Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2011, Az. 2 StR 172/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2207

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 172/11

vom
19.
Oktober 2011
in der Strafsache
gegen

wegen Brandstiftung u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19.
Oktober 2011, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof

Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,

die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
[X.],
Prof. Dr. [X.],
Dr. Eschelbach

Staatsanwältin

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15.
Dezember 2010 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.]
hat den Angeklagten wegen Brandstiftung und Sachbe-schädigung in jeweils 12
Fällen, wobei es bei einer Brandstiftung und einer Sachbeschädigung beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die sich mit der Sachrüge vor allem gegen die Nichtanwendung des §
21 StGB wendet, hat keinen Erfolg.
1. Das sachverständig beratene [X.] ist von
einer schweren an-deren seelischen Abartigkeit
des Angeklagten im Sinne des §
20 StGB in Form einer "selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit einer nicht instrumentell motivierten Pyromanie zur Affektregulation im Sinne einer Reduktion der negativen Emotionen"
ausgegangen. Eine dadurch "erheb-lich"
verminderte Schuldfähigkeit hat es
verneint.

2. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Revision, denen sich der Generalbundesanwalt
angeschlossen hat, zeigen keinen durchgreifenden
Rechtsfehler auf.
a) Bei der Frage, ob sich ein medizinisch-psychiatrischer Befund in der [X.] "erheblich"
auf das Steuerungsvermögen im Sinne des §
21 StGB 1
2
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4
-
4
-
ausgewirkt hat, handelt es sich um einen Rechtsbegriff, über dessen Voraus-setzungen nach
ständiger Rechtsprechung das Gericht in eigener Verantwor-tung und ohne Bindung an die Ausführungen des Sachverständigen zu [X.] hat ([X.]St 49, 45, 53; NJW 06, 386 f.; [X.], 73 f.; weitere Nachweise bei [X.], 58.
Aufl. 2011, §
21 Rn.
7). Die Beurteilung setzt eine Gesamtwürdigung des Gerichts voraus (vgl. nur [X.]St 43, 77; [X.], 369), die darauf einzugehen hat, ob der Täter motivatorischen und si-tuativen [X.] wesentlich weniger Widerstand entgegensetzen konnte als ein Durchschnittsbürger. Dabei ist dem Tatrichter grundsätzlich ein weiter Beur-teilungs-
und Wertungsspielraum eingeräumt ([X.], Beschluss vom 24.
Juni 2004 -
5
StR
306/03). Hierbei
muss besonders geprüft werden, ob sich eine festgestellte schwere seelische Abartigkeit auf die konkret abzuurteilende Tat erheblich schuldmindernd ausgewirkt hat (vgl. [X.] NStZ 97, 485 f.; 96, 380, [X.], 511; weitere Nachweise bei [X.], 58.
Aufl. §
21 Rn. 8).

b) Daran gemessen sind die Ausführungen der [X.], mit denen sie die Erheblichkeit der schweren seelischen Abartigkeit verneint hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.]
war sich der besonderen [X.] ersichtlich bewusst. Es hat sich bei seiner Beurteilung vor allem auf die Tatvorbereitung, das plangemäße und von Reflexion zeugende [X.] bei den Taten, die Vorsorge gegen Entdeckung,
die erhaltene [X.] und das Erinnerungsvermögen des Angeklagten gestützt. Dabei handelt es sich um
Faktoren, die unter Berücksichtigung des festgestellten Tatablaufes sowie der Angaben des Angeklagten zu den Taten und zu seiner Motivation gewichtige objektive Anhaltspunkte für die Beurteilung der Erheblichkeit einer etwaigen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit darstellen, auch wenn un-gestörtes Leistungsverhalten allein kein ausreichender Beweis für ein intaktes Hemmungsvermögen darstellt (vgl. nur [X.]R StGB § 21 Seelische Abartig-keit
14).
5
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5
-
Entgegen der Auffassung der Revision, der sich der Generalbundesan-walt
angeschlossen hat, ist nicht zu besorgen, dass die [X.] dabei die Frage außer Acht gelassen haben könnte, ob und inwieweit der Angeklagte überhaupt in der Lage gewesen wäre, von der jeweils konkreten Tatausführung insgesamt
Abstand zu nehmen. Denn das [X.]
hat festgestellt, dass der Angeklagte in allen Fällen bei der Auswahl der Brandobjekte und der Tataus-führung umsichtig vorging. Er achtete darauf, dass Personen nicht unmittelbar gefährdet wurden bzw. bei [X.] in der Nähe von Wohnbebauung, dass die Bewohner noch wach waren ([X.]). Darüber hinaus legte er, um seine [X.] nicht zu gefährden, Brände nur zu Zeitpunkten, zu denen sämtliche Atemschutzgerätschaften auf den Feuerwehrwagen vorhanden waren und nicht gerade repariert oder gewartet wurden ([X.]. Ferner war er stets in der Lage, auf unvorhergesehene Situationen vernünftig zu reagieren, notfalls zuzuwarten oder das ins Auge gefasste Tatobjekt zu wechseln ([X.]). Dabei war er stets darauf bedacht, die Objekte unbeobachtet in Brand zu setzen (UA
34). Außerdem hatte der Angeklagte an jede einzelne der zahlreichen, sich über einen Zeitraum von mehr als 2 ½ Jahren erstreckenden Taten eine klare und detailreiche, mit den objektiven Gegebenheiten übereinstimmende
Erinne-rung (UA
33).
Schließlich hat sich die Kammer ausdrücklich und detailliert mit den Fällen befasst, bei denen der Sachverständige zunächst "eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht auszuschließen" vermochte ([X.]-36).
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6
-
Dass das [X.] aus dieser Vielzahl von Anzeichen, die für eine vom Angeklagten in jedem Einzelfall praktizierte Steuerung seines Verhaltens sprachen, die rechtliche Schlussfolgerung gezogen hat, dass trotz Vorliegens einer schweren seelischen Abartigkeit keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit im Rechtssinne gegeben war, lag nahe und genügt den in derartigen Fällen zu beachtenden Begründungsanforderungen.

Fischer [X.]Berger

[X.] Eschelbach
7

Meta

2 StR 172/11

19.10.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2011, Az. 2 StR 172/11 (REWIS RS 2011, 2207)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2207

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