Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2005, Az. II ZR 367/03

II. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 731

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03 Verkündet am: 21. November 2005 [X.] Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 723 Abs. 1, § 242 A a) Eine zweigliedrige [X.] bürgerlichen Rechts kann aus wichtigem Grund ge-kündigt werden, wenn dem kündigenden [X.]er nach der Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände eine Fortsetzung des [X.] nicht zumut-bar ist. b) Die Frage der Zumutbarkeit kann nicht ohne Berücksichtigung der beiderseitigen Verhaltensweisen der [X.]er beantwortet werden. Dies gilt bei [X.] auch dann, wenn das vorangegangene Fehlverhalten des [X.] nicht so schwerwiegend ist, dass es die fristlose Kündigung seines Mitgesellschafters rechtfertigt. c) [X.] kann nicht als wichtiger Grund für die Kündigung des anderen [X.]ers bewertet werden, ohne des-sen vorangegangenes Fehlverhalten in die Gesamtabwägung einzubeziehen. d) Veranlasst ein [X.]er die Bauaufsichtsbehörde, gegen seinen [X.] einzuschreiten, der auf dem [X.]sgrundstück das genehmigte [X.] ausführt, obgleich die Baugenehmigung wenige Wochen zuvor infolge Zeitablaufs erloschen war, ist sein Vorgehen nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil das von ihm initiierte Verwaltungshandeln rechtmäßig ist. [X.], Urteil vom 21. November 2005 - [X.]/03 - OLG [X.]

LG Flensburg - 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2005 durch [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 24. Oktober 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien, [X.]er einer zweigliedrigen Grundstücksgesell-schaft bürgerlichen Rechts, streiten darüber, wer von ihnen aufgrund wechsel-seitig erklärter fristloser Kündigungen aus der [X.] ausgeschieden ist. Gleichzeitig machen sie im Wege der Klage und Widerklage Ansprüche aus der Auseinandersetzung der [X.] geltend. 1 - 3 - Die Parteien nutzen als [X.] bürgerlichen Rechts ein ca. 8000 qm großes Grundstück auf der Insel S.. In § 7 des [X.]svertrages vom 10. November 1989 ist jedem [X.]er eine Grundstücksteilfläche zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen, der Klägerin zum Betrieb eines Gar-tenbauunternehmens, dem Beklagten zur Errichtung eines Wohnhauses. Der [X.]svertrag enthält in § 10 Abs. 1 für den Fall der ordentlichen, in § 10 Abs. 3 für den Fall der fristlosen Kündigung eine Fortsetzungsklausel. Anders als bei der ordentlichen Kündigung scheidet im Fall der fristlosen Kündigung der [X.]er aus, gegen den sich die Kündigung richtet. 2 Der Ehemann der Klägerin errichtete auf dem Grundstück der Gesell-schaft mit einem Gesamtaufwand von 1,5 Millionen DM die geplante [X.]; der Beklagte machte von der im Dezember 1993 erteilten Baugenehmi-gung für sein Bauvorhaben zunächst keinen Gebrauch. Ab Januar 1996 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den [X.]ern. Der Ehemann der Klägerin widerrief im Juli 1996 die dem Beklagten gegenüber der Unteren Bauaufsichts-behörde erteilte [X.] zur Durchführung der Bauvorhaben auf dem [X.]sgrundstück, ohne dass der Beklagte hiervon in Kenntnis ge-setzt wurde. Im Januar 1997 teilte die [X.] der Klägerin mit, die Genehmigung für das Bauvorhaben des Beklagten sei erloschen, und ordnete im Februar 1997 die Einstellung der Bauarbeiten an. Die Klägerin wandte sich wegen dieses Sachverhalts mehrfach an den Beklagten und behielt sich die Kündigung der [X.] vor. 3 Unter dem 21. Februar 1997 kündigte der Beklagte den [X.]s-vertrag aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin wies die Kün-digung zurück und erklärte ihrerseits am 25. Februar 1997 die fristlose [X.] - 4 - gung des [X.]svertrags. Mit Anwaltsschreiben vom 18. März 1997 sprach sie erneut die fristlose Kündigung aus. 5 Die Rechtmäßigkeit der [X.] wurde durch Urteil des [X.]-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 31. Januar 2001 rechtskräftig bestätigt. 6 Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der [X.] aufgrund ihrer Kündigung vom 25. Februar 1997, hilfsweise ihrer weiteren Kündigung vom 18. März 1997, aus der [X.] ausgeschieden ist. [X.] hat sie den Ausschluss des Beklagten aus der [X.] sowie die Feststellung beantragt, dass die Klägerin durch die Kündigung des Beklagten nicht aus der [X.] ausgeschlossen wurde, und ferner den Beklagten auf Herausgabe der ihm zur Nutzung zugewiesenen Grundstücksteilfläche sowie auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs in Anspruch genommen. Mit der Widerklage hat der Beklagte von der Klägerin Herausgabe der von ihr ge-nutzten Grundstücksfläche, Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs und Zahlung von Nutzungsentschädigung verlangt, ferner die Feststellung der [X.] Zahlungsverpflichtung der Klägerin bis zur Räumung des Grundstücks begehrt. Er hat unter Beweisantritt behauptet, die Bauaufsichtsbehörde sei auf Drängen der Klägerin und ihres Ehemanns eingeschritten, die der Bauverwal-tung zur Dokumentation eines verzögerten Baubeginns Lichtbilder zur Verfü-gung gestellt hätten, um die Verwirklichung seines Bauvorhabens zu [X.]. Nachträglich hat er seine Kündigung auch auf diesen Sachverhalt ge-stützt. Das [X.] hat - ohne über die Widerklage zu entscheiden - durch Teilurteil festgestellt, dass der Beklagte aufgrund der fristlosen Kündigung der 7 - 5 - Klägerin vom 25. Februar 1997 aus der [X.] ausgeschieden ist. Die Berufung des Beklagten war erfolglos. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom [X.]at zugelassenen Revision. Entscheidungsgründe: 8 Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungs-gericht. I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Kündigung des Beklagten sei unwirksam. Es liege kein wichtiger Grund vor. Dies gelte angesichts des be-lasteten Verhältnisses der Parteien auch für die Kündigung der Architektenvoll-macht, mit der keine nachteiligen Folgen für den Beklagten verbunden gewesen seien. Auf den Vortrag des Beklagten, die Bauaufsichtsbehörde sei auf Veran-lassung der Klägerin und ihres Ehemanns eingeschritten, die der Bauverwal-tung zur Dokumentation eines verzögerten Baubeginns Lichtbilder vorgelegt hätten, um die Verwirklichung seines Bauvorhabens zu verhindern, komme es nicht an. Da die Rechtmäßigkeit der Stilllegungsverfügung nunmehr feststehe, hätten sich die Klägerin und ihr Ehemann bei [X.] im Recht glauben [X.]. Dem Beklagten sei kein Unrecht geschehen. 9 Demgegenüber sei die Kündigung der Klägerin vom 25. Februar 1997 gerechtfertigt, weil der Beklagte fristlos gekündigt habe. Für seine Kündigung habe kein hinreichender Anlass bestanden, sie habe darauf abgezielt, der Klä-gerin ihren [X.] zu entziehen. Angesichts der existentiellen Be-deutung des Grundstücks für die Klägerin und ihren Ehemann, der dort seinen Gartenbaubetrieb aufgebaut hat, sei ihr die weitere Fortsetzung des [X.] - 6 - schaftsverhältnisses mit dem Beklagten bis zur nächsten [X.] nicht zuzumuten gewesen. [X.] Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. 12 1. Das angefochtene Urteil begegnet schon hinsichtlich der Beurteilung der Kündigung des Beklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 13 a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dem Beklagten sei kein Unrecht geschehen, weil das Einschreiten der [X.] war. Das Verhalten der Klägerin stellt eine schwerwiegende Verletzung ihrer gesellschaftsrechtlichen Pflichten dar, die geeignet ist, die für die Fortsetzung der [X.] erforderliche Vertrauensgrundlage nachhaltig zu erschüttern. Es wird durch die Rechtmäßigkeit des von ihr gegen ihren Mitgesellschafter initiierten Verwaltungshandelns nicht gerechtfertigt. Die Ausführung von Bauar-beiten auf dem [X.] des Beklagten wenige Wochen nach Erlö-schen der Baugenehmigung infolge Zeitablaufs war nicht geeignet, schutzwür-dige Interessen der Klägerin zu beeinträchtigen oder fremde Rechtsgüter zu gefährden. Demgemäß erweist es sich schon bei der Beurteilung der [X.] als verfahrensfehlerhaft, dass das Berufungsgericht - obgleich es zu Recht davon ausgegangen ist, dass dieser Sachverhalt bei der Prüfung der Kündigung berücksichtigt werden muss - nicht festgestellt hat, ob die Maßnahmen der Bauverwaltung von der Klägerin und ihrem Ehemann ver-anlasst und durch Übergabe von Lichtbildern mit dem Ziel gefördert wurden, dem Beklagten die Durchführung seines Bauvorhabens auf dem [X.]s-grundstück unmöglich zu machen. Dies ist in dem wiedereröffneten Berufungs-verfahren nachzuholen. - 7 - b) Die Klägerin hat ferner ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in er-heblicher Weise verletzt, indem sie es zuließ, dass ihr Ehemann dem Beklagten die [X.] auch entzog, soweit dessen eigenes Bauvorhaben betroffen war. Zudem hätte die Klägerin - wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat - den Beklagten von diesem Vorgang jedenfalls unverzüglich un-terrichten müssen. 14 2. Selbst wenn diese Verhaltensweisen der Klägerin und die ihr zuzu-rechnende Vorgehensweise ihres Ehemanns noch nicht so schwerwiegend ge-wesen sein sollten, dass dem Beklagten ein weiteres Verbleiben in der Gesell-schaft zumutbar blieb, durften sie bei der Überprüfung der fristlosen Kündigung der Klägerin nicht - wie im angefochtenen Urteil geschehen - völlig unberück-sichtigt bleiben. Die nach der ständigen Rechsprechung des [X.]ats (vgl. zuletzt [X.].Urt. v. 18. Juli 2005 - [X.], [X.], 1752, 1753) zu klärende [X.], ob der Klägerin nach der Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände eine Fortsetzung des [X.] zumutbar war, kann nicht ohne Be-rücksichtigung der beiderseitigen Verhaltensweisen beantwortet werden, wenn das Vertrauensverhältnis unter den [X.]ern zerstört ist ([X.].Urt. v. 18. Juli 2005 aaO; v. 28. Januar 2002 - [X.], [X.], 570, 571). [X.] konnte das Berufungsgericht allerdings dem Umstand Rechnung tragen, dass die Folgen einer fristlosen Kündigung für die Klägerin weit schwerwiegender sind als für den Beklagten. Anders als der Beklagte verliert die Klägerin mit ihrem [X.]santeil zugleich den auf dem [X.]s-grundstück errichteten Betrieb und demzufolge die Existenzgrundlage ihrer Fa-milie. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles - nach dem [X.]svertrag scheidet der ordentlich kündigende [X.]er bei Übernahme des [X.]svermögens durch den anderen Teil aus der [X.] - 8 - sellschaft aus - kann die Klägerin nicht ohne weiteres auf die Kündigung der [X.] zum nächst möglichen Termin verwiesen werden. Diesem [X.] wird das Berufungsgericht im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung, wenn es in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren das Vorhandensein eines wichtigen Grundes feststellen sollte, besondere Aufmerksamkeit widmen [X.]. Weiterhin ist es rechtsfehlerhaft, die Kündigung des Beklagten als wichti-gen Grund für die fristlose Kündigung der Klägerin zu bewerten, ohne deren vorangegangenes Fehlverhalten in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Wenn der [X.]er, der einem solchen Verhalten seines Mitgesellschafters [X.] ist, fristlos kündigt, kann dies nicht die fristlose Kündigung des anderen [X.]ers rechtfertigen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass die gebotene Gesamtabwägung aller Um-stände des Falles das Ergebnis hätte haben müssen, dass die Kündigung der Klägerin nicht berechtigt war. 16 3. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen ergänzenden Feststellungen treffen und eine rechtsfehlerfreie Abwägung der Gesamtumstände vornehmen kann. 17 Das Berufungsgericht wird dabei zu prüfen haben, ob es den Verfahrens-fehler des [X.]s, nur über die Klage, nicht aber über die nach seiner Ansicht unbegründete Widerklage zu entscheiden, dadurch behebt, dass es diesen Teil der Anträge an sich zieht ([X.], Urt. v. 17. Februar 1999 - [X.], [X.], 137, 138). Der Erlass eines Teilurteils ist nur 18 - 9 - zulässig, soweit Teile des [X.] nicht entscheidungsreif sind ([X.]/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 301 Rdn. 2; Musielak, ZPO 4. Aufl. § 301 Rdn. 8). [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 21.10.1997 - 3 O 80/97 - OLG [X.], Entscheidung vom 24.10.2003 - 14 U 168/97 -

Meta

II ZR 367/03

21.11.2005

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2005, Az. II ZR 367/03 (REWIS RS 2005, 731)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 731

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