Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.04.2016, Az. 7 AZR 614/14

7. Senat | REWIS RS 2016, 12666

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Gegenstand

Befristung - wissenschaftliches Personal - Lehrkraft für besondere Aufgaben


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 28. Mai 2014 - 2 Sa 835/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses im Hochschulbereich.

2

Die Klägerin ist Sprachwissenschaftlerin für die Fächer Kroatistik/Serbistik und für germanistische Linguistik. Sie wurde von dem beklagten Land in der [X.] vom 1. April 2009 bis zum 3. Mai 2012 aufgrund von vier aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen an der [X.] beschäftigt. Der Einstellung der Klägerin lag eine Ausschreibung für die Stelle einer „Lehrkraft für besondere Aufgaben [X.] IIa für den Fremdsprachenunterricht [X.]/[X.]“ zugrunde. Zuletzt schlossen die Parteien am 1. Febr[X.]r 2011 einen befristeten Arbeitsvertrag, der [X.]. folgende Regelungen vorsieht:

        

§ 1   

        

(1) Die Obengenannte wird als vollzeitbeschäftigte Lehrkraft für besondere Aufgaben

        

ab 01.04.2011 bis zum 02.12.2011 weiterbeschäftigt auf bestimmte [X.] nach § 40 Nr. 8 TV-H i. V. m. § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG zur eigenen wissenschaftlichen Q[X.]lifizierung. Hierfür stehen 25 % der Arbeitszeit zur Verfügung.

        

…       

        

(3) Art und Umfang der wahrzunehmenden Aufgaben richten sich nach der Ausgestaltung des Dienstverhältnisses sowie nach der Funktionsbeschreibung der Stelle. ...

        

§ 6     

        

Es werden folgende Nebenabreden vereinbart:

        

…       

        

Es besteht Einvernehmen, dass die Vertragsverlängerung in Anwendung des § 2 Abs. 5 Nr. 3 Wiss[X.]VG (Vertragsverlängerung um [X.]en einer Inanspruchnahme von Elternzeit und [X.]en eines Beschäftigungsverbotes nach den §§ 3, 4, 6 und 8 des Mutterschutzgesetzes) erfolgt.

        

…“    

3

In der [X.] vom 22. Juli 2010 bis zum 4. November 2010 befand sich die Klägerin im Mutterschutz und anschließend für die [X.] vom 5. November 2010 bis zum 31. März 2011 in Elternzeit, die auf Antrag der Klägerin bis zum 31. August 2011 verlängert wurde. Das beklagte Land entsprach dem Antrag der Klägerin vom 14. November 2011, ihrer Weiterbeschäftigung wegen der Inanspruchnahme der restlichen Elternzeit vom 3. Dezember 2011 bis zum 3. Mai 2012 zuzustimmen.

4

Nach der „Beschreibung der Arbeitsvorgänge“ waren der Klägerin die unter Buchst. a) bezeichneten Arbeitsvorgänge übertragen, für die nach Buchst. b) bestimmte Fachkenntnisse und Fähigkeiten vorausgesetzt wurden. Die „Beschreibung der Arbeitsvorgänge“ lautet auszugsweise:

        

        

„a)     

Unterricht in [X.]/[X.] (Fach-)Sprache sowie Literatur- und Landeskunde mit Vor- und Nachbereitung

65 %   

                          

Studien- und Prüfungsbetreuung von sprachpraktischen Klausuren in allen einschlägigen Studiengängen

        
                          

Betreuung der modularisierten Studiengänge im Bereich der Sprachpraxis; Vorkorrektur von Klausuren

10 %   

                          

eigene Weiterq[X.]lifizierung

25 %   

                 

b)    

abgeschlossenes Hochschulstudium Kroatistik/Serbistik oder Slavistik

        
                          

[X.]/[X.] als Muttersprache

        
                          

angemessene Sprachkenntnisse im [X.]en

        
                          

pädagogische Eignung und Unterrichtserfahrung

        
                          

Befähigung zur Abhaltung von Lehrveranstaltungen in [X.]/[X.] (Fach-)Sprache, Literatur und Landeskunde“

        

5

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 8 der Lehrverpflichtungsverordnung ([X.]) des [X.] hatte die Klägerin während der Vorlesungszeit an 29 Wochen im Jahr jeweils 14 Lehrveranstaltungsstunden, die sich nach § 2 Abs. 1 Satz 3 [X.] auf mindestens 45 Minuten belaufen, zu erbringen. Die Klägerin hielt [X.]. als Sprachkurse bezeichnete Lehrveranstaltungen für Bachelor- und Masterstudierende auf der Grundlage von Modulbeschreibungen zu den Themen Phonetik, Phonetik II, Lektüre, Lektüre II, Fachsprache [X.] und [X.] II, Fachsprache [X.] und [X.] IV, [X.]e und [X.]e Landeskunde, Kommunikation, Kommunikation II, Einführung in die Fachsprache, Übersetzung [X.]/Bosnisch/[X.]/[X.], Südslavische Landeskunde, Übersetzung [X.] Außerdem führte sie im Master-Studiengang zum Modul „Fortgeschrittene Sprachpraxis - [X.]/[X.]“ einen „Aufbaukurs“ sowie eine Lehrveranstaltung „Lektüre“ durch.

6

Mit der am 21. März 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Ansicht vertreten, die zuletzt vereinbarte Befristung könne nicht auf § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG gestützt werden. Sie habe nicht dem wissenschaftlichen Personal iSd. § 1 Wiss[X.]VG angehört. Ihre Aufgaben hätten in einer rein repetierenden Lehrtätigkeit bestanden und seien denen einer Sprachlektorin vergleichbar gewesen. Literaturwissenschaftliche Themen seien ihr nicht übertragen gewesen.

7

Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 1. Febr[X.]r 2011 vereinbarten Befristung und der Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses am 2. Dezember 2011 zum 3. Mai 2012 geendet hat.

8

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund wirksamer Befristung gemäß § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG mit Ablauf des 3. Mai 2012 beendet worden. Die Klägerin habe zum wissenschaftlichen Personal iSd. § 1 Wiss[X.]VG gehört, weil ihre Tätigkeit insgesamt wissenschaftlich geprägt gewesen sei. Dies gelte auch für ihre Lehrveranstaltungen, die auf die wissenschaftliche Sprachvermittlung auszurichten gewesen seien. Sprachkurse an der [X.] seien integraler Bestandteil der wissenschaftlichen Ausbildung zum Philologen. Dafür sei die enge Verzahnung von Sprachvermögen mit linguistischer, literatur- und kulturwissenschaftlicher Kompetenz Voraussetzung. Vorgegebene Lehrmaterialien habe es nicht gegeben. Es sei Sache der Lehrkräfte, ihre Lehrmaterialien kontinuierlich zu akt[X.]lisieren und entsprechend der wissenschaftlichen Zielsetzung einzusetzen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der [X.] kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung am 3. Mai 2012 geendet hat. Die Wirksamkeit der auf § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gestützten Befristung hängt davon ab, ob die Klägerin zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört. Die dazu bislang getroffenen Feststellungen des [X.]s tragen diese Annahme nicht.

1. Die Befristung zum 3. Mai 2012 gilt nicht nach § 17 Satz 2 [X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung im Arbeitsvertrag vom 1. Februar 2011 mit der am 21. März 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem beklagten Land am 26. März 2012 zugestellten Befristungskontrollklage rechtzeitig gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG iVm. § 17 Satz 1 [X.] geltend gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wahrt auch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit die Klagefrist des § 17 Satz 1 [X.] ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 10; 2. Juni 2010 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 134, 339).

2. Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass die Befristung dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG genügt. Der betriebliche Geltungsbereich für die Anwendung des WissZeitVG ist eröffnet. Die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG zulässige Befristungshöchstdauer ist gewahrt.

a) Die vereinbarte Befristung genügt dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. Februar 2011 nimmt in § 1 auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG sowie in § 6 auf § 2 Abs. 5 Nr. 3 WissZeitVG Bezug. Dieser Vertrag verlängerte sich auf Antrag der Klägerin vom 14. November 2011 wegen der Inanspruchnahme der restlichen Elternzeit nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WissZeitVG über das vereinbarte Fristende hinaus bis zum 3. Mai 2012.

b) Der betriebliche Geltungsbereich von § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG ist eröffnet. Es handelt sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte Zeit an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach Landesrecht eine staatliche Hochschule ist. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 HHG ist die [X.] eine Hochschule des [X.]. Voraussetzung der Anwendbarkeit von § 2 WissZeitVG auf befristete Arbeitsverträge ist nicht, dass die staatliche Hochschule [X.] ist. Das beklagte Land kann als Träger der [X.] von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal von den Möglichkeiten des WissZeitVG Gebrauch machen ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 16; 1. Juni 2011 - 7 [X.] 827/09 - Rn. 18, [X.]E 138, 91).

c) Die Befristung überschreitet nicht die Befristungshöchstdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Diese beträgt für nicht promoviertes wissenschaftliches Personal wie die Klägerin sechs Jahre. § 2 Abs. 1 Satz 4 WissZeitVG lässt innerhalb der zulässigen [X.] Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrags zu. Diese Höchstfrist ist hier eingehalten. Unter Berücksichtigung der Laufzeiten aller befristeten Arbeitsverträge seit dem 30. März 2009 - einschließlich der nach § 2 Abs. 5 Satz 2 WissZeitVG auf die zulässige [X.] nicht anzurechnenden Verlängerung gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WissZeitVG bis zum 3. Mai 2012 - ergibt sich lediglich eine Gesamtdauer von etwa drei Jahren und einem Monat.

3. Die Annahme des [X.]s, die Klägerin unterfalle dem persönlichen Geltungsbereich des WissZeitVG, ist nicht frei von [X.]. Das [X.] hat ohne hinreichende tatsächliche Feststellungen angenommen, die der Klägerin vertraglich übertragenen Tätigkeiten seien wissenschaftlich geprägt und sie zähle deshalb zum wissenschaftlichen Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG.

a) Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ ist durch § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG eigenständig und abschließend bestimmt. Er ist [X.] zu verstehen. Anknüpfungspunkt ist die Art der zu erbringenden Dienstleistung. Zum „wissenschaftlichen Personal“ nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Es kommt nicht auf dessen formelle Bezeichnung an, sondern auf den wissenschaftlichen Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit. Das Adjektiv „wissenschaftlich“ bedeutet, „die Wissenschaft betreffend“. Wissenschaftliche Tätigkeit ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Sie ist nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern ([X.] 9. Dezember 2015 - 7 [X.] 117/14 - Rn. 30; 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 21 mwN; 1. Juni 2011 - 7 [X.] 827/09 - Rn. 35, [X.]E 138, 91; 19. März 2008 - 7 [X.] 1100/06 - Rn. 33, [X.]E 126, 211).

b) Zur wissenschaftlichen Dienstleistung kann auch die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden gehören. Die wissenschaftliche Lehrtätigkeit ist dabei von einer unterrichtenden Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug abzugrenzen. Bei [X.] ist es erforderlich, dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen. Überwiegend mit der bloßen Vermittlung von Sprachkenntnissen betraute Fremdsprachenlektoren gehören deshalb in der Regel nicht zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Die Wissenschaftlichkeit der Lehre setzt voraus, dass dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt (vgl. [X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 22; 1. Juni 2011 - 7 [X.] 827/09 - Rn. 35 bis 45 mwN, [X.]E 138, 91). Das bedeutet allerdings nicht, dass wissenschaftliche Lehre iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG das Hervorbringen eigener Forschungsergebnisse und deren Vermittlung an die Studierenden verlangt. Für eine wissenschaftliche Lehre ist es nicht erforderlich, dass sich der Lehrende um eigene, neue wissenschaftliche Erkenntnisse bemüht. Es kann vielmehr ausreichen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse Dritter vermittelt werden. Unter Berücksichtigung des Zwecks der durch § 2 Abs. 1 WissZeitVG eröffneten besonderen [X.]en im Hochschulbereich ist jedoch nicht jede Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse als wissenschaftliche Dienstleistung anzusehen. Die [X.] in § 2 Abs. 1 WissZeitVG dient der Wahrung der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit im Interesse der Nachwuchs- und Qualifikationsförderung und zur Sicherung der Innovation in Forschung und Lehre ([X.]. 15/4132 S. 17). Dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG unterfällt auch eine Lehre, die nicht auf eigenen, neuen Forschungserkenntnissen basiert, sondern allein die ständige Reflexion fremder wissenschaftlicher Ergebnisse verlangt. Entscheidend ist, dass der Lehrende Forschungs- und Erkenntnisentwicklungen auf seinem jeweiligen [X.] permanent verfolgen, reflektieren und kritisch hinterfragen muss, um diese für seine Lehre didaktisch und methodisch zu verarbeiten. Würde man wissenschaftliche Lehre nur dann annehmen, wenn sie sich als Resultat eigener Forschung darstellt, wäre auch ein Großteil der Lehre an Universitäten nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren, was dem Grundrechtsschutz für die Freiheit der Lehre nicht gerecht würde (vgl. [X.] 13. April 2010 - 1 [X.]/07 - Rn. 50, [X.]E 126, 1; [X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - aaO). Unter Berücksichtigung dessen ist eine Lehrtätigkeit, die sich nach dem vereinbarten Vertragsinhalt auf eine rein repetierende Wiedergabe vorgegebener Inhalte beschränkt, nicht als wissenschaftliche Lehre anzusehen, während eine Lehrtätigkeit auch dann eine wissenschaftliche Dienstleistung ist, wenn zwar keine eigenen Forschungsergebnisse gelehrt, sondern Erkenntnisse Dritter vermittelt werden, von dem Lehrenden aber nach dem Vertragsinhalt erwartet wird, dass er diese Erkenntnisse kritisch hinterfragt, sich damit auseinandersetzt und dass er diese eigenen Reflexionen in seine Lehrtätigkeit einbringt. Dies kann von dem Lehrenden allerdings nur erwartet werden, wenn ihm während seiner Arbeitszeit die Gelegenheit und insbesondere die erforderliche Zeit zu eigener Reflexion verbleibt. Die Möglichkeit der Nutzung wissenschaftlicher Einrichtungen außerhalb der Dienstzeit genügt nicht ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 23).

c) Für die Beurteilung, ob die Tätigkeit eines Mitarbeiters insgesamt wissenschaftliches Gepräge hat, kommt es auf die Umstände bei Vertragsschluss an. Maßgeblich ist, was von dem Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags, einer Dienstaufgabenbeschreibung oder sonstiger Umstände nach objektiven Gesichtspunkten bei Vertragsschluss erwartet wird. Die Parteien haben es nicht selbst in der Hand, durch eine Modifizierung der vertraglichen Aufgaben die Wissenschaftlichkeit nachträglich herbeizuführen oder zu beseitigen. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer beispielsweise selbst der Befristung die Grundlage entziehen, indem er entgegen der vertraglichen Vereinbarungen keine wissenschaftlichen Dienstleistungen erbringt. Ebenso wenig kann der Arbeitgeber durch die Zuweisung wissenschaftlicher Tätigkeiten nach Vertragsschluss den personellen Anwendungsbereich des WissZeitVG nachträglich herbeiführen ([X.] 20. Januar 2016 - 7 [X.] 376/14 - Rn. 34).

d) Das [X.] ist danach zwar zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Tätigkeit der Klägerin nach der „Beschreibung der Arbeitsvorgänge“ richtet. Jedoch beruht die Annahme, die von der Klägerin zu erbringenden Aufgaben für den Fremdsprachenunterricht [X.]/[X.] seien wissenschaftlich geprägt gewesen, nicht auf hinreichenden Tatsachenfeststellungen. Die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil lassen nicht ausreichend erkennen, inwieweit die nach der „Beschreibung der Arbeitsvorgänge“ übertragene Lehrtätigkeit der Klägerin eigenständige Forschungen oder Reflexionen zur Sicherung oder Erweiterung ihres Kenntnisstandes verlangte.

Entgegen der Auffassung des [X.]s ergibt sich dies nicht daraus, dass der Klägerin die Erteilung von „Unterricht in [X.]/[X.] (Fach-)Sprache sowie Literatur- und Landeskunde mit Vor- und Nachbereitung“ übertragen wurde. Dies könnte vielmehr eher dafür sprechen, dass der zu erteilende Sprachunterricht durch eine rein repetierende Wiedergabe vorgegebener Inhalte geprägt war und damit nicht als wissenschaftlich anzusehen ist.

Ein wissenschaftlicher Zuschnitt der geschuldeten Tätigkeit ergibt sich auch nicht ohne Weiteres aus den zur Akte gereichten Modulbeschreibungen, auf die das [X.] lediglich pauschal Bezug genommen hat. Danach stehen die sprachwissenschaftlichen und sprachunterrichtenden Aufgaben wie „Sprachwissenschaft und kroatisch/[X.]“, „Literaturwissenschaft und kroatisch/[X.]“ sowie „Kulturwissenschaft und kroatisch/[X.]“ nebeneinander, ohne dass vom [X.] festgestellt wäre, ob und inwieweit die Klägerin sprachwissenschaftliche Entwicklungen zu verfolgen und bei ihrer Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen hatte. Mit den Beschreibungen in den Modulen und dem Sachvortrag der Parteien hierzu hat sich das [X.] nicht auseinandergesetzt. In den Modulbeschreibungen wird ua. auf die mündliche und schriftliche Grundkompetenz der [X.]/[X.] abgestellt, auf den Wortschatz, die Grammatik, das Hörverstehen, die grundlegenden Schreib- und Lesefähigkeiten sowie auf historische und aktuelle Fragen der [X.]/[X.] Kultur, Grundlagenkenntnisse zu soziokulturellen und historischen Gegebenheiten, auf aktuelle Fragen von Religion, Kunst, Geistesleben und Politik sowie auf Einblicke in aktuelle gesellschaftliche Vorgänge. Daraus erschließt sich nicht, inwieweit diese Lehrinhalte eine eigene Reflexion und kritische Würdigung der wissenschaftlichen Entwicklungen verlangen.

Soweit das [X.] bei seiner Würdigung „ergänzend herangezogen“ hat, dass die von der Klägerin ebenfalls angebotenen Lehrveranstaltungen Phonetik, Phonetik II, Lektüre, Lektüre II, Fachsprache [X.] und [X.] II, Fachsprache [X.] und [X.] IV, [X.]e und [X.]e Landeskunde, Kommunikation, Kommunikation II, Einführung in die Fachsprache, Übersetzung [X.]/Bosnisch/[X.]/[X.], Südslavische Landeskunde, Übersetzung II „allein nach ihrer Bezeichnung“ zum Teil Inhalte der Modulbeschreibungen Slavistik für die Bachelor-Studiengänge mitabdeckten, ergibt sich daraus nicht, weshalb dies wissenschaftliche Dienstleistungen sein sollen. Auch die Annahme, die Aufgabe der Klägerin im Rahmen ihrer Lehrveranstaltungen habe in der Anleitung der Studierenden zur wissenschaftlichen Tätigkeit bestanden, ist durch keine konkrete Feststellung belegt. Allein der vom [X.] zugrunde gelegte Erfahrungssatz, dass die Anleitung von Studierenden zur wissenschaftlichen Tätigkeit ohne eigene wissenschaftliche Tätigkeit der Klägerin schlechterdings nicht denkbar ist, macht die gebotenen Feststellungen nicht entbehrlich. Auf welchen Feststellungen die Annahme des [X.]s beruht, es sei allein Sache der Klägerin gewesen, ihre Lehrmaterialien kontinuierlich zu aktualisieren und diese nach kritischer Überprüfung entsprechend der wissenschaftlichen Zielsetzung einzusetzen, erschließt sich aus der Begründung der Entscheidung ebenfalls nicht. Dies ergibt sich nicht ohne Weiteres daraus, dass die Klägerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 8 [X.] während der Vorlesungszeit 14 Lehrveranstaltungsstunden wöchentlich zu leisten hatte, die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 [X.] jeweils mindestens 45 Minuten umfassten, und sie die Inhalte der von ihr modular vorgegebenen Lehrveranstaltungen frei bestimmen konnte. Daraus lässt sich nicht entnehmen, worin die prägende wissenschaftliche Zielsetzung des von der Klägerin zu erteilenden Sprachunterrichts bestehen soll.

4. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachaufklärung an das [X.]. Dabei wird das [X.] unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Stellenausschreibung, der nach der Arbeitsplatzbeschreibung übertragenen Aufgaben, der [X.] für die Lehrveranstaltungen und des hierzu gehaltenen Vortrags der Parteien Tatsachenfeststellungen zu den konkreten Unterrichtsinhalten zu treffen haben. Anschließend wird das [X.] erneut zu beurteilen haben, ob die der Klägerin übertragenen Aufgaben wissenschaftlich geprägt waren.

5. Die Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweisen würde (§ 561 ZPO). Die Klägerin gehörte nicht deshalb zum wissenschaftlichen Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG, weil sie nach der „Beschreibung der Arbeitsvorgänge“ mit [X.] ihrer Arbeitszeit neben ihren Lehrverpflichtungen Gelegenheit zur persönlichen Weiterqualifizierung durch eine eigene wissenschaftliche Tätigkeit hatte. Bereits aufgrund des zeitlichen Umfangs wird das Arbeitsverhältnis dadurch nicht insgesamt geprägt.

6. [X.] ist auch nicht aus sonstigen Gründen zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Befristung nicht nach den vom [X.] für Sachgrundbefristungen entwickelten Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (vgl. [X.]Rspr. des [X.]s seit [X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.] 443/09 - [X.]E 142, 308) unwirksam ist. Diese Grundsätze finden bei Befristungen im Wissenschaftsbereich nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG grundsätzlich keine Anwendung, weil sich die zeitlichen Grenzen für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge in diesen Fällen aus der gesetzlichen Regelung ergeben, die ihrerseits durch die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG) gerechtfertigt sind ([X.] 20. Januar 2016 - 7 [X.] 376/14 - Rn. 37; 9. Dezember 2015 - 7 [X.] 117/14 - Rn. 46). Allerdings kann auch die Nutzung einer sachgrundlosen Befristung im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein. Anhaltspunkte dafür, dass das beklagte Land die durch § 2 Abs. 1 WissZeitVG eröffnete [X.] im Streitfall rechtsmissbräuchlich genutzt hat, sind aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Kiel    

        

        

        

    R. Gmoser    

        

    Kley    

                 

Meta

7 AZR 614/14

20.04.2016

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Gießen, 26. April 2013, Az: 10 Ca 166/12, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 WissZeitVG, § 2 Abs 1 WissZeitVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.04.2016, Az. 7 AZR 614/14 (REWIS RS 2016, 12666)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12666

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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