Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.09.2022, Az. 2 B 44/21

2. Senat | REWIS RS 2022, 5852

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Gegenstand

Anrechnung von Renten bei Versorgung eines Kirchenbeamten


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 8. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 480 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Der Rechtsstreit betrifft die Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Versorgung und [X.]esoldung einer Kirchenbeamtin.

2

Die im August 1950 geborene Klägerin stand seit 1. September 1984 - zuletzt im Amt einer Oberstudienrätin - im Dienst der beklagten [X.] [X.] in [X.]ayern; seit dem 13. Februar 2016 ist sie im Ruhestand. Ihre Versorgungsbezüge wurden auf den [X.] von 71,75 % festgesetzt. Mit den von der Klägerin angefochtenen [X.]escheiden nahm die [X.]eklagte eine Anrechnung der der Klägerin seit dem 1. Januar 2016 gewährten Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Diese beruhen darauf, dass die Klägerin vor ihrer Tätigkeit bei der [X.] als verbeamtete Lehrerin im Dienst des [X.] stand; für den [X.]raum vom 19. September 1979 bis 31. August 1984 wurde sie nach ihrem Ausscheiden in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Die beim [X.] geleisteten Dienstjahre sind bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt worden.

3

Die gegen die Anrechnung erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass nach den maßgeblichen kirchenrechtlichen [X.]estimmungen Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der für [X.]eamte geltenden Höchstgrenzen gezahlt würden. Da die Klägerin diesen [X.]etrag erreicht habe, sei die gesetzliche Rente voll anzurechnen. Nur so könne eine Überversorgung im Vergleich zu [X.]eamten, die ihre gesamte [X.]erufstätigkeit bei der [X.] verbracht haben, vermieden werden. Eine [X.]enachteiligung der Klägerin liege hierin nicht, weil die Vordienstzeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit angerechnet würden. Im Fall der Klägerin beruhe die Rentenleistung im Übrigen ausschließlich auf Zahlungen ihres ehemaligen Dienstherrn. Verfassungsrechtliche [X.]edenken hiergegen bestünden nicht. Nach den kirchenrechtlichen [X.]estimmungen finde die Anrechnung von Rentenleistungen bei der [X.]esoldung in gleicher Weise wie bei der Versorgung statt, sodass auch die Anrechnung auf die [X.]esoldung der Klägerin vom 1. Januar bis 12. Februar 2016 nicht zu beanstanden sei.

4

2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete [X.]eschwerde hat den allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung nicht dargelegt.

5

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender [X.]edeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Die Prüfung des [X.] ist dabei auf die mit der [X.]eschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

6

a) Die mit der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage, ob eine Anrechnung nach § 34 Abs. 8 des Kirchengesetzes über die Versorgung der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden [X.]eschäftigten in der bis zum 30. Juni 2021 gültigen Fassung - [X.] - unabhängig von den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift stattzufinden hat, wenn die der Rentenleistung zugrundeliegenden [X.]en als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt worden sind, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

7

Die [X.]eschwerde hat bereits nicht dargelegt, dass der Auslegung der zum 1. Juli 2021 außer [X.] getretenen [X.]estimmung noch grundsätzliche [X.]edeutung zukommen könnte. Regelmäßig haben Rechtsfragen, die die Auslegung außer [X.] getretener Rechtsvorschriften betreffen, aber keine grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung der Rechtslage nicht mehr erforderlich ist. Anderes gilt nur, wenn die [X.]eantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin von [X.]edeutung ist oder die Nachfolgeregelung dieselben Rechtsfragen aufwirft ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 31. März 2021 - 2 [X.] - juris Rn. 7 m. w. N.). Ausführungen hierzu enthält die [X.]eschwerde nicht, ein fortbestehender Klärungsbedarf kann auch dem Akteninhalt nicht entnommen werden. Angesichts des geänderten Wortlauts des § 34 Abs. 8 KVersG n. F. stellen sich die Fragen künftig aber nicht in gleicher Weise.

8

Unabhängig hiervon ist die Auslegung von § 34 Abs. 8 [X.] für den Ausgang der Klage nicht entscheidungserheblich. [X.] ist der [X.]eschwerde allerdings, dass die [X.]estimmung in § 34 Abs. 8 [X.], auf die das [X.]erufungsgericht die Anrechnung primär gestützt hat, nur eine Ausschlussregelung enthält. Die Zulässigkeit einer Anrechnung, die in § 34 Abs. 1 bis 6 [X.] keine Grundlage findet, kann hierauf daher nicht gestützt werden. Auf diesem Mangel beruht die Entscheidung aber nicht, weil das [X.]erufungsgericht - wie zuvor bereits ausführlich das Verwaltungsgericht - zur [X.]egründung auch auf § 37 KVersG i. V. m. Art. 85 [X.]ay[X.]eamtVG verwiesen hat.

9

Ist eine [X.]erufungsentscheidung selbständig tragend auf mehrere Gründe gestützt, kann die Revision aber nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der [X.]egründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 18. Februar 2016 - 3 [X.] 10.15 - juris Rn. 9). Ist nur hinsichtlich einer [X.]egründung ein Zulassungsgrund gegeben, kann diese Erwägung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. März 2016 - 2 [X.] 66.15 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 62 Rn. 6 m. w. N.).

b) Hinsichtlich der Anwendung des § 37 KVersG hat die [X.]eschwerde die in Anspruch genommene grundsätzliche [X.]edeutung aber nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 VwGO).

Soweit die [X.]eschwerde die Auffassung vertritt, § 37 KVersG erfasse nicht Fälle, in denen die Rentenzahlung auf Leistungen beruhe, zu denen die [X.]eklagte keine [X.]eiträge geleistet habe, widerspricht dies bereits dem klaren Wortlaut der Regelung. § 37 KVersG umfasst gerade Renten oder Rententeile, die nicht gemäß § 34 KVersG anrechenbar sind. Insbesondere kann § 34 KVersG nicht als eine die Anwendbarkeit des § 37 KVersG ausschließende Spezialregelung für die Anrechnung von Renten auf die Versorgung angesehen werden. Zum einen gilt § 37 KVersG nach seinem Wortlaut ohne Einschränkung für "Renten", also auch für solche der gesetzlichen Rentenversicherung, deren Anrechnung in § 34 KVersG geregelt ist. Zum anderen bezieht sich § 37 KVersG ausdrücklich auf "Renten oder Rententeile, die nicht nach § 34 anrechenbar sind" und damit auf Renten der gesetzlichen Rentenversicherung. Die gesetzliche Systematik sieht eine gestufte Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Sie sind entweder bereits nach den speziellen kirchlichen Regelungen des § 34 Abs. 1 bis 6 KVersG in dem dort bestimmten Umfang anzurechnen. Oder - soweit die Spezialregelung des § 34 KVersG nicht anwendbar ist - eine Anrechnung erfolgt nach der allgemeinen [X.]estimmung des § 37 KVersG mit dem Verweis auf das staatliche [X.]eamtenversorgungsrecht in Art. 85 [X.]ay[X.]eamtVG in dem dort bestimmten Umfang. Danach hat bei einem Kirchenbeamten, bei dem - wie hier - der [X.] von 71,75 Prozent festgesetzt worden ist, eine Anrechnung zu erfolgen.

Die [X.]eschwerde hat auch keine tragenden Einwände gegen die Gültigkeit der Vorschrift dargetan. Ebenso wie bei der Vorbildvorschrift des § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.]eamtVG ist auch für die Anwendung des § 37 KVersG nicht maßgeblich, ob der Rentenanspruch durch eigene [X.]eiträge des die Versorgungsbezüge zahlenden Dienstherrn finanziert worden ist. Grundgedanke ist vielmehr die "Einheit der öffentlichen Kassen"; der [X.]eamte soll insgesamt von der öffentlichen Hand eine angemessene Versorgung erhalten ([X.]VerwG, Urteil vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - [X.] 239.1 § 55 [X.]eamtVG Nr. 30 Rn. 17; zur Verfassungsmäßigkeit [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 30. September 1987 - 2 [X.]vR 933/82 - [X.]VerfGE 76, 256 <297 f.>; Kammerbeschluss vom 16. März 2009 - 2 [X.]vR 1003/08 - NVwZ-RR 2010, 118). "Öffentliche Mittel" in diesem Sinne sind auch kirchliche Alimentationsleistungen ([X.]VerwG, Urteil vom 15. Dezember 1967 - [X.] 68.67 - [X.]VerwGE 28, 345 Rn. 46 m. w. N.). Nur dann, wenn die Rente überwiegend auf einer Eigenleistung des [X.]eamten beruht, scheidet eine Anrechnung aus.

[X.]ezüglich der [X.] ist auch nichts für die von der [X.]eschwerde angenommene Verletzung des Willkürverbots ersichtlich. Jedenfalls beim Erreichen des gesetzlich geregelten Höchstversorgungsniveaus rechtfertigt der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Überversorgung des zusätzlich eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehenden [X.]eamten, dem die außerhalb des [X.]eamtenverhältnisses verbrachte [X.] als ruhegehaltfähige Dienstzeit bei seiner [X.]eamtenversorgung zugutekommt, die Anrechnung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

c) Schließlich hat die Klägerin auch hinsichtlich der Anrechnung ihrer Rentenleistung auf die bis 12. Februar 2016 noch gezahlten [X.]esoldungsbezüge keine grundsätzliche [X.]edeutung dargelegt.

Nach § 6 Satz 1 des Kirchengesetzes über die [X.]esoldung der Kirchenbeamten, Kirchenbeamtinnen, Religionspädagogen, Religionspädagoginnen, Diakone und [X.] vom 3. Dezember 2013 (KA[X.]l. 2014 S. 10, 12) - K[X.][X.]esG - erfolgt eine Anrechnung von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung auf die [X.]esoldung entsprechend den im [X.]ereich der beklagten [X.] geltenden versorgungsrechtlichen [X.]estimmungen. Die Anrechnung findet ihre Grundlage damit in einer kirchenrechtlichen Rechtsgrundlage. Sie kommt hier zur Anwendung, weil die Klägerin erst zum Schulhalbjahr in den Ruhestand getreten ist und damit für den [X.]raum vom 1. Januar bis 12. Februar 2016 neben der gesetzlichen Altersrente auch [X.]ezüge aus ihrem aktiven Dienstverhältnis bezogen hat.

Grundlegende Zweifel an der Gültigkeit dieser Norm hat die [X.]eschwerde nicht aufgezeigt. Insbesondere ist nicht dargelegt, warum die Anrechnung im Fall der Klägerin zu einer Verletzung des Alimentationsprinzips führen sollte. Denn sie erhält die ihrem Amt angemessene Alimentation auch im [X.]raum vom 1. Januar bis 12. Februar 2016 in [X.]. Dass hierfür auch die Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Ansatz gebracht werden, ändert an dem [X.]etrag der ihr aus öffentlichen Kassen gewährten Gesamtalimentation nichts.

Die [X.]eschwerde hat auch nicht dargelegt, warum die Anrechnung gegen das Willkürverbot verstoßen sollte. Sie beruht auf der [X.]esonderheit, dass die Klägerin erst nach Eintritt der gesetzlichen Regelaltersgrenze in den Ruhestand getreten ist und daher neben der Rentenleistung auch [X.]ezüge aus einem aktiven Dienstverhältnis bezogen hat. Die Anrechnung beruht daher auf einem sachlichen Grund.

Soweit die Klägerin darauf verwiesen hat, dass die [X.]eklagte keine eigenen Mittel für die Finanzierung der gesetzlichen Rente aufgebracht hat, verkennt sie den [X.]egriff der öffentlichen Kassen. Im Übrigen hat auch die Klägerin selbst keine eigenen Mittel für die streitige Rentenleistung aufgewendet, die auf einer Nachversicherung ihres ehemaligen Dienstherrn beruht. Von dem geltend gemachten Missverhältnis kann daher keine Rede sein.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 42 Abs. 3 GKG.

Meta

2 B 44/21

06.09.2022

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 8. Juli 2021, Az: 3 BV 20.1259, Urteil

Art 55 BeamtVG BY, Art 85 BeamtVG BY, § 34 Abs 8 EvKiBeamtBesG BY, § 37 EvKiBeamtBesG BY

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.09.2022, Az. 2 B 44/21 (REWIS RS 2022, 5852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5852

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