Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2016, Az. 1 StR 526/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 14520

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:150316U1STR526.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
526/15
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen

wegen Besitzverschaffens [X.] Schriften u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 15.
März 2016,
an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Graf

als Vorsitzender,

der
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Jäger,
die [X.]in am [X.]
Cirener
und die [X.] am
[X.]
Prof. Dr. [X.],
[X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1.
Juni 2015 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] von kin-derpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitzverschaffen von jugend-pornographischen Schriften sowie wegen Besitzes [X.] Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu [X.] und sechs Monaten verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.
Sein auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge ge-stütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im
Übrigen erweist es sich als unbegründet.
1
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4
-
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s nutzte der Angeklagte [X.] seit Juni 2012 unter verschiedenen Benutzernamen das filesharing-Netzwerk Gigatribe. Dies ermöglicht u.a. den Austausch von Dateien zwischen den Nutzern des Netzwerks im Wege einer peer-to-peer-Verbindung. Kenntnis-nahme der ausgetauschten Dateien sowie das Mitlesen der Inhalte des über das Netzwerk ebenfalls möglichen Chatverkehrs sind für Außenstehende nicht möglich. Die für die Nutzung des Netzwerks erforderliche Software hatte der Angeklagte auf einem von ihm genutzten Laptop installiert.
Der Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde:
1.
Am Nachmittag des [X.] stellte der Angeklagte unter einem [X.] Benutzernamen des Netzwerks Gigatribe über dieses einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten eine im Urteil näher bezeichnete Videodatei zum Download zur Verfügung. Die Datei hat [X.] zwischen 14 bis 16 Jahre
alten, unbekleideten Jugendlichen zum Inhalt. Dabei kam es dem
Angeklagten darauf an, den Polizeibeamten zur Freigabe kinder-
und jugendpornographi-scher Dateien über das Netzwerk zu bewegen. Der Polizeibeamte begann [X.] später mit dem Download.
Im Gegenzug fing der Angeklagte damit an, eine von dem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zum Download bereit gestellte, mit typisch kinder-
beendete der Angeklagte die
peer-to-peer-Verbindung, weil ihm die Ladevor-gänge zu lange dauerten (II.2. Fall 1 der Urteilsgründe).
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6
-
5
-

2.
Am Tattag der zweiten Tat befanden sich auf dem in seiner Wohnung befindlichen, von ihm genutzten Laptop sowie auf einem [X.] insgesamt 727 Bilddateien mit kinderpornographischen Inhalten, 198 jugendpornographi-sche Bilddateien sowie 78 kinderpornographische und 18 jugendpornographi-sche Videodateien. Die Inhalte der fraglichen, dem Angeklagten bekannten Da-teien hat das [X.] näher festgestellt (II.2. Fall 2 der Urteilsgründe).
3.
Sachverständig beraten hat das [X.] bei beiden Taten eine aus einer Pädophilie herrührende erhebliche Einschränkung der [X.] (§
21 StGB) des Angeklagten angenommen.

II.
1.
Der Schuldspruch wird von den auf einer insoweit [X.] Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit und erst recht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit kommen von vornherein nach den zur Person des Angeklagten und seinen sexuellen Präferenzen getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
2.
Die Anordnung der Maßregel des §
63 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die insbesondere auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverstän-digen gestützte Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe bei den [X.] sicher jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§
21 StGB) gehandelt, findet in den erhobenen Beweisen keine ausreichende 7
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11
12
-
6
-
Grundlage. Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme sicher verminderter Schuldfähigkeit schon deshalb rechtsfehlerhaft wäre, weil das [X.] die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie an einer Stel-le des Urteils dem [X.] der krankhaften seelischen Störung [X.] ([X.] S.
20), an anderer Stelle

was allein in Betracht käme

dagegen der schweren anderen seelischen Abartigkeit ([X.] S.
23).
a)
Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem [X.] der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v.
§§
20, 21 StGB zugeordnet werden (st.
Rspr.; siehe etwa [X.], Beschlüsse vom 10.
Oktober 2000

1
[X.]/00, [X.], 243, 244
und
vom 17.
Juli 2007

4 [X.], [X.], 337; [X.], Urteil vom 26.
Mai 2010

2 StR 48/10, [X.] 2010, 226 f.; [X.],
Beschluss vom 6.
Juli 2010

4 [X.], [X.], 304 f.; [X.], Urteil vom 25.
März 2015

2 [X.], [X.], 688 f.; [X.], Beschlüsse vom 3.
September 2015

1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475
und
vom 10.
November 2015

3 [X.] Rn.
9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn [X.] zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten [X.], Ausbau des [X.] und gedankliche Einengung des [X.] auf diese Praktik auszeichnen ([X.] jeweils aaO).
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungs-grad erreicht, der dem [X.] der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet
werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Ein-schränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu [X.], Urteil vom 25.
März 13
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-
7
-
2015

2
[X.], [X.], 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen ([X.],
Urteil vom 26.
Mai 2010

2 StR 48/10, [X.] 2010, 226 f.; ebenso bereits [X.], Beschluss vom 10.
Oktober 2000

1 [X.]/00, [X.], 243, 244). Dabei kommt es [X.] an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des [X.] so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hem-mungen aufzubringen vermag (vgl. [X.], Urteil vom 26.
Mai 2010

2 StR 48/10, [X.] 2010, 226 f.; siehe auch [X.], Beschluss vom 10.
Oktober
2000

1 [X.]/00, [X.], 243, 244 sowie [X.]/[X.] in
[X.]/[X.]/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung,
6.
Aufl., S.
106).
b)
Diesen Anforderungen an die auf eine entsprechende Beweiswürdi-gung gestützte Feststellung der schweren anderen seelischen Abartigkeit und der dadurch bedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit ge-nügt das angefochtene Urteil nicht.
Nach den dort wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen habe der Angeklagte seine sexuelle Präferenz durch den [X.] von kinderpornogr

19). Das Suchtartige des [X.] stützt der Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe darauf, dass Stunden täglich kinderpor-i-([X.] S.
19 und [X.] S.
23). Anhaltspunkte für den suchtartigen Charakter des [X.]s
sieht das dem Sachverständigen folgende [X.] zudem darin, dass auch eine einschlägige Bewährungsstrafe und eine parallel durchgeführte Therapie den Angeklagten nicht von weiterem [X.] hätten abhalten kön-15
16
-
8
-

ente Zunahme und Überflutung und den Angeklagten zur Umsetzung auf der Verhaltensebene (dem [X.]) drängen würden. Die Pädophilie habe an seiner Sexualstruktur einen sehr ho-hen Anteil, die paraphilen Verhaltensweisen seien in das Persönlichkeitsgefüge integriert; trotz der genannten Bewährungsstrafe und der Therapie sei er nicht zur Kontrolle seiner paraphilen Impulse in der Lage gewesen ([X.] S.
19 und 23).
Die vorstehend genannten Umstände können zwar grundsätzlich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und dar-aus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit be-gründen. Allerdings enthält das angefochtene Urteil selbst in seinem Gesamt-zusammenhang beweiswürdigend keine ausreichenden Anknüpfungstatsa-chen, aus denen die vom Tatgericht geteilte Einschätzung des Sachverständi-gen des suchtartigen Verhaltens des Angeklagten, des progredienten Verlaufs seiner sexuellen Ausrichtung und
der fehlenden Kontrolle der paraphilen [X.] abgleitet werden können.
Worauf die Annahme eines nahezu ausschließlich auf das den [X.] kinder-
bzw. jugendpornographischer Medien ausgerichteten
Freizeitverhaltens beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die familiäre Situation wird über den Umstand einer derzeitigen Trennung und der noch offenen Frage einer Fortführung der Ehe in Bezug auf die Tatzeiträume nicht näher dargestellt. Den auszugsweisen Wiedergaben des vom Angeklagten geführten Chat-Verkehrs lässt sich entnehmen, dass er eine solche in den späten Abendstunden geführ-te Kommunikation mit dem Hinweis darauf abbrach, er müsse jetzt ins Bett, weil

12). Derartige [X.] können jedenfalls ein suchtartiges [X.]verhalten und einen Verlust der 17
18
-
9
-
Fähigkeit, sexuelle Impulse zu kontrollieren, nicht tatsachengestützt unterlegen. Nähere Darlegungen über die konkrete Zeitgestaltung des Angeklagten außer-halb seiner in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit fehlen. [X.] für einen progredienten Verlauf des [X.]s kinder-
und jugendpor-nographischer Medien enthält das Urteil ebenfalls nicht in einer die erforderli-chen Feststellungen belegenden Weise. Auch aus dem [X.] lassen sich solche nicht entnehmen. Die Wiedergabe der vom Amtsge-richt im früheren, gegen den Angeklagten u.a.
wegen [X.] und Besitzes kinder-
und jugendpornographischer Schriften ergangenen Urteil ge-troffenen Feststellungen vermag das suchtartige Verhalten nicht zu tragen. Die dort ermittelten zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Downloads ([X.] S.
4 und 5) ließen rechtfehlerfrei einen solchen Schluss im Rahmen der Be-weiswürdigung nicht zu. Mangels näherer
Ausführungen im hier angefochtenen Urteil finden sich auch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die als

Die vom [X.] ohne Rechtsfehler berücksichtigten Umstände, dass der Angeklagte trotz seiner einschlägigen Vorstrafe mit bewährungsweiser Aussetzung der Vollstreckung und laufender Therapie nicht in der Lage [X.] ist, seine paraphilen Impulse zu kontrollieren, allein können die [X.] des auf einer Pädophilie beruhenden [X.]s der schweren anderen seelischen Abartigkeit angesichts der erforderlichen Voraussetzungen (Rn.
13 und 14) nicht tragen.
c)
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiat-rischen Krankenhaus (§
63 StGB) war daher bereits wegen der beweiswürdi-gend nicht belegten Annahme sicher erheblich eingeschränkter [X.] (§
21 StGB) aufzuheben. Auf die allein die Voraussetzungen des §
63 19
20
-
10
-
StGB betreffenden Verfahrensbeanstandungen, die im Übrigen nicht in §
344 Abs.
2 Satz
2 StPO genügender Weise erhoben sind, kommt es wegen des Erfolgs der Sachrüge nicht mehr an.
d)
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§
354 Abs.
1 StPO) und den [X.] entfallen lassen.
Nach den bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durchaus in Betracht, sollte sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweiswürdigung eine erheb-liche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten feststellen lassen. Die weiteren Anforderungen der Unterbringung sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie das [X.]

im rechtlichen Ansatz zutreffend

zugrunde gelegt hat, kommt es für die Gefährlichkeitsprog-nose im Rahmen von §
63 StGB darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein ([X.], Beschlüsse vom 18.
November 2013

1 [X.], [X.], 76 f.
und
vom 3.
September 2015

1
StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.; siehe [X.] jeweils aaO mwN). Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall ([X.], Urteil vom 31.
Juli 2013

2 [X.], [X.], 339, 340; [X.], Beschluss vom 3.
September 2015

1
StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Für die vom [X.] ebenfalls als zukünftig drohend prognosti--on-§
176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht.
21
22
-
11
-
3.
Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§
21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraus-setzungen der Maßregel des §
63 StGB insgesamt betreffenden Feststellungen (§
353 Abs.
2 StPO). So werden dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Fest-stellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Umstände ermöglicht (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 3.
September 2015

1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475
f.
und vom 10.
November 2015

1 [X.], [X.], 76, 77).
a)
Nach der Rechtsprechung des [X.] soll der [X.] bei der Beurteilung der (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit trotz deren [X.] für den Strafausspruch und den [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
September 2015

1
StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475) nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den [X.] lassen, wenn

wie hier (Rn.
10)

eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit von vornherein ausscheidet ([X.], Beschlüsse vom 17.
Juli 2007

4 [X.], [X.], 337, 338; vom 6.
Juli 2010

4 [X.], [X.], 304, 305
und
vom 10.
November 2015

3 [X.] Rn.
13; vgl. auch [X.], Beschluss vom 4.
April 2006

4 StR 60/06, [X.], 295, 296).
b)
Ob dem angesichts der [X.] der die Voraussetzungen des §
21 StGB betreffenden Feststellungen und der hier vom Tatrichter hergestell-ten Verknüpfung zwischen der Strafhöhe und der Anordnung der Maßregel ([X.] S.
21) selbst bei einer allein vom Angeklagten eingelegten Revision uneinge-schränkt zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch bei Aufhebung des Strafausspruchs wegen der rechtsfehlerhaften, aber insoweit ausschließ-lich zugunsten des Angeklagten wirkenden Annahme eingeschränkter Schuld-fähigkeit stünde das Verschlechterungsverbot aus §
358 Abs.
2 Satz
1 StPO 23
24
25
-
12
-
der Verhängung einer höheren Gesamtstrafe selbst bei Wegfall der Anordnung der Maßregel des §
63 StGB entgegen. §
358 Abs.
2 Satz
2 StPO erfasst ledig-lich die Auswechselung einer isoliert

im Fall der Schuldunfähigkeit

verhäng-ten Maßregel gemäß §
63 oder §
64 StGB gegen eine Verurteilung zur
Strafe, wenn sich im neuen Verfahren die schuldhafte Begehung der Tat ergibt.
4.
Der Strafausspruch enthält keinerlei zu Lasten des Angeklagten wir-kende Rechtsfehler.
a)
Die Annahme des §
21 StGB und die deshalb erfolgte Strafrah-menverschiebung beschwert den Angeklagten hinsichtlich
der Strafzumessung nicht.
Da das [X.] bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß §
21, §
49 Abs.
1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen [X.] zu dessen Gunsten berücksichtigt hat ([X.] S.
21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Vorausset-zungen des §
21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß §
63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar
[X.], StGB, 63.
Aufl., §
46 Rn.
71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§
46 Abs.
1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der [X.] dient zudem dem [X.], der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des [X.]. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen [X.] der Vollstreckung (etwa §
67 Abs.
1 und Abs.
4 StGB).

26
27
28
-
13
-
b)
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] die Voll-streckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur
Bewährung ausge-setzt hat. Die vor allem auf den [X.] aus einer einschlägigen vo-rangegangenen Verurteilung und die bewusst unwahren Angaben des Ange-klagten gegenüber seinem Therapeuten gestützte negative Kriminalprognose (§
56 Abs.
1 StGB) hält sich nicht nur innerhalb des dem Tatrichter eingeräum-ten
weiten Wertungsspielraums (siehe nur [X.], Beschluss vom 6.
Mai 2015

4 StR 89/15, [X.], 564), sondern liegt angesichts der insoweit rechtsfeh-lerfrei getroffenen Feststellungen besonders nahe.

III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten wiederum feststellen können, wird er im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose in den Blick nehmen, dass es

wie im angefochtenen Urteil insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutref-fend erfolgt

auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differen-zierten Einzelfallanalyse ankommt (vgl. nur [X.], Beschluss vom 16.
Dezember 2015

2 [X.] Rn. 2
mwN; siehe auch [X.], Beschluss vom

29
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31
-
14
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10.
November 2015

3 StR
407/15 Rn.
12 mwN). Dabei ist es bei [X.] Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahr-scheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den [X.] nicht entsprechen, sondern

wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperli-chem Kontakt (hands-on-Delikte)

über diese im [X.] hin-ausgehen.
Graf Jäger Cirener

[X.] Bär

Meta

1 StR 526/15

15.03.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2016, Az. 1 StR 526/15 (REWIS RS 2016, 14520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14520

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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