Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2004, Az. II ZR 389/02

II. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2502

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 5. Juli 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

Deutsch-amerikanischer Freundschaftsvertrag Art. [X.], [X.]; HGB § 128
Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten einer in [X.] nach dor-tigen Vorschriften gegründeten Gesellschaft (hier einer "Inc.") mit Verwaltungs-sitz im Gebiet der [X.] richtet sich jedenfalls dann nach dem Gründungsrecht, wenn die Gesellschaft geschäftliche Aktivitäten auch in [X.] entfaltet.

[X.], [X.]eil vom 5. Juli 2004 - [X.] - OLG [X.]en

LG [X.]en I

- 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 5. Juli 2004 durch [X.] h.c. Röhricht und [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das [X.]eil des 19. Zivilsenats des [X.] vom 12. September 2002 auf-gehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das [X.]eil der 26. Zivilkammer des [X.] vom 13. Dezember 2001 wird [X.].

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungs- und des [X.] zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Beklagte und [X.] waren Gesellschafter der [X.] mit registriertem Sitz im Bundesstaat [X.]/[X.] und einer Repräsentanz in M. unter der Adresse einer [X.]. Im September 1994 beauftrag- te der Kläger die [X.], seine 7.550 Aktien der Hu.

- 3 - Corporation in einem Depot der [X.] bei der [X.] B. Inc., [X.] ([X.]) verwahren zu lassen. Anläßlich einer außerordentlichen Ge- sellschafterversammlung der [X.], die am 7. März 1995 in M. statt- fand, wurde u.a. die Übernahme der Aktien des [X.] festgestellt. Mit [X.] vom 12. April 1995 teilte [X.] dem Kläger mit, daß der Beklagte aus der [X.] ausgeschieden sei und deren neue Anschrift nunmehr "c/o [X.] ..." laute. Unter dem 18. August 1996 unterzeichnete der Kläger eine ihm übersandte englischsprachige Erklärung, wonach er u.a. bestätigte, daß ihm im Zusammenhang mit der Tätigkeit der [X.] keine Ansprüche gegen den Beklagten oder gegen die [X.] zustünden. Im November 1996 verstarb [X.]. Mit seiner im Mai 2001 erhobenen Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten Herausgabe der 7.550 Stück Aktien. Die [X.] habe ihren tatsächlichen Verwaltungssitz immer in M. gehabt und sei als OHG zu qualifizieren, weshalb der Beklagte für deren Verbindlichkeiten ge-mäß § 128 HGB hafte. Eine Enthaftung gemäß § 160 HGB sei mangels Eintra-gung seines Ausscheidens im Handelsregister nicht eingetreten. Die am 18. August 1996 unterzeichnete Erklärung habe der Kläger nicht verstanden; sie habe ohnehin gegen das [X.] verstoßen.
Die in erster Instanz abgewiesene Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg. Dagegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Beklagten. Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstin-stanzlichen [X.]eils. - 4 - [X.] Das Berufungsgericht meint, der rechtliche Status der als "[X.]" bezeichneten Gesellschaft richte sich nach [X.] Recht, weil ihr tatsächli-cher Verwaltungssitz sich in M. befunden habe. Da sie Bankgeschäfte und somit Handelsgeschäfte i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 4 a.F. HGB betrieben habe, sei sie ungeachtet ihrer fehlenden Eintragung im [X.] Handelsregister als OHG anzusehen gewesen (§ 123 Abs. 2 HGB). Infolgedessen schulde der [X.] gemäß § 128 HGB Rückgabe der von der Gesellschaft verwahrten [X.]. Auf eine Enthaftung entsprechend § 160 HGB könne sich der Beklagte nicht berufen, weil für den Kläger der Rechtscharakter der [X.] als OHG nicht erkennbar gewesen sei. Der vom Kläger unterzeichnete [X.] vom 18. August 1996 sei unbeachtlich, weil der Kläger über dessen Inhalt nicht [X.] worden sei.
I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht übersieht schon in seinem kollisionsrechtlichen Ausgangspunkt den hier einschlägigen Freundschafts-, Handels- und Schiff-fahrtsvertrag zwischen der [X.] und den [X.] vom 29. Oktober 1954 ([X.] II 1956, 487). Nach Art. [X.] Abs. 5 Satz 2 dieses Abkommens gelten Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaften dieses Vertragsteils; ihr rechtlicher Sta-tus wird in dem Gebiet des anderen Vertragsteils als solcher anerkannt. Entge-gen der Ansicht des Berufungsgerichts ist somit im Geltungsbereich dieses [X.] einer Gesellschaft grundsätzlich nicht an das Recht ihres Verwaltungssitzes, sondern an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht anzuknüpfen (vgl. [X.], [X.]. v. 29. Januar 2003 - [X.]I ZR 155/02, [X.] 153, 353). Das gilt sowohl hinsichtlich der Frage der Rechts- und Parteifähigkeit - 5 - der Gesellschaft ([X.] aaO) als auch in bezug auf die ebenfalls nach dem [X.] zu entscheidende Frage einer Haftung der Gesellschafter für die [X.] (vgl. [X.], [X.]. v. 23. April 2002 - [X.], NJW-RR 2002, 1359 f.) und folgt u.a. auch daraus, daß Art. [X.] des Abkom-mens ausdrücklich Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften jedes Vertragsteils im Gebiet des anderen Vertragsteils gewährt (vgl. [X.] 153, 353, 357 f.). Inso-fern gilt hier ähnliches wie im Geltungsbereich der Niederlassungsfreiheit ge-mäß Art. 43 und 48 EGV (dazu [X.], [X.]. v. 5. November 2002 - [X.]/00 "Überseering", [X.], 2037; v. 30. September 2003 - [X.]/01 "[X.]", [X.], 1885 sowie [X.], [X.]. v. 13. März 2003 - [X.] ZR 370/98, [X.] 154, 185): Die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam ge-gründete Gesellschaft ist in einem anderen Vertragsstaat - unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes - in der Rechtsform anzuerken-nen, in der sie gegründet wurde ([X.] 153, 353, 356 f.; 154, 185, 189).
2. Ob für den Anwendungsbereich des [X.] Vertra-ges (aaO) etwas anderes dann gilt, wenn es sich um eine nur zur Umgehung der strengeren Vorschriften des [X.] Rechts in [X.] gegründete "Briefkastenfirma" handelt, die über keinerlei tatsächliche, effektive Beziehun-gen (sog. "genuine link") zum Gründungsstaat verfügt und sämtliche Aktivitäten ausschließlich in der [X.] entfaltet (vgl. OLG Düssel-dorf [X.], 1009; [X.] in [X.].[X.] 3. Aufl. [X.] Rdn. 253; a.[X.], [X.], 2125, 2128 ff.; derselbe [X.] 2003, 1043 f.; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]. Art. 12 EGBGB Rdn. 3; [X.], [X.], 458 f.; vgl. auch [X.], [X.]. v. 30. September 2003 aaO zu [X.]), [X.] im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn das fragliche Erfordernis eines "genuine link" wird auch von seinen Befürwortern nicht dahin verstanden, daß der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft sich im Gründungsstaat - 6 - befinden muß. Ausreichend wäre vielmehr, daß die Gesellschaft irgendwelche geschäftlichen Aktivitäten in [X.] - nicht notwendig im [X.] (hier: [X.]) - entwickelt (vgl. [X.] aaO; [X.], EWiR 2003, 661 f.; [X.], [X.] 2003, 441, 443), wofür z.B. das Bestehen eines [X.] mit einem [X.] Partner genügt (vgl. [X.]/ [X.]/Willburger, [X.], 972, 974). Da die [X.] für die ihr anvertrau- ten Aktien ein Depot bei der [X.] B. Inc. in [X.] unterhielt, ließe sich ein genuine link zu [X.] nicht verneinen.
3. Richtet sich sonach das Personalstatut der [X.] nach amerikani- schem Recht, scheidet eine Haftung des Beklagten nach § 128 HGB aus. Nach [X.] Recht, das der Senat mangels entsprechender Feststel-lungen des Berufungsgerichts selbst feststellen kann (vgl. [X.] 118, 151, 168; 122, 373, 378, 384), haftet der Gesellschafter einer "Inc." (Kapitalgesellschaft) grundsätzlich nicht für die [X.] (vgl. nur [X.]/[X.], [X.], 413). Einer der Ausnahmefälle, in denen nach [X.] Recht ein "Durchgriff" auf die Gesellschafter in Betracht käme (sog. "piercing - 7 - the corporate veil"; vgl. dazu [X.], [X.], 2125, 2131; [X.], [X.] Gesellschaftsrecht 1991 Rdn. 313 ff.) ist nicht vorgetragen.
Röhricht Goette [X.]

Strohn [X.]

Meta

II ZR 389/02

05.07.2004

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2004, Az. II ZR 389/02 (REWIS RS 2004, 2502)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2502

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