Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2017, Az. B 11 AL 25/16 R

11. Senat | REWIS RS 2017, 5525

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Ruhen des Arbeitslosengeldes - Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe - Abschluss eines Altersteilzeitvertrages im Blockmodell - wichtiger Grund - beabsichtigter nahtloser Übergang in die Altersrente - Prognose - maßgeblicher Zeitpunkt - geänderte Rentenpläne wegen nachträglicher Änderung der Rechtslage - abschlagsfreie Altersrente für langjährig Versicherte ab Vollendung des 63. Lebensjahres - Fortwirken des wichtigen Grundes


Leitsatz

Ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung, der einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe entgegensteht, entfällt nicht dadurch, dass entgegen der ursprünglichen, anhand objektiver Anhaltspunkte prognostisch belegten Absicht unmittelbar nach der Altersteilzeit keine Altersrente, sondern zunächst Arbeitslosengeld in Anspruch genommen wird.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist (nur noch) die Zahlung von Arbeitslosengeld [X.]) für die [X.] vom [X.] bis 22.2.2016, nachdem die Beklagte eine Sperrzeit vom 1.12.2015 bis 22.2.2016, verbunden mit einer Minderung der Anspruchsdauer, festgestellt hatte.

2

Die am 1953 geborene Klägerin war von 1982 bis 30.11.2015 bei der [X.] als Bürofachkraft versicherungspflichtig beschäftigt. Am [X.] schloss sie mit der Arbeitgeberin einen Altersteilzeitvertrag, der das bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis ab 1.12.2009 in ein bis 30.11.2015 befristetes Arbeitsverhältnis umwandelte. [X.] wurde Altersteilzeitarbeit im Blockmodell mit einer Arbeitsphase bis zum 30.11.2012 sowie einer anschließenden dreijährigen Freistellungsphase.

3

Zum 1.12.2015 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte [X.]. Die Beklagte stellte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen vom 1.12.2015 bis 22.2.2016, das Ruhen des [X.]-Anspruchs während dieser [X.] und eine Minderung der Dauer des Leistungsanspruchs um 180 Tage fest, weil die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst habe (Bescheid vom 19.11.2015). [X.] bewilligte die Beklagte ab 23.2.2016 (Bescheid ebenfalls vom 19.11.2015). Die Widersprüche der Klägerin blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.12.2015). Ab 1.3.2016 bezog die Klägerin Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Abschlag.

4

Das [X.] hat die auf Aufhebung der Sperrzeit und Zahlung von [X.] für die [X.] vom 1.12.2015 bis 22.2.2016 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Auf die Berufung der Klägerin hat das L[X.] das Urteil des [X.] und die Bescheide der Beklagten "insoweit abgeändert, als nur eine Sperrzeit von sechs Wochen ab 1.12.2015 festgestellt wird", und die Beklagte verurteilt, "der Klägerin auch [X.] ab [X.] bis 22.2.2016 zu zahlen"; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Mit Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung habe die Klägerin ihre [X.] zum 1.12.2015 bewusst in Kauf genommen. Zwar habe sie bei Abschluss der Vereinbarung einen wichtigen Grund für ihr Verhalten gehabt, weil sie zu diesem [X.]punkt beabsichtigt habe, im unmittelbaren [X.] an die Altersteilzeit trotz Abschlägen in den Rentenbezug zu wechseln. Ein versicherungswidriges Verhalten der Klägerin liege jedoch darin, dass sie ihre Absicht geändert und sich arbeitslos gemeldet habe, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Ihre finanziellen Erwägungen, die sich mit Inkrafttreten des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes zum 1.7.2014 bietende Möglichkeit zu nutzen, ab Erreichen eines Lebensalters von 63 Jahren und 2 Monaten abschlagsfrei eine Altersrente für besonders langjährige Versicherte zu beziehen, seien nicht geeignet, den für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses wichtigen Grund aufrechtzuerhalten. Außerdem hätte die Klägerin, sobald sie ein Abweichen von ihrer früheren Absicht ernsthaft ins Auge gefasst habe, alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen müssen, um den Eintritt des Versicherungsfalles zu vermeiden, woran es vorliegend fehle. Die Sperrzeit sei aber wegen einer besonderen Härte auf sechs Wochen (1.12.2015 bis 11.1.2016) zu verkürzen.

5

Gegen das Urteil hat nur die Beklagte die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt das Vorliegen eines Verfahrensfehlers, weil das L[X.] gegen seine Pflicht zur vollständigen Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch verstoßen habe. Der Tenor des Urteils erstrecke sich nicht auf eine Verringerung der Anspruchsminderung gemäß § 148 Abs 1 Nr 4 [X.]B III. Die Beklagte rügt zudem eine Verletzung von § 159 Abs 3 Satz 2 [X.] b [X.]B III. Eine Sperrzeit von zwölf Wochen bedeute keine besondere Härte und sei daher nicht auf sechs Wochen zu verkürzen, denn die Klägerin sei nicht von Anfang an [X.] davon ausgegangen, nach der Altersteilzeit eine Altersrente ohne Abschläge zu erhalten.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 30. September 2016 teilweise aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 7. April 2016 insgesamt zurückzuweisen.

7

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin für den (nur noch) streitbefangenen [X.]raum vom [X.] bis 22.2.2016 [X.] zusteht, was auch die Minderung der Anspruchsdauer entsprechend verkürzt.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das Berufungsurteil des [X.] vom 30.9.2016, das Urteil des [X.] und der Sperrzeitbescheid vom 19.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.12.2015. Mit diesem hat die Beklagte das Ruhen des Anspruchs auf [X.] vom 1.12.2015 bis 22.2.2016 wegen des Eintritts einer Sperrzeit festgestellt sowie eine Minderung des [X.]-Anspruchs um 180 Tage verfügt. Weiter einbezogen ist auch der Bescheid vom 19.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.12.2015, mit dem die Beklagte für den [X.]raum (erst) ab [X.] bewilligt hat. Beide [X.] bilden insoweit eine einheitliche rechtliche Regelung (vgl BSG vom 16.9.1999 - [X.] [X.] 32/98 R - [X.], 270, 271 = [X.]-4100 § 119 [X.]; [X.] - [X.] [X.] 6/11 R - [X.], 1 = [X.]-4300 § 144 [X.], Rd[X.]2; zuletzt [X.] [X.] [X.] 5/16 R - Rd[X.]0, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen). Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1 und 4 SGG).

Da nur die Beklagte Revision eingelegt hat, ist der Gegenstand des Revisionsverfahrens in zeitlicher Hinsicht auf den [X.] vom [X.] bis 22.2.2016 beschränkt. Für den davor liegenden [X.]raum vom 1.12.2015 bis 11.1.2016 hat das [X.] rechtskräftig entschieden, dass der [X.]-Anspruch der Klägerin zum Ruhen gekommen ist.

Das Berufungsurteil leidet nicht an einem Verfahrensmangel, insbesondere verletzt es nicht - wie von der Beklagten geltend gemacht - § 123 SGG. Nach § 123 SGG hat das Gericht über die von dem jeweiligen Rechtsmittelführer erhobenen Ansprüche umfassend zu entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Zwar hat das [X.] den Umfang der Minderung des [X.]-Anspruchs im Tenor nicht ausgesprochen. Indes ist die Urteilsformel durch Heranziehung der Entscheidungsgründe auszulegen, wenn sie zu Zweifeln über ihren Inhalt Anlass gibt (vgl BSG vom [X.] [X.] 6/00 R - juris, Rd[X.]4; BSG vom [X.] 9b [X.] 5/05 R - juris, Rd[X.]4). In der Begründung des Berufungsurteils hat das [X.] aber eine Verkürzung des [X.] entsprechend der auf sechs Wochen verkürzten Sperrzeit (vgl § 148 Abs 1 [X.]) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Aus der gebotenen Zusammenschau von Tenor und Entscheidungsgründen ergibt sich danach hinreichend deutlich, dass ein Ausspruch über die Minderung der Anspruchsdauer um 42 Tage beabsichtigt war und dieser nur versehentlich unterblieb (vgl auch BSG vom [X.] - [X.] [X.] 10/08 R - [X.]-4300 § 144 [X.] Rd[X.]1). Entsprechend ist der Tenor des Berufungsurteils auszulegen.

Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] bedurfte es vor Erlass der streitbefangenen [X.] keiner Anhörung der Klägerin wegen der beabsichtigten Entscheidung und daher auch keiner Prüfung, ob diese nachgeholt wurde. § 24 SGB X sieht eine Anhörungspflicht nur vor, wenn ein Verwaltungsakt erlassen werden soll, der in bereits bestehende Rechte des Betroffenen eingreift. Hieran fehlt es, weil der Klägerin [X.] noch nicht zuerkannt war, die streitige Verwaltungsentscheidung also in der teilweisen Ablehnung eines Leistungsantrags bestand (vgl nur [X.] in Brand, [X.], 7. Aufl 2015, § 159 Rd[X.]78 mwN; [X.] in [X.], [X.], § 159 Rd[X.] 597, Stand September 2013).

Die Klägerin hat am 1.12.2015 ein Stammrecht auf [X.] erworben, weil sie die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf [X.] erfüllt (§ 137 Abs 1 [X.]). Nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) hat sich die Klägerin bei der [X.] am 18.8.2015 zum 1.12.2015 arbeitslos gemeldet (§§ 137 Abs 1 [X.], 141 [X.]), die Anwartschaftszeit erfüllt (§§ 137 Abs 1 [X.], 142 [X.]) und sie war auch arbeitslos (§§ 137 Abs 1 [X.], 138 [X.]).

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht indes angenommen, dass der Zahlungsanspruch auf [X.] wegen des Eintritts einer Sperrzeit ruhte. Nach § 159 Abs 1 Satz 1 [X.] ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] Halbsatz 1 Alt 1 [X.] vor - nur dieser Tatbestand kommt hier in Betracht -, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt nach § 159 Abs 2 Satz 1 [X.] mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, also in Anwendung des Abs 1 Satz 2 [X.] mit dem ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit.

Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst hat, dass sie mit ihrer Arbeitgeberin im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt hat. Dadurch ist sie nach dem Ende der Freistellungsphase zum 1.12.2015 - wegen der bis dahin bestehenden Bindungen nicht aber schon vorher - beschäftigungslos geworden (vgl BSG vom [X.] - [X.] [X.] 6/08 R - [X.] 104, 90 = [X.]-4300 § 144 [X.]8, Rd[X.]6 ff). Die Klägerin hat ihre Arbeitslosigkeit auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er seine Arbeitslosigkeit jedenfalls dann grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen [X.]arbeitsplatz hat (vgl BSG vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 49/04 R - [X.]-4300 § 144 [X.]0 Rd[X.]4; [X.] - [X.] [X.] 6/11 R - [X.], 1 = [X.]-4300 § 144 [X.], Rd[X.]5). Solche konkreten Aussichten bestanden nach den bindenden Feststellungen des [X.] nicht.

Doch kann sich die Klägerin für ihr Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist über das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, ein wichtiger Grund im Sinne des [X.] muss vielmehr objektiv gegeben sein (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 33/09 R - [X.]-4300 § 144 [X.]1 Rd[X.]2; [X.] - [X.] [X.] 6/11 R - [X.], 1 = [X.]-4300 § 144 [X.], Rd[X.]7; [X.], [X.] 2005, 281, 285; [X.], [X.] 2005, 553, 555). Dabei hat der wichtige Grund nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten [X.]punkt der Beendigung zu umfassen (BSG vom 17.10.2002 - [X.] [X.] 136/01 R - [X.]-4300 § 144 [X.]2 S 34; BSG vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 49/04 R - [X.]-4300 § 144 [X.]0 Rd[X.]7).

Im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch [X.] hat der 7. Senat des BSG mit Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 6/08 R - [X.] 104, 90 = [X.]-4300 § 144 [X.]8) diese Rechtsprechung konkretisiert. Ein Arbeitnehmer kann sich auf einen wichtigen Grund berufen, wenn er bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln, und eine entsprechende Annahme prognostisch gerechtfertigt ist. Die Beurteilung des künftigen Verhaltens des Arbeitnehmers ist dabei abhängig von der rentenrechtlichen Situation und davon, ob bzw wie er diese unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt hat. Dieser Rechtsauffassung, die in der Literatur einhellige Zustimmung erfahren hat (vgl zB Gagel, jurisPR-[X.] 26/2009 [X.] 2; [X.]/Heikel, [X.] 2010, 307, 307 f; [X.] in Küttner, Personalbuch, 24. Aufl 2017, Stichwort "Altersteilzeit" Rd[X.] 42; [X.] in [X.], [X.], 16. Aufl 2015, § 84 Rd[X.]), tritt der erkennende Senat bei.

Für sie spricht - wie bereits der 7. Senat in dem vorbezeichneten Urteil eingehend dargetan hat - der Sinn und Zweck des Altersteilzeitgesetzes (hier in der bis zum 28.12.2007 gültigen Fassung vom 23.12.2003, [X.] 2848). Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Altersteilzeit das Ziel verfolgt, die Praxis der Frühverrentung durch eine neue, sozialverträgliche Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand (Altersteilzeitarbeit) abzulösen. Es war das erklärte Ziel des Gesetzgebers, der Frühverrentungspraxis unter Nutzung des damals rechtlich möglichen vorgezogenen [X.] wegen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken und die Sozialversicherung - insbesondere die Arbeitslosenversicherung - durch die Einführung der Altersteilzeit zu entlasten (vgl [X.], [X.], 22 f). Vor diesem Hintergrund kann einem Arbeitnehmer, der sich dieser Gesetzesintention entsprechend verhält und nach der Altersteilzeit nahtlos in den Rentenbezug wechseln will, der Abschluss eines [X.]es nicht vorgeworfen werden, wenn prognostisch, gestützt auf objektive Umstände, von einem solchen Willen zum direkten Übergang auszugehen war.

So liegt der Fall hier. Nach den bindenden Feststellungen des [X.] hat sich die Klägerin bereits vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung bei einer Rentenstelle über die Möglichkeit des [X.] ab 1.12.2015 mit einem Rentenabschlag von 7,5 % informiert, der objektiv rentenrechtlich möglich war (vgl § 36 [X.] idF der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 754), und auch darüber, welche Rentenhöhe sie zu erwarten hatte (vgl § 77 Abs 2 Satz 1 [X.]a [X.] idF der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 754). Außerdem hatte die Klägerin verschiedene Informationsgespräche mit der Arbeitgeberin, dem Personalrat und Kollegen geführt. Der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung ist von ihrer Arbeitgeberin unterstützt worden. Durch diese Umstände ist, wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, die Absicht der Klägerin bei Abschluss des [X.]es nach dem Ende der Altersteilzeit aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und sich nicht erneut dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, objektiv ausreichend belegt.

Hingegen beruhte nach den Feststellungen des [X.] die Entscheidung der Klägerin, sich entgegen dieser Absicht dennoch arbeitslos zu melden, den Rentenbeginn hinauszuschieben und (erst) ab 1.3.2016 eine (abschlagsfreie) Rente in Anspruch zu nehmen auf einem nachträglichen, im Jahre 2014 gefassten Entschluss, dessen Grund die erst durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.] idF der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 787) mit Wirkung zum 1.7.2014 neu eingeführte abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte war. Dieser Änderung des ursprünglichen Planes kommt im vorliegenden Kontext aber keine maßgebliche Bedeutung zu, denn es bedarf bezüglich des wichtigen Grundes keiner retrospektiven Prüfung, sondern allein einer in die Zukunft gerichteten Prognose und damit einer ex-ante-Betrachtung ausgehend vom [X.]punkt des [X.]. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Aussicht auf eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte für die Klägerin im Jahre 2006 nicht ansatzweise erkennbar gewesen ist.

Entgegen der Rechtsansicht des [X.] entfällt der wichtige Grund auch nicht dadurch, dass die Klägerin entgegen ihrer ursprünglichen Absicht keine Altersrente mit Abschlägen beantragt hat, obwohl ihr dies nach Maßgabe des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl § 36 iVm § 236 Abs 3 [X.] - jeweils idF der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 554) weiterhin möglich gewesen wäre. Für die Annahme des Berufungsgerichts, die Änderung ihrer Absicht bedürfe ihrerseits eines wichtigen Grundes, um den für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses wichtigen Grund aufrechtzuerhalten, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage (vgl auch [X.] in [X.], [X.], § 159 Rd[X.]86c, Stand August 2016; [X.] in Brand, [X.], 7. Aufl 2015, § 159 Rd[X.] 8 und 139).

[X.] knüpft § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] Halbsatz 1 Alt 1 [X.] allein an das (versicherungswidrige) Verhalten des Arbeitnehmers an, das zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geführt hat. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist deshalb nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich bezogen auf diesen das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen. Maßgeblich sind allein die Verhältnisse zum [X.]punkt des Sperrzeitereignisses; einem späteren Verhalten kommt für die Frage, ob der Versicherte für sein Verhalten einen wichtigen Grund hatte, keine Bedeutung mehr zu (vgl [X.] in [X.], Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, [X.], § 159 Rd[X.] 72; [X.] in [X.]/Schmidt-De Caluwe/[X.], [X.], 6. Aufl 2017, § 159 Rd[X.]16).

Diese bereits nach dem Wortlaut des § 159 Abs 1 Satz 1 [X.] naheliegende Auslegung gebieten insbesondere Sinn und Zweck des [X.]. Denn der Versicherte soll durch die Sperrzeitregelungen präventiv zu einem zumutbaren (Alternativ-)Verhalten veranlasst werden, das einen Versicherungsfall vermeidet, um die Gemeinschaft der Beitragszahler vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte zu schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt haben (vgl BSG vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 69/04 R - [X.] 95, 232 = [X.]-4300 § 144 [X.]1 Rd[X.]8; BSG vom [X.] - [X.] [X.] 33/09 R - [X.]-4300 § 144 [X.]1 Rd[X.]2; [X.] - [X.] [X.] 18/11 R - [X.]-4300 § 144 [X.]4 Rd[X.]9; [X.], [X.] 2005, 553, 555). Im Kontext einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe erfährt der sperrzeitrelevante Sachverhalt deshalb im [X.]punkt des [X.] eine Zäsur, denn danach vermag diese präventive Wirkung nicht mehr einzutreten. Die Arbeitsaufgabe ist erfolgt, ein (zumutbares) [X.] ist nicht mehr möglich (vgl [X.], [X.] 2005, 553, 555). Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes kann es dann auch nicht mehr darauf ankommen, wie sich der Arbeitslose im weiteren zeitlichen Verlauf bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit verhält (in diesem Sinne bereits BSG vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 69/04 R - [X.] 95, 232 = [X.]-4300 § 144 [X.]1 Rd[X.]8). [X.] ist es daher auch unbeachtlich, wenn - wie hier - eine Änderung der Absicht erfolgt, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Das Nachverhalten der Klägerin ist nur insoweit von Bedeutung, als sich mit ihm ein (eigenständiges) versicherungswidriges Verhalten iS von § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] verbindet. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.

Insbesondere auf Bemühungen der Klägerin um ein [X.]arbeitsverhältnis bzw Vorkehrungen zur Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes in der [X.] nach Änderung ihres Entschlusses zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente kann es nicht entscheidungserheblich ankommen. Eine allgemeine Pflicht zu weiteren Bemühungen auch im [X.] an den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt steht im Widerspruch zu gesetzgeberischen Grundentscheidungen. Nach § 38 [X.] ist ein Versicherter während eines bestehenden, aber endenden Beschäftigungsverhältnisses nur verpflichtet, sich frühzeitig arbeitsuchend zu melden; es handelt sich hierbei um eine versicherungsrechtliche Obliegenheit, deren Verletzung eine einwöchige Sperrzeit zur Folge haben kann (vgl § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] 7, Abs 6 [X.]). Erst für die [X.] nach dem tatsächlichen Ende des Beschäftigungsverhältnisses greift der Gesetzgeber die in § 2 Abs 5 [X.] [X.] allgemein normierte Verantwortung zur umfassenden Arbeitsuche auf, indem er diesen bloßen Programmsatz nicht nur zur gesetzlichen Obliegenheit mit einer für den Arbeitslosen nachteiligen Rechtsfolge bei ihrer Verletzung ausgestaltet (vgl § 159 Abs 1 Satz 2 [X.], Abs 5 [X.]), sondern zugleich auch zur Anspruchsvoraussetzung für [X.] erhebt (vgl § 138 Abs 1 [X.], Abs 4 [X.]). Ohne ausdrückliche normative Grundlage das Berufen auf einen wichtigen Grund davon abhängig zu machen, ob im [X.]raum zwischen [X.] und Eintritt des Versicherungsfalles alle zumutbaren Anstrengungen unternommen worden sind, um den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu vermeiden, würde diese gesetzlichen Wertungen unterlaufen.

Dem obiter dictum im Urteil des BSG vom [X.] (7 [X.] - [X.] 43, 269 = [X.]100 § 119 [X.], juris Rd[X.]6), auf das das [X.] seine gegenteilige Auffassung gestützt hat, kommt im Hinblick auf die aufgezeigte Rechtsentwicklung - der Sperrzeittatbestand bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung ist erst zum 31.12.2005 als § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] 7 [X.] durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze (vom 22.12.2005, [X.] 3676) eingefügt worden - keine Bedeutung mehr zu (kritisch gegenüber dieser Rechtsprechung bereits [X.], [X.] 2005, 553, 556, noch zu §§ 37b, 140 [X.] aF).

War nach all dem der [X.]-Anspruch der Klägerin im streitbefangenen [X.]raum nicht zum Ruhen gekommen, weil schon die Voraussetzungen einer Sperrzeit nicht vorgelegen haben, kommt es auf die vom [X.] - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - unternommene Prüfung einer "besonderen Härte" iS von § 159 Abs 3 Satz 2 [X.] Buchst b [X.] nicht weiter an. Soweit der Klägerin materiell-rechtlich bereits ab 1.12.2015 ein Anspruch auf [X.] ohne Minderung der Anspruchsdauer zugestanden hat, war hierüber nicht zu befinden, da dem die rechtskräftige Entscheidung des [X.] entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 11 AL 25/16 R

12.09.2017

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Ulm, 7. April 2016, Az: S 6 AL 137/16, Urteil

§ 159 Abs 1 S 1 SGB 3, § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3, § 236b SGB 6, AltTZG 1996 vom 23.12.2003

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2017, Az. B 11 AL 25/16 R (REWIS RS 2017, 5525)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5525

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 11 AL 17/16 R (Bundessozialgericht)

Ruhen des Arbeitslosengeldes - Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe - Prüfung des wichtigen Grundes zum Zeitpunkt des …


B 11 AL 19/18 R (Bundessozialgericht)

Überprüfungsverfahren - Rücknahme einer Sperrzeitentscheidung - Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses …


B 11 AL 31/21 R (Bundessozialgericht)

(Bemessung des Arbeitslosengeldes - einzuordnende Vereinbarung mit Arbeitgeber - Altersteilzeitvereinbarung - Teilzeitvereinbarung - Fortzahlung der …


S 10 AL 89/14 (SG Bayreuth)

Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe


L 10 AL 52/15 (LSG München)

Eintritt einer Sperrzeit nach Abschluss eines Altersteilzeitvertrages


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.