Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.11.2021, Az. VI R 29/19

6. Senat | REWIS RS 2021, 1339

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Gegenstand

(Keine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für statische Berechnungen eines Statikers)


Leitsatz

Für die Leistung (hier: statische Berechnung) eines Statikers kann die Steuerermäßigung nach § 35a EStG auch dann nicht gewährt werden, wenn sie für die Durchführung einer Handwerkerleistung erforderlich war.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 04.07.2019 - 1 K 1384/19 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die [X.]läger und Revisionsbeklagten ([X.]läger) wohnen in einem Einfamilienhaus, das in ihrem hälftigen [X.]iteigentum steht. Für das Streitjahr (2015) wurden sie zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

2

[X.] wurde durch Holzpfosten getragen, welche sich im Laufe der [X.] verdrehten. Zudem bildeten sich zahlreiche tiefe Risse in der Holzstruktur. Die schadhaften Pfosten sollten von der Firma [X.] durch Stahlstützen ersetzt werden. [X.] hielt eine statische Berechnung vor Ausführung der Arbeiten für unbedingt erforderlich, die von der Firma [X.] durchgeführt wurde. [X.] wurden auf dieser Grundlage die Holzpfosten durch [X.] ausgetauscht.

3

Für die statische Berechnung stellte [X.] den [X.]lägern einen Betrag in Höhe von ... € in Rechnung, wobei es sich ausschließlich um Arbeitskosten handelte. Abgerechnet wurden eine Besprechung der Aufgabenstellung vor Ort, das Erstellen der statischen Berechnung sowie Nebenkosten. Die [X.]läger überwiesen [X.] den Betrag im Streitjahr und begehrten in ihrer Einkommensteuererklärung u.a. den Abzug dieser Aufwendungen als Handwerkerleistungen gemäß § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) gewährte die Steuerermäßigung insoweit nicht. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die [X.]läger [X.]lage, der das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e 2019, 1833 veröffentlichten Gründen stattgab.

4

[X.]it der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

5

Das [X.] beantragt,
den Gerichtsbescheid des [X.] Baden-Württemberg vom 04.07.2019 - 1 [X.] 1384/19 aufzuheben und die [X.]lage abzuweisen.

6

Die [X.]läger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der [X.]lage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG war für die durch [X.] in Rechnung gestellten Aufwendungen nicht zu gewähren.

8

1. Gemäß § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und [X.]odernisierungsmaßnahmen um 20 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens um 1.200 €. Nach § 35a Abs. 5 Satz 2 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.

9

Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und [X.]odernisierungsmaßnahmen handelt ([X.]surteil vom 21.02.2018 - VI R 18/16, [X.], 42, [X.], 641, Rz 12). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von [X.]ietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden ([X.]surteil vom 28.04.2020 - VI R 50/17, [X.], 178, Rz 12, m.w.N.).

2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kommt eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für die von [X.] in Rechnung gestellten statischen Berechnungen nicht in Betracht.

a) Ein Tragwerksplaner (sog. Statiker) ist grundsätzlich nicht handwerklich tätig, sondern erbringt Leistungen im Bereich der Planung und rechnerischen Überprüfung von Bauwerken sowie der Beurteilung der baulichen Gesamtsituation (vgl. z.B. [X.], Beschluss vom 31.05.2011 - [X.] U 164/10, Neue juristische Wochenschrift 2011, 2739). Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit, so dass der [X.] insoweit von weiteren Ausführungen absieht.

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stellen die statischen Berechnungen auch nicht deshalb eine Handwerkerleistung dar, weil diese für die im Jahr 2016 von [X.] erbrachten Leistungen --dem Austausch der schadhaften Pfosten - unstreitig eine Handwerkerleistung-- unerlässlich waren. Denn die vom [X.] angenommene "sachliche Verzahnung" der Leistungen von [X.] mit den Handwerkerleistungen des [X.] mag zwar in der Sache zutreffen, führt aber nicht dazu, dass die Leistung eines [X.] als anteilige Handwerkerleistung i.S. des § 35a EStG anzusehen ist.

Vielmehr sind beide Leistungen jeweils getrennt zu betrachten und hinsichtlich ihrer Eigenschaft als "Handwerkerleistungen" i.S. des § 35a Abs. 3 EStG zu beurteilen. Diese Betrachtungsweise entspricht im Übrigen auch dem Rechtsgedanken der [X.]surteile vom 13.05.2020 - VI R 4/18 ([X.], 272, [X.] 2021, 669) und VI R 7/18. Danach ist für eine von einem Unternehmer erbrachte Handwerkerleistung, die teilweise in der Werkstatt des Handwerkers an einem Gegenstand des Haushalts erbracht wird, nur insoweit die Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu gewähren, als die Leistung tatsächlich einen (unmittelbaren) räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt aufweist, für den sie erbracht wird. Ist eine von einem Unternehmer erbrachte Leistung hinsichtlich der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 35a EStG ggf. aufzuteilen, so sind erst recht zwei getrennte und von unterschiedlichen Unternehmern erbrachte Leistungen jeweils für sich daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen einer Steuerermäßigung nach § 35a EStG vorliegen.

c) Dieser Beurteilung steht auch das [X.]surteil vom 06.11.2014 - VI R 1/13 ([X.], 424, [X.] 2015, 481) nicht entgegen.

Dort hat der [X.] entschieden, dass die Erhebung des unter Umständen noch mangelfreien Istzustandes, beispielsweise die Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Anlage durch einen Handwerker, ebenso Handwerkerleistung i.S. des § 35a Abs. 3 EStG sein kann wie die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens oder vorbeugende [X.]aßnahmen zur [X.]. Im Streitfall unterhält [X.] weder einen Handwerksbetrieb noch liegt eine handwerkliche Leistung des [X.] vor (vgl. unter [X.]). Der Zusammenhang mit der Handwerkerleistung des [X.] im Jahr 2016 reicht nicht aus, die statischen Berechnungen als Handwerkerleistung einzustufen (vgl. unter II.2.b).

d) Da es sich bei der Leistung des [X.] bereits nicht um eine Handwerkerleistung i.S. des § 35a Abs. 3 EStG handelt, kann offenbleiben, ob und ggf. inwieweit die Leistung "im Haushalt" der [X.]läger erbracht wurde.

3. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VI R 29/19

04.11.2021

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 4. Juli 2019, Az: 1 K 1384/19, Gerichtsbescheid

§ 35a Abs 3 S 1 EStG 2009, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.11.2021, Az. VI R 29/19 (REWIS RS 2021, 1339)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1339

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