Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2017, Az. 1 StR 268/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5002

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210917B1STR268.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 268/17

vom
21. September
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. September
2017
gemäß §
349 Abs.
2, § 354 Abs. 1a
[X.] beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25. Januar 2017 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Neben-
und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von [X.], und wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in 29 weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei [X.] verurteilt. Daneben hat es eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Adhäsions-
und Nebenklägerin getroffen und im Übrigen von einer Entschei-dung über den [X.] abgesehen. Die Revision des Beschwerdefüh-rers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

1. Der Revisionsangriff des Beschwerdeführers gegen den Schuldspruch und den Adhäsionsausspruch hat aus den in der Antragsschrift des [X.] ausgeführten Gründen keinen Erfolg. Die Nachprüfung des [X.] aufgrund der [X.] hat insoweit keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben (§
349 Abs.
2 [X.]).

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2. Auch die Strafaussprüche haben Bestand.

der Angeklagte

trotz seines weitreichenden Geständnisses

in der [X.] kaum eine Gelegenheit ungenutzt ließ, seine während des gesam-ten Prozesses in ihrer Rolle als Nebenklägerin persönlich anwesende Stieftoch-ter als ´wahre Täterin` hinzustellen und diese, ebenso wie seine Ehefrau und seinen Stiefsohn, zum Teil übel zu diffamieren

35). Dies war unter den gegebenen Umständen rechtsfehlerhaft, weil das [X.] dem Angeklagten
zulässiges Verteidigungsverhalten strafschärfend angelastet hat. Nach ständi-ger Rechtsprechung des [X.] dürfen Zeugen und Mittäter [X.] Angaben nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie eindeutig die Grenzen angemessener Verteidigung überschreiten und Rück-schlüsse auf eine rechtsfeindliche Einstellung des Angeklagten zulassen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7.
März 2001

2 StR 21/01, [X.], 419 und vom 22.
Juni 1999

1 [X.], [X.], 536 mwN). Daher dürfen auch [X.] über ein Tatopfer nur dann strafschärfend verwertet werden, wenn in ihnen eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende Ehrverletzung des Tatopfers oder eine rechtsfeindliche Gesinnung gesehen werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
Juli 2010

3
StR 219/10, [X.], 692 mwN;
[X.], StGB, 64.
Aufl., §
46
Rn.
53
f.
mwN). Solches ist hier jedoch nicht trag-fähig festgestellt.

Zwar ist
der Angeklagte nach der Wertung des [X.]s die Neben-klägerin während der drei Hauptverhandlungstage in einer Weise angegangen, dass sein Einlassungsverhalten nicht mehr als durch die Wahrnehmung seiner prozessual und verfassungsrechtlich verbürgten
Verteidigungsrechte gerecht-fertigt angesehen werden könne ([X.] S.
35). Diese Wertung wird jedoch
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von den in den Urteilsgründen hierfür als Beleg angeführten Äußerungen des Vielmehr dienten alle dort angeführten Äußerungen des Angeklagten seiner Verteidigung im Hinblick auf das Zustandekommen der Taten und betrafen [X.] unmittelbar strafzumessungsrelevante Tatsachen. Der Angeklagte hatte sich eingelassen, seine sexuellen Handlungen seien jeweils von der Nebenklä-gerin veranlasst gewesen; sie sei immer der aktivere Teil gewesen und habe ihn zum Teil auch erpresst ([X.] S.
11). Wenn sich der Angeklagte aber gegen den Vorwurf, die Tathandlungen seien jeweils von ihm ausgegangen, obwohl die Nebenklägerin ihm mehrfach gesagt habe, dass sie das nicht möchte ([X.] ([X.] S. 35) und er sei Opfer einer Intrige der Nebenklägerin und deren Mutter, seiner Ehefrau ([X.] S. 11), so verlässt dies noch nicht den Bereich zulässiger Verteidigung. Auch soweit der Angeklagte Formulierungen verwendete, wie etwa, er sei völlig fassungslos, mit welcher Gefühlskälte die Nebenklägerin sei-en Lügenteppich

35), bezweckte er ersichtlich noch seine Verteidigung und verließ noch nicht eindeutig den Bereich zulässiger [X.]. Darüber hinausgehende diffamierende Äußerungen des Angeklagten hat das [X.] nicht benannt. Damit hat es noch zulässiges [X.] rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet.

b) Dieser Rechtsfehler erfordert indes nicht die Aufhebung der [X.] und die Zurückverweisung der Sache an das [X.], da so-wohl die Einzelstrafen als auch die vom [X.] verhängte [X.] trotz dieses Strafzumessungsfehlers
angemessen sind (§
354 Abs.
1a Satz
1 [X.]).

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aa) Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des §
354 Abs.
1a [X.] angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeb-lichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach §
46 StGB für die Strafzumes-sung erheblichen Umstände zu beurteilen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17.
März 2005

3 StR 39/05, [X.], 465 und vom 3.
Mai 2013

1
StR 66/13, [X.], 307). Dies ist vorliegend auch möglich, weil alle für die [X.] erforderlichen Feststellungen vom [X.] getroffen worden sind und es daher keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf (vgl. [X.], [X.] vom 29.
April 2014

4 StR 23/14). Der Senat hat der Verteidigung Ge-legenheit gegeben, zu einer Vorgehensweise nach §
354 Abs.
1a [X.] Stel-lung zu nehmen (vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.], [X.], 60.
Aufl., § 354, Rn.
28a mwN). Da die Verteidigerin in ihrer Stellungnahme hierzu vom 20.
September 2017 keine neuen
strafzumessungsrelevanten
Um-stände
mitgeteilt hat und solche
auch auf anderem Weg nicht bekannt gewor-den sind,
kann der Senat auf der Grundlage des vom [X.] zutreffend ermittelten, vollständigen und aktuellen [X.] die für die Strafzumessung relevanten Umstände und deren konkretes Gewicht selbst abwägen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom
14.
Juni 2007

2 BvR 1447/05, Rn.
102, [X.]E 118, 212, 238).

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hält der Senat insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl der von dem Angeklagten zu Lasten der Nebenkläge-rin, seiner Stieftochter, begangenen Taten und die bei der Nebenklägerin ein-getretenen Tatfolgen ([X.] S.
35) die vom [X.] verhängten Strafen für angemessen im Sinne des §
354 Abs.
1a [X.]. Dies gilt in gleicher Weise für die Einzelstrafen von jeweils acht Monaten in den ersten zehn Fällen,
für die Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten in den weiteren 29 Fällen und
für die 7
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Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Diese Strafen sind auch unter Berücksichtigung der vom [X.] strafmildernd berücksichtig-ten Umstände ([X.] S.
34) angemessen im Sinne des §
354 Abs.
1a [X.]. Zu diesen Umständen zählen insbesondere, dass der nicht vorbestrafte [X.] ein

freilich nicht von Reue und Schuldeinsicht getragenes

Geständnis ablegte, mit einer Selbstanzeige die eigene strafrechtliche Verfolgung initiierte, dass die Taten im unteren Bereich denkbarer sexueller Handlungen anzusie-deln sind und dass das langjährig gefestigte [X.] Leben des Angeklagten durch die [X.] und seine nach der Selbstanzeige erfolgte Inhaftierung vollständig zerbrochen ist.
Raum Jäger Cirener

Bär Hohoff

Meta

1 StR 268/17

21.09.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2017, Az. 1 StR 268/17 (REWIS RS 2017, 5002)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5002

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