Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2017, Az. IV ZR 26/16

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5422

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:130917UIV[X.].16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR
26/16
Verkündet am:

13. September 2017

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.],
[X.]
Karczewski, die Richterinnen Dr.
Brockmöller, [X.] und [X.] Götz
im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 14. Juli 2017 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin
wird das Urteil des 1.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 17.
Dezember
2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 7.500

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin
macht im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche nach
ihrer
am 30.
Oktober 2010 verstorbenen Mutter
geltend.
Der [X.] Beklagte, den ihre Mutter als Alleinerben eingesetzt hatte,
verstarb 1
-
3
-

während des Rechtsstreits und wurde von dem jetzigen [X.].

Die Klägerin reichte durch ihren Rechtsanwalt
am 30.
Dezember 2013 eine Klageschrift beim [X.] ein. Dem damaligen Beklagten wurde am 15.
Januar 2014 eine Kopie dieser
Klageschrift zugestellt, auf deren erster Seite
sich über dem Briefkopf der Stempel
"[X.]e Ab-schrift

und in dem
Feld zwischen dem Briefkopf und der Überschrift "[X.] und Prozesskostenhilfeantrag"
ein mit der Unterschrift des [X.] versehener Stempel
mit folgendem Inhalt
befand:

"[X.] zwecks Zustellung
[X.]
[Unterschrift]
Rechtsanwalt"

Weitere Stempel, Vermerke oder Unterschriften befanden sich auf dem siebenseitigen
Schriftsatz nicht.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben, da der
zu-gestellte Schriftsatz nicht den Anforderungen an eine beglaubigte Ab-schrift entsprochen habe und die Zustellung daher die Verjährung nicht habe hemmen können.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klä-gerin ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision verfolgt sie ihr bisheriges Begehren weiter.

2

3
4
5
-
4
-

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

[X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind etwaige Ansprüche der Klägerin verjährt. Eine Verjährungshemmung
durch Klageerhebung gemäß
§
204 Abs.
1 Nr.
1 BGB sei nicht eingetreten. Zwar habe hier -
neben
der Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages
-
eine unbedingte Klageerhebung erfolgen sollen. Es
fehle jedoch an der wirksamen Zustel-lung einer beglaubigten Abschrift der
Klageschrift
als zwingendem Erfor-dernis der Klageerhebung. Ein [X.] mit eigenhändiger Unterschrift des Rechtsanwalts nur auf der ersten Seite eines mehrseiti-gen Schriftsatzes genüge nicht den Anforderungen an eine Beglaubi-gung. Vielmehr habe beides grundsätzlich auf der letzten Seite des be-glaubigten Schriftsatzes als dessen abschließende Bestätigung zu erfol-gen. Der vorhandene Vermerk entspreche auch nicht der -
ausnahms-weise zulässigen
-
Beglaubigung
auf einem
dem
Schriftsatz vorangestell-ten
"Deckblatt".

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung
nicht in vollem Umfang
stand.

1.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist das Beru-fungsurteil auf die Revision hin sachlich nachzuprüfen. Die Zulässigkeit der Berufung als eine Prozessvoraussetzung, von der das gesamte wei-tere Verfahren nach Einlegung der Berufung, also auch noch
das Verfah-ren in der Revisionsinstanz, in seiner Gültigkeit und Rechtswirksamkeit 6
7
8
9
-
5
-

abhängt
(vgl. [X.], Urteile vom 10. Februar 2011 -
III ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rn. 7; vom 30. September 1987 -
IVb [X.], [X.]Z 102, 37 unter [X.] a
[juris Rn. 10]), hat die Vorinstanz zutreffend bejaht.
Zwar hat der Beklagte unter anderem in der [X.] bestritten, dass der Klägervertreter noch bevollmächtigt sei,
nachdem die zunächst für die Klägerin tätige Anwaltssozietät aufgelöst worden sei. Die dem Klägervertreter und einer
weiteren Anwältin als Sozien
erteilte Prozess-vollmacht hat die Klägerin jedoch bereits mit der Vorlage der [X.] vom 24. Oktober 2013 als
Anlage zur Klageschrift nachgewie-sen. Damit war der Klägervertreter auch zur Einzelvertretung der Kläge-rin berechtigt, § 84
Satz 1
ZPO. Ein etwaiges Erlöschen der Prozess-vollmacht des Klägervertreters infolge einer
Auflösung der Sozietät hätte gemäß § 87 Abs. 1
Halbsatz 2
ZPO erst durch die Anzeige der Bestel-lung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit erlangt; eine solche ist hier nicht erfolgt.

2. Die
Klageansprüche sind nicht verjährt. Bevor die
hier
nach den Feststellungen der Vorinstanzen mit dem Schluss des Jahres
2010
be-ginnende
dreijährige Verjährungsfrist gemäß §
195 BGB zum
Jahresende 2013 ablaufen konnte, trat
eine Hemmung der Verjährung ein.

a)
Im Ausgangspunkt
zutreffend geht das Berufungsgericht aller-dings davon aus, dass eine Klageerhebung, die gemäß §
204 Abs.
1 Nr.
1 BGB die Verjährung hemmt,
die Zustellung einer
beglaubigten Ab-schrift der Klageschrift erfordert. Die Erhebung der Klage erfolgt durch
die
Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift), §
253 Abs.
1 ZPO. Die Zustellung ist die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der in dem Titel 2 des ersten
Buches der Zivilprozessordnung (§§
166 ff. ZPO) bestimmten Form, §
166 Abs.
1 ZPO. Auch nach der Streichung 10
11
-
6
-

der Regelung in §
170 Abs.
1 ZPO a.F., die
ausdrücklich die
Zustellung durch Übergabe einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks vorsah, geht das Gesetz weiterhin davon aus, dass
Schriftstücke
grundsätzlich
(nur)
in Urschrift, Ausfertigung
oder beglaubigter
Abschrift zugestellt werden
können (vgl. BT-Drucks.
14/4554,
S. 16).
Dabei ist die Zustellung einer beglaubigten Abschrift stets dann ausreichend, wenn das Gesetz keine andere Regelung enthält
([X.], [X.] vom 22.
Dezember 2015
-
VI
[X.], [X.]Z 208, 255 Rn. 9; Beschluss vom 9.
Juni 2010
-
XII
ZB 132/09, [X.]Z 186, 22 Rn. 13).

b)
Im
Ergebnis
ebenfalls
zutreffend und von der Revision nicht an-gegriffen nimmt
das Berufungsgericht an, dass die hier zugestellte Ab-schrift der Klageschrift den Anforderungen an eine wirksame Beglaubi-gung nicht genügt.

aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
trifft es allerdings nicht zu, dass ein [X.] auf der ersten Seite eines mehrseitigen Schriftsatzes generell
unzureichend wäre
und grundsätzlich auf der letzten Seite des Schriftsatzes angebracht werden müsste.

Für die Beglaubigung ist keine besondere Form vorgeschrieben ([X.], Beschlüsse
vom 23. Oktober 2003
-
I
ZB 45/02, [X.]Z 156, 335 unter I 4
[juris Rn. 26]; vom 27. Mai 1974
-
VII
ZB 5/74, NJW 1974, 1383
unter II a
[juris Rn. 12]; vom 2.
November 1961
-
II
ZR 98/61, [X.]Z 36, 62
unter 2
[juris Rn. 7]). Die Beglaubigung eines bestimmenden Schrift-satzes hat primär den Zweck, dem Gegner die Überzeugung der Über-einstimmung der Abschrift mit der Urschrift zu verschaffen ([X.], [X.] vom 26.
März 2012 -
II
ZB 23/11, NJW
2012, 1738 Rn. 9). Des-12
13
14
-
7
-

halb hat der [X.] zu erklären, die zuzustellende Abschrift sei von ihm mit der in seinem Besitz befindlichen Vorlage verglichen worden und stimme mit dieser völlig überein ([X.], [X.] vom 22.
Dezember 2015
-
VI
[X.], [X.]Z 208, 255 Rn. 13; vgl. Senatsur-teil
vom 7. Oktober 1959 -
IV
ZR 68/59, [X.]Z 31, 32, 36
[juris Rn. 13]).
Erforderlich ist daher, dass sich die Beglaubigung unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt
und mit diesem zu einer Einheit verbun-den
ist ([X.], Beschluss vom 27.
Mai 1974
-
VII
ZB 5/74, NJW 1974, 1383
unter II a
[juris Rn. 12]; vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2003
-
I
ZB 45/02, [X.]Z 156, 335 unter I 4
[juris Rn. 26]).

Diese Anforderung ist erfüllt, wenn entweder der Vermerk dies ausdrücklich beinhaltet oder er durch seine Anbringung auf der letzten Seite als abschließende Bestätigung im Hinblick auf alle vorangehenden Schriftstücke dient (Rohe in [X.]/Schütze, ZPO 4.
Aufl. §
169 Rn.
18
m.w.[X.]; vgl. auch [X.] in [X.],
ZPO 23.
Aufl. §
169 Rn. 9). Ein [X.] auf dem letzten Blatt eines zu einer Ein-heit verbundenen Schriftsatzes
bezieht sich daher
auf das gesamte zu-gestellte Schriftstück (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2003 -
I
ZB 45/02, [X.]Z 156, 335 unter I 4
[juris Rn. 26]).
Wenn der [X.] aber im Übrigen eindeutig erkennen lässt, dass er sich auf den ganzen Inhalt eines Dokuments
erstreckt, schließt dies auch ein Anbrin-gen
des Vermerks neben dem zu beglaubigenden Text (vgl. [X.], 52, 54) oder auf einem besonderen Bogen nicht aus (vgl. [X.], Be-schlüsse
vom 21.
Februar 1974
-
II
ZB 13/73, NJW 1974, 861 unter I

[juris Rn.
5]; vom 27.
Mai 1974 -
VII
ZB 5/74, NJW 1974, 1383 unter II a
[juris Rn. 12] für die Beglaubigung durch die angefügte Zustellbescheini-gung).

15
-
8
-

bb) Aus dem hier auf der ersten Seite der Abschrift angebrachten Vermerk "[X.] zwecks Zustellung"
ist
jedoch
nicht ersichtlich, in welchem Umfang der Rechtsanwalt eine Übereinstimmung bestätigen will. Der [X.] verweist nach seinem
Inhalt weder auf ein darin bezeichnetes Dokument in seinem vollen Umfang -
hier: die Klageschrift vom 30. Dezember 2013
-
noch auf eine
bestimmte
Anzahl von [X.]. Auch aus der Position des Vermerks auf der ersten Seite
eines mehrseitigen Schriftsatzes lässt sich nicht entnehmen, ob der beglaubigende
Rechtsanwalt die [X.] des gesamten Dokuments mit dem Original übernimmt.

c)
Es kann hier offen bleiben, ob -
wie die Revision annimmt
-
die Verjährung mit der Einreichung eines erstmaligen Antrags auf [X.] von Prozesskostenhilfe gemäß §
204 Abs.
1 Nr.
14 BGB gehemmt wurde. Der
Mangel der ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift wurde jedenfalls
gemäß §
189 ZPO dadurch geheilt, dass dem früheren Beklagten
eine einfache Abschrift der Klageschrift tatsächlich zugegan-gen
ist.
Nach der Rechtsprechung des [X.] handelt es sich bei der Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift um einen Zustellungsmangel, der nach § 189 ZPO ge-heilt werden kann, sofern die zugestellte Abschrift mit der Urschrift über-einstimmt (vgl. [X.],
Beschluss vom 13. Oktober 2016
-
V [X.], [X.], 411
Rn. 22;
[X.]
vom 22. Dezember 2015
-
VI [X.], [X.]Z 208, 255 Rn. 14 ff. m.w.[X.]). Denn das Erfordernis, bei dem Zustellungsakt eine beglaubigte Abschrift der Klageschrift zu verwenden, stellt eine Zustellungsvorschrift im Sinne von § 189 ZPO dar ([X.], Urteil vom 22. Dezember 2015, aaO
Rn. 20).

16
17
-
9
-

§
189 ZPO hat den Sinn, die Zustellung auch dann als bewirkt [X.], wenn der [X.] anderweitig erreicht wird ([X.] aaO
Rn. 21). Der Zweck der Zustellung ist es, dem Adressaten ange-messene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren ([X.], Urteil vom 27.
Januar 2011 -
VII
ZR 186/09, [X.]Z 188, 128 Rn.
47; vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 24).
Diese Gelegenheit zur Kennt-nisnahme war hier gewährleistet; auch der Zeitpunkt der Zustellung steht fest. Dass die dem damaligen Beklagten zugestellte Abschrift die [X.] nicht vollständig und richtig wiedergebe, hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

d) Die Verjährung wurde daher noch im [X.] durch [X.] der Klageschrift gehemmt, §
204 Abs.
1 Nr. 1 BGB i.V.m.
§
167 ZPO. Nach dieser Vorschrift treten die Wirkung der Zustellung und damit die Hemmung der Verjährung bereits mit Eingang des Antrags ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. §
167 ZPO erfasst auch die erst durch eine (insgesamt noch "demnächst" erfolgende) Heilung wirksam gewor-dene Zustellung, da die Fiktion des §
189 ZPO sämtliche Rechtsfolgen einer wirksamen Zustellung herbeiführt ([X.], Urteil vom 12.
März 2015
-
III
ZR 207/14, [X.]Z 204, 268 Rn. 19
m.w.[X.]).

18
19
-
10
-

II[X.] Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil Feststellungen zu den
nicht verjährten
Ansprüchen
fehlen. Sie
ist daher an das [X.] zurückzuverweisen.

[X.]

Dr. Karczewski

Dr. Brockmöller

[X.]

Dr. Götz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.08.2014 -
8 O 1838/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.12.2015 -
1 [X.] -

20

Meta

IV ZR 26/16

13.09.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2017, Az. IV ZR 26/16 (REWIS RS 2017, 5422)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5422

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 26/16 (Bundesgerichtshof)

Verjährungshemmung durch Klageerhebung: Anforderungen an eine dem Beklagten übersandte, beglaubigte Kopie der Klageschrift


VI ZR 80/15 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 118/15 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 117/15 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 129/15 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 338/09

V ZB 174/15

VI ZR 79/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.