Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.01.2010, Az. IV R 86/06

4. Senat | REWIS RS 2010, 10430

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Gegenstand

GmbH-Anteile notwendiges Sonderbetriebsvermögen II bei Vermietung von Wohnungen an Arbeitnehmer der Personengesellschaft durch GmbH - Ausschluss der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach Treu und Glauben nur in besonderen Ausnahmefällen - Zugehörigkeit der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers - Zuordnung der zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers gehörenden GmbH-Anteile bei Veräußerung der Kommanditanteile - Verwirkung von Steueransprüchen - Notwendigkeit der Beiladung einer Kommanditgesellschaft als Prozessstandschafterin ihrer Gesellschafter - Zweck der Beiladung im Revisionsverfahren


Leitsatz

1. NV: Die Beteiligung an einer GmbH gehört zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II des Mitunternehmers, wenn die GmbH überwiegend und vorrangig an Arbeitnehmer der Personengesellschaft Wohnungen vermietet sowie von den Mitunternehmern beherrscht wird .

2. NV: Zu einer Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kommt es nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerinnen und [X.] (Klägerinnen) zu 1. bis 3. waren [X.] der [X.] ([X.]). Unternehmensgegenstand der [X.] war die Herstellung und der Vertrieb von … . Mit [X.] veräußerten die Klägerinnen mit Wirkung zum 1. April 1995 ihre Kommanditanteile.

2

Zum Zeitpunkt der Veräußerung hielten die Klägerin zu 1. 50 % sowie die Klägerinnen zu 2. und 3. jeweils 25 % des Stammkapitals der Y-GmbH (GmbH). Unternehmensgegenstand der GmbH war die Errichtung, der Erwerb und die Verwaltung von Wohnungen. Das Anlagevermögen der GmbH bestand aus 76 Wohnungen. Die Wohnungen waren in den Jahren 1952 bis 1953 als Werkswohnungen errichtet worden und befanden sich in unmittelbarer Nähe des Betriebs der [X.]. Die GmbH vermietete die Wohnungen ursprünglich ausschließlich an Werksangehörige der [X.]. Später wurden die Wohnungen nicht mehr ausschließlich an Werksangehörige vergeben. Zum Zeitpunkt der Veräußerung waren rd. 25 % der Wohnungen fremd vermietet. Dem Betriebsrat der [X.] stand nach der tatsächlichen Handhabung ein Vorrecht bei der Belegung der Wohnungen zu. Die Mietverträge zwischen den Arbeitnehmern der [X.] und der GmbH sahen für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Räumungsanspruch vor. Zum Teil verrechnete die [X.] die von den Arbeitnehmern geschuldeten Mietzahlungen mit deren Gehältern und fertigte in diesen Fällen die Abrechnungen für die GmbH.

3

Bei einer Außenprüfung bei der [X.] gelangte das zunächst beklagte und revisionsklagende Finanzamt ([X.]) zu der Auffassung, die GmbH-Anteile seien Sonderbetriebsvermögen II der Klägerinnen gewesen, das die Klägerinnen mit der Veräußerung ihrer Kommanditanteile entnommen hätten. Den [X.] ermittelte es mit insgesamt 4.840.000 DM. Die gegen den entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr 1995 gerichteten Einsprüche wies das [X.] als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1497 veröffentlichten Gründen statt.

5

Mit seiner Revision rügte das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

6

Das [X.] beantragte sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerinnen beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Während des Revisionsverfahrens sind aufgrund von Art. 1 Nr. 2 Buchst. [X.]. Art. 2 der [X.] Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter des [X.] vom 13. September 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das [X.] 2007, 415) die Zuständigkeiten des [X.] mit Wirkung vom 1. November 2007 auf das [X.] übergegangen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Der während des Revisionsverfahrens durch die Änderung der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter des [X.] eingetretene [X.] führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 22. August 2007 [X.], [X.], 533, [X.], 109, m.w.[X.]). Die Prozesshandlungen des [X.] wirken gegenüber dem [X.] (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 57 [X.]O Rz 54).

2. Das [X.] hat nicht geprüft, ob die [X.] zum Klageverfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1 [X.]O notwendig beizuladen war. Die [X.] ist als Prozessstandschafterin ihrer Gesellschafter gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1  1. Alternative [X.]O auch klagebefugt und damit notwendig beizuladen, soweit es sich --wie im [X.] um Fragen handelt, die [X.] von § 48 Abs. 1 Nr. 5 [X.]O einen Beteiligten persönlich angehen (vgl. [X.] vom 31. Januar 1992 [X.], [X.], 5, [X.] 1992, 559, m.w.[X.]). Die Klagebefugnis der Personengesellschaft entfällt jedoch mit ihrer Vollbeendigung. Die gesetzliche Prozessstandschaft geht nicht auf einen Rechtsnachfolger der Personengesellschaft über ([X.]-Urteil vom 25. April 2006 [X.], [X.], 40, [X.] 2006, 847, m.w.[X.]).

Das Unterlassen der notwendigen Beiladung durch das [X.] begründet einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der vom [X.] wegen zu prüfen ist ([X.]-Urteil vom 11. Oktober 2007 [X.], [X.], 129, [X.] 2009, 705). Die Beiladung kann zwar in der Revisionsinstanz nach § 123 Abs. 1 Satz 2 [X.]O nachgeholt werden. Auch kann der [X.] bei Unsicherheit darüber, ob die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung erfüllt sind, den Sachverhalt selbst aufklären, um die erforderliche Überzeugung zum Vorliegen der in § 48 [X.]O i.V.m. § 60 Abs. 3 [X.]O geregelten Tatbestände zu erlangen ([X.]-Urteil vom 5. Juni 2008 [X.], [X.]E 222, 20, [X.] 2009, 15, m.w.[X.]). Der [X.] sieht jedoch von eigenen Ermittlungen ab, da er sein ihm in § 123 Abs. 1 Satz 2 [X.]O eingeräumtes Ermessen jedenfalls dahin gehend ausüben würde, dass er die Beiladung nicht selbst vornimmt. Denn der Zweck einer Beiladung im Revisionsverfahren, eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zu vermeiden (vgl. [X.] vom 18. Dezember 2002 [X.], [X.]/NV 2003, 636, m.w.[X.]), kann im Streitfall nicht erreicht werden, da das angefochtene Urteil schon aus anderen Gründen aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen ist.

Das [X.] wird daher im zweiten Rechtsgang prüfen müssen, ob die [X.] inzwischen vollbeendet ist. [X.] wird es die [X.] zum Verfahren beizuladen haben.

3. Zu Unrecht hat das [X.] entschieden, die Beteiligungen der [X.] an der GmbH seien zum Zeitpunkt der Veräußerung der [X.] nicht mehr ihrem notwendigen [X.] bei der [X.] zuzuordnen gewesen.

a) Zum Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers gehören alle Wirtschaftsgüter, die dazu geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft (Sonderbetriebsvermögen I) oder der Beteiligung des Mitunternehmers ([X.]) zu dienen. Notwendiges [X.] ist anzunehmen, wenn die dem Mitunternehmer gehörenden Wirtschaftsgüter zur Begründung oder Stärkung seiner Beteiligung eingesetzt werden. Ein solches Wirtschaftsgut kann auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sein (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteil vom 24. Februar 2005 [X.], [X.]E 209, 262, [X.] 2006, 361, m.w.[X.]). Für die rechtliche Beurteilung ist unerheblich, ob die Beteiligung bislang in der ([X.] aktiviert worden war; ihre nachträgliche Aufnahme in die Bilanz ist eine berichtigende Einbuchung (vgl. [X.]-Urteil vom 24. Oktober 2001 [X.], [X.]E 197, 105, [X.] 2002, 75, m.w.[X.]).

b) Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kann die Beteiligung des Gesellschafters an einer Personengesellschaft dadurch stärken, dass sie für das Unternehmen der Personengesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn zwischen den Unternehmen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft eine enge wirtschaftliche Verflechtung derart besteht, dass die eine Gesellschaft eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der anderen erfüllt. Von der Erfüllung einer wesentlichen wirtschaftlichen Funktion kann dann gesprochen werden, wenn die Tätigkeit der GmbH die aktive gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft ergänzt oder wenn die Kapitalgesellschaft aufgrund ihrer wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung in der Art einer unselbständigen Betriebsabteilung der Personengesellschaft tätig wird ([X.]-Urteil in [X.]E 209, 262, [X.] 2006, 361, m.w.[X.]).

c) Nach diesen Maßstäben waren die Beteiligungen der [X.] an der GmbH notwendiges [X.] bei der [X.]. Entgegen der Auffassung der [X.] ist die gegenteilige Beurteilung durch das [X.] für den [X.] nicht gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend, da das [X.] die vorstehenden Rechtsgrundsätze fehlerhaft auf den von ihm festgestellten Sachverhalt angewandt hat; auch bei seiner Würdigung, die Vermietungstätigkeit der GmbH habe das Unternehmen der [X.] nicht gefördert, ist es von unzutreffenden rechtlichen Kriterien ausgegangen (s. dazu nachfolgend unter aa). Der [X.] kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] abschließend beurteilen, dass zwischen den Unternehmen der [X.] und der GmbH --auch noch zum Zeitpunkt der Veräußerung der [X.]-- eine enge wirtschaftliche Verflechtung bestanden hat. Denn die GmbH war aufgrund ihrer wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung in der Art einer unselbständigen Betriebsabteilung der [X.] tätig.

aa) Die Vermietungstätigkeit der GmbH förderte das Unternehmen der [X.]. Die Vermietung von Wohnungen an Arbeitnehmer dient dem Betrieb, wenn die Wohnungen es dem Unternehmen erleichtern, neue Arbeitskräfte zu gewinnen, oder die Wohnungen die Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb verstärken. Die Gewinnung neuer Arbeitskräfte wird erleichtert, wenn die Wohnungen vorrangig an die Arbeitnehmer vermietet werden. Indizien dafür sind ein Wohnungsbelegungsrecht des Arbeitgebers, dessen Mitwirkung bei der Vergabe der Wohnungen oder der Zweck des Unternehmens, die Wohnungen an die Arbeitnehmer zu vermieten. Die Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb wird verstärkt, wenn der Vermieter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt ist, den Mietvertrag zu kündigen oder die Mietkonditionen zu Lasten des Mieters zu verändern (vgl. [X.]-Urteil vom 28. Juli 1993 [X.], [X.], [X.]E 172, 110, [X.] 1994, 46, m.w.[X.]). Zwar ist die genannte Entscheidung zu § 9 Nr. 1 Satz 5 des Gewerbesteuergesetzes ([X.]) 1984 ergangen. Die Grundsätze zu § 9 Nr. 1 Satz 5 [X.] sind indes auf die Zuordnung der Beteiligung an einer Grundstücksgesellschaft zum [X.] übertragbar, da ein Dienen [X.] von § 9 Nr. 1 Satz 5 [X.] nur anzunehmen ist, wenn das fragliche Grundvermögen [X.] des Gesellschafters wäre ([X.]-Urteil vom 17. Januar 2006 [X.], [X.]E 213, 5, [X.] 2006, 434, m.w.[X.]).

Im Streitfall erleichterten die Wohnungen es der [X.], neue Arbeitskräfte zu gewinnen; denn die GmbH vermietete ihre Wohnungen vorrangig an die Arbeitnehmer der [X.]. Hierfür ist maßgebend, dass dem Betriebsrat der [X.] nach der tatsächlichen Handhabung ein Vorrecht bei der Belegung der Wohnungen zustand. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Veräußerung rd. 25 % der Wohnungen fremd vermietet waren, steht deshalb einer vorrangigen Vermietung an die Arbeitnehmer der [X.] nicht entgegen. Außerdem verstärkten die Wohnungen die Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb der [X.], da die Mietverträge zwischen der GmbH und den Arbeitnehmern einen Räumungsanspruch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsahen.

Die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der GmbH und der [X.] kam im Übrigen auch darin zum Ausdruck, dass die [X.] zum Teil die von ihren Arbeitnehmern geschuldeten Mietzahlungen mit deren Gehältern verrechnete und in diesen Fällen die Abrechnungen für die GmbH erstellte.

bb) Zudem ging die von den [X.] zusammen beherrschte GmbH über die Vermietungstätigkeit hinaus keiner anderweitigen Tätigkeit nach (vgl. hierzu [X.]-Urteil vom 23. Januar 2001 [X.], [X.]E 194, 397, [X.] 2001, 825, m.w.[X.]).

4. Selbst wenn man der Auffassung des [X.] folgte, die Anteile der [X.] an der GmbH seien im Jahr 1994 nicht mehr notwendiges [X.] gewesen, änderte dies nichts daran, dass die Anteile zum Zeitpunkt der Veräußerung der [X.] Sonderbetriebsvermögen waren. Denn ein zunächst zum notwendigen [X.] gehörendes Wirtschaftsgut, das später zwar seine Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen verliert, nicht aber zu notwendigem Privatvermögen wird, scheidet nicht ohne eine eindeutige Entnahmehandlung aus dem Betriebsvermögen aus ("geduldetes" Betriebsvermögen, vgl. [X.]-Urteile vom 10. November 2004 [X.], [X.]E 208, 180, [X.] 2005, 334; vom 4. November 1982 [X.], [X.]E 137, 294, [X.] 1983, 448, jeweils m.w.[X.], und vom 9. Januar 1964 IV 274/63 U, [X.]E 78, 243, [X.]I 1964, 97). Das von der Klägerin zu 1. für ihre gegenteilige Auffassung angeführte [X.]-Urteil vom 2. Dezember 1982 [X.] ([X.]E 137, 323, [X.] 1983, 215) ist zu einem anderen Sachverhalt ergangen; dort hatte eine eindeutige Entnahmehandlung vorgelegen. Im Streitfall ist eine eindeutige Entnahmehandlung der [X.] nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht aus der fehlenden Erfassung der GmbH-Anteile in [X.] auf eine Entnahme geschlossen werden, da die Anteile --nach dem Vortrag der [X.] im finanzgerichtlichen [X.] auch in früheren Jahren nicht als Sonderbetriebsvermögen behandelt worden waren.

5. Entgegen der Auffassung der [X.] ist das [X.] nicht nach dem Grundsatz von [X.] und Glauben daran gehindert, die gemeinen Werte der Beteiligungen an der GmbH in die Ermittlung der Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne der [X.] einzubeziehen, weil es die GmbH-Anteile in den [X.] vor der Veräußerung der [X.] als Privatvermögen behandelt hat.

a) Die Finanzbehörde ist nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (§ 2 Abs. 7 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung --EStG--) an ihre rechtliche Würdigung in früheren [X.] nicht gebunden. Dies gilt selbst dann, wenn die --fehlerhafte-- Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden ist oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine fehlerhafte, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat und der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert haben sollte (vgl. [X.]-Urteil vom 21. Oktober 1992 [X.], [X.]E 170, 41, [X.] 1993, 289, m.w.[X.]).

b) Zu einer Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von [X.] und Glauben kann es nur in besonders gelagerten Fällen kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsempfinden in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Dies kommt nach ständiger Rechtsprechung (nur) dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat ([X.]-Urteil vom 29. April 2008 [X.], [X.]E 221, 136, [X.], 817, m.w.[X.]).

Im Streitfall ist weder nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] noch nach dem Vortrag der [X.] ein Verhalten des [X.] erkennbar, aus dem die [X.] hätten schließen können und dürfen, das [X.] werde die Beteiligungen an der GmbH bei einer künftigen Veräußerung ihrer [X.] nicht als Sonderbetriebsvermögen behandeln.

c) Die Behandlung der GmbH-Anteile durch das [X.] für die Veranlagungszeiträume bis zum Streitjahr kann auch keine Verwirkung der [X.] zur Folge gehabt haben, weil die [X.] bzw. Veräußerungsgewinne der [X.] erst im Streitjahr entstanden sind. Verwirkung setzt voraus, dass sich der Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass dieser das (bestehende) Recht in Zukunft nicht geltend machen werde ([X.]-Urteil vom 14. Oktober 2003 [X.], [X.]E 203, 472, [X.] 2004, 123, m.w.[X.]).

6. Das [X.] ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat --aus seiner Sicht konsequent-- nicht die gemeinen Werte der GmbH-Anteile und deren fiktive Buchwerte festgestellt.

a) Die GmbH-Anteile der [X.] sind mit der Veräußerung der [X.] in das Privatvermögen der [X.] übergegangen (vgl. [X.]-Urteil vom 18. Mai 1983 [X.], [X.]E 138, 548, [X.] 1983, 771, m.w.[X.]). Sollten die GmbH-Anteile wesentliche Betriebsgrundlagen gewesen sein, liegt eine Aufgabe der Mitunternehmeranteile der [X.] vor (vgl. [X.] vom 31. August 1995 VIII B 21/93, [X.]E 178, 379, [X.] 1995, 890, m.w.[X.]), anderenfalls ihre Veräußerung. In beiden Fällen sind die Gewinne nach §§ 16, 34 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung begünstigt.

b) Die [X.] bzw. Veräußerungspreise sind daher um die gemeinen Werte der GmbH-Anteile zum Zeitpunkt der Veräußerung der [X.] zu erhöhen (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG; zur Hinzurechnung des gemeinen Werts zurückbehaltener Wirtschaftsgüter zum Veräußerungspreis vgl. [X.]-Urteil vom 28. Juli 1994 IV R 53/91, [X.]E 175, 353, [X.] 1995, 112, m.w.[X.]). Diesen Werten wäre an sich der Buchwert der GmbH-Anteile gegenüberzustellen. Da die Anteile aber nicht als Sonderbetriebsvermögen bilanziert waren, es also keine Buchwerte gibt, ist an deren Stelle der Wert anzusetzen, mit dem die Anteile bei zutreffender Bilanzierung als Sonderbetriebsvermögen anzusetzen gewesen wären ([X.]-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, [X.]E 187, 250, [X.] 1999, 286). Um diesen Wert zu ermitteln, wird das [X.] feststellen, mit welchem Wert die Anteile in das Sonderbetriebsvermögen der [X.] überführt worden sind.

c) Zur Ermittlung der gemeinen Werte der GmbH-Anteile kann --worauf das [X.] zutreffend hingewiesen [X.] nach § 9 Abs. 2, § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes ([X.]) das sog. [X.] Verfahren herangezogen werden, soweit es nicht aus besonderen Gründen zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Ist Letzteres der Fall --was im Streitfall nahe liegt, da das Anlagevermögen der GmbH nur aus Grundstücken bestand--, ist das [X.] im Rahmen der ihm eröffneten Schätzungsbefugnis (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.]) berechtigt, auch andere Methoden zur Wertermittlung bzw. eine Kombination derselben heranzuziehen (z.B. [X.] vom 26. Juni 2007 [X.]/06, [X.]/NV 2007, 1707, m.w.[X.]).

Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

Meta

IV R 86/06

14.01.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 23. November 2005, Az: 4 K 388/03, Urteil

§ 242 BGB, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 1990, § 16 EStG 1990, § 34 EStG 1990

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.01.2010, Az. IV R 86/06 (REWIS RS 2010, 10430)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10430

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