Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.06.2015, Az. 24 W (pat) 90/14

24. Senat | REWIS RS 2015, 9326

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Kommerzialrat" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 051 974.1

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] am 23. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie [X.] und Schmid

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Am 11. September 2012 wurde das Wort

2

[X.]rat

3

als Wortmarke für die folgenden Dienstleistungen zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Markenregister angemeldet:

4

Klasse 35: Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung und -kontrolle, Öffentlichkeitsarbeit, Preisverleihungen für Werbezwecke, [X.];

5

Klasse 36: Finanzwesen, Geldgeschäfte, finanzielle Förderung;

6

Klasse 42: Wissenschaftliche Dienstleistungen, Preisverleihung für wissenschaftliche Leistungen;

7

Klasse 45: Juristische Dienstleistungen.

8

Mit Beschlüssen vom 11. Februar 2013 und vom 4. September 2014 hat die Markenstelle für Klasse 42 des [X.] die unter Nr. 30 2012 051 974.1 geführte [X.]eldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, die Angabe „[X.]rat“ stimme mit dem gleichlautenden, in [X.] gebräuchlichen Ehrentitel überein, der dem ehemals in [X.] verliehenen Titel „[X.]“ entspreche ans auch weiteren, noch existierenden Titeln wie „Regierungsrat“, „Studienrat“ oder „Ministerialrat“. Der angesprochene Verkehr werde das angemeldete Wort daher ebenfalls einen solchen Titel ansehen, jedoch nicht als betrieblichen Herkunftshinweis.

9

Dagegen richtet sich der [X.]elder mit seiner Beschwerde.

Er vertritt die Auffassung, dass das Wort „[X.]rat“ im Inland dem Verkehr als Titel unbekannt sei. Insbesondere könne das Wort auch nicht mit Amtsbezeichnungen für eine berufliche Position gleichgesetzt werden.

Der [X.]elder beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des [X.] vom 11. Februar 2013 und vom 4. September 2014 aufzuheben.

Einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der [X.]elder nicht gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil einer Eintragung des angemeldeten Wortes bezüglich sämtlicher Dienstleistungen, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegensteht. Die Markenstelle hat die [X.]eldung zu Recht nach § 37 Abs. 1 [X.] zurückgewiesen.

1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428, [X.]. 30, 31 - [X.]; [X.], 850, [X.]. 17 - [X.]). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 608 [[X.]. 60] - [X.]). Hierbei wird das Allgemeininteresse nicht nur durch unmittelbare oder tatsächliche Behinderungen, sondern bereits durch eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten tangiert (vgl. [X.], GRUR 2005, 127, 129 - Das Allgemeininteresse in der markenrechtlichen Entscheidungspraxis des [X.] mit weiteren Nachweisen). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.], 850, [X.]. 19 - [X.]; [X.] GRUR 2004, 674, [X.]. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird ([X.] - [X.], a. a. O.).

Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an ([X.]/Hacker, [X.], 11. Aufl., § 8, [X.], 42). Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft kommt es auf das Verkehrsverständnis zum Zeitpunkt der [X.]eldung des jeweiligen Zeichens an ([X.] GRUR 2013, 1143, [X.]. 15 – Aus Akten werden Fakten).

Gemessen daran fehlt dem Wort „[X.]rat“ in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft. Die angemeldete Bezeichnung setzt sich unmittelbar erkennbar aus den [X.] „[X.]“ und „rat“ zusammen. Die Angabe „[X.]“ bedeutet „den Handel bzw. Geschäftsverkehr betreffend“. Der weitere Bestandteil „rat“ kann dabei sowohl eine hochrangige einzelne Person (Geheimrat, Landrat), als auch ein mit Entscheidungsbefugnis ausgestattetes Gremium bezeichnen (Gemeinderat, Betriebsrat, Ministerrat). Im [X.] Sprachgebrauch ist der Begriff „rat“ i. V. m. der Erbringung von Dienstleistungen geeignet, den Eindruck einer besonderen Qualifikation zu vermitteln, wobei die Angabe „[X.]“ den Bereich der Qualifikation bezeichnet.

Der angesprochenen Verkehr wird daher vor diesem Hintergrund die Angabe „[X.]rat“ als Bezeichnung insbesondere einer Person ansehen, die über eine besondere Qualifikation im Bereich des Handels und/ oder des Wirtschaftslebens verfügt. Die Bedeutung liegt besonders nahe, weil der Titel „[X.]rat“ im [X.] Ausland ([X.]) an Personen des Wirtschaftslebens verliehen wird, die langjährig eine wirtschaftliche Funktion (z. B. Geschäftsführer oder Prokurist) ausgeübt, dabei besondere Verdienste erworben haben und das Ansehen eines ausgezeichneten Fachmannes genießen. Die ähnliche Bezeichnung „[X.]“ wurde bis zur Gründung der [X.] ebenfalls als Ehrentitel verliehen. Im Inland ist die Angabe „Rat“ als Amtsbezeichnung für eine Person, die eine öffentliche Funktion bekleidet, gesetzlich vorgesehen, regelmäßig zusammen mit einer Tätigkeits- bzw. Laufbahnangabe (vgl. Anlage I zu § 20 Absatz 2 Satz 1 [X.]: „Rat“ [„Amtsrat“, „Polizeirat“, „Regierungsrat“; „[X.]“, „Studienrat“]). Wenngleich es sich bei der angemeldeten Bezeichnung „[X.]rat“ nicht um eine solche Amtsbezeichnung handelt, sind dem Verkehr diese Form der Wortbildung und deren sachliche Bedeutung geläufig.

In der vorstehend genannten Bedeutung ist das angemeldete Wort geeignet, die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 42 und 45 sachlich hinsichtlich ihrer Merkmale und Eigenschaften zu beschreiben nämlich den Erbringer. Bei den Dienstleistungen „Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung und -kontrolle; Öffentlichkeitsarbeit: [X.]“ der Klasse 35, den Dienstleistungen „Finanzwesen, Geldgeschäfte, finanzielle Förderung“ der Klasse 36, und, damit in engem Zusammenhang stehend, auch bei den Dienstleistungen „juristische Dienstleistungen“ der Klasse 45, beispielsweise solchen auf dem Gebiet des Steuer und/oder Wirtschaftsrechts, handelt es sich um solche, die von einer Person, die über besondere Qualifikationen verfügt, erbracht werden können.

Vor dem geschilderten historischen Hintergrund und der im [X.] Ausland weiterhin geübten Praxis, Vertretern der Wirtschaftslebens gleiche oder ähnliche Ehrentitel zu verleihen (vgl. die dem [X.]. mit [X.]. vom 10.11.2014 als Anlagen 1-4 übersandten Belege), wird der im Inland angesprochene Verkehr annehmen, dass der Begriff „[X.]rat“ im Zusammenhang mit der in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistung „Preisverleihungen für Werbezwecke und im Zusammenhang mit der in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistung „Preisverleihungen für wissenschaftliche Leistungen“ lediglich die Angabe des zu verleihenden Titels enthält.

Schließlich werden relevante Teile des Verkehrs zudem annehmen, dass die beanspruchten Dienstleistungen von Personen erbracht werden, die entsprechende ausländische Titel innehaben und im Rahmen der Freiheiten des [X.] im Inland tätig werden dürfen.

Demgemäß war die Beschwerde zurückzuweisen.

Ob der [X.]eldung darüber hinaus auch das Schutzhindernis eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegensteht, kann angesichts dessen dahinstehen.

Meta

24 W (pat) 90/14

23.06.2015

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.06.2015, Az. 24 W (pat) 90/14 (REWIS RS 2015, 9326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9326

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