Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2012, Az. VI ZR 291/10

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3162

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 291/10

Verkündet am:

18. September 2012

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 823 Abs. 1 [X.], § 1004 Abs. 1; KUG §§ 22, 23; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung über die in der Öffentlichkeit bekannte wahre Tatsache, eine (namentlich genannte) Entertainerin sei durch Krankheit aus ihrer Karriere herausgerissen worden.
[X.], Urteil vom 18. September 2012 -
VI ZR 291/10 -
KG Berlin

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
18.
September 2012
durch den Vorsitzenden [X.], die [X.] Zoll und Wellner, die [X.]in
Diederichsen und den [X.] Stöhr
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 10.
Zivilsenats des [X.] vom 9.
September 2010 aufgehoben.
Auf die Berufung der [X.] wird das Urteil der 27.
Zivilkam-mer des [X.] vom 14.
Juli 2009 abgeändert.
Die Klage
wird
abgewiesen.
Die Klägerin trägt
die
Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, eine bekannte Entertainerin, Comedy-Darstellerin und Ka-barettistin, verlangt die Unterlassung einer Wort-
und Bildberichterstattung in der von der [X.] verlegten Zeitschrift "F.

".
In der Ausgabe Nr.
5 vom 21.
Januar 2009 wurde
im Zusammenhang mit einem Bericht über die Erkrankung einer bekannten Sportmoderatorin darüber berichtet, dass die Klägerin ihrerseits ein Jahr zuvor durch eine schwere Erkrankung aus ihrer lau-fenden Tournee herausgerissen worden, seither nicht mehr vor die
Kamera zu-rückgekehrt sei und
man bis dato über ihren Gesundheitszustand nichts wisse.
1
-

3

-

Im Einzelnen beanstandet die Klägerin eine Fotomontage auf der Titel-seite der Ausgabe, auf der ein Portraitfoto
von ihr zusammen mit einem solchen der Sportmoderatorin zu sehen
ist, sowie ein weiteres Portraitfoto von ihr auf Seite 3 der Ausgabe mit der [X.] K.
erkrankte im Januar 2008"
so-wie folgende Berichterstattung über sich im Rahmen eines
Artikels
über eine aktuelle Erkrankung
der Sportmoderatorin:
(1)
"Koma nach Routine-OP
erleidet sie das gleiche Schicksal wie [X.] K.?",
(2)
"Droht ihr das gleiche Schicksal wie [X.] K.?",

(3)
"Unwillkürlich denkt man
an einen Parallelfall -
an [X.] K. (47). (...) Die prominente [X.] Schauspielerin wurde vor genau einem Jahr von heute auf morgen aus ihrer Tournee "Wer Sahne will, muss Kühe schütteln"
herausgeris-sen. Die Erklärung über ihre Erkrankung war ebenso dürftig (...). Schweigen. Schwer erkrankt, mehr war nicht zu erfahren. Zunächst hieß es, [X.] Tournee werde im [X.] 2008 fortgesetzt, doch dann wurden alle Termine abgesagt. Und fortan war von der Schauspielerin nichts mehr zu hören.
So etwas ist immer höchst beunruhigend. Bis heute weiß man nichts über ihren Gesundheitszustand. [X.] K.
trat vor keine Kamera mehr -
sie ist wie vom Erdboden verschluckt (...). Werden wir auf sie warten müssen wie auf [X.] K.?"
2
3
4
-

4

-

Das [X.] hat der Klage auf Unterlassung der entsprechenden Wort-
und Bildberichterstattung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher [X.] in Höhe von 1.196,43

u-fungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der [X.] mit der [X.] zurückgewiesen, dass die erneute Veröffentlichung des auf Seite 3 der Zeitschrift veröffentlichten Fotos der Klägerin mit [X.] im [X.] mit der beanstandeten Wortberichterstattung untersagt wird.
Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr [X.]weisungsbegehren weiter.
Nachdem die Klägerin ab 6. September 2011 -
unstreitig -
selbst mit um-fangreichen Erklärungen und Interviews über ihre Erkrankung in die [X.] getreten ist, hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Klage ab dem 6. September 2011 für erledigt erklärt. Der Prozessbevollmächtigte der [X.] hat sich der [X.] nicht angeschlossen; er begehrt
weiterhin [X.]weisung.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht mit dem [X.] einen Unterlassungs-anspruch der Klägerin gemäß §
1004 Abs.
1 Satz
2 BGB analog, §
823 Abs.
1 BGB, Art.
1 Abs.
1, Art.
2 Abs.
1 GG hinsichtlich der Text-
und Bildberichterstat-tung sowie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Klägerin müsse nicht hinnehmen, dass in der von ihr beanstandeten [X.] ihr Gesundheitszustand thematisiert werde, der zumindest
zum [X.] der Privatsphäre eines Menschen gehöre. Ausgangspunkt der bean-5
6
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-

5

-

standeten Berichterstattung sei zwar die ernsthafte Erkrankung einer Sportmo-deratorin und nicht die Erkrankung der Klägerin. Die gesamten Umstände der Fragestellung, ob dieser Sportmoderatorin das gleiche Schicksal wie der Kläge-rin drohe, fielen jedoch in den Kernbereich ihrer
Privatsphäre. Soweit die [X.] meine, bei der Berichterstattung gehe es allein um den Umstand, dass die Klägerin aufgrund einer Erkrankung ihrem Beruf ebenfalls nicht mehr nach-gehe und diese Information zur Sozial-
oder Öffentlichkeitssphäre zähle, sei dies schon angesichts der beanstandeten Äußerungen nicht nachvollziehbar. Ein Zusammenhang der Berichterstattung mit der im [X.] 2008 abgesagten Tournee der Klägerin sei schon nach dem Inhalt des Artikels -
der die schwere Erkrankung einer dritten Person betreffe
-
nicht erkennbar. Dass die Tournee der Klägerin aufgrund einer Erkrankung habe unterbrochen werden müssen und auch -
entgegen anders lautenden Ankündigungen
-
im [X.] 2008 nicht fortgesetzt worden sei, diene im vorliegenden Zusammenhang lediglich der [X.] der Klägerin, nicht jedoch der Information des an dem Tourneeprogramm und dessen Fortsetzung interessierten Publi-kums. Eine Berichterstattung über die Sportmoderatorin [X.] begründe kein neues Berichterstattungsinteresse bezüglich der Person der Klägerin, deren Interesse am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts die Äußerungs-
und Pressefreiheit der [X.]
überwiege. Der Klägerin stehe auch ein Unterlassungsanspruch ge-mäß §
1004 Abs.
1 Satz
2, § 823 Abs.
1, Abs.
2 [X.] §§
22, 23 KUG, Art.
1 Abs.
1, Art.
2 Abs.
1 GG hinsichtlich der [X.] zu. Bei der Fo-tomontage auf der Titelseite, welche die Klägerin gemeinsam mit [X.] zeige, sei schon kein zeitgeschichtliches Ereignis
vorhanden. Im Übrigen beschränke sich der Informationsgehalt der Bildberichterstattung auf die Illustrierung der unzu-lässigen Wortberichterstattung. Danach verbleibe im Hinblick auf die veröffent-lichten Fotos der Klägerin kein "bereinigter Text", der sich zulässigerweise mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis beschäftige.
-

6

-

II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Erledigung der Klage kann schon
deshalb nicht festgestellt werden, weil die Klage von Anfang an unbegründet war.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte
die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §
823 Abs.
1, §
1004 Abs.
1 Satz 2 BGB analog iVm Art.
1 Abs.
1,
Art.
2 Abs.
1 GG auf Unterlassung der [X.] über die Tatsache der Erkrankung der Klägerin.
a) Allerdings wird das durch Art.
2 Abs.
1 iVm Art.
1 Abs.
1 GG verfas-sungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassagen
in dem Artikel der [X.] beeinträchtigt.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine Persönlichkeits-recht das Recht
auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. [X.] 34, 238, 245; 35, 202, 220; [X.], [X.], 562
Rn. 55 f.; Senatsurteile vom 19. Dezember 1995
-
VI
ZR 15/95, [X.]Z 131, 332, 337; vom 9.
Dezember 2003 -
VI
ZR 373/02,
VersR 2004, 522; vom 26. Oktober 2010 -
VI
ZR 230/08, [X.]Z 187, 200
Rn.
10, 13 und vom
22.
November 2011 -
VI
ZR 26/11, [X.], 192 Rn.
10,
jeweils [X.]). Dabei ist der Schutz der Privatsphäre sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres [X.] typischerweise als "privat"
eingestuft werden, 9
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-

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-

weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in [X.] ([X.] 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten ([X.] 27, 344), im Bereich der Sexualität ([X.] 47, 46; 49, 286), bei sozial abweichendem Verhalten ([X.] 44, 353) oder bei Krankheiten
([X.] 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kennt-niserlangung durch andere, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, ob-wohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. Se-natsurteile vom 25. Oktober 2011 -
VI
ZR 332/09, [X.], 66
Rn.
15
und vom 22. November 2011 -
VI
ZR 26/11, [X.], 192 Rn.
10; vgl. auch [X.] 101, 361, 382).
bb) Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigt die beanstandete [X.] die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, denn in dem von der [X.] veröffentlichten Artikel werden Informationen über ihre privaten Angelegenheiten, nämlich über ihre Erkrankung wiedergegeben, deren Verbreitung in den Medien sie nicht wünschte.
b) Diese Beeinträchtigung hatte
die Klägerin aber hinzunehmen.
aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmen-rechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die [X.] Grundrechte und Gewährleistungen der [X.] interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile 13
14
15
-

8

-

vom 9. Dezember 2003 -
VI
ZR 373/02, aaO S. 523; vom 11. März 2008 -
VI
ZR 189/06, [X.], 695 Rn.
13 und -
VI
ZR 7/07, [X.], 793 Rn.
12; vom 3. Februar 2009 -
VI
ZR 36/07, [X.], 555 Rn.
17; vom [X.] 2009 -
VI
ZR 19/08, [X.], 1545 Rn.
16; vom 20. April 2010 -
VI
ZR 245/08, [X.], 2728 Rn.
12;
vom 22. November 2011 -
VI
ZR 26/11,
[X.], 192 Rn. 13; [X.] 114, 339, 348 [X.]; 120, 180, 200
f.; [X.], [X.], 365 Rn.
17; [X.], 480 Rn.
61). Eine Beeinträchtigung des Persön-lichkeitsrechts
ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Be-troffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Se-natsurteile vom 21. Juni 2005 -
VI
ZR 122/04, [X.], 1403, 1404; vom 17.
November 2009 -
VI
ZR 226/08, [X.], 220 Rn.
20
ff. [X.]; vom 15.
Dezember 2009 -
VI
ZR 227/08, [X.]Z 183, 353 Rn.
11 -
Onlinearchiv I; vom 9.
Februar 2010 -
VI
ZR 243/08, [X.], 673 Rn.
14 -
Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 -
VI
ZR 245/08, aaO; vom 22. November 2011 -
VI
ZR 26/11,
[X.], 192 Rn.
13).
bb) Im Streitfall sind das Interesse der Klägerin am durch Art.
1 Abs.
1, Art.
2 Abs.
1 GG, Art.
8 [X.] gewährleisteten
Schutz ihrer Persönlichkeit ei-nerseits und die durch Art.
5 Abs.
1 GG, Art.
10 [X.] geschützten Äußerungs-interessen der [X.] andererseits abzuwägen (vgl. [X.], NJW 2012,
1053 und
1058). Diese Abwägung fällt unter den Umständen des [X.] zugunsten der [X.] aus.
cc) In der Rechtsprechung des [X.] sind ver-schiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwä-gungsvorgang vorgeben (vgl. [X.], [X.], 365 Rn.
17; [X.], 480 Rn.
61 f., jeweils [X.]). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das 16
17
-

9

-

Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, insbesondere wenn die [X.] betroffen ist.
Zur Privatsphäre -
auch einer Person des öffentlichen Interesses
-
gehört grundsätzlich die eigene Erkrankung, wobei Ausnahmen allenfalls bei einem besonderen Personenkreis wie beispielsweise wichtigen Politikern, Wirtschaftsführern oder Staatsoberhäuptern bestehen
können (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 1995 -
VI
ZR 332/94, [X.], 339, 340; vom 14. Oktober 2008 -
VI
[X.],
[X.], 78
Rn.
20; -
VI
ZR 256/06, [X.], 76
Rn. 20
und -
VI
ZR 260/06, [X.], 511
Rn.
19).
dd) Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.]
NJW 2012, 1053
Rn. 108 ff.
und 1058
Rn.
186
ff., je-weils zur Wort-
und Bildberichterstattung) sind bei der
Abwägung insbesondere der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die Bekanntheit der betroffenen Person und der Gegenstand der Berichterstattung,
das frühere [X.] der betroffenen Person,
die Art der Erlangung von Informationen und ihr Wahrheitsgehalt sowie der Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Veröf-fentlichung
zu berücksichtigen.
ee) Nach diesen Grundsätzen hat im Rahmen der gebotenen Gesamt-abwägung das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hinter dem von der [X.] verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.
(1) Die Klägerin ist eine in der Öffentlichkeit insbesondere durch viele Fernsehauftritte bekannte Kabarettistin, Comedy-Darstellerin und Entertainerin und damit eine Person
des öffentlichen Interesses.
(2) Im Streitfall beschränkte
sich die Berichterstattung der [X.] im Verhältnis zur
Klägerin auf die Wiedergabe der damals in der Öffentlichkeit längst bekannten
wahren
Tatsache, dass die Klägerin im Januar 2008 ihre 18
19
20
21
-

10

-

Tournee krankheitsbedingt abbrechen musste ("Schwer erkrankt, mehr war nicht zu erfahren"), sie entgegen einer Ankündigung im [X.] 2008 nicht [X.] aufgenommen hat
und seither -
ohne weitere
Informationen an die Öffent-lichkeit
gelangen zu lassen
-
"von der Bildfläche verschwunden ist". Es wurden keinerlei konkrete Aussagen zu Art und Ursache der Erkrankung der Klägerin gemacht, vielmehr wurde
sogar ausdrücklich mitgeteilt, dass man nichts über ihren
Gesundheitszustand wisse. Aus den Umständen wurde
lediglich die -
naheliegende
-
Schlussfolgerung gezogen, dass die Erkrankung vermutlich schwer sein muss ("So etwas ist immer höchst beunruhigend").
(3) Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von den vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen Se-natsurteilen
(Senatsurteile vom 5. Dezember 1995 -
VI
ZR 332/94, [X.], 339
und vom 14. Oktober 2008 -
VI [X.], [X.], 78; -
VI
ZR 256/06, [X.], 76 und -
VI
ZR 260/06, [X.], 511), denen Berichte über (medizinische) Einzelheiten über (angebliche) Erkrankungen der dortigen Klä-ger zugrunde lagen.
(4) Die Grenze zu einer unzulässigen Presseberichterstattung wurde
im Streitfall -
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
-
auch nicht dadurch überschritten, dass
die Berichterstattung über die Erkrankung der Klägerin im Zusammenhang mit einem Bericht über einen aktuellen Fall einer schweren Erkrankung einer bekannten Sportmoderatorin erfolgte und -
wie das [X.] meint
-
sich daraus kein neues Berichterstattungsinteresse herlei-ten lasse. Für die Wortberichterstattung als solche gilt der durch Art.
5 GG ge-währleistete Grundsatz der freien Berichterstattung, wobei dem [X.] im Rahmen der auch dort erforderlichen Abwägung nicht schon deshalb regelmäßig der Vorrang gebührt, weil eine weder unwahre noch ehren-rührige Berichterstattung bloße Belanglosigkeiten über eine prominente Person 22
23
-

11

-

zum Gegenstand hat, ohne einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Mei-nungsbildung zu leisten (vgl. Senatsurteile
vom 25. Oktober 2011 -
VI ZR 332/09,
[X.], 66 Rn. 27;
vom 26. Oktober 2010 -
VI
ZR 230/08, [X.], 130 Rn.
19 und vom 1. Juli 2008 -
VI
ZR 243/06, [X.], 1506
Rn.
23; [X.] [X.], 562; [X.], [X.], 1141, 1148
f.). Abgesehen davon hatte die von der Klägerin beanstandete Berichterstattung über ihre Per-son nicht bloße Belanglosigkeiten zum Gegenstand, sondern diente auch der Unterrichtung der interessierten Öffentlichkeit und ihrer "Fangemeinde"
darüber, dass es ein
Jahr nach ihrer Erkrankung und [X.] immer noch [X.] Informationen über ihren Gesundheitszustand und eine mögliche Rück-kehr in ihren Beruf gab. Dadurch konnte
die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung über die Informationspolitik beliebter Künstler leis-ten, die sich nach einer plötzlichen Erkrankung völlig aus der Öffentlichkeit zu-rückziehen und ihr besorgtes Publikum über ihr weiteres Schicksal im Ungewis-sen lassen.
(5) Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den ak-tuellen Fall der Sportmoderatorin [X.] zum Anlass genommen hat, sich erneut mit dem -
ihrer Ansicht nach Parallelen aufweisenden
-
Fall der Klägerin zu [X.], zumal sich dieser
Fall zum damaligen Zeitpunkt gerade
jährte. Die betreffenden Äußerungen
weisen
keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf und die Intensität der Beeinträchtigung
ist gering. Sie sind in keiner Weise her-absetzend
oder gar ehrverletzend.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte
die
Klägerin
gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus §
1004 Abs.
1 Satz 2, §
823 Abs.
1, Abs.
2 [X.] §§
22, 23 KUG, Art.
1 Abs.
1, Art.
2 Abs.
1 GG auf Un-terlassung der erneuten Veröffentlichung der beanstandeten Bildnisse.
24
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-

12

-

a) Die Zulässigkeit von [X.] ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkon-zept der §§
22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6.
März 2007 -
VI
ZR 51/06, [X.]Z 171, 275 Rn.
9
ff.
und zuletzt vom 18. Okto-ber 2011 -
VI
ZR 5/10, [X.], 116
Rn. 8 f.
und vom
22. November 2011
-
VI
ZR 26/11, [X.], 192 Rn. 23 f., jeweils [X.]), das sowohl mit verfas-sungsrechtlichen Vorgaben (vgl. [X.] 120, 180, 201
ff.) als auch mit der Rechtsprechung des [X.] für Menschenrechte
im Ein-klang steht (vgl. [X.] NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§
22 Satz
1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß §
23 Abs.
1
Nr. 1
KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§
23 Abs.
2 KUG).
b) Nach diesen Grundsätzen war die von der Klägerin angegriffene Bild-berichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.
aa) Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Der [X.] behandelte, soweit für diesen Rechtsstreit von Interesse, das Verschwinden einer bekannten Entertainerin, Schauspielerin
und Kabarettistin aus der Öffent-lichkeit nach einer schweren Erkrankung, die geheim gehalten wurde. Die Be-richterstattung war, wie oben dargelegt, vom öffentlichen Informationsinteresse gedeckt, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt,
ob sie auch Darstellungen enthielt, die man je nach der Einstellung zu weitgehend unterhal-tenden Medienprodukten als belanglos oder spekulativ bewerten kann. Es ist nicht zulässig, Medienprodukte, die das Zeitgeschehen darstellen, ausschließ-lich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen. Entscheidend 26
27
28
-

13

-

ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich der Wortberichterstattung als auch hin-sichtlich des veröffentlichten Fotos einen noch ausreichenden Bezug zu der Wortberichterstattung hatte
und dieses Thema unter den Umständen des Falles von öffentlichem Interesse und demgemäß als zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von §
23 Abs.
1 Nr.
1 KUG zu beurteilen war. Davon ist hier auszugehen, denn der Begriff der Zeitgeschichte wird nicht gegenstandsbezogen, etwa allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, verstanden, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt ([X.] 101, 361, 392; [X.], NJW 2001, 1921, 1922 f.).
bb) Die veröffentlichten Fotos hatten nach der Art ihrer Gewinnung und Darstellung auch keinen eigenständigen Verletzungsgehalt. Es handelt sich um kontextneutrale Porträtfotos, deren Veröffentlichung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Senatsurteil vom 14.
Mai 2002
-
VI
ZR 220/01, [X.]Z 151, 26, 32
f.) und des [X.] (vgl. [X.] NJW 2001, 1921, 1924 f.; NJW 2006, 2835 Rn.
13) unbedenklich ist
und die berechtigte Interessen der Klägerin (§
23 Abs.
2 KUG) nicht verletzt. Der Umstand, dass eines der Fotos auf der Titelseite im Wege einer -
als sol-che ohne Weiteres erkennbaren
-
Fotomontage mit einem Foto der Sportmode-ratorin [X.] verbunden worden ist, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, zumal sich die Klägerin gegen die Fotos als solche auch gar nicht
wendet, [X.] lediglich gegen ihre Veröffentlichung im Zusammenhang mit der -
aller-dings erlaubten
-
Wortberichterstattung.
3. Nach alledem unterliegt die Klage insgesamt der Abweisung
und zwar auch nachdem die Klägerin die Klage
ab dem 6. September 2011 für erledigt erklärt hat. Da sich der Prozessbevollmächtigte
der [X.] der Erledigungs-erklärung nicht angeschlossen und weiterhin [X.]weisung beantragt hat, ist nunmehr in der "Hauptsache"
darüber zu entscheiden, ob die ursprüngliche 29
30
-

14

-

Klage (tatsächlich) erledigt ist
(vgl. etwa [X.]/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., §
91a Rn. 34 [X.]).
Dies ist nicht der Fall, weil die Klage von Anfang an unbe-gründet war.
Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, konnte der er-kennende Senat
gemäß §
563 Abs.
3 ZPO
in der Sache selbst entscheiden.
Galke
Zoll
Wellner

Diederichsen
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.07.2009 -
27 [X.]/09 -

KG Berlin, Entscheidung vom 09.09.2010 -
10 U 114/09 -

Meta

VI ZR 291/10

18.09.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2012, Az. VI ZR 291/10 (REWIS RS 2012, 3162)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3162

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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