Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.10.2010, Az. 4 StR 495/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 2032

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Gegenstand

Betäubungsmitteldelikt: Anwendung der Präklusionsregelung der gesetzlichen Neuregelung über die Aufklärungshilfe auf die nach Inkrafttreten eröffneten Verfahren


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juni 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben.

3

a) Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte nach einem Verständigungsgespräch in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis hinsichtlich der 15 ausgeurteilten, zwischen dem 20. März 2009 und dem 12. August 2009 begangenen Taten abgelegt. Außerdem hat er bei einer am 15. Juni 2010 - zwischen dem ersten und dem zweiten [X.] - durchgeführten polizeilichen Vernehmung erstmals Angaben zu weiteren Tatbeteiligten gemacht. Die beiden Vernehmungsbeamten haben bekundet, dass die Angaben des Angeklagten zu seinem Abnehmer B.        M.           und zu der Beteiligung der Ehefrau und der Söhne des gesondert Verfolgten A.         an dessen Rauschgiftgeschäften den Ermittlungsbehörden noch nicht bekannt waren und die Ermittlungen gegen diese Personen erst ermöglicht bzw. wesentlich erleichtert haben ([X.] 13).

4

b) Das [X.] hat zwar sowohl bei der [X.] als auch bei der konkreten Strafzumessung berücksichtigt, dass der Angeklagte durch diese Angaben Aufklärungshilfe geleistet hat ([X.] 15); das Urteil verhält sich aber nicht dazu, ob dadurch ein wesentlicher Aufklärungserfolg eingetreten ist, der eine Strafmilderung nach § 31 BtMG ermöglicht hätte.

5

Dies war nicht etwa deswegen entbehrlich, weil der Angeklagte die Angaben zu weiteren Beteiligten erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn, die am 1. Juni 2010 erfolgt war, gemacht hat. Zwar ist durch die Präklusionsregelung nach § 46b Abs. 3 StGB, § 31 Satz 2 BtMG i.V.m. Art. 316d [X.] (jeweils in der Fassung des [X.] vom 29. Juli 2009, [X.], in [X.] seit dem 1. September 2009) eine zeitliche Grenze der Berücksichtigungsfähigkeit einer Aufklärungshilfe eingeführt worden. Diese Regelung ist aber nicht generell auf alle Verfahren anzuwenden, in denen die Eröffnung des Hauptverfahrens nach dem 1. September 2009 beschlossen worden ist. Vielmehr gelten für die Frage des auf diese Verfahren anwendbaren Rechts die allgemeinen Regeln, nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neue Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten günstigere Regelung darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB; vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 2010 - 3 StR 65/10, [X.], 523, 524). Hier ist die zur Tatzeit geltende Regelung der Rechtsfolgen einer Aufklärungshilfe nach § 31 BtMG die für den Angeklagten günstigere Gesetzeslage, weil diese eine zeitliche Begrenzung der Berücksichtigungsfähigkeit nicht vorsah.

6

c) Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Der [X.] vermag nicht sicher auszuschließen, dass das [X.] geringere Strafen verhängt hätte, wenn es die Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit des § 31 Nr. 1 BtMG festgestellt und von der Milderungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hätte.

7

2. Im Übrigen ist der Strafausspruch auch aus weiteren Gründen rechtlich zu beanstanden:

8

Für die Fälle II. 5 und 12 der Urteilsgründe hat das [X.] jeweils zwei Einzelstrafen unterschiedlicher Höhe verhängt; ferner hat es versäumt, für den Fall II. 9 der Urteilsgründe eine Einzelstrafe festzusetzen ([X.] 16). Schließlich enthält das Urteil keine Begründung dafür, warum für den Fall II. 6 der Urteilsgründe eine Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt wurde, obwohl in den übrigen Fällen des Handeltreibens mit einer entsprechenden Menge Marihuana trotz gleich gelagerter Begehungsweise jeweils Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten verhängt wurden.

9

3. Die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] wird zu beachten haben, dass bei der Prüfung eines Aufklärungserfolges im Sinne des § 31 Nr. 1 BtMG auf den Zeitpunkt der neuen Hauptverhandlung abzustellen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Oktober 1991 - 1 StR 617/91, [X.]R BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 21 m.w.N.).

Ernemann                              Solin-Stojanović                              Cierniak

                          [X.]                                         Bender

Meta

4 StR 495/10

26.10.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 18. Juni 2010, Az: 36 KLs 20/10, Urteil

§ 2 Abs 3 StGB, § 46b Abs 3 StGB vom 29.07.2009, § 31 S 2 BtMG vom 29.07.2009, Art 316d StGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.10.2010, Az. 4 StR 495/10 (REWIS RS 2010, 2032)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2032

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