Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.06.2013, Az. 5 StR 581/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5096

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Gegenstand

Betrug: Vermögensschaden bei täuschungsbedingter Erzielung niedrigerer Preise für preisgebundene Medikamente


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, den Angeklagten   [X.]zudem noch wegen versuchter Erpressung verurteilt und gegen beide Angeklagten Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die hiergegen gerichteten Revisionen der beiden Angeklagten haben in vollem Umfang Erfolg.

2

1. Das [X.] hat die Verurteilungen wegen Betruges nicht rechtsfehlerfrei begründet.

3

a) Es sieht einen (mittäterschaftlichen) Betrug darin, dass die Angeklagten als für die [X.]in S.               tätige Beratungsapotheker bei der Versorgung von Krebspatienten durch ermächtigte Krankenhausärzte der Abrechnung von Medikamenten zu Klinikpreisen zustimmten. Ebenso hätten die Angeklagten betrügerisch gehandelt, indem sie im Zusammenwirken mit der beliefernden Apotheke bei aus Fertigarzneimitteln zusammengestellten Medikamenten die Abrechnung eines hierfür nicht vorgesehenen [X.]rstellerrabatts veranlassten. Beides hat das [X.] als jeweils selbständige Betrugshandlung (Verkaufs- und Rabattschaden) gewertet, welche die Angeklagten jeweils in Mittäterschaft mit den leistenden und abrechnenden Apothekern begangen hätten.

4

b) Dies hält rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil die Wirtschaftsstrafkammer nicht hinreichend konkret dargelegt hat, wie die beiden Angeklagten in das System der Arzneimittelbeschaffung eingebunden waren. Dies war erforderlich, weil sowohl der Bezug auf die Verschreibung der ermächtigten Ärzte als auch deren Abrechnung durch die leistenden Apotheker ohne unmittelbare Beteiligung der Angeklagten erfolgt ist. Die Formulierung: „Die Angeklagten wirkten mit“, ist zu floskelhaft, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Verurteilung der Angeklagten als Mittäter zu ermöglichen. Ebenso wenig erlauben die insoweit wenig aussagekräftigen Urteilsgründe eine Einordnung des Handelns der Angeklagten als [X.]. Es kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass der [X.] Handlungsschwerpunkt auf einem Unterlassen liegt, etwa in Form einer - dann nicht einmal zwingend gegen eine Garantenpflicht verstoßenden - Nichtbean-standung namens der [X.]gegenüber den bei dieser geltend gemachten Abrechnungen. Schließlich genügen auch die Ausführungen zur Schadenshöhe den rechtlichen Anforderungen nicht, weil sich das [X.] insoweit allein auf die Ergebnisse der sachverständigen Zeugin K.    stützt, ohne konkret den Rechenweg wenigstens in seinen grundlegenden Zügen mitzuteilen. Die Schadensberechnung war hier kein lediglich einfacher Rechenschritt (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 [X.], [X.], 2546), bei dem die bloße Ergebnismitteilung ausreichen könnte.

5

c) Durchgreifenden Bedenken begegnet aber jedenfalls die Feststellung des Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB. Im Ansatz zutreffend geht das [X.] davon aus, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel preisgebunden sind. Für diese werden nach § 78 [X.] i.V.m. der Arzneimittelpreisverordnung Preise und Spannen durch Rechtsverordnung festgelegt (vgl. zur Entstehungsgeschichte [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2012, § 78 Rn. 2 ff.). Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 dieser Verordnung (AMPreisV) gelten die durch die Verordnung vorgegebenen Spannen nicht für die Abgabe an Krankenhäuser (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Juli 2012 - 5 StR 1/12, [X.], 628).

6

Das [X.] beschränkt sich jedoch darauf, die Preise für Fertigarzneimittel aus dem Krankenhaus- und dem Offizinbereich (gegebenenfalls unter Berücksichtigung zusätzlicher zulässiger Rabatte) gegenüberzustellen. Dies begegnet hier durchgreifenden Bedenken. Wie der [X.] bereits entschieden hat, begründet die täuschungsbedingte Erzielung niedrigerer Preise nicht ohne weiteres einen Vermögensschaden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die erzielten Preise zumindest kostendeckend sind. Da der Betrug nicht die Vermögensmehrung schützt, sondern nur den Vermögensbestand, kommt eine Verurteilung wegen Betruges nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit des Absatzes für das liefernde Unternehmen auch zu dem höheren Preis gesichert erscheint. Nur in diesem Fall läge nämlich ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB vor ([X.], Beschlüsse vom 9. Juni 2004 - 5 [X.], NJW 2004, 2603, und vom 14. Juni 1991 - 3 [X.], [X.], 2573).

7

Mit dieser Frage setzt sich die Wirtschaftsstrafkammer hier nicht auseinander, weil sie mögliche andere Bezugsquellen nicht berücksichtigt. Es hätte nämlich der Erörterung bedurft, ob sich die Arzneimittel auf dem [X.] oder dem Markt für Parallelimporte dann zu ähnlichen, jedenfalls günstigeren Bedingungen hätten beschaffen lassen. Die Differenz zum Offizinpreis stellt deshalb nicht zwangsläufig den Schaden dar, wenn das Arzneimittel anderweitig hätte günstiger beschafft werden können. Dies gilt im Übrigen auch für die Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln. Insoweit muss geprüft werden, ob ohne den Ansatz des [X.]rstellerrabatts (§ 130a [X.]) vergleichbar günstig Produktalternativen zur Verfügung gestanden hätten.

8

Die Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte (Beschluss vom 22. August 2012 - GemS-OBG 1/10, [X.]Z 194, 354) schließt ein solches vergleichendes Vorgehen nicht aus. Dort ist zwar ausgeführt, dass die [X.] Vorschriften für den [X.] auch für verschreibungspflichtige Arzneimitteln gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] im Wege des Versandhandels nach [X.] an Endverbraucher abgeben. In der Entscheidung wird aber auch darauf hingewiesen, dass der ([X.] auf [X.] der pharmazeutischen Unternehmer (§ 4 Abs. 18 [X.]) zulässig bleibt. Nur um diesen Beschaffungsvorgang von dem pharmazeutischen Unternehmer geht es hier. Daneben gilt, dass der [X.]rstellerrabatt ebenso wenig wie das [X.] Preisrecht nach der Rechtsprechung des [X.] für eingeführte Arzneimittel gelten würde ([X.], 161). Jedenfalls bis zur Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte ist von dieser Rechtsprechung auszugehen (vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2012, § 78 Rn. 79 ff.).

9

d) Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand reichen hier ebenfalls nicht aus. Das [X.] schließt aus dem Gespräch der Angeklagten mit dem Apotheker [X.]wie auch aus der Höhe der abgerechneten Preise, dass die beiden Angeklagten den Einsatz von [X.] kannten. Gleichfalls folgert es aus den Bekundungen des Zeugen [X.]auch ihr Wissen um die unberechtigte Inanspruchnahme des [X.]rstellerrabatts. Die Wirtschaftsstrafkammer verhält sich jedoch nicht zu der Frage, ob die Angeklagten auch die vorgelagerte rechtliche Bewertung in ihrer (als Nichtjuristen) jedenfalls partiell laienhaften Sphäre zutreffend gewürdigt haben.

Die Regelung des § 14 Abs. 4 [X.] lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass die Belieferung der ermächtigten Krankenhausärzte zwingend zu [X.] zu erfolgen hätte. Ebenso wenig ergibt sich eine solche Rechtsfolge aus § 1 Abs. 3 AMPreisV. Insoweit hat das [X.] diesen [X.], auf den sich die Betrugsstrafbarkeit bezog, nicht deutlich herausgearbeitet (vgl. [X.] [Kammer] NJW 2002, 3693). Insbesondere hätte sich das [X.] mit der Frage befassen müssen, welche Vorstellung die Angeklagten hatten. Der bloße Bezug auf ein Schreiben, in dem diese Auffassung vertreten wird, vermag isoliert keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Belieferung mit Krankenhausware begründen. Auch insoweit kommt es auf den - vom [X.] nicht näher beleuchteten - Gesamtkontext der Bestellungen an. Hielten die Angeklagten nämlich eine Versorgung der von ermächtigten Krankenhausärzten in den Räumen des Krankenhauses ambulant behandelten Patienten für rechtlich möglich, dann könnte ihnen gegenüber den beliefernden pharmazeutischen Unternehmen der [X.] im Sinne des § 263 StGB fehlen.

Zudem arbeitet das [X.] in diesem Teil der Urteilsgründe mit Verweisungen auf im Selbstleseverfahren eingeführte Urkunden. Dies ist nicht zulässig (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO - vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 26. Februar 2013 - [X.]/12 Rn. 41, zur [X.] in [X.]St bestimmt).

2. Soweit der Angeklagte   [X.]  wegen versuchter Erpressung verurteilt wurde, hat schon der [X.] gemäß § 349 Abs. 4 StPO die Aufhebung beantragt. Er hat zutreffend ausgeführt, dass eine Drohung im Sinne der §§ 240, 253 StGB nicht hinreichend belegt ist, zudem die Ausführungen im Urteil zum Vermögensnachteil unzureichend sind.

3. Die Aufhebung der Schuldsprüche zieht auch die umfassende Aufhebung der Feststellungen nach sich, weil die bislang getroffenen Feststellungen lückenhaft sind. Das Verfahren gibt Anlass zu dem Hinweis, dass gegen nicht geständige Angeklagte eine Verständigung nach § 257c StPO allenfalls in - hier nicht in Betracht kommenden - Ausnahmekonstellationen möglich sein kann (§ 257c Abs. 2 Satz 3 StPO), weil in solchen Fällen eine nicht hinnehmbare Beschränkung der unbedingten Pflicht zur umfassenden Wahrheitsermittlung zu besorgen sein könnte (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, NJW 2013, 1058, 1068 f.). Im Hinblick auf die Vielzahl der Strafmilderungsgründe und die lange zurückliegenden [X.] wird eine Sachbehandlung nach § 153 StPO, allenfalls nach § 153a StPO naheliegen. Gänzlich fernliegend erscheint es allerdings, bei den Angeklagten im Verurteilungsfalle erneut den Regelstrafrahmen des besonders schweren Falles nach § 263 Abs. 3 StGB zugrunde zu legen.

Mit der [X.] erledigt sich die Kostenbeschwerde des   [X.].    .

Basdorf                       Raum                         Schneider

                  Dölp                         [X.]

Meta

5 StR 581/12

12.06.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lübeck, 6. Juni 2012, Az: 6 KLs 14/10

§ 263 StGB, § 78 AMG, § 1 Abs 3 Nr 2 AMPreisV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.06.2013, Az. 5 StR 581/12 (REWIS RS 2013, 5096)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5096

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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