenn das Kumulationsverbot auf abgrenzbare Investitionen beschränkt wird. Dagegen erfordert der Regelungszweck nicht, dass bei einer Gesamtsanierung, die sich aus mehreren voneinander abgrenzbaren nachträglichen Herstellungsarbeiten und Erhaltungsarbeiten zusammensetzt, die teilweise Kumulation von erhöhten Absetzungen und Investitionszulage zu einem Ausschluss der Investitionszulage für die gesamte Maßnahme führt. Vielmehr ist nur eine Kumulation der Förderung bei denselben Herstellungsarbeiten auszuschließen.

Einer Erweiterung des Kumulationsverbots auf die Gesamtbaumaßnahme bedarf es auch nicht im Hinblick auf den Selbstbehalt nach § 3 Abs. 3 Satz [X.] und die Förderhöchstgrenze nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. [X.]. Denn diese Begrenzungen der Bemessungsgrundlage beziehen sich nur auf die nach § 3 Abs. [X.] begünstigten Aufwendungen. Dass der Gesetzgeber auch Aufwendungen, die wegen des Kumulationsverbots des § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht begünstigt sind, bei der Berechnung der (begrenzten) Bemessungsgrundlage miteinbeziehen wollte, ist dagegen nicht ersichtlich. Entsprechend führt eine dahingehende Gestaltung des Investors auch nicht zu einer Gesetzesumgehung.

Meta

III R 37/09

22.12.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 26. Februar 2009, Az: 2 K 320/06, Urteil

§ 3 Abs 1 S 1 Nr 1 InvZulG 1999, § 3 Abs 1 S 1 Nr 3 InvZulG 1999, § 3 Abs 1 S 2 InvZulG 1999, § 255 Abs 2 HGB, § 3 Abs 3 S 1 InvZulG 1999, § 3 Abs 3 S 2 Nr 1 InvZulG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.12.2011, Az. III R 37/09 (REWIS RS 2011, 64)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 64

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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