Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2015, Az. AnwZ (Brfg) 44/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2015, 5073

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS

AnwZ ([X.]) 44/15

vom

22. September 2015

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Überlassung eines anwaltsgerichtlichen [X.]eschlusses
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Der [X.], [X.], hat
durch die Präsidentin des [X.]s [X.], die Richterin [X.],
[X.] Remmert
sowie
die Rechtsanwälte
Dr. [X.] und Dr. Kau

am
22. September 2015
beschlossen:

Der Antrag des
[X.]
auf Zulassung der [X.]erufung gegen das ihm am 5. Juni 2015 an [X.] statt zugestellte Urteil des I.
Senats des [X.]s [X.]aden-Württemberg
wird abge-lehnt.

Der
Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des
Zulassungsverfahrens
wird auf 5.000

Gründe:

I.

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, erhob am 25. April 2012 gegen Rechtsan-walt R.

F.

aus K.

bei der [X.]eklagten [X.]eschwerde. Die [X.]eklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28. März 2014 mit, dass nach bestands-kräftigem Abschluss des berufsrechtlichen Aufsichtsverfahrens das [X.] den vom Kläger angezeigten Vorgang nicht als ein zu ahndendes [X.] Verhalten bewertet habe mit dem Hinweis, dass der vorliegende 1
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Verstoß gegen das [X.] nicht geeignet
sei, über seine Auswirkungen im Einzelfall hinaus das Vertrauen in die Kompetenz und Integri-tät der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege zu stören, so dass § 43 [X.] als Grundlage einer berufsrechtlichen Aufsichtsmaßnahme ausscheide.

Den Antrag des [X.] auf Überlassung des [X.] wies die [X.]eklagte mit [X.]escheid vom 17. Juli 2014 zurück. Den hier-gegen gerichteten Widerspruch des [X.] wies die [X.]eklagte mit [X.] vom 14. August 2014 zurück. Die
gegen
den [X.]escheid vom 17.
Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2014 auf Verpflichtung der [X.]eklagten zur Überlassung des [X.] gerichtete Klage hat der [X.] abgewiesen.
Der
Kläger beantragt die
Zulassung der [X.]erufung
gegen das Urteil des [X.].

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

1. Nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO müssen im Zulassungsantrag die Gründe dargelegt werden, aus denen die [X.]erufung [X.] ist. Hierfür gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen, wie sie die Rechtsprechung zur [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO) entwickelt hat. Daher müssen die aus Sicht des Antragstellers in [X.]etracht kommenden Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO benannt und hinreichend erläutert, d.h. die Vor-aussetzungen des geltend gemachten [X.] substantiiert darge-2
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legt werden (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 15. März 2012 -
AnwZ ([X.]) 4/12, Anw[X.]l.
2012, 553 Rn. 2 und vom 23. Februar 2011 -
AnwZ ([X.]) 4/10, juris Rn.
4, jeweils m.w.N.).

Nach Maßgabe dieser an die [X.]egründung des Zulassungsantrags zu stellenden Anforderungen bestehen bereits [X.]edenken gegen die Zulässigkeit des klägerischen Antrags. Dort wird weder ein Zulassungsgrund im Sinne des §
124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich benannt noch näher zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm Stellung genommen.

2. Unabhängig hiervon hat der Zulassungsantrag auch in der Sache kei-nen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser [X.] setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebli-che Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt
wird (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 28. Oktober 2011 -
AnwZ ([X.]) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.

Der Kläger hat, wie der [X.] zutreffend erkannt hat, keinen Anspruch gegen die [X.]eklagte auf Überlassung des in dem berufsrechtlichen Aufsichtsverfahren betreffend Rechtsanwalt F.

ergangenen anwaltsge-richtlichen [X.]eschlusses. Dieser [X.]eschluss ist -
entgegen der Auffassung des [X.] -
[X.]estandteil der von der [X.]eklagten über Rechtsanwalt F.

geführ-ten Personalakte und unterliegt der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 [X.].
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a) Der [X.]egriff der Personalakte in § 58 [X.] ist nach einhelliger Auffas-sung in Rechtsprechung und Literatur materiell zu verstehen. Für die Frage, ob ein Vorgang zu den Personalakten gehört, kommt es nicht darauf an, wo und wie er geführt oder aufbewahrt wird (formelles Prinzip), sondern allein darauf, ob er den Rechtsanwalt in einem inneren Zusammenhang mit seinem Status als Rechtsanwalt betrifft (Senat, [X.]eschlüsse vom 25.
November 2013 -
AnwZ ([X.]) 39/12, NJW-RR 2014, 883 Rn. 5 m.w.N.
und vom 2. März 2011 -
AnwZ ([X.]) 50/10, NJW 2011, 2303 Rn. 11 m.w.[X.] [X.]öhnlein in [X.]/[X.], [X.], 8.
Aufl., § 58 Rn. 6 f.
m.w.[X.] [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, 2. Aufl., § 58 Rn. 5). [X.]estandteile der Personalakte sind somit -
wie vorliegend -
auch [X.] und Unterlagen aus einem gegen den Rechtsanwalt eingeleiteten Auf-sichts-
oder [X.]eschwerdeverfahren und ihn betreffende Gerichtsentscheidungen ([X.] in [X.]/[X.] aaO § 73 Rn. 66; Güldenzoph, [X.]RAK-Mitt. 2011, 4, 5; [X.] aaO Rn. 13).

b) Der anwaltsgerichtliche [X.]eschluss unterlag als [X.]estandteil der bei der [X.]eklagten über
Rechtsanwalt F.

geführten
Personalakte der Verschwie-genheitspflicht nach § 76 Abs. 1 [X.]. Nach § 76 Abs. 1 [X.] haben die
Mitglieder des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Angelegenhei-ten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Vorstand über Rechtsanwälte, [X.]ewerber und andere Personen bekannt werden, Verschwiegenheit gegen jedermann zu bewahren. Zu den der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Angelegenhei-ten gehören der Inhalt der von einer Rechtsanwaltskammer über ein Kammer-mitglied geführten Personalakte ([X.] aaO Rn. 15) und mithin auch Vorgänge und Entscheidungen in einem Aufsichts-
und [X.]eschwerdeverfahren. Letzteres ergibt sich zudem unmittelbar aus § 73 Abs. 3 Satz 3 [X.]. Danach bleibt, soweit der Kammervorstand gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1, 2 [X.] im [X.]eschwer-9
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deverfahren den [X.]eschwerdeführer von seiner Entscheidung in Kenntnis setzt, § 76 [X.] unberührt. Durch die Verweisung auf § 76 [X.] wird klargestellt, dass bei der Mitteilung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 [X.] das [X.] nach § 76 [X.] zu achten ist (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen [X.]erufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Ände-rung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kosten-rechtlicher Vorschriften, [X.]T-Drucks. 16/11385, S. 39).

c) Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht sind vorliegend nicht gegeben.

aa) Eine solche Ausnahme ergibt sich nicht aus [X.] des [X.]eschwerdeführers im [X.]eschwerdeverfahren nach § 73 Abs. 2 Nr. 4, §§
74, 74a
[X.]. Der [X.]eschwerdeführer ist im berufsrechtlichen [X.]eschwerdeverfah-ren nicht [X.]eteiligter und besitzt nach der gesetzlichen Konzeption -
mit Aus-nahme der in § 73 Abs. 3 [X.] bestimmten Mitteilungspflicht -
keine Verfah-rensrechte (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 24. November 1997 -
AnwZ ([X.]) 47/97, [X.]RAK-Mitt. 1998, 41, 42; [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, 2. Aufl.,
§ 74 Rn. 33
sowie § 76 Rn. 20; Güldenzoph aaO S. 6).
Er hat daher in diesem Verfahren
-
entgegen der Auffassung des [X.] -
auch keinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der
dem Kläger
als [X.]eschwerdeführer gegenüber bestehenden
Mittei-lungspflicht nach § 73 Abs. 3 [X.] hat die [X.]eklagte -
wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat -
mit dem Schreiben vom 28. März 2014 genügt. Die Mitteilungspflicht umfasst
nicht die Überlassung von anwaltsgerichtlichen [X.]eschlüssen, die in einem auf die [X.]eschwerde des [X.] hin eingeleiteten berufsrechtlichen Aufsichts-
und [X.]eschwerdeverfahren ergangen
sind.

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bb) Die Überlassung solcher [X.]eschlüsse
ist auch nicht unter dem Ge-sichtspunkt eines Rechts des [X.]
auf Einsicht in
die Personalakte gerecht-fertigt, die über den Rechtsanwalt, über den er [X.]eschwerde geführt hat, von der Rechtsanwaltskammer geführt
wird. Da die Personalakte der Verschwiegen-heitspflicht nach § 76 [X.] unterliegt, kommt ein Einsichtsrecht Dritter nur in [X.]etracht, wenn dafür eine Ermächtigungsgrundlage besteht oder der Rechts-anwalt einverstanden ist ([X.]öhnlein aaO § 58
Rn. 17; [X.] aaO § 58 Rn. 15; [X.], [X.]erufs-
und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 58 [X.] Rn.
23). Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage besteht in Fällen der vorliegenden Art -
wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat -
nicht (vgl. eingehend zum Akteneinsichtsrecht für den [X.]eschwerdeführer in [X.] [X.]eschwerdeverfahren:
Güldenzoph, [X.]RAK-Mitt. 2011,
4
ff.).

Auch soweit der Kläger sein [X.]egehren auf eine teilweise geschwärzte Ablichtung des anwaltsgerichtlichen [X.]eschlusses beschränkt, besteht ein ent-sprechender Anspruch nicht. Die Überlassung einer teilweise geschwärzten Ablichtung stellt
ebenfalls eine -
teilweise -
Gewährung von Einsicht in die Per-sonalakte des von dem Aufsichts-
und [X.]eschwerdeverfahren betroffenen Rechtsanwalts
dar. Auch ihr steht die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 [X.]
entgegen.
Eine Schwärzung aller Textstellen eines anwaltsgerichtlichen [X.]eschlusses, die die "persönlichen [X.]elange"
des Rechtsanwalts betreffen, ge-gen den das Aufsichts-
und [X.]eschwerdeverfahren gerichtet ist, erscheint nicht möglich.

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III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.],
§ 154 Abs. 2 VwGO,
die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 52 Abs. 2 GKG.

[X.]
[X.]
Remmert

[X.]

Kau
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 05.06.2015 -
AGH 16/14 (I) -

15

Meta

AnwZ (Brfg) 44/15

22.09.2015

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2015, Az. AnwZ (Brfg) 44/15 (REWIS RS 2015, 5073)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5073

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