Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.09.2015, Az. AnwZ (Brfg) 44/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2015, 5064

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Gegenstand

Anwaltliches Berufsrecht: Anspruch eines Rechtsanwalts auf Überlassung eines in einem Aufsichtsverfahren der Rechtsanwaltskammer gegenüber einem anderen Anwalt ergangenen Beschlusses; Begriff der Personalakte


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 5. Juni 2015 an [X.] statt zugestellte Urteil des [X.] Senats des Anwaltsgerichtshofs [X.] wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, erhob am 25. April 2012 gegen Rechtsanwalt [X.]    aus K.      bei der [X.]eklagten [X.]eschwerde. Die [X.]eklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28. März 2014 mit, dass nach bestandskräftigem Abschluss des berufsrechtlichen [X.] das Anwaltsgericht den vom Kläger angezeigten Vorgang nicht als ein zu ahndendes [X.] Verhalten bewertet habe mit dem Hinweis, dass der vorliegende Verstoß gegen das [X.] nicht geeignet sei, über seine Auswirkungen im Einzelfall hinaus das Vertrauen in die Kompetenz und Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege zu stören, so dass § 43 [X.] als Grundlage einer berufsrechtlichen Aufsichtsmaßnahme ausscheide.

2

Den Antrag des [X.] auf Überlassung des anwaltsgerichtlichen [X.]eschlusses wies die [X.]eklagte mit [X.]escheid vom 17. Juli 2014 zurück. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des [X.] wies die [X.]eklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2014 zurück. Die gegen den [X.]escheid vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2014 auf Verpflichtung der [X.]eklagten zur Überlassung des anwaltsgerichtlichen [X.]eschlusses gerichtete Klage hat der [X.] abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

3

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

4

1. Nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO müssen im Zulassungsantrag die Gründe dargelegt werden, aus denen die [X.]erufung zuzulassen ist. Hierfür gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen, wie sie die Rechtsprechung zur [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO) entwickelt hat. Daher müssen die aus Sicht des Antragstellers in [X.]etracht kommenden Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO benannt und hinreichend erläutert, d.h. die Voraussetzungen des geltend gemachten [X.] substantiiert dargelegt werden (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 15. März 2012 - [X.] ([X.]) 4/12, [X.]. 2012, 553 Rn. 2 und vom 23. Februar 2011 - [X.] ([X.]) 4/10, juris Rn. 4, jeweils m.w.N.).

5

Nach Maßgabe dieser an die [X.]egründung des Zulassungsantrags zu stellenden Anforderungen bestehen bereits [X.]edenken gegen die Zulässigkeit des klägerischen Antrags. Dort wird weder ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich benannt noch näher zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm Stellung genommen.

6

2. Unabhängig hiervon hat der Zulassungsantrag auch in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

7

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 28. Oktober 2011 - [X.] ([X.]) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.

8

Der Kläger hat, wie der [X.] zutreffend erkannt hat, keinen Anspruch gegen die [X.]eklagte auf Überlassung des in dem berufsrechtlichen Aufsichtsverfahren betreffend Rechtsanwalt [X.]      ergangenen anwaltsgerichtlichen [X.]eschlusses. Dieser [X.]eschluss ist - entgegen der Auffassung des [X.] - [X.]estandteil der von der [X.]eklagten über Rechtsanwalt [X.]      geführten Personalakte und unterliegt der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 [X.].

9

a) Der [X.]egriff der Personalakte in § 58 [X.] ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur materiell zu verstehen. Für die Frage, ob ein Vorgang zu den Personalakten gehört, kommt es nicht darauf an, wo und wie er geführt oder aufbewahrt wird (formelles Prinzip), sondern allein darauf, ob er den Rechtsanwalt in einem inneren Zusammenhang mit seinem Status als Rechtsanwalt betrifft (Senat, [X.]eschlüsse vom 25. November 2013 - [X.] ([X.]) 39/12, NJW-RR 2014, 883 Rn. 5 m.w.N. und vom 2. März 2011 - [X.] ([X.]) 50/10, NJW 2011, 2303 Rn. 11 m.w.[X.] [X.]öhnlein in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 58 Rn. 6 f. m.w.[X.] [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, 2. Aufl., § 58 Rn. 5). [X.]estandteile der Personalakte sind somit - wie vorliegend - auch Vorgänge und Unterlagen aus einem gegen den Rechtsanwalt eingeleiteten Aufsichts- oder [X.]eschwerdeverfahren und ihn betreffende Gerichtsentscheidungen ([X.] in [X.]/[X.] aaO § 73 Rn. 66; Güldenzoph, [X.]RAK-Mitt. 2011, 4, 5; [X.] aaO Rn. 13).

b) Der anwaltsgerichtliche [X.]eschluss unterlag als [X.]estandteil der bei der [X.]eklagten über Rechtsanwalt [X.]      geführten Personalakte der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 [X.]. Nach § 76 Abs. 1 [X.] haben die Mitglieder des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Vorstand über Rechtsanwälte, [X.]ewerber und andere Personen bekannt werden, Verschwiegenheit gegen jedermann zu bewahren. Zu den der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Angelegenheiten gehören der Inhalt der von einer Rechtsanwaltskammer über ein [X.] geführten Personalakte ([X.] aaO Rn. 15) und mithin auch Vorgänge und Entscheidungen in einem Aufsichts- und [X.]eschwerdeverfahren. Letzteres ergibt sich zudem unmittelbar aus § 73 Abs. 3 Satz 3 [X.]. Danach bleibt, soweit der Kammervorstand gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1, 2 [X.] im [X.]eschwerdeverfahren den [X.]eschwerdeführer von seiner Entscheidung in Kenntnis setzt, § 76 [X.] unberührt. Durch die Verweisung auf § 76 [X.] wird klargestellt, dass bei der Mitteilung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 [X.] das Verschwiegenheitsgebot nach § 76 [X.] zu achten ist (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen [X.]erufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften, [X.]T-Drucks. 16/11385, S. 39).

c) Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht sind vorliegend nicht gegeben.

aa) Eine solche Ausnahme ergibt sich nicht aus [X.] des [X.]eschwerdeführers im [X.]eschwerdeverfahren nach § 73 Abs. 2 Nr. 4, §§ 74, 74a [X.]. Der [X.]eschwerdeführer ist im berufsrechtlichen [X.]eschwerdeverfahren nicht [X.]eteiligter und besitzt nach der gesetzlichen Konzeption - mit Ausnahme der in § 73 Abs. 3 [X.] bestimmten Mitteilungspflicht - keine Verfahrensrechte (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 24. November 1997 - [X.] ([X.]) 47/97, [X.]RAK-Mitt. 1998, 41, 42; [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, 2. Aufl., § 74 Rn. 33 sowie § 76 Rn. 20; Güldenzoph aaO S. 6). Er hat daher in diesem Verfahren - entgegen der Auffassung des [X.] - auch keinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der dem Kläger als [X.]eschwerdeführer gegenüber bestehenden Mitteilungspflicht nach § 73 Abs. 3 [X.] hat die [X.]eklagte - wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat - mit dem Schreiben vom 28. März 2014 genügt. Die Mitteilungspflicht umfasst nicht die Überlassung von anwaltsgerichtlichen [X.]eschlüssen, die in einem auf die [X.]eschwerde des [X.] hin eingeleiteten berufsrechtlichen Aufsichts- und [X.]eschwerdeverfahren ergangen sind.

bb) Die Überlassung solcher [X.]eschlüsse ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Rechts des [X.] auf Einsicht in die Personalakte gerechtfertigt, die über den Rechtsanwalt, über den er [X.]eschwerde geführt hat, von der Rechtsanwaltskammer geführt wird. Da die Personalakte der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 [X.] unterliegt, kommt ein Einsichtsrecht Dritter nur in [X.]etracht, wenn dafür eine Ermächtigungsgrundlage besteht oder der Rechtsanwalt einverstanden ist ([X.]öhnlein aaO § 58 Rn. 17; [X.] aaO § 58 Rn. 15; [X.], [X.]erufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 58 [X.] Rn. 23). Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage besteht in Fällen der vorliegenden Art - wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat - nicht (vgl. eingehend zum Akteneinsichtsrecht für den [X.]eschwerdeführer in berufsaufsichtsrechtlichen [X.]eschwerdeverfahren: Güldenzoph, [X.]RAK-Mitt. 2011, 4 ff.).

Auch soweit der Kläger sein [X.]egehren auf eine teilweise geschwärzte Ablichtung des anwaltsgerichtlichen [X.]eschlusses beschränkt, besteht ein entsprechender Anspruch nicht. Die Überlassung einer teilweise geschwärzten Ablichtung stellt ebenfalls eine - teilweise - Gewährung von Einsicht in die Personalakte des von dem Aufsichts- und [X.]eschwerdeverfahren betroffenen Rechtsanwalts dar. Auch ihr steht die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 [X.] entgegen. Eine Schwärzung aller Textstellen eines anwaltsgerichtlichen [X.]eschlusses, die die "persönlichen [X.]elange” des Rechtsanwalts betreffen, gegen den das Aufsichts- und [X.]eschwerdeverfahren gerichtet ist, erscheint nicht möglich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                        [X.]

                 [X.]

Meta

AnwZ (Brfg) 44/15

22.09.2015

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Stuttgart, 5. Juni 2015, Az: AGH 16/14 (I)

§ 58 BRAO, § 73 Abs 3 BRAO, § 76 Abs 1 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.09.2015, Az. AnwZ (Brfg) 44/15 (REWIS RS 2015, 5064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5064

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