Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2013, Az. XII ZB 460/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 143

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.] 460/13
vom
18. Dezember 2013
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 1897 Abs. 4, 1908 d Abs. 3; [X.] § 45 Abs. 2
Ein Rechtsanwalt, der mit der Übernahme des [X.] gegen ein [X.] nach §
45 Abs.
2 [X.] verstoßen würde, kann auch auf Wunsch des Betroffenen nicht zum Betreuer bestellt werden.

[X.], Beschluss vom 18. Dezember 2013 -
XII [X.] 460/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 18. Dezember 2013 durch [X.] und [X.], Dr.
Günter,
Dr.
Nedden-Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 2.
August 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde,
an das [X.] zu-rückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 12. März 2013 für den
27-jährigen Betroffenen auf dessen eigenen Antrag eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen der Gesundheitssorge sowie der Wohnungs-
und Behörden-angelegenheiten eingerichtet und den Beteiligten zu 1 zum Berufsbetreuer be-stellt. Vorausgegangen war die Einholung eines "Sachverständigengutachtens", welches dem Betroffenen eine Lese-Rechtschreibschwäche und eine leichte Intelligenzminderung bescheinigte.

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In der Folgezeit wandte
sich der Betroffene dagegen, dass das Amtsge-richt nicht den von ihm vorgeschlagenen Rechtsanwalt [X.], sondern einen dem Betroffenen unbekannten Berufsbetreuer zum Betreuer bestimmt hatte. Nach-dem der Betroffene mehrfach schriftlich gegenüber dem Amtsgericht erklärt [X.], dass er Rechtsanwalt [X.] als Betreuer wünsche und mit dem Beteiligten zu 1 nicht zusammenarbeiten werde, hat das Amtsgericht die Betreuung durch Be-schluss vom 25. Juni 2013 wieder aufgehoben. Das [X.] hat die dage-gen gerichtete Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Gegen diese Ent-scheidung wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung.

1. [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Es könne auf sich beruhen, ob bei dem Betroffenen die medizinischen Eingangsvoraussetzungen des §
1896 Abs.
1 Satz
1 BGB überhaupt vorgelegen haben oder ob sie zum jetzigen Zeitpunkt noch fortbestehen. Es könne auch dahinstehen, ob der Betroffene derzeit [X.] in der Lage ist, seine Angelegenheiten vollumfänglich selbst zu besorgen. Selbst bei festgestellter Betreuungsbedürftigkeit müsse dieses Bedürfnis durch die Einrichtung einer Betreuung erfüllt werden können. Deshalb müsse eine Betreuung bei Veränderung der betreffenden Umstände wieder aufgehoben werden, wenn der mit der Betreuung verfolgte Zweck sich nicht erreichen lasse. Davon sei unter anderem dann auszugehen, wenn der Betroffene jede [X.] mit dem bestellten Betreuer verweigere und auch die Bestellung ei-nes anderen Betreuers hieran nichts ändern werde. Der Betroffene habe ein-2
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deutig erklärt, dass er nur Rechtsanwalt [X.] als Betreuer akzeptieren werde. Da jedoch Rechtsanwalt [X.] zur Vermeidung einer Interessenkollision nicht als Be-treuer für den Betroffenen bestellt werden könne, gäbe es wegen der [X.] Weigerung des Betroffenen zur Zusammenarbeit mit einem anderen Betreuer keine Alternative zur Aufhebung der Betreuung.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Betreuung ist nach §
1908
d Abs.
1 Satz
1 BGB aufzuheben, sobald die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers entfallen. Das ist schon der Fall, wenn eines der die Betreuung begründenden Tatbestandsmerkmale weggefallen
ist (BayObLG BtPrax 2005, 69 und BayObLG Beschluss vom 9.
März 1995 -
3Z BR 365/94 -
juris Rn.
7). Dies kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Krankheit oder Behinderung, die bei Anordnung der Betreuung vorlag, sich soweit gebessert hat, dass der Betroffene in der [X.] ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, wenn der Betroffene wirksam einen Vertreter mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten beauftragt hat oder wenn sich der Betroffene nunmehr mit freiem Willen (§
1896 Abs.
1
a BGB) gegen eine Betreuung entscheidet und damit zum Ausdruck bringt, dass die von ihm nicht mehr wahrgenommenen Aufgaben unerledigt bleiben können (vgl. dazu auch [X.] Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
1908
d Rn.
2; [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1908
d Rn.
3; [X.] BGB/[X.] [Stand: 1.
August 2013] §
1908
d Rn.
3; jurisPK-BGB/[X.] [Stand: 1.
Oktober 2012] §
1908
d Rn.
21
f.).

a) Eine Aufhebung der Betreuung kommt auch dann in Betracht, wenn sich herausgestellt hat, dass der mit der Bestellung des Betreuers erstrebte [X.] nicht zu erreichen ist, weil der Betreuer seine Aufgaben nicht wirksam 5
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wahrnehmen und zum Wohl des Betroffenen nichts bewirken kann (vgl. [X.], 1551, 1553 und FamRZ 2001, 1244; OLG Schleswig [X.] 2010, 32, 34). Davon kann im Einzelfall
ausgegangen werden, wenn der Betroffene jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigert und der Betreuer dadurch handlungsunfähig ist ("Unbetreubarkeit"; vgl. dazu [X.], 234; [X.] Beschluss vom 12.
April 2012 -
4 XVII H 13700 -
juris Rn.
4; [X.] Betreuungsrecht 4.
Aufl. § 1896 Rn.
15
und
§
1908
d Rn.
2; [X.] BGB/[X.] [Stand: 1.
August 2013] §
1908
d Rn.
3; jurisPK-BGB/[X.] [Stand: 1.
Oktober 2012] §
1896 Rn.
45).

b) Die Annahme des [X.], dass die Betreuung unter den obwaltenden Umständen wirkungslos bleiben müsse, weil der Betroffene nur Rechtsanwalt [X.] als Betreuer akzeptiere und dieser auch durch einen [X.] nach § 1908 b Abs. 3 BGB nicht zum Betreuer bestellt werden könne, beruht indessen -
wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt -
auf unzureichen-den tatsächlichen Feststellungen.

aa) Allerdings muss
das Betreuungsgericht bereits bei seinen Auswahl-entscheidungen nach §§ 1897 Abs. 4, 1908 b Abs. 3 BGB berücksichtigen, ob ein als Betreuer vorgeschlagener Rechtsanwalt mit der Übernahme des [X.] nach § 45 Abs. 2 [X.] verstoßen [X.]; einen solchen Verstoß gegen anwaltliche Berufspflichten müsste das [X.] vornherein unterbinden und von der Bestellung des als Be-treuer vorgeschlagenen Rechtsanwalts absehen ([X.] 1997, 156, 157).

Nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist dem Rechtsanwalt eine Tätigkeit als Betreuer in solchen Angelegenheiten untersagt, mit denen er bereits gegen den 8
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Träger des zu verwaltenden Vermögens als Rechtsanwalt befasst war. Eine Tätigkeit von Rechtsanwalt [X.] als berufsmäßiger Betreuer für den Betroffenen wäre nach § 45 Abs. 2 Nr. 2 [X.] auch dann ausgeschlossen, wenn Rechts-anwalt [X.] dadurch in derselben Angelegenheit, mit der er bereits als Rechtsan-walt befasst gewesen ist, in einer nichtanwaltlichen zweitberuflichen Funktion tätig werden würde
(vgl. dazu auch [X.]/[X.] Rpfleger 2004, 458). Diese Vorschrift bezweckt zum einen die vorbeugende Vermeidung von Interessenkol-lisionen, die das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit gefährden könn-ten ([X.] in [X.]/Wolf/Göcken [X.] Berufsrecht §
45 [X.] Rn.
44) und soll zum anderen verhindern, dass der Rechtsanwalt die Interes-senwahrnehmung für denselben Mandanten außerhalb berufsrechtlicher Pflich-ten in einer für die anwaltliche Rechtspflegefunktion abträglichen Weise fort-setzt (vgl. [X.] in [X.]/Wolf/Göcken [X.] Berufsrecht §
45 [X.] Rn. 44; [X.]/Kilian [X.] 3. Aufl. §
45 [X.] Rn. 43). Dass die Übernahme des [X.] durch Rechtsanwalt [X.] nach diesen Maßstäben gegen anwaltliches Berufsrecht verstoßen könnte, lässt sich den Feststellungen des [X.] nicht entnehmen, zumal Rechtsanwalt [X.] den Betroffe-nen nach Aktenlage bislang nur in einigen gegen ihn
gerichteten Strafverfahren als Verteidiger vertreten hat.

[X.]) Im Übrigen steht es nach § 1908 b Abs. 3 BGB grundsätzlich im Er-messen des Gerichts, ob ein Betreuer während eines laufenden Betreuungsver-fahrens entlassen wird, weil der Betroffene
eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 -
XII [X.] 166/10 -
FamRZ 2010, 1897 Rn. 20). Auch wenn dieser Wunsch des Betroffenen nicht schlechthin verbindlich ist, hat das Gericht bei der Ausübung seines Ermessens zu berücksichtigen, dass Wünschen des Betroffenen bezüglich der Person des Betreuers besonderes Gewicht zukommt
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(BayObLG FamRZ 1998, 1259, 1260 f. und [X.], 322; OLG Schleswig [X.] 2005, 214, 215;
OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1234, 1235), [X.] ein [X.] -
auch unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhal-tung der [X.] einer Betreuung und der Abwehr von Einflussnahmen inte-ressierter Dritter -
dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderlaufen darf. [X.] Feststellungen, aus denen sich ergeben könnte, dass Rechtsanwalt [X.] als Betreuer für den Betroffenen wegen der konkreten Gefahr von Interessenkon-flikten nicht geeignet sein könnte, hat das Beschwerdegericht nicht getroffen.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß §
74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose Schilling Günter

Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.06.2013 -
404 [X.]/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 02.08.2013 -
4 T 145/13 -

12

Meta

XII ZB 460/13

18.12.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2013, Az. XII ZB 460/13 (REWIS RS 2013, 143)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 143

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Betreuungssache: Aufhebung einer Betreuung bei fehlender Eignung eines von dem Betroffenen mit freiem Willen vorgeschlagenen …


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