Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2017, Az. XI ZR 66/16

11. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16871

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Gegenstand

Wirksamkeit von Widerrufsbelehrungen in Altverträgen über Verbraucherdarlehen: Nicht erforderlicher Hinweis zu finanzierten Geschäften


Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des [X.] vom 1. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 65.000 €.

Gründe

[X.]

1

Die Parteien schlossen am 18. August 2009 - die Kläger als Verbraucher - drei Darlehensverträge über insgesamt 275.000 €. Den Darlehensverträgen waren jeweils gleichlautende Widerrufsbelehrungen folgenden Inhalts beigefügt.

Abbildung

2

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

3

Ihre Klage auf Feststellung, dass die Darlehensverträge nicht mehr bestünden und die Kläger der [X.] aus den Darlehensverträgen nur die nach Abzug sämtlicher von den Klägern an die Beklagte geleisteten Zahlungen zuzüglich Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Eingang der einzelnen Zahlungen bei der [X.] verbleibende Nettodarlehenssumme nebst Nutzungsentschädigung in Form der marktüblichen Verzinsung der Nettodarlehenssumme schulden, außerdem auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, hilfsweise auf Rückzahlung der von den Klägern erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen nebst Herausgabe von Nutzungen und Feststellung, dass die nach dem 31. Dezember 2014 geleisteten Tilgungen der Kläger auf die streitgegenständlichen Darlehen auf die Restschuld der Darlehen angerechnet werden, hat das [X.] abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen ([X.], BeckRS 2016, 07389).

I[X.]

4

Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das gilt auch bei einer Beurteilung anhand revisionsrechtlicher Maßstäbe (vgl. [X.], 79, 81 ff.; 18, 105, 111 f.; 19, 467, 475).

5

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht und ohne, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO besteht, davon ausgegangen, die Beklagte habe die Kläger ordnungsgemäß über das ihnen nach § 495 Abs. 1 BGB zustehende Widerrufsrecht belehrt.

6

a) Die Angabe der Widerrufsfrist mit "zwei Wochen" stand in Übereinstimmung mit § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB in der hier gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF). Anders als in dem Fall, der dem Senatsurteil vom 12. Juli 2016 ([X.], [X.], 1930 Rn. 19, zur [X.] bestimmt in [X.]) zugrunde lag, war hier der [X.] "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" mit der Einleitung "[X.]:" versehen und damit deutlich an den die Belehrung erteilenden Mitarbeiter der [X.] und nicht an die Kläger als Kunden gerichtet.

7

b) Eines Hinweises darauf, bei einer Mehrheit von Darlehensnehmern könne jeder für sich seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen, bedurfte es entgegen der Rechtsauffassung der Kläger nicht (Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - [X.], [X.], 2295 Rn. 13, zur [X.] bestimmt in [X.]).

8

c) Die Angaben zu den Widerrufsfolgen standen in Einklang mit den Angaben der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 [X.] in der hier maßgeblichen, zwischen dem 4. August 2009 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF) und waren, ohne dass es auf die Gesetzlichkeitsfiktion des [X.] ankäme, hinreichend deutlich (Senatsbeschluss vom 27. September 2016 - [X.], juris Rn. 9).

9

d) Die Ausführungen im Abschnitt "[X.]" machten die Widerrufsbelehrung der [X.] ebenfalls nicht undeutlich, obwohl verbundene Verträge nicht vorlagen. [X.] müssen für verschiedene Vertragsgestaltungen offen sein (Senatsurteil vom 23. September 2003 - [X.], [X.], 2232, 2234 unter [X.]). Wie der Senat mit Urteil vom 23. Juni 2009 ([X.], [X.], 1497 Rn. 17) entschieden hat, ist eine Widerrufsbelehrung nicht generell unwirksam, weil sie Elemente zu finanzierten Geschäften enthält, zu deren Aufnahme der Unternehmer nicht verpflichtet ist.

Auch der [X.] (10) der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 [X.] aF sah den nur fakultativen Wegfall der "nachfolgenden Hinweise für finanzierte Geschäfte" vor, wenn ein verbundener Vertrag nicht vorlag. Dass der Verordnungsgeber die Verwendung dieser Hinweise freistellte, weil "die Beurteilung, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt oder nicht, im Einzelfall schwierig sein kann" ([X.], Begründung zur [X.] zur Änderung der [X.], BAnz. 2008, 957, 962 unter [X.]]), führt nicht dazu, dass "Sammelbelehrungen" als undeutlich und unwirksam zu behandeln sind. Vielmehr hat der (Parlaments-)Gesetzgeber - wenn auch für andere als [X.] - selbst durch die Übernahme des insoweit nicht veränderten [X.]es (10) der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 [X.] aF (dazu BT-Drucks. 16/11643, [X.]) in [X.] (11), später (10) und schließlich (12) der Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB und [X.] (7), später (8) der Anlage 2 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit § 360 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB, jeweils in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF), zu erkennen gegeben, von der hinreichenden Deutlichkeit einer Widerrufsbelehrung (und Rückgabebelehrung) auch dann auszugehen, wenn sie nicht erforderliche Hinweise zu finanzierten Geschäften enthält (vgl. [X.], [X.], 337, 338 f.).

Sein erst ab dem 30. Juli 2010 wirksamer gesetzgeberischer Wille, bei der Gestaltung des Musters für eine Widerrufsinformation für [X.] gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB eine Information über verbundene Verträge nur bei deren Vorliegen zuzulassen (BT-Drucks. 17/1394, [X.], linke Spalte oben; dazu auch [X.]/[X.], 7. Aufl., § 358 Rn. 71), betrifft nicht den Anwendungsbereich des § 360 BGB aF und ist für die Interpretation des Deutlichkeitsgebots des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF nicht maßgeblich. Entsprechend geht auch die obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, "Sammelbelehrungen" seien nicht per se undeutlich und unwirksam ([X.], Urteil vom 29. Januar 2016 - 22 U 126/15, juris Rn. 111; [X.], Urteil vom 24. Februar 2016 - 13 U 84/15, juris Rn. 76 ff.; Beschluss vom 23. März 2015 - 13 U 168/14, juris Rn. 6; Beschluss vom 3. Mai 2016 - 13 U 33/16, juris Rn. 9 ff.; [X.], [X.], 337, 338 f. und [X.], 123, 124 ff.; Beschluss vom 21. Mai 2015 - 17 U 709/15, juris Rn. 5; [X.], Urteil vom 7. Oktober 2015 - 5 U 95/15, juris Rn. 24).

Hier entsprachen die von der [X.] verwandten Textbausteine - mit einem offensichtlichen Schreibversehen: "Pflicht zum Wertersatzpflicht" statt "Pflicht zum Wertersatz" und mit einigen unmaßgeblichen Anpassungen bei der [X.] - im Wesentlichen einer Kombination der Texte im [X.] (10) des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 [X.] aF und waren hinreichend deutlich.

2. Weil das Begehren der Kläger in der Sache keinen Erfolg hat, kann hier dahinstehen, ob die Kläger mit ihren Hauptanträgen zulässig im Wege der Feststellungsklage gegen die Beklagte vorgehen konnten. Ein Feststellungsbegehren, das das Berufungsgericht für zulässig erachtet hat, kann bei tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (Senatsurteil vom 1. Juli 2014 - [X.], [X.], 1621 Rn. 18; [X.], Urteile vom 24. Februar 1954 - [X.], [X.] 12, 308, 316, vom 9. November 1967 - [X.], [X.], 219, 221 unter [X.] und vom 27. März 2015 - [X.], [X.], 1005 Rn. 9 [X.]). Gründe der prozessualen Fairness gebieten es in einem solchen Fall nicht, dem Kläger zuvor die Möglichkeit zu geben, von der unzulässigen und unbegründeten [X.] zu einer ebenso unbegründeten Leistungsklage überzugehen. Entsprechend wäre im Revisionsverfahren die das Feststellungsbegehren der Kläger sachlich zurückweisende Entscheidung des Berufungsgerichts aufrechtzuerhalten. Deshalb ist eine Zulassung der Revision auch nicht veranlasst, um zur Anwendung des § 256 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden weitere Maßgaben zu entwickeln.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Ellenberger     

       

Joeres     

       

Menges

       

Derstadt     

       

Dauber     

       

Meta

XI ZR 66/16

24.01.2017

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 1. Februar 2016, Az: 17 U 139/15, Beschluss

§ 355 Abs 2 S 1 BGB vom 29.07.2009, § 360 Abs 1 BGB vom 29.07.2009, § 491 Abs 1 BGB vom 29.07.2009, § 495 BGB vom 29.07.2009, § 14 BGB-InfoV vom 05.08.2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2017, Az. XI ZR 66/16 (REWIS RS 2017, 16871)

Papier­fundstellen: WM2017,370 REWIS RS 2017, 16871

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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