Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2012, Az. II ZB 23/11

II. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7767

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II
ZB 23/11

vom

26.
März 2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der II.
Zivilsenat des [X.] hat am 26.
März 2012 durch [X.]
[X.],
[X.]
Strohn, die [X.] Caliebe
und
Dr.
Reichart
und den Richter
Sunder
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 19.
Januar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 14.869,35

Gründe:
I.
Der Beklagte ist mit Urteil des [X.] vom 2.
Juni 2010 unter [X.] der weitergehenden Klage zur Zahlung von 14.869,35

nebst Zinsen verurteilt worden. Das Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten am 7.
Juni 2010 zugestellt worden. Mit am 5.
Juli 2010 beim [X.] eingegan-genen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Beklagte Berufung eingelegt und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7.
September 2010 beantragt, die
ihm antragsgemäß gewährt wurde. Am 7.
September 2010 gingen beim [X.] folgende Schriftstücke ein:
1
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3
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-
Ein als Berufungsbegründung bezeichnetes Schriftstück, das auf Sei-te
1 den Stempel "Abschrift" trägt und auf Seite
268 unterhalb des Textes mit einem [X.] "[X.] Rechtsanwalt" und der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ver-sehen ist.
-
Zwei Telefaxsendungen, die jeweils Auszüge des vorbezeichneten Schriftsatzes

jeweils die ersten und die letzten zehn Seiten des Schriftsatzes
und auf Seite 1 ebenfalls den Aufdruck "Abschrift" [X.] auf der letzten Seite nicht die Unterschrift des Prozessbevoll-mächtigten in der Unterschriftszeile, sondern ebenfalls nur den [X.] enthalten.
Am 8.
September 2010 ging das Original der Berufungsbegründung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ein, das auf Seite
1 keinen Stem-pelaufdruck und auf Seite
268
in der Unterschriftenzeile
die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten trägt.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 15.
November 2010 darauf hingewiesen worden war, dass am Tag des Ablaufs der Beru-fungsbegründungsfrist lediglich eine beglaubigte Abschrift der Begründungs-schrift eingegangen sei, und ihm mit Verfügung des Vorsitzenden des [X.] mitgeteilt worden war, dass es im Hinblick darauf beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zu verwerfen, beantragte er mit Schriftsatz vom 5.
Januar 2011 vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Mit Beschluss vom 19.
Januar 2011 hat das Berufungsgericht die Beru-fung des Beklagten als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, der Wille des Absenders, die Be-2
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rufungsbegründung in den Verkehr zu bringen, könne nicht mit hinreichender Sicherheit unterstellt werden, wenn am [X.] lediglich eine aus der Sicht des Empfängers gemäß §
133 Abs.
1 Satz
1 ZPO für die Zustellung an den Gegner bestimmte Abschrift einer Berufungsbegründung eingereicht werde. Dies entspreche der Rechtsprechung des [X.], nach der lediglich die auf einem als Originalschriftsatz bestimmten und eingereichten Schriftsatz fehlende Unterschrift (§
130 Nr.
6 ZPO) unter bestimmten Voraus-setzungen durch die Unterzeichnung einer beglaubigten Abschrift ersetzt wer-den könne. Den Wiedereinsetzungsantrag hat es mit der Begründung zurück-gewiesen, dieser sei nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen nach der [X.] (§
234 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 ZPO) gestellt worden, da der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bereits am 15.
November 2010 Kenntnis davon erhalten habe, dass lediglich eine beglaubigte Abschrift der Be-rufungsbegründung fristgerecht beim Berufungsgericht eingegangen sei. [X.] dessen sei der erst am 5.
Januar
2011 gestellte [X.] verspätet.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung ihm der Senat mit Beschluss vom 29.
November 2011 Pro-zesskostenhilfe und mit Beschlüssen vom 15. und 19.
Dezember 2011 Wieder-einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur [X.] und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt hat.
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-
5
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II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlan-desgericht.
1.
Die Rechtsbeschwerde ist nach §
522 Abs.
1 Satz
4, §
574 Abs.
1 Nr.
1 ZPO statthaft und nach §
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO auch zulässig. Die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts, denn die angefochtene Entscheidung verletzt den Beklagten in entscheidungserheblicher Weise in seinem Anspruch auf [X.] Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) und zugleich in dem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
2.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Ansicht des [X.], die Berufung des Beklagten sei nicht innerhalb der bis zum 7.
September 2010 verlängerten Frist durch einen von einem Rechtsanwalt un-terzeichneten Schriftsatz begründet worden,
ist rechtsfehlerhaft.
Bereits nach der Rechtsprechung des [X.] (RGZ
119, 62, 63; JW
1930, 2953 Nr.
21;
JW
1934, 420 Nr.
16; JW
1938, 237 Nr.
48), der sich der [X.] angeschlossen hat (siehe nur [X.], Beschluss vom 5.
März 1954

VI
ZB
21/53, LM Nr.
14 zu §
519 ZPO; Urteil vom 22.
September 1992

XI
ZR
35/92, VersR
1993, 459 [juris Rn.
13]; siehe auch
BFH, Urteil vom 27.
Juli 1977
I
R
207/75, BFHE
123, 286, 287
f. [juris Rn.
8]), ersetzt die be-glaubigte Abschrift einer Berufungs-
oder Berufungsbegründungsschrift die Ur-schrift, wenn der [X.] von dem Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers handschriftlich vollzogen ist. Die Rechtswirkungen der [X.] der Urschrift eines bestimmten Schriftsatzes treten auch dann ein, wenn 6
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6
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eine von dem Prozessbevollmächtigten handschriftlich beglaubigte Abschrift fristgemäß bei Gericht eingegangen ist. Anders als das Berufungsgericht meint, steht dem nicht entgegen, dass die beglaubigten Abschriften (an sich) nur zur Weiterleitung an den Gegner übergeben werden und somit nicht mit Sicherheit Bestandteil der Akten werden. Zwar trifft es zu, dass die Beglaubigung dann primär den Zweck hat, dem Gegner die Überzeugung der Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift zu verschaffen. Das schließt aber nicht aus, dass die beglaubigten Abschriften trotzdem eine von ihrer unmittelbaren Zweckbestim-mung nicht umfasste Wirkung haben. Diese Wirkung besteht darin, dass das Gericht aus ihrer Einreichung die Überzeugung gewinnen kann, dass das
Schriftstück von dem
Anwalt, der den [X.] vollzogen hat, herrührt, dass er die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes über-nehmen und diesen bei Gericht einreichen will und dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Zur Einlegung der Berufung und ihrer Begründung genügt aber die Einreichung eines Schrift-satzes, der von einer Unterschrift
hier auf dem [X.]
des Prozessbevollmächtigten gedeckt ist.
3.
Da der Beklagte seine Berufung rechtzeitig begründet hat, hätte das Berufungsgericht sie nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Der Beschluss ist
daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO). Es bedarf keiner Entscheidung über den von dem
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Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist eingelegten [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insoweit ist der Beschluss des Berufungsgerichts gegenstandslos.

Bergmann

Strohn

Caliebe

Reichart

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.06.2010 -
5 O 3219/08 -

O[X.], Entscheidung vom 19.01.2011 -
13 U 1038/10 -

Meta

II ZB 23/11

26.03.2012

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2012, Az. II ZB 23/11 (REWIS RS 2012, 7767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7767

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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