Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.05.2017, Az. B 14 AS 177/16 B

14. Senat | REWIS RS 2017, 10428

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - Verwerfung der Berufung durch Beschluss - Versäumung der Berufungsfrist - Berufungseinlegung in elektronischer und schriftlicher Form per Telefax - fehlende eigenhändige Unterschrift im Faxschreiben


Tenor

Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 20. Mai 2016 - L 6 AS 257/15 - gewährt.

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des [X.] vom 20. Mai 2016 - L 6 AS 257/15 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in die Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren (vgl § 67 [X.]G) wegen ihrer fristgerechten Stellung eines [X.] und der fristgerechten Beschwerdeeinlegung und -begründung ihrer Prozessbevollmächtigten nach der Bewilligung der PKH durch den Senat.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 [X.] [X.]G), soweit sie als Verfahrensmangel rügt, dass das [X.] ihre Berufung durch Beschluss nach § 158 [X.]G wegen Nichteinhaltung der Monatsfrist als unzulässig verworfen habe, obwohl sie diese eingehalten habe ("Prozessurteil statt Sachurteil"; vgl dazu nur [X.], 283, 285 ff; [X.], 245, 252 ff; [X.]5, 169, 172; letztens etwa B[X.] vom [X.] - B 14 [X.]/13 B - juris).

3

Ein Prozessurteil darf nicht ergehen, wenn seine Voraussetzungen nicht vorliegen, da es sich bei einem Prozessurteil um eine qualitativ andere Entscheidung gegenüber einem Sachurteil handelt. Hiergegen hat das [X.] verstoßen, indem es die Berufung der Klägerin wegen Nichteinhaltung der Monatsfrist nach § 151 Abs 1 [X.]G als unzulässig verworfen hat, weil bis zum Fristablauf weder ein von der Klägerin unterschriebener Berufungsschriftsatz noch ein Berufungsschriftsatz mit qualifizierter elektronischer Signatur beim [X.] eingegangen sei. Indes hat die Klägerin schon vor Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist schriftlich Berufung gegen das ihr am 28.3.2015 zugestellte Urteil des [X.] eingelegt. Denn sie hat Berufung nicht nur in elektronischer Form am 27.4.2015, sondern auch mit Telefax am 28.4.2015 (Blatt 39 f der [X.] AS 805/14; L 6 AS 258/15) eingelegt. Auf die Frage der Einhaltung der Anforderungen des § 65a [X.]G für Berufungen in elektronischer Form, auf die das [X.] seine Entscheidung gestützt hat, kommt es deshalb nicht allein maßgeblich an.

4

Der Wirksamkeit der - vom [X.] in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnten - Berufungseinlegung mit Telefax steht es nicht entgegen, dass das Faxschreiben von der Klägerin nicht unterschrieben war. Zwar erfordert die Schriftform der Berufung iS des § 151 Abs 1 [X.]G grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift (vgl B[X.] vom [X.] - B 5 RJ 10/01 R - [X.] 3-1500 § 67 [X.] RdNr 15). Doch ist in der Rechtsprechung des B[X.] anerkannt, dass dieses Schriftformerfordernis ausnahmsweise auch dann erfüllt sein kann, wenn die Berufungsschrift zwar keine eigenhändige Unterschrift enthält, aber sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher, dh ohne die Notwendigkeit einer Klärung durch Beweiserhebung, ergibt (vgl letztens etwa B[X.] vom 30.3.2015 - B 12 KR 102/13 B - juris, RdNr 8 mwN).

5

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn die Urheberschaft der Klägerin lässt sich dem Umstand entnehmen, dass ihr am 28.4.2015 beim [X.] eingegangenes Telefax vom 27.4.2015 mit dem Betreff "Berufung" die postalische Anschrift der Klägerin enthält und die mit diesem Fax eingelegte Berufung mit dem Namen der Klägerin abschließt. Zudem hat sie - neben anderen - das richtige Aktenzeichen des angefochtenen [X.]-Urteils ("[X.] AS 701/14") mitgeteilt. Die Faxkennung weist als Absender "C." mit der Nummer "+49 " aus, und damit ausweislich einer Internetrecherche ein Unternehmen in [X.], dem Wohnort der Klägerin. Dass die Klägerin Berufung einlegen wollte, ergibt sich schließlich auch aus ihrer elektronisch übermittelten Berufung vom 27.4.2015, auf die in dem am 28.4.2015 eingegangenen Telefax vom 27.4.2015 Bezug genommen worden ist. Diese Umstände schließen es aus, dass das an das [X.] gerichtete Telefax von der Klägerin nur unbewusst oder versehentlich in den Verkehr gebracht wurde.

6

Der Senat macht von der durch § 160a Abs 5 [X.]G eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den angefochtenen Beschluss wegen des vorliegenden [X.] aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen, weil für eine abschließende Entscheidung Tatsachenfeststellungen notwendig sind. Dieser bedarf es zunächst zur Höhe des Werts des [X.] nach Maßgabe von § 144 Abs 1 [X.]G, damit das [X.] über die [X.] der Berufung befinden kann; zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kann die [X.] der Berufung und damit die Entscheidungserheblichkeit des vorliegenden [X.] des [X.] angesichts des Vorbringens der Klägerin zu ihren Klagebegehren nicht ausgeschlossen werden. Bei [X.] und auch im Übrigen zulässiger Berufung wird durch das [X.] aufgrund von Tatsachenfeststellungen in der Sache zu entscheiden sein.

7

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des [X.] vorbehalten.

Meta

B 14 AS 177/16 B

24.05.2017

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Kassel, 11. Februar 2015, Az: S 6 AS 701/14, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 158 S 1 SGG, § 158 S 2 SGG, § 151 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.05.2017, Az. B 14 AS 177/16 B (REWIS RS 2017, 10428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10428

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