Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2017, Az. XII ZB 237/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9299

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[X.]:[X.]:BGH:2017:210617BXII[X.]237.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.] 237/17
vom
21.
Juni 2017
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1896 Abs. 1a
Verknüpft ein zur freien Willensbildung i.S.d. §
1896 Abs.
1a BGB fähiger Betroffener
sein grundsätzliches Einverständnis mit einer Betreuung mit der Bedingung, dass eine Person zum Betreuer bestellt wird, die aus Sicht des Betreuungsgerichts
für die Übernahme des [X.] ungeeignet ist, widerspricht
die Einrichtung der Betreuung mit einem anderen als dem ge-wünschten Betreuer dem freien Willen des Betroffenen (im [X.] an [X.] vom 26.
April 2017

XII
[X.]
100/17

juris und vom 7.
Dezember 2016

XII
[X.]
346/16

FamRZ 2017, 473).
BGH, Beschluss vom 21. Juni 2017 -
XII [X.] 237/17 -
LG Stralsund

AG
Stralsund

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
21.
Juni 2017
durch [X.] und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen wird der Beschluss der
8.
Zivilkammer des [X.]s Stralsund
vom 16.
Februar
2017
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Be-schwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des [X.] vom 12.
Dezember 2016 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zur erneuten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Für den im Jahre 1989 geborenen Betroffenen
besteht seit 2010 eine
Be-treuung, deren Aufgabenkreis die Vermögenssorge, die Gesundheitssorge, die Wohnungsangelegenheiten sowie Behörden-, Versicherungs-, Renten-
und So-zialleistungsangelegenheiten umfasst und die ursprünglich von dem Berufsbe-treuer M.
J. geführt wurde.
Mit Beschluss vom 3.
Juli 2015 entließ das Amtsgericht den Berufsbe-treuer und hob die Betreuung auf. Die Beschwerde des Betroffenen hatte zwar 1
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-
nicht hinsichtlich der Betreuerentlassung, aber bezüglich der Aufhebung der Betreuung Erfolg: Mit Beschluss vom 23.
Februar 2016 hob das [X.] die amtsgerichtliche Entscheidung insoweit auf und verwies das Verfahren zwecks Bestellung eines neuen Betreuers an das Amtsgericht zurück.
Sowohl gegenüber dem daraufhin vom Amtsgericht beauftragten Sach-verständigen
als auch in der amtsgerichtlichen Anhörung hat der Betroffene erklärt, nur Herrn M.
J. als Betreuer zu wollen. Mit Beschluss vom 12.
Dezem-ber 2016
hat das Amtsgericht einen
anderen Berufsbetreuer bestellt und die Betreuung unter Bestimmung einer Überprüfungsfrist bis zum 6.
Dezember 2023 verlängert. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen
hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Im Umfang der Anfechtung führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Dieses hat zur Begründung seiner
Entscheidung ausgeführt, der Sachverständige habe verschiedene Defizite in der Persönlichkeit des Betroffe-nen beschrieben, aufgrund derer er nach wie vor Hilfen benötige. Die Fortfüh-rung der Betreuung sei mithin grundsätzlich veranlasst. Der Betroffene habe zwar wiederholt seinen Wunsch nach Bestellung von Herrn M.
J. als Betreuer zum Ausdruck gebracht, jedoch demgegenüber nicht etwa eine Haltung offen-bart, die besorgen lasse, er werde auch mittel-
und langfristig jegliche [X.] mit einem anderen Betreuer ablehnen.
Es sei davon auszugehen, 3
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4
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dass es dem neuen Betreuer

wenn auch mit gewissen Anlaufschwierigkeiten

gelingen werde, ein Vertrauensverhältnis zum Betroffenen aufzubauen.
Dem Begehren des Betroffenen, Herrn M.
J. zum Betreuer zu bestellen, könne wegen dessen schon im Beschluss vom 23.
Februar 2016 dargelegten Unzulänglichkeiten nicht nachgekommen werden. Die Vermögenssorge könne nicht aus dem Aufgabenkreis herausgenommen werden, weil der Betroffene insoweit weiterhin hilfsbedürftig sei.
2.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das [X.] hat [X.] Feststellungen zum hier nach §
1896
Abs.
1a BGB notwendigen Fehlen des freien Willens getroffen.
a) Nach §
1908
d BGB ist eine Betreuung aufzuheben
(und nicht nach §
295 FamFG zu verlängern), wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Hierfür genügt es, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nur eine der Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers nicht mehr vorliegt. Da nach §
1896 Abs.
1a BGB gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Be-treuer nicht bestellt werden darf, ist deshalb eine bestehende Betreuung aufzu-heben, wenn sich der Betroffene mit freiem Willen gegen die Betreuung ent-scheidet. Nichts Anderes kann gelten, wenn ein Betroffener, der in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen, zwar grundsätzlich mit der Fortführung einer für ihn eingerichteten Betreuung einverstanden ist, dies aber mit der Bedingung verknüpft, dass eine Person zum Betreuer bestellt wird, die aus Sicht des Be-treuungsgerichts für die Übernahme des [X.] ungeeignet ist. Auch in diesem Fall widerspräche die Fortführung der Betreuung mit einem anderen als dem gewünschten Betreuer dem freien Willen des Betroffenen (§
1896 Abs.
1a BGB). Beruht die Entscheidung des Betroffenen gegen die Bestellung eines anderen als des
von ihm gewünschten Betreuers
auf einer freien Willens-
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bildung, muss diese Entscheidung auch dann respektiert werden, wenn
die Fortführung der bestehenden Betreuung für den Betroffenen objektiv [X.] wäre. In diesem Fall ist mithin trotz Vorliegens
der
Betreuungsbedürftig-keit des Betroffenen und fortbestehendem Betreuungsbedarf die Betreuung gemäß §
1908
d Abs.
1 BGB aufzuheben
([X.]sbeschlüsse vom 26.
April 2017

XII
[X.]
100/17

juris Rn.
15 und vom 7.
Dezember 2016

XII
[X.]
346/16

FamRZ
2017, 473 Rn.
8 mwN).
b) Gemessen hieran hat die angefochtene Entscheidung keinen Bestand.
Zum einen hat der Betroffene, wie die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zu Recht geltend macht, in beiden Tatsacheninstanzen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sein ehemaliger Betreuer M.
J. die einzige Person ist, zu der er Vertrauen hat. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass er allein eine Be-treuung durch diesen akzeptiert, bei Bestellung eines anderen Betreuers die Betreuung hingegen ablehnt.
Zum anderen hat sich der Betroffene in der Be-schwerdeinstanz ohne jede Einschränkung gegen eine Betreuung für den Be-reich der Vermögenssorge gewandt. Die verlängernde Aufrechterhaltung der Betreuung für den gesamten Aufgabenkreis und mit einem
anderen Betreuer als Herrn M.
J. erfolgte mithin gegen den Willen des Betroffenen.
Die deshalb notwendige

hinreichend aktuelle

Feststellung, dass der Betroffene nicht über einen freien Willen im Sinne des §
1896 Abs.
1a BGB ver-fügt, fehlt jedoch. Sie lässt sich weder den Beschlüssen von Amts-
und [X.] noch dem in Bezug genommenen Sachverständigengutachten entnehmen und folgt insbesondere nicht aus der diagnostizierten Krankheit (kombinierte Persönlichkeitsstörung mit überwiegend emotional-instabilen, aber auch selbst-unsicheren, vermeidenden und abhängigen Anteilen sowie intermittierend auf-tretenden depressiven Episoden) oder der Feststellung, dass der Betroffene 9
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"nach wie vor Hilfen benötigt."
Denn damit sind allein die Tatbestandsvoraus-setzungen von §
1896 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 BGB angesprochen, aber keinerlei Aussagen zur Frage des freien Willens verbunden.
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.
Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weshalb diese an das [X.] zurückzuverweisen ist (§
74 Abs.
6 FamFG).
Das [X.] wird Feststellungen zum Vorliegen des freien Willens beim Betroffenen zu treffen haben. Für das weitere Verfahren weist der [X.] darauf hin, dass

anders als die Rechtsbeschwerde
meint

gegen die Auffas-sung des [X.]s, der ehemalige Betreuer M.
J. sei als Betreuer ungeeig-net, rechtlich nichts zu erinnern ist. Das Gleiche gilt

auch unter Berücksichti-gung der von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen

für die tatrichterliche Einschätzung, letztlich werde auch eine andere [X.] als Herr M.
J. den notwendigen Zugang zum Betroffenen erlangen.
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Von einer weiteren Begründung wird gemäß §
74 Abs.
7 [X.], weil sie nicht geeignet wäre zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzli-cher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitli-chen Rechtsprechung beizutragen.

Dose

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.12.2016 -
19 [X.] -

LG
Stralsund, Entscheidung vom 16.02.2017 -
8 T 29/17 -

14

Meta

XII ZB 237/17

21.06.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2017, Az. XII ZB 237/17 (REWIS RS 2017, 9299)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9299

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