Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2018, Az. 2 StR 71/18

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 10977

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:110418B2STR71.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

2 StR 71/18
vom
11. April
2018
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts

zu Ziffer
2.
auf dessen Antrag

und des Beschwerdeführers
am 11.
April 2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.
Oktober 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat
den Angeklagten wegen besonders schwerer Ver-gewaltigung in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei tateinheitlich zusammenfallenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von
elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Bean-standung
der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte
Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang
Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel
unbegründet im Sinne des §
349
Abs.
2 StPO.

1
-
3
-
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und [X.] unzulässig (§
344 Abs.
2 Satz
2 StPO).
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten er-geben.
3. Hingegen hält der
Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Ausführungen, mit denen das [X.] die Annahme der vollen Schuldfähig-keit des Angeklagten begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
a) Das [X.] ist, sachverständig beraten, davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung aus [X.], narzisstischer Störung einerseits und emotional instabiler Persönlichkeit (Borderline) andererseits bestehe. Der Angeklagte lebe nach dem

aus seinem Ver-e-/inkompetenten [X.] sei.
Diese Persönlichkeitsstörung erreiche auch in ihrer Schwere einen
Grad, der geeignet sei, die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Abartig-keit im Sinne
des § 20 StGB zu erfüllen. Allerdings habe sich diese Persönlich-keitsstörung

wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt habe

nicht in der Tat niedergeschlagen. Gegen die Aufhebung oder
Einschränkung der Steu-erungsfähigkeit spreche ganz erheblich der Ablauf der Tat. Der Angeklagte ha-be aus Tätersicht logisch gehandelt und sei jederzeit in der Lage gewesen, auf äußere Impulse zu reagieren.
b) Diese Ausführungen der Strafkammer
begegnen
durchgreifenden [X.].
Die Feststellung des [X.]s, die Steuerungsfähigkeit des Ange-klagten sei uneingeschränkt vorhanden gewesen, ist nicht tragfähig belegt.
2
3
4
5
6
-
4
-
aa) Eine Persönlichkeitsstörung kann die Annahme einer schweren an-deren seelischen Abartigkeit nur dann begründen, wenn sie, wie das Landge-richt
nicht verkannt hat, Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben eines Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belas-ten oder einengen
wie eine
krankhafte seelische Störung. Als Gründe für die g-tiven Ansprechbarkeit bzw. der [X.], der Einengung der Lebensführung bzw. Stereotypisierung des Verhaltens, die durchgängige oder wiederholte Beeinträchtigung der Bezie-hungsgestaltung und der psychosozialen Leistungsfähigkeit durch affektive Auf-fälligkeiten, Verhaltensprobleme sowie unflexible, unangepasste [X.], die durchgehende Störung des Selbstwertgefühls oder die deutliche Schwäche von Abwehr-
und Realitätsprüfungsmechanismen in Betracht (Müller/[X.],
Forensische Psychiatrie, 5.
Aufl., S.
233; [X.], Forensische
Psychiatrie, 4.
Aufl., S.
381
f.). Handelt es sich, wie bei der
hier diagnostizierten kombinierten Persönlichkeitsstörung,
um ein eher unspezifisches Störungsbild,

dann erreicht, wenn der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen
Zwang heraus gehandelt hat (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 11.
Februar 2015

4
StR 498/14; NStZ-RR 2015, 137
mwN; Beschluss vom 27.
Januar 2017

1
StR 532/16, [X.], 176, 177).
[X.]) Den Urteilsgründen kann, auch in ihrer Gesamtheit,
nicht entnommen
werden, welche forensisch relevanten Symptome einer Persönlichkeitsstörung die Strafkammer ihrer Gesamtschau
bei der Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zu Grunde gelegt hat,
und wie sich diese Auffälligkeiten bei der konkreten Tatausführung ausgewirkt haben.
Hierauf kommt es
jedoch entscheidend
an; denn der Begriff der kombinierten Persönlichkeitsstörung aus dissozialer, narzisstischer Störung einerseits und emotional instabiler Persön-7
8
-
5
-
lichkeit (Borderline) andererseits besagt für sich genommen wenig. Gerade bei Persönlichkeitsstörungen, die eine Vielzahl auch normalpsychologisch wirksa-mer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Verhaltens beschreiben und typisierend zusammenfassen,
bedarf es einer näheren Beschreibung und [X.] ([X.], Beschluss vom 23.
August 2000

2
StR 162/00, juris Rn. 4).
Mangels Darstellung, welche Auffälligkeiten der Persönlichkeit des [X.] in die Gesamtschau
eingeflossen sind, ist dem [X.] die Prüfung verwehrt, ob der [X.] der Tat den uneingeschränkten Erhalt der Steuerungsfähigkeit des Ange-klagten belegt und den
Rückschluss auf dessen intakte psychische Funktionen während der Tatbegehung ermöglicht.
c) Dieser Rechtsfehler
bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Schuldspruch wird dadurch nicht berührt; der [X.] kann ausschließen, dass das [X.]
bei fehlerfreier Würdigung zur Annahme von Schuldunfähigkeit gelangt wäre. Die Sache bedarf insoweit

naheliegender Weise unter Heran-ziehung eines anderen Sachverständigen

neuer Verhandlung und Entschei-dung.

[X.]

Krehl Bartel

Grube Schmidt

9
10

Meta

2 StR 71/18

11.04.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2018, Az. 2 StR 71/18 (REWIS RS 2018, 10977)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10977

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