Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2018, Az. II ZR 65/16

II. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 7204

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:260618UIIZR65.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
II ZR 65/16
Verkündet am:
26. Juni 2018
Ginter,
Justizfachangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GmbHG § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3
Steht im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Einziehung eines [X.] fest, dass das freie Vermögen der [X.] des [X.] nicht ausreicht, ist der Einziehungsbeschluss auch dann nichtig, wenn die [X.] verfügt, deren Auf-lösung ihr die Bezahlung des [X.] ermöglichen würde (Fort-führung von [X.], Urteil vom 24. Januar 2012

[X.], [X.]Z 192, 236).
[X.], Urteil vom 26. Juni 2018 -
II ZR 65/16 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der
II. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 26.
Juni
2018 durch den Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr.
Drescher,
die [X.] Wöstmann
und
Sunder, die [X.]in B.
Grüneberg
und den [X.] V.
Sander

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 9. März 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der beklagten
GmbH wegen ihres Ausschei-dens
aus der [X.]
die Zahlung einer Abfindung.
Die [X.]erversammlung
der Beklagten beschloss am 26.
Juni
2000, den Geschäftsanteil der Klägerin, der sich damals auf 25
%
des Stammkapitals belief,
wegen Verletzung der [X.]. Mit Schreiben vom
28. September 2000 erklärte
die Klägerin ihrerseits die 1
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Kündigung der [X.].
Der [X.]svertrag der Beklagten vom 4.
Februar 1994 enthält insoweit folgende Bestimmungen:
"§ 6
Einziehung von Geschäftsanteilen

Ein Geschäftsanteil kann mit Zustimmung des betroffenen Gesell-schafters jederzeit eingezogen werden.
Ohne Zustimmung ist die Einziehung des Geschäftsanteils eines [X.]ers zulässig,

(3)
wenn ein [X.]er sich eines so schweren [X.] gegen [X.] schuldig gemacht hat, daß den übrigen [X.]ern die Fortsetzung der [X.] mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann.
Anstelle der Einziehung kann die [X.]erversammlung [X.], daß der betroffene [X.]er seinen Geschäftsanteil an einen von der [X.] zu benennenden [X.]

oder bei [X.] der gesetzlichen Voraussetzungen

an die [X.]
abzu-treten hat.

§ 16
Kündigung
(1)
Die [X.] kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende des Kalenderjahres

(2)
Falls die verbleibenden [X.]er die Fortsetzung
der [X.] beschließen, scheidet der kündigende [X.]er gemäß § 6 aus."
Die [X.]erversammlung der Beklagten beschloss nach der Kün-digung der Klägerin die Fortsetzung der [X.], fasste aber zunächst kei-nen
(weiteren)
Beschluss über eine Einziehung oder Abtretung des Geschäfts-anteils. Eine von der
Klägerin
erhobene
Auflösungsklage
(§ 61 GmbHG)
wurde rechtskräftig abgewiesen.
Bereits am 21. Dezember 2000 erhielt die Klägerin

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Am 9. August 2006 beschloss die [X.]erversammlung
der Be-klagten
unter Bezugnahme auf die Kündigung vom 28. September 2000 erneut die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin sowie eine
Ermittlung des
noch zu zahlenden [X.] durch Sachverständigengutachten.

Das Landgericht
hat der auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von Klägerin schon im [X.] oder erst
im Jahr 2006 aus der [X.] ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurück-gewiesen und diese Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin bereits mit der Bekanntgabe des [X.] vom 26. Juni 2000 ausgeschie-den sei.
Mit ihrer
vom [X.] zugelassenen
Revision strebt die Beklagte die Ab-weisung der Klage an. Die Klägerin
schließt sich der Revision für den Fall an, dass für das Berufungsverfahren
eine
an den in Betracht kommenden [X.] ausgerichtete
Aufgliederung
in Hauptantrag und [X.] anzunehmen sei
und das Berufungsurteil die
Abweisung des
auf den Einziehungsbeschluss vom 9. August 2006 gestützten [X.] beinhalte.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung
des ange-fochtenen Urteils
und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Über die [X.] der Klägerin ist
nicht zu entscheiden.
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I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Klägerin sei auf Grund des [X.] vom 26.
Juni
2000 aus der Beklagten
ausgeschieden. Der [X.]erbeschluss sei nicht wegen eines Einberufungsmangels nichtig.
Der Geschäftsanteil der , so dass der nach Anrechnung der bereits spruch jedenfalls den einge-

Dem Abfindungsanspruch stehe nicht entgegen, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. L.

das freie Vermögen der Beklagten ohne
die Auf-deckung stiller
Reserven mit
lediglich 8.
Obwohl danach bei der Beschlussfassung am 26. Juni 2000
festgestanden habe, dass das [X.] nicht aus freiem, die Kapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen gezahlt werden könne, sei der Einziehungsbeschluss nicht nichtig. Denn vorliegend sei davon auszugehen, dass die Beklagte sich nicht auf das unzureichende freie Vermögen berufen könne, sondern gehalten sei, stille Re-serven zu realisieren, die sich nach den Feststellungen des Sachverständigen auf insgesamt 393.251

Die nach der Entscheidung des [X.] vom 24. Januar 2012 ([X.], [X.]Z 192, 236) beste-hende Verpflichtung der [X.]er, zur Vermeidung einer persönlichen Haftung gegebenenfalls
stille Reserven aufzulösen,
sei auf
die [X.]
entsprechend zu übertragen.

Der Abfindungsanspruch sei
auch
nicht verjährt. Denn vor der Entschei-dung
des [X.]
vom 24. Januar 2012 sei die Rechtslage hinsicht-lich des Wirksamwerdens eines nicht nichtigen [X.] und damit die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs unklar und der Klägerin damit eine Klageerhebung nicht zumutbar gewesen.

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II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Aus
dem
Einziehungsbeschluss vom 26. Juni 2000 kann
sich
der geltend gemachte Abfindungsanspruch nicht
ergeben, weil
dieser Beschluss nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nichtig war.
1.
Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das [X.] nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der [X.] gezahlt werden kann (st.
Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 2012

[X.], [X.]Z 192, 236 Rn.
7
mwN; Urteil vom 10. Mai 2016

II ZR 342/14, [X.]Z 210, 186
Rn.
13). Das Berufungsgericht hat aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen selbst angenommen, dass diese Voraussetzung bei der Beschlussfassung am 26. Juni 2000 vorlag. Diese Annahme wird von den Parteien im [X.] geteilt; sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
2.
Der
Ansicht des Berufungsgerichts,
ein Einziehungsbeschluss sei gleichwohl wirksam, wenn die [X.] über ausreichende stille Reserven verfüge, deren Auflösung für sie zumutbar sei, kann aus Rechtsgründen nicht beigetreten werden. Insbesondere lässt sich aus der [X.]sentscheidung vom 24. Januar 2012 ([X.], [X.]Z 192, 236) für die Auffassung des [X.] nichts herleiten.
Das Berufungsgericht berücksichtigt nicht hinreichend, dass die hier in Rede stehende Voraussetzung
für die
Wirksamkeit eines [X.] in Anwendung der § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG dem Grundsatz der [X.] und damit dem
Schutz der [X.]sgläubiger dient.
Für
das im [X.] bestehende Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 3
GmbHG
gilt eine bilanzielle Betrachtungsweise.
[X.] an
(ausgeschiedene)
[X.]er dürfen nicht zur Entstehung oder Ver-12
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tiefung
einer Unterbilanz führen. Deren Vorliegen bestimmt sich nicht nach den Verkehrswerten, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz; stille Reserven finden
demnach
keine Berücksichtigung ([X.], Urteil vom 29. September 2008

II ZR 234/07, [X.], 2217 Rn. 11; Urteil vom 5. April 2011

[X.], [X.], 1104 Rn. 17).
Diese der [X.] dienenden Regelungen können nicht unter Hinweis darauf überspielt werden, dass die [X.]
über stille Reserven verfüge, die aufgelöst werden könnten. Die bloße Möglichkeit einer Auflösung stiller Reserven steht einer hinreichenden Ausstattung der [X.] mit un-gebundenem Vermögen nicht gleich. Zwischen den durch § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG begrenzten Zahlungspflichten der [X.]
gegenüber ei-nem ausgeschiedenen [X.]er
und
den auf dem [X.]sverhältnis beruhenden
Pflichten der Mitgesellschafter, die das [X.]sgebot nicht berühren, ist
daher
strikt zu unterscheiden. So ist die [X.] auch
nach einem wirksam gefassten Einziehungsbeschluss gemäß § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG an einer
späteren
Bezahlung der Abfindung gehindert, soweit sie nicht aus freiem Vermögen geleistet werden kann ([X.], Urteil vom 10.
Mai
2016

II ZR
342/14, [X.]Z 210, 186 Rn. 22). Das Vorhandensein stiller Reserven ändert hieran nichts. Gerade deshalb besteht in dem
Fall, dass der Einziehungsbeschluss wirksam ist, sich das freie Vermögen aber später als un-zureichend erweist und
die [X.] die geschuldete Abfindung wegen der Sperre aus § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG nicht auszahlen darf, ein Bedürfnis für eine persönliche Haftung der anderen [X.]er, die nach der Recht-sprechung des [X.]s unter bestimmten Voraussetzungen, etwa
weil
sie
eine
Auflösung stiller Reserven treupflichtwidrig unterlassen,
zur anteiligen Zahlung der Abfindung verpflichtet sind ([X.], Urteil vom 24.
Januar
2012

II
ZR
109/11, [X.]Z 192, 236
Rn.
13
ff.; Urteil vom 10.
Mai
2016

II
ZR
342/14, [X.]Z 210, 186 Rn. 22
f.).
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8
-

Ist wie im Streitfall der Einziehungsbeschluss nichtig, weil schon bei [X.] feststeht, dass das [X.] nicht aus freiem Vermö-gen gezahlt werden kann, ist allerdings auch kein Raum für eine subsidiäre Haf-tung der anderen [X.]er. Im Hinblick auf ein berechtigtes
Interesse des betroffenen [X.]ers daran, an einem Ausscheiden aus der [X.] nicht dauerhaft gehindert zu sein, können die anderen [X.]er
aber
aus Treuepflicht gehalten sein, Maßnahmen zu ergreifen, die ein Ausscheiden er-möglichen; so können sie
etwa
verpflichtet sein,
auf eine Auflösung stiller Re-serven hinzuwirken (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 2006

II
ZR
62/04, ZIP
2006, 703 Rn. 37 f.).
[X.] Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar
(§ 561 ZPO).
1. Die Klägerin ist nicht durch ihre Kündigung vom 28. September 2000
aus der [X.] ausgeschieden.
Nach dem [X.]svertrag
(künftig: [X.]), den der [X.]
insoweit
selbst auslegen kann
(vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 1993

[X.], [X.]Z 123, 347, 350 mwN),
führt eine nach § 16 [X.] mögliche Kündigung erst dann zum Ausscheiden des kündigenden [X.]ers, wenn die verblei-benden [X.]er die Fortsetzung der [X.] beschließen und die [X.]erversammlung außerdem die Einziehung oder Abtretung des [X.] beschließt. Die Notwendigkeit des weiteren Beschlusses ergibt sich daraus, dass § 16
(2) [X.] ein Ausscheiden "gemäß § 6"
vorsieht. Damit wird auf die Möglichkeit der Einziehung verwiesen, an deren Stelle nach Wahl der [X.]er auch der Beschluss einer Abtretungsverpflichtung treten kann.

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Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich nicht, dass die Gesell-schafterversammlung der Beklagten den zur Umsetzung der Kündigung not-wendigen Beschluss bereits vor dem 9. August 2006 gefasst hätte.
2. Ob die Klägerin infolge des [X.] vom 9.
August
2006 aus der [X.] ausgeschieden ist und deshalb den gel-tend gemachten Abfindungsbetrag beanspruchen kann, muss im [X.] offen bleiben. Das Berufungsgericht hat sich, von seinem Rechtsstand-punkt aus folgerichtig, mit dem Einziehungsbeschluss vom 9. August 2006 nicht befasst und hierzu keine Feststellungen getroffen. Auf dieser Grundlage kann der [X.] nicht entscheiden, ob der Beschluss wirksam ist und [X.] der zur Entscheidung gestellte Abfindungsanspruch
in einer bestimmten Höhe
begründet ist.
[X.] Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob der Einziehungsbeschluss vom 9. August 2006 den [X.] rechtfertigt.
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Über die hilfsweise [X.] der Klägerin ist nicht zu [X.], da die Bedingung für die [X.] nicht eingetreten ist.
Dem Be-rufungsurteil kann keine teilweise Klageabweisung entnommen werden, die un-abhängig vom Erfolg der Revision der Beklagten Bestand haben könnte.

Drescher
Wöstmann
Sunder

B. Grüneberg

V. Sander

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.01.2015 -
42 [X.] 363/06 -

O[X.], Entscheidung vom 09.03.2016 -
13 [X.]/15 -

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Meta

II ZR 65/16

26.06.2018

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2018, Az. II ZR 65/16 (REWIS RS 2018, 7204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7204

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 263/08 (Bundesgerichtshof)


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II ZR 65/16

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