Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.03.2016, Az. III R 62/12

3. Senat | REWIS RS 2016, 14758

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Gegenstand

(Kindergeld: Vorrangige Anspruchsberechtigung des im anderen EU-Mitgliedstaat lebenden Großelternteils - fiktive Übertragung der Wohnsituation ins Inland - gemeinsamer Haushalt i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG)


Leitsatz

1. Der im anderen EU-Mitgliedstaat lebende Großelternteil kann gegenüber dem im Inland lebenden Elternteil nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorrangig kindergeldberechtigt sein, wenn er seine Enkelkinder in seinem Heimatland in einen Haushalt aufgenommen hat, der nicht ihm und dem Elternteil gemeinsam zuzurechnen ist.

2. Die nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird.

3. Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 5 (oder Satz 2) EStG setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist Tatfrage und vom FG als Tatsacheninstanz anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. April 2012  1 K 238/11 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist [X.] Staatsangehöriger. Im November 2009 reiste er in die [X.] ([X.]) ein und nahm dort eine unselbständige, sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit auf. Seit seiner Einreise hatte der Kläger seinen ständigen Wohnsitz in [X.], nicht in [X.]. Zwischenzeitlich bezog er Arbeitslosengeld nach dem [X.] Sozialgesetzbuch.

2

Der Kläger ist der Vater der Mädchen E (geboren September 1994) und [X.] (geboren Juli 1998). Seine beiden Töchter lebten jedenfalls seit Mai 2010 in [X.] im Haushalt ihrer nicht erwerbstätigen [X.]roßmutter, der Mutter des [X.]. Die Kindsmutter, von welcher der Kläger jedenfalls seit Mai 2010 dauernd getrennt lebte, führte einen eigenen Haushalt in [X.] und übte nach Angabe des für die [X.]ewährung von Familienleistungen in [X.] zuständigen Trägers vom 21. Februar 2011 seit Juli 2009 keine berufliche Tätigkeit aus.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Antrag des [X.] auf Festsetzung des Kindergeldes für seine beiden Töchter mit Bescheid vom 6. Dezember 2010 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch war teilweise erfolgreich. Mit Bescheid vom 18. April 2011 setzte die Familienkasse Kindergeld für die beiden Töchter für den Zeitraum November 2009 bis April 2010 fest. Soweit der Einspruch den Zeitraum ab Mai 2010 betraf, blieb er hingegen erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2011). Da die Töchter des [X.] --so die [X.] in dem Haushalt einer anderen anspruchsberechtigten Person in [X.] lebten, sei diese andere Person nach § 64 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (ESt[X.]) vorrangig berechtigt.

4

Das Finanzgericht (F[X.]) gab der dagegen gerichteten Klage, mit welcher der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für seine beiden Töchter ab Mai 2010 begehrte, mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EF[X.]) 2012, 1682 veröffentlichtem Urteil statt. Es verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für die beiden Kinder ab Mai 2010 festzusetzen.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung des § 64 ESt[X.]. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Mit Beschluss vom 22. September 2014 hat der [X.] ([X.]) das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.]erichtshofs der [X.] (Eu[X.]H) über das bei ihm anhängige Vorabentscheidungsersuchen [X.]/14 ausgesetzt. Der Eu[X.]H hat mit Urteil vom 22. Oktober 2015 [X.]/14 ([X.]:C:2015:720, [X.]Entscheidungsdienst --DStRE-- 2015, 1501) über die Vorlagefragen entschieden.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Familienkasse ... ist aufgrund eines Organisationsakts (Beschluss des [X.] Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der [X.], Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der [X.] - Familienkasse ... eingetreten (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2014 III R 21/12, [X.], 389, [X.], 135, Rz 11).

III.

9

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der Kläger ist zwar nach nationalem Recht (§§ 62 ff. EStG) anspruchsberechtigt (dazu 1.). Der Großmutter steht aber nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ein vorrangiger Kindergeldanspruch zu (dazu 2. bis 6.).

1. Der Kläger erfüllt im Streitzeitraum (Mai 2010 bis Mai 2011, dem Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung; vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. September 2014 III R 36/12, [X.], 488, [X.], 286, Rz 16) die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 EStG).

Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) liegen --was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist-- die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG vor. Dass die beiden Töchter ihren Wohnsitz in [X.] haben, ist für die Kindergeldberechtigung unerheblich (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG).

2. Allerdings ist die Großmutter --entgegen der Rechtsauffassung des [X.]-- nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig anspruchsberechtigt, weil gemäß Art. 67 der Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ([X.] --[X.]-- 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --[X.] 883/2004 (Grundverordnung)-- i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ([X.] 2009 Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --[X.] 987/2009 (Durchführungsverordnung)-- zu unterstellen ist, dass die Großmutter mit ihren Enkelkindern, den Töchtern des Klägers, in [X.] wohnt.

a) Nach § 64 Abs. 1 EStG wird das Kindergeld nur einem Berechtigten gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

b) Im Streitfall ergibt sich die Anspruchsberechtigung der Großmutter aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Zwar liegt der nach dieser Vorschrift erforderliche Inlandswohnsitz der Großmutter nicht vor. Es finden aber die Vorschriften der [X.] 883/2004 und der [X.] 987/2009 Anwendung (dazu 3.). Gemäß Art. 67 der [X.] 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] 987/2009 ist die Wohnsituation der Großmutter (fiktiv) ins Inland zu übertragen; demnach wird ein Inlandswohnsitz der Großmutter fingiert (dazu 4.). Zudem erfüllt die Großmutter auch die übrigen Voraussetzungen für eine vorrangige Anspruchsberechtigung (dazu 5. und 6.).

3. Der Anwendungsbereich der [X.] 883/2004 ist eröffnet und [X.] der zuständige Mitgliedstaat.

a) Die Grundverordnung und die Durchführungsverordnung gelten seit dem 1. Mai 2010 (vgl. Art. 90 Abs. 1, Art. 91 Satz 2 der [X.] Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 96 Abs. 1, Art. 97 der [X.] Nr. 987/2009; dazu auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 65 EStG Rz 9). Der Kläger ist [X.] Staatsangehöriger und fällt damit nach Art. 2 Abs. 1 der [X.] Nr. 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich der Grundverordnung. Ebenso ist das Kindergeld nach dem EStG eine Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. z der [X.] Nr. 883/2004, weshalb auch deren sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der [X.] Nr. 883/2004 eröffnet ist.

b) Nach Art. 11 Abs. 1 der [X.] Nr. 883/2004 unterliegen die von dieser Verordnung erfassten Personen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Im Streitfall ergibt sich die Anwendung der [X.] Rechtsvorschriften aus Art. 11 Abs. 3 Buchst. a (jedenfalls auch aus Buchst. e) der [X.] Nr. 883/2004.

4. Aus Art. 67 Satz 1 der [X.] Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] Nr. 987/2009 folgt, dass die Wohnsituation der Großmutter (fiktiv) ins Inland übertragen wird.

a) Nach Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] Nr. 987/2009 ist bei Anwendung von Art. 67 und 68 der [X.] Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als fielen alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats und wohnten dort. Nach Art. 67 der [X.] Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnten. Danach schafft Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] Nr. 987/2009 eine gesetzliche Fiktion dahin, dass bei Anwendung der Koordinierungsregelungen der Grundverordnung die Situation der gesamten Familie in einer Weise berücksichtigt wird, als ob alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des für die Gewährung der Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaats fielen und dort wohnten.

b) Art. 67 der [X.] Nr. 883/2004 ist ungeachtet dessen anwendbar, dass es für die Kindergeldberechtigung nach nationalem Recht (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 EStG) unerheblich ist, ob das Kind seinen Wohnsitz im Inland oder in einem Mitgliedstaat der [X.] hat (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 1501, Rz 35 ff.). Ebenso kommt es für die Anwendung des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] Nr. 987/2009 nicht darauf an, ob eine von Art. 68 der [X.] Nr. 883/2004 erfasste Konkurrenzsituation gegeben ist. Sollte es hieran --wie vom [X.] mangels Bestehens eines Anspruchs auf [X.] Familienleistungen angenommen-- fehlen, griffe Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] Nr. 987/2009 bereits über Art. 67 der [X.] Nr. 883/2004 ein (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 1501, Rz 35 ff.).

c) Zu den "beteiligten Personen" i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] Nr. 987/2009 gehören die "Familienangehörigen" i.S. des Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i der [X.] Nr. 883/2004. Da das Kindergeldrecht nach dem EStG den Begriff des Familienangehörigen weder verwendet noch definiert, sind hierunter neben den Elternteilen und dem Kind auch alle Personen zu verstehen, die nach nationalem Recht berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 1501, Rz 38). Daher werden von diesem Begriff nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG auch Großelternteile erfasst, die ein Enkelkind in ihren Haushalt aufgenommen haben. Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] kommt es daher nicht darauf an, dass mit dem Familienangehörigen i.S. des Art. 67 Satz 1 der [X.] Nr. 883/2004 (Anspruch auf Familienleistungen "für Familienangehörige") offensichtlich nur das Kind, nicht auch andere Familienangehörige gemeint sein können.

Der Begriff der "beteiligten Personen" i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] Nr. 987/2009 ist auch nicht unter Rückgriff auf Art. 1 Buchst. i Nr. 2 der [X.] Nr. 883/2004 zu bestimmen. Danach werden als "Familienangehörige" nicht die Großeltern, sondern nur der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder angesehen, wenn die anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen unterscheiden, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind. Die Nichtanwendbarkeit dieser Bestimmung ergibt sich zum einen daraus, dass im [X.] Kindergeldrecht die Anspruchsberechtigung von einer familienrechtlichen Beziehung abhängig gemacht wird (vgl. § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 EStG). Zum anderen hat auch der [X.] in seinem Urteil in [X.], 1501, Rz 38 zur Bestimmung der "beteiligten Personen" auf die nach dem nationalen Recht Anspruchsberechtigten abgestellt und damit auch die ehemalige (geschiedene) Ehefrau des Anspruchstellers als "beteiligte Person" qualifiziert.

5. Die Großmutter erfüllt auch die übrigen erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen.

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Großmutter eine nicht freizügigkeitsberechtigte [X.] i.S. des § 62 Abs. 2 EStG ist, hat das [X.] nicht festgestellt. Schließlich hat die Großmutter ihre beiden Enkelkinder nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] in ihren Haushalt in [X.] aufgenommen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

b) Ein vorrangiger Anspruch des [X.] ergibt sich nicht aus § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass in [X.] ein gemeinsamer Haushalt des [X.] mit seiner Mutter (Großmutter) und seinen beiden Töchtern existiert haben könnte.

aa) Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt; es wird einem Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil gegenüber der zuständigen Stelle auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet hat (§ 64 Abs. 2 Satz 5 EStG). Die nach Art. 67 der [X.] Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] Nr. 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen Mitgliedstaat der [X.] (hier [X.]) gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird.

bb) Im Streitfall bestand in [X.] kein gemeinsamer Haushalt des [X.] mit seiner Mutter (der Großmutter) und seinen beiden Töchtern.

Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts [X.] 64 Abs. 2 Satz 5 (oder Satz 2) EStG setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Hierfür ist erforderlich, dass die Beteiligten gemeinsam zum Unterhalt der Familie beitragen und der bestehende Haushalt beiden zuzurechnen ist (vgl. Felix, in: [X.] [X.], EStG, § 64 Rz C 19; [X.]/[X.], § 64 EStG Rz 26). Danach wird man regelmäßig ein örtlich gebundenes Zusammenleben mit gemeinsamer Versorgung fordern müssen (vgl. [X.]/[X.], § 64 EStG Rz 10). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist Tatfrage und vom [X.] als Tatsacheninstanz anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

Im erstinstanzlichen Verfahren stellte das [X.] fest, dass der Kläger seinen ständigen Wohnsitz in [X.], nicht in [X.] hatte. Weiter führte es aus, dass die Töchter des [X.] im Haushalt der Großmutter in [X.] lebten. Danach erscheint es ausgeschlossen, dass im Streitzeitraum zwischen dem Kläger, seiner Mutter (der Großmutter) und seinen beiden Töchtern eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in [X.] bestanden haben könnte.

6. Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Großmutter selbst einen Antrag auf Kindergeld in [X.] gestellt hat.

Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt nach Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der [X.] Nr. 987/2009 der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem "anderen Elternteil" gestellt wird. Der Anspruch auf Kindergeld müsste daher nicht wegen der fehlenden Antragstellung der Großmutter dem Kläger zuerkannt werden (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 1501, Rz 50). Vielmehr reichte es aus, dass der Kläger einen Antrag auf Kindergeld gestellt hat. Diesen hätte die [X.] Familienkasse auch als solchen zugunsten des Kindergeldanspruchs der Großmutter zu berücksichtigen.

7. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

III R 62/12

10.03.2016

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 23. April 2012, Az: 1 K 238/11, Urteil

§ 62 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 EStG 2009, § 64 Abs 2 S 1 EStG 2009, § 64 Abs 2 S 5 EStG 2009, Art 1 Buchst i Nr 1 Buchst i EGV 883/2004, Art 1 Buchst i Nr 2 EGV 883/2004, Art 1 Buchst z EGV 883/2004, Art 2 Abs 1 EGV 883/2004, Art 3 Abs 1 Buchst j EGV 883/2004, Art 11 Abs 3 Buchst a EGV 883/2004, Art 11 Abs 3 Buchst e EGV 883/2004, Art 67 EGV 883/2004, Art 90 Abs 1 EGV 883/2004, Art 91 S 2 EGV 883/2004, Art 60 Abs 1 EGV 987/2009, Art 96 Abs 1 EGV 987/2009, Art 97 EGV 987/2009, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.03.2016, Az. III R 62/12 (REWIS RS 2016, 14758)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14758

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Vorrangiger Kindergeldanspruch des im anderen EU-Mitgliedstaat wohnenden geschiedenen Elternteils


Referenzen
Wird zitiert von

B 4 AS 60/15 R

7 K 128/16

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