Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. 5 StR 261/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3945

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5 StR 261/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom
17.
August 2011
in der Strafsache
gegen

wegen versuchter schwerer Brandstiftung u.a.

-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
17. August 2011
beschlossen:

Auf die
Revision des
Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 21. Dezember 2010 nach §
349 Abs.
4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen
aufgeho-ben, jedoch mit Ausnahme derjenigen
zum äußeren Tatge-schehen;
insoweit wird die
weitergehende Revision nach §
349 Abs.
2 StPO als unbegründet
verworfen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer
Ver-handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Bedrohung in drei Fäl-len,
Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte,
versuchter schwerer Brand-stiftung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädi-gung und in einem Fall in Tateinheit mit einem Waffendelikt sowie
wegen Siegelbruchs und versuchter Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheits-strafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Die dagegen gerichtete und
auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbe-gründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.

1. Das Urteil kann

mit Ausnahme der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen

keinen Bestand haben. Die 1
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3
-

Annahme der [X.], dass der Angeklagte bei sechs der ausgeurteil-ten Fälle nicht ausschließbar vermindert schuldfähig und bei zwei Fällen voll schuldfähig gewesen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a)
Das [X.] hat

sachverständig beraten

festgestellt, dass der Angeklagte unter einer Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen und einer emotional instabilen Persönlichkeitsstruktur ([X.] 10 F 60.3) leidet. [X.] sei dadurch gekennzeichnet, dass er seine Impulse und Gefühle ohne Rücksicht auf die [X.] des Borderline-Auffälligkeit des Angeklagten verwirkliche zwar für sich genommen nicht die Merkmale der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von §§
20, 21 StGB. Dies werde daran deutlich, dass der Angeklagte sich seit mehreren Jahren in [X.] aufhalte und bisher nicht straffällig geworden sei, [X.] in der Lage sei, sich in der [X.] weitgehend unauf-fällig zu verhalten. seine Emotionen zu kontrollieren, so
dass er weniger Alkohol benötige, um

([X.]). Die [X.] hat nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte deshalb die meisten der gegen seine frühere Lebensgefährtin und deren Eltern verübten Taten im Zustand erheblich ver-minderter Steuerungsfähigkeit gemäß §
21 StGB begangen hat.

b) Diese Bewertung ist mit widersprüchlichen
und lückenhaft geblie-benen Erwägungen begründet.

aa) Die Würdigung
des Haftverhaltens des Angeklagten durch die [X.] steht zum einen in Widerspruch zu dem Bericht des Sachver-ständigen, der Angeklagte habe während der Untersuchungshaft
mehrfach nde zu sich genommen, die später zwangsweise hätten wieder

([X.]). Zum anderen ist dem Urteil zu [X.], dass der Sachverständige dem Angeklagten deshalb
Sedierungs-3
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mittel angeboten
hat, die dieser seitdem

[X.], mittags einnehme ([X.]). Mit Blick auf die beruhigende Wirkung des regelmäßig verabreichten Medikaments kann dem Umstand, dass der urecht
kommtsic,
ohne weiteres keine tragende Bedeutung beigemessen werden. Auch
versäumt es die
Strafkam-mer
in diesem Zusammenhang die

offenbar trotz der regelmäßigen Ein-nahme eines Beruhigungsmittels

vom Angeklagten in der Hauptverhand-lung
verübten Beschimpfungen und Tätlichkeiten gegen andere Verfahrens-beteiligte und Justizbedienstete sowie seine Androhung
zu erörterner kön-ne sich selbst erwürgen oder die Venen durchbeißen

([X.] 14).

bb) Ferner trägt der vom [X.] herangezogene mehrjährige straffreie Aufenthalt des Angeklagten in [X.] die Verneinung einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§
20, 21 StGB nicht. Die Urteilsgründe enthalten bereits keinen Hinweis darauf, seit wann sich der Angeklagte in [X.] befindet. Vielmehr ist den Feststellungen zu [X.], dass sein Aufenthalt gerade nicht ununterbrochen war; jedenfalls verbüßte er S.
6). In diesem Zusammenhang versäumt es die [X.] auch, in jener Haftzeit aufgetretene Besonderheiten in den Blick zu nehmen. Während
die-ser

tsich

Spannung abzubau-

cc) Überdies beschränken sich die Urteilsgründe im Wesentlichen [X.], das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu referieren und sich diesem pauschal anzuschließen. Sie entbehren damit einer eigenen Über-prüfung der Ausführungen und Anknüpfungstatsachen des Sachverständigen
und lassen die gebotene selbständige tatrichterliche Bewertung vermissen, ob ein Eingangsmerkmal der §§
20, 21 StGB vorliegt und inwieweit dieses gegebenenfalls die
Einsichts-
oder
Steuerungsfähigkeit einschränkt oder 6
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5
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aufhebt. Die
Beurteilung dieser
Rechtsfragen darf
das
Tatgericht nicht dem Sachverständigen überlassen
(vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2009

5
StR 174/09, [X.], 337).

Zu einer näheren Auseinandersetzung gar mit der Frage aufgehobe-ner Steuerungsfähigkeit
zwang
auch eine vom [X.]

ersichtlich ebenfalls dem Sachverständigengutachten entlehnte

mehrfach in den [X.] verwendete Formulierung.
Die [X.] führt aus, dass der Angeklagte wegen seiner Persönlichkeitsstörung Impulse und Gefühle ohne Rücksicht auf Konsequenzen auslebe
([X.] und 14). Sie scheint daher selbst in Zweifel zu ziehen, dass
der Angeklagte ungeachtet seiner Persön-lichkeitsstörung grundsätzlich uneingeschränkt fähig war, entsprechend
einer Unrechtseinsicht zu handeln.

dd) In den [X.] und 7
verhält sich das Urteil nicht zu der Frage, worauf es die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit stützt. Mit Blick auf das festgestellte erhebliche Störungsbild des Angeklagten erscheint dies nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

2. Da es nicht gänzlich fernliegt, dass die Voraussetzungen des §
20
StGB nach dem [X.] festgestellt werden müssten, hebt der [X.] die Schuldsprüche insgesamt auf. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sind insoweit jedoch rechtsfehlerfrei getroffen und können [X.] bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind; er-gänzende Feststellungen des neuen Tatgerichts sind möglich. Das
neue Tatgericht
wird unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen über die Frage der Voraussetzungen der §§
20, 21 StGB zu entscheiden haben.
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10
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6
-

Gemäß §
358 Abs. 2 StPO wäre es nicht ausgeschlossen, dass gegen den Angeklagten, sollten die Voraussetzungen vorliegen, auch eine Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§
63 StGB) angeordnet werden könnte.

Raum Brause Schaal

Schneider Bellay

Meta

5 StR 261/11

17.08.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. 5 StR 261/11 (REWIS RS 2011, 3945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3945

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