Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.09.2023, Az. VIII B 63/22

8. Senat | REWIS RS 2023, 6221

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Gegenstand

Zur Akteneinsicht eines in seiner Sehkraft eingeschränkten Prozessbevollmächtigten und Beteiligten


Leitsatz

1. NV: Ein Prozessbevollmächtigter und Beteiligter ist sehbehindert im Sinne des § 191a Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes, wenn er das in herkömmlicher Weise geschriebene Wort auch bei Benutzung gängiger Hilfsmittel (Brille, Kontaktlinsen, Lupe) nicht mehr zuverlässig wahrnehmen kann.

2. NV: § 78 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung gewährt einem in seiner Sehkraft eingeschränkten Prozessbevollmächtigen und Beteiligten keinen Anspruch darauf, zur Prozessführung eine umfassende Kopie der Akten des Finanzamts in Papierform zu erhalten, wenn die Kostentragung für das Fertigen der Kopien durch die Gerichtsgeschäftsstelle abgelehnt wird.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des [X.] vom 25.04.2022 - 7 K 2890/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) führt im eigenen Namen und als Prozessbevollmächtigter seiner Ehefrau, der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), beim Finanzgericht ([X.]) ein Klageverfahren wegen Einkommensteuer für das Streitjahr 2013.

2

Der Kläger verfügt ausweislich vorgelegter ärztlicher Atteste vom [X.] und vom 14.09.2021 auf dem linken Auge über einen Visus cc von unter 0,1. Am rechten Auge ist ein Visus cc von 0,8 ärztlicherseits bescheinigt. Er ist nach seinem eigenen Vortrag 74 Jahre alt.

3

Am 23.03.2022 beantragte der Kläger als Prozessbevollmächtigter und als Kläger in eigener Sache, ihm zum Zwecke seiner Akteneinsicht neben der elektronisch geführten Gerichtsakte auch die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) in Papierform geführten und dem [X.] vorgelegten Behördenakten per besonderem elektronischen Anwaltspostfach zum Abruf bereitzustellen oder auf kostenfrei erstellten Datenträgern oder Papierkopien der gesamten Akten des [X.] zur Verfügung zu stellen. Das [X.] hatte an das [X.] einen Band [X.] Einkommensteuer 2013, zwei Bände [X.] 2013 ([X.] [X.]) und zwei Bände Bilanz- beziehungsweise [X.] ([X.] für 2005 bis 2012 und Bd. [X.] für 2013 bis 2020) übermittelt.

4

Das [X.] gewährte den Klägern im angefochtenen Beschluss vom 25.04.2022 Akteneinsicht in die Behördenakten bei der Geschäftsstelle des [X.] oder eines Gerichts oder einer Behörde nach Wahl der Kläger unter Aufsicht eines im öffentlichen Dienst stehenden Bediensteten. Die Akteneinsicht in die finanzgerichtliche elektronische Gerichtsakte gewährte das [X.] über das elektronische [X.]. Den Antrag auf kostenfreie Herstellung von Kopien der Behördenakten in digitaler Form zum Abruf oder zur Übermittlung in Papierform lehnte es ab.

5

Der anschließenden Beschwerde der Kläger vom [X.] hat das [X.] durch Beschluss vom 09.05.2022 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem [X.] ([X.]) zur Entscheidung vorgelegt.

6

Die Kläger leiten aus der Schilderung des Tatbestands in dem vom [X.] mit Beschluss vom 13.06.2020 - V[X.]I B 149/19 entschiedenen Verfahren her, dass das (freiwillige) Einscannen einer behördlichen Akte zum Zwecke der Akteneinsicht durch ein [X.] ein gerichtsüblicher Vorgang sei. § 52b Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) gebe zudem eine zwingende elektronische Aktenführung für die Prozessakten im finanzgerichtlichen Verfahren vor. Die vorgelegten Akten des [X.] seien Bestandteil der Prozessakten. Das [X.] müsse angesichts seiner Pflicht zur elektronischen Prozessaktenführung die Behördenakten in digitaler Form zur Prozessakte nehmen. Es dürfe die Akteneinsicht durch Übermittlung der Akten in elektronischer Form gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Alternative 2 [X.]O daher nicht mit dem Argument verweigern, die Behördenakten lägen nur in Papierform vor. Das [X.] könne sich insoweit auch nicht auf einen unverhältnismäßigen Aufwand des Einscannens stützen. Die Verweigerung der digitalen Akteneinsichtnahme durch das [X.] sei auch gemäß § 191a des Gerichtsverfassungsgesetzes ([X.]) rechtsfehlerhaft, da der Kläger sehbehindert sei und einen Anspruch darauf habe, dass ihm die Prozessakten per Abruf oder per elektronischer Übermittlung zur Verfügung gestellt würden. Aufgrund der medizinischen Ursache seiner Sehkraftverminderung sei ihm eine nur temporäre Inanspruchnahme der Augen gestattet, eine zeitliche Reduzierung der Lesebelastung geboten und es notwendig, [X.] der Vorlagen und Veränderungsmöglichkeiten der Kontraste und Helligkeiten nutzen zu können. Jedenfalls müsse ihm aufgrund seiner verminderten Sehkraft eine vollständige Kopie der Akten des [X.] bereitgestellt werden. Dies habe der [X.] schon wegen anderer körperlicher Gebrechen bejaht (Hinweis auf [X.]-Beschlüsse vom [X.] - V[X.]I B 4/87, [X.]/NV 1987, 796; vom 19.06.1991 - V[X.]I B 145/90, [X.]/NV 1992, 184).

7

Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beschluss des [X.] Baden-Württemberg vom 25.04.2022 - 7 K 2890/21 aufzuheben und ihnen Akteneinsicht in die vorgelegten Akten des [X.] im Wege der elektronischen Übermittlung zu gewähren,
hilfsweise, ihnen die Akteneinsicht durch die Übermittlung auslagenfrei gefertigter Fotokopien der Akten des [X.] zu ermöglichen.

8

Das [X.] hat keine Stellungnahme vorgelegt.

Gründe

[X.]

9

Die Bes[X.]hwerde ist hinsi[X.]htli[X.]h des Haupt- und [X.] unbegründet und daher zurü[X.]kzuweisen.

1. Die Ents[X.]heidung über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsi[X.]ht ist na[X.]h § 128 Abs. 1 [X.]O bes[X.]hwerdefähig; sie stellt keine prozessleitende Verfügung im Sinne von Abs. 2 der Vors[X.]hrift dar ([X.] vom 04.07.2019 - VIII B 51/19; vom 13.06.2020 - VIII B 149/19).

2. Der Bes[X.]hluss des [X.] ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Für die Ablehnung eines Antrags, in Papierform geführte Akten der Finanzbehörde in elektronis[X.]her Form zum Abruf oder zur Übermittlung gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 [X.]O bereitzustellen und für die Ablehnung eines Antrags, Abs[X.]hriften (Fotokopien) der gesamten vorgelegten Behördenakten gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 [X.]O zu erteilen, ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.]O jeweils der [X.] in der Besetzung mit drei Berufsri[X.]htern zuständig ([X.] vom 07.06.2021 - VIII B 123/20, [X.], 345, [X.] 2021, 915, Rz 12). Ein Ausnahmefall gemäß § 78 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 und Satz 6 [X.]O mit einer auss[X.]hließli[X.]hen Zuständigkeit des Vorsitzenden oder des Beri[X.]hterstatters liegt im Streitfall ni[X.]ht vor. Diese Regelungen sind hier ni[X.]ht eins[X.]hlägig, da die begehrte Bereitstellung der Akten des [X.] zum Abruf oder zur Übermittlung keine elektronis[X.]h geführten Akten, sondern in Papier geführte Prozessakten betrifft (s. unter [X.] und [X.] sowie [X.] vom 07.06.2021 - VIII B 123/20, [X.], 345, [X.] 2021, 915, Rz 8, 12, 13).

3. Die Kläger haben weder gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 [X.]O no[X.]h gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 [X.]O einen Anspru[X.]h darauf, Einsi[X.]ht in die Akten des [X.] dur[X.]h den Abruf oder die Übermittlung einer elektronis[X.]h geführten Akte auf einem si[X.]heren Übermittlungsweg zu erhalten. Ihr Hauptantrag hat dana[X.]h keinen Erfolg.

a) Das Re[X.]ht auf Akteneinsi[X.]ht ist verfassungsre[X.]htli[X.]h im Anspru[X.]h auf Gewährung re[X.]htli[X.]hen Gehörs verankert (Bes[X.]hluss des Bundesverfassungsgeri[X.]hts vom 13.04.2010 - 1 BvR 3515/08, Hö[X.]hstri[X.]hterli[X.]he Finanzre[X.]htspre[X.]hung 2010, 862, unter [X.]). Einfa[X.]hgesetzli[X.]h bestimmt § 78 Abs. 1 Satz 1 [X.]O, dass die Beteiligten die Geri[X.]htsakte und die dem Geri[X.]ht vorgelegten Akten einsehen können ([X.] vom 28.02.2020 - X B 100/19, Rz 26). Na[X.]h § 78 Abs. 1 Satz 2 [X.]O können die Beteiligten si[X.]h dur[X.]h die Ges[X.]häftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge, Ausdru[X.]ke und Abs[X.]hriften erteilen lassen. Das Verfahren zur Einsi[X.]htnahme in die von dem Geri[X.]ht selbst geführten Akten und die dem Geri[X.]ht vorgelegten Akten regeln § 78 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]O. Die "Prozessakten" im Sinne von § 78 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]O umfassen ni[X.]ht nur die Geri[X.]htsakte, sondern au[X.]h die dem Geri[X.]ht von der beteiligten Finanzbehörde na[X.]h § 71 Abs. 2 [X.]O vorgelegten Verwaltungsakten ([X.] vom [X.], Rz 21).

b) Werden die Prozessakten elektronis[X.]h geführt, wird Akteneinsi[X.]ht dur[X.]h Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder dur[X.]h Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem si[X.]heren Übermittlungsweg gewährt (§ 78 Abs. 2 Satz 1 [X.]O). Ein Aktenausdru[X.]k oder ein Datenträger mit dem Inhalt der elektronis[X.]h geführten Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein bere[X.]htigtes Interesse darlegt (§ 78 Abs. 2 Satz 3). Stehen der Akteneinsi[X.]ht in der na[X.]h Satz 1 vorgesehenen Form wi[X.]htige Gründe entgegen, kann die Akteneinsi[X.]ht in der na[X.]h den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form au[X.]h ohne Antrag gewährt werden (§ 78 Abs. 2 Satz 4). Über einen Antrag na[X.]h § 78 Abs. 2 Satz 3 [X.]O ents[X.]heidet der Vorsitzende oder gemäß § 78 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 79a Abs. 4 [X.]O der Beri[X.]hterstatter; die Ents[X.]heidung ist unanfe[X.]htbar. Werden die Prozessakten hingegen in Papierform geführt, wird Akteneinsi[X.]ht dur[X.]h Einsi[X.]htnahme in die Akten in Diensträumen gewährt (§ 78 Abs. 3 Satz 1 [X.]O).

[X.]) Das Begehren der Kläger lässt si[X.]h ni[X.]ht auf § 78 Abs. 2 Satz 1 [X.]O stützen. Denn die no[X.]h in Papierform geführten Akten des [X.] sind im Streitfall ungea[X.]htet ihrer Zugehörigkeit zu den Prozessakten im Sinne des § 78 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]O keine elektronis[X.]h geführten Prozessakten. Besteht die Prozessakte zum Teil aus elektronis[X.]hen, zum Teil aus Papierakten (sogenannte hybride Aktenführung), so ri[X.]htet si[X.]h das Verfahren für die elektronis[X.]h geführten Aktenteile na[X.]h § 78 Abs. 2 [X.]O, für den aus Papier bestehenden Teil na[X.]h § 78 Abs. 3 [X.]O ([X.] vom [X.], Rz 23).

d) Die dem [X.] vom [X.] vorgelegten Akten in Papierform müssen den Klägern au[X.]h ni[X.]ht statt zur Einsi[X.]htnahme in den Diensträumen (§ 78 Abs. 3 Satz 1 [X.]O) als elektronis[X.]he Akten zum Abruf oder dur[X.]h Übermittlung gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 [X.]O bereitgestellt werden. Die ablehnende Ents[X.]heidung des [X.] ist revisionsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht zu beanstanden und die Akteneinsi[X.]ht in dieser Form au[X.]h unter Berü[X.]ksi[X.]htigung des Vortrags im Bes[X.]hwerdeverfahren ni[X.]ht zu gewähren.

aa) Im Rahmen eines Bes[X.]hwerdeverfahrens gegen eine vom [X.] getroffene, die Akteneinsi[X.]ht außerhalb von Diensträumen ablehnende Ents[X.]heidung ist der [X.] ni[X.]ht auf eine Überprüfung der Ermessensents[X.]heidung des [X.] bes[X.]hränkt. § 102 [X.]O gilt nur für die geri[X.]htli[X.]he Überprüfung von Ermessensents[X.]heidungen von Behörden, ni[X.]ht dagegen für eine Überprüfung finanzgeri[X.]htli[X.]her Ermessensents[X.]heidungen dur[X.]h den [X.]. Der [X.] als Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht ist selbst Tatsa[X.]hengeri[X.]ht und somit gehalten, eigenes Ermessen auszuüben (vgl. [X.] vom 13.06.2020 - VIII B 149/19, Rz 17). [X.] Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit der Bes[X.]hwerde ist der Zeitpunkt der Bes[X.]hwerdeents[X.]heidung (z.B. [X.] vom 09.03.2015 - II B 98/14, Rz 7 und vom 11.09.2013 - I B 179/12, Rz 13; vom [X.], Rz 29).

bb) Na[X.]h der Ermessensvors[X.]hrift des § 78 Abs. 3 Satz 2 [X.]O kann die Akteneinsi[X.]ht zwar au[X.]h dur[X.]h Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf gewährt werden, soweit keine wi[X.]htigen Gründe entgegenstehen. Es besteht jedo[X.]h aufgrund dieser Regelung bei hybrid geführten Prozessakten kein Anspru[X.]h gegen das [X.], eine bestehende Papierakte zum Zwe[X.]ke der Akteneinsi[X.]ht dur[X.]h digitalen Abruf oder dur[X.]h elektronis[X.]he Übermittlung in eine elektronis[X.]he Akte zu überführen ([X.] vom 04.07.2019 - VIII B 51/19, Rz 16; vom 06.09.2019 - III B 38/19, Rz 10; vom [X.], Rz 26; vom 13.06.2020 - VIII B 149/19, Rz 24; vom [X.], Rz 31). Hieran ist festzuhalten.

e) Ferner lässt si[X.]h ein Anspru[X.]h des [X.], die behördli[X.]hen Akten in eine elektronis[X.]he Akte zu überführen und ihm zum Abruf oder zur elektronis[X.]hen Übermittlung zur Verfügung zu stellen, au[X.]h ni[X.]ht auf § 78 Abs. 3 Satz 2 [X.]O i.V.m. § 191a Abs. 1 Satz 3 bis 5 [X.] und der hierzu ergangenen Zugängli[X.]hma[X.]hungsverordnung (ZMV) vom [X.] ([X.], 215, geändert dur[X.]h Art. 20 des Gesetzes vom 10.10.2013, [X.], 3786) stützen.

aa) Gemäß § 191a Abs. 1 Satz 3 bis 5 [X.] kann eine blinde oder sehbehinderte Person, der --wie im [X.] grundsätzli[X.]h Akteneinsi[X.]ht (hier: gemäß § 78 Abs. 1 [X.]O) zu gewähren ist, verlangen, dass ihr die Akteneinsi[X.]ht barrierefrei gewährt wird. Der Anspru[X.]h, in dieser Form Akteneinsi[X.]ht zu nehmen, steht au[X.]h einer blinden oder sehbehinderten Person zu, die von einer anderen Person mit der Wahrnehmung ihrer Re[X.]hte --zum Beispiel als Prozessbevollmä[X.]htigter-- beauftragt oder hierfür bestellt worden ist. Auslagen für die barrierefreie Zugängli[X.]hma[X.]hung na[X.]h diesen Vors[X.]hriften werden gegenüber einer bere[X.]htigten Person ni[X.]ht erhoben. Prozessakten, die als Papierakten geführt werden, fallen unter § 3 Abs. 1 ZMV i.V.m. § 191a Abs. 2 [X.], der bestimmt, dass die Dokumente der bere[X.]htigten Person s[X.]hriftli[X.]h, elektronis[X.]h, akustis[X.]h, mündli[X.]h, fernmündli[X.]h oder in anderer geeigneter Weise zugängli[X.]h gema[X.]ht werden können. Na[X.]h § 6 Satz 1 ZMV hat die bere[X.]htigte Person ein Wahlre[X.]ht zwis[X.]hen den Formen der Zugängli[X.]hma[X.]hung na[X.]h § 3 ZMV. Die na[X.]h § 1 Abs. 3 ZMV verpfli[X.]htete Stelle (in einem geri[X.]htli[X.]hen Verfahren das Geri[X.]ht) hat die Zugängli[X.]hma[X.]hung in der gewählten Form auszuführen (§ 6 Satz 2 ZMV). Wird eine elektronis[X.]he Zugängli[X.]hma[X.]hung gewählt, erfolgt diese gemäß § 3 Abs. 3 ZMV dur[X.]h Übermittlung eines elektronis[X.]hen Dokuments unter Bea[X.]htung des Standards gemäß § 3 der Barrierefreie-Informationste[X.]hnik-Verordnung vom 12.09.2011 ([X.], 1843) in der jeweils geltenden Fassung. Der Kläger hat in seiner Funktion als Prozessbevollmä[X.]htigter und Kläger in eigener Sa[X.]he die Übermittlung der Akten als elektronis[X.]hes Dokument gewählt.

bb) Das [X.] hat im Ergebnis jedo[X.]h zutreffend ents[X.]hieden, dass der Kläger keine blinde oder sehbehinderte bere[X.]htigte Person im Sinne des § 191a Abs. 1 [X.] und der Zugängli[X.]hma[X.]hungsverordnung ist und somit keinen sol[X.]hen Anspru[X.]h hat.

§ 191a Abs. 1 [X.] definiert selbst ni[X.]ht, wel[X.]he Anforderungen an eine Verminderung der Sehkraft für die Anspru[X.]hsbere[X.]htigung zu stellen sind. Au[X.]h die Gesetzesbegründung eins[X.]hließli[X.]h der dort in Bezug genommenen UN-Behindertenre[X.]htskonvention enthält keine Definition, wann eine Person blind oder sehbehindert ist (BTDru[X.]ks 17/12634, S. 40; zuvor BTDru[X.]ks 14/9266, S. 41). Dies gilt au[X.]h für die Materialien zur Zugängli[X.]hma[X.]hungsverordnung (BRDru[X.]ks 915/06, [X.]). Blind oder sehbehindert im Sinne des § 191a [X.] ist na[X.]h dem S[X.]hrifttum eine Person, deren Sehvermögen ausges[X.]hlossen oder so weit einges[X.]hränkt ist, dass sie das in herkömmli[X.]her Weise ges[X.]hriebene Wort au[X.]h bei Benutzung gängiger Hilfsmittel (Brille, Kontaktlinsen, [X.]) ni[X.]ht mehr zuverlässig wahrnehmen kann (vgl. [X.]/[X.], § 191a [X.] Rz 3; MüKoZPO/[X.], § 191a [X.] Rz 3; [X.] in [X.], [X.], § 191a, Rz 3). Der [X.] s[X.]hließt si[X.]h dem an. Auf die gegebenenfalls no[X.]h strengeren Anforderungen an eine Sehstörung, wel[X.]he das [X.] unter Anknüpfung an die Ri[X.]htlinien der Deuts[X.]hen Ophthalmologis[X.]hen Gesells[X.]haft aufgestellt hat, kommt es hingegen ni[X.]ht an (vgl. au[X.]h Urteil des Bundessozialgeri[X.]hts vom 24.10.2019 - B 9 SB 1/18 R, [X.], 211, SozR 4-3250 § 152 Nr. 2, Rz 13). Der Gesetzgeber wollte in § 191a [X.] jedo[X.]h insbesondere für Prozessbevollmä[X.]htigte die Verfahrensführung erlei[X.]htern. Die Anknüpfung an die ni[X.]ht mehr mögli[X.]he Wahrnehmbarkeit des ges[X.]hriebenen Wortes mit gängigen Hilfsmitteln ist hierfür das sa[X.]hgere[X.]hte Kriterium.

Im Streitfall ist der Kläger ni[X.]ht blind oder sehbehindert im Sinne der Regelung. Er kann na[X.]h seinem eigenen Vortrag das in herkömmli[X.]her Weise ges[X.]hriebene Wort (gegebenenfalls bei Benutzung gängiger Hilfsmittel) mit dem re[X.]hten Auge wahrnehmen. Den vorgelegten Attesten ist hierzu ni[X.]hts Gegenteiliges zu entnehmen. Soweit der Kläger betont, er benötige Vergrößerungsmögli[X.]hkeiten und Veränderungsmögli[X.]hkeiten der Kontraste und Helligkeiten, zeigt dies, dass er zum Studium von Papierakten ein gängiges Hilfsmittel (nämli[X.]h eine [X.]) einsetzen kann. Der gestellte Antrag bestätigt dies ebenso, denn der Kläger mö[X.]hte hilfsweise kostenfrei vollständige Kopien in Papierform erhalten. Er könnte diese dana[X.]h offensi[X.]htli[X.]h mit gängigen Hilfsmitteln nutzen. Der [X.] verkennt ni[X.]ht, dass die Akteneinsi[X.]ht in der klassis[X.]hen Form für den Kläger bes[X.]hwerli[X.]h sein mag. Er ist aber an die gesetzli[X.]hen Anspru[X.]hsvoraussetzungen gebunden, die eine no[X.]h weitergehende Beeinträ[X.]htigung der Sehkraft verlangen.

4. Au[X.]h der Hilfsantrag des [X.], ihm Fotokopien der gesamten vorgelegten Akten des [X.] auslagenfrei zur Verfügung zu stellen, statt Akteneinsi[X.]ht in Diensträumen gemäß § 78 Abs. 3 Satz 1 [X.]O zu nehmen, hat keinen Erfolg.

a) Aus § 191a [X.] i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 § 3 Abs. 2 und § 6 ZMV kann der Kläger keinen sol[X.]hen Anspru[X.]h herleiten, da er ni[X.]ht blind oder sehbehindert im Sinne der Regelungen ist.

b) Ein Anspru[X.]h der Kläger auf eine umfassende Erteilung von Abs[X.]hriften der gesamten vorgelegten Akten des [X.] in Form von Fotokopien gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 [X.]O besteht ni[X.]ht.

Der Anspru[X.]h eines Beteiligten, si[X.]h gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 [X.]O dur[X.]h die Ges[X.]häftsstelle Abs[X.]hriften erteilen zu lassen, zu denen au[X.]h Fotokopien gehören, umfasst grundsätzli[X.]h ni[X.]ht das Re[X.]ht, Fotokopien der gesamten Akten (das heißt der Geri[X.]htsakte und der dem Geri[X.]ht vorgelegten Akten) zu erhalten, was aus der Verwendung des Wortes "Auszüge" im Gesetzeswortlaut erkennbar ist. Eine Ausnahme hiervon kann gelten, wenn sol[X.]he umfassenden Abs[X.]hriften überhaupt erst eine sa[X.]hgere[X.]hte Prozessführung ermögli[X.]hen. Dies ist substantiiert und na[X.]hvollziehbar darzulegen ([X.] vom 09.08.2021 - VIII B 70/21, Rz 8, m.w.N.; vom 12.02.2018 - X B 8/18, Rz 10). Ein sol[X.]her Ausnahmefall kann vorliegen, wenn diese dur[X.]h eine Akteneinsi[X.]ht in den Diensträumen ni[X.]ht errei[X.]ht werden kann, zum Beispiel bei körperli[X.]hen Gebre[X.]hen des Prozessbevollmä[X.]htigten ([X.]-Urteil vom 26.07.2012 - III R 70/10, Rz 25).

Im Streitfall begehren die Kläger Fotokopien der gesamten Behördenakten, aber ni[X.]ht der gesamten Prozessakten, also nur von Aktenteilen (zur Abgrenzung von der begehrten Kopie der gesamten Prozessakten [X.] vom 12.02.2018 - X B 8/18, Rz 14; vom 05.05.2017 - X B 36/17, Rz 20). Au[X.]h bei dem Verlangen, die gesamten Behördenakten als Aktenteile in Fotokopie zu erhalten, ist jedo[X.]h darzulegen, dass hierdur[X.]h eine sa[X.]hgere[X.]hte Prozessführung erst ermögli[X.]ht wird ([X.] vom 23.10.2003 - VII B 143/03, unter [X.] [Rz 6, 7]).

Ob ein sol[X.]her Ausnahmefall im Hinbli[X.]k auf die verminderte Sehkraft des [X.] vorliegen könnte, bedarf indes keiner Ents[X.]heidung. Der eindeutige Gesetzeswortlaut verlangt für das Fertigen von Abs[X.]hriften dur[X.]h die Ges[X.]häftsstelle, dass die Kläger als Beteiligte hierfür die Kosten tragen. Dies lehnen die Kläger ab. Einen Anspru[X.]h auf das kostenfreie Fertigen au[X.]h umfassender Aktenteile sieht das Gesetz aber ni[X.]ht vor.

5. Die Kostenents[X.]heidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 [X.]O ([X.] vom 09.08.2021 - VIII B 70/21; vom 12.02.2018 - X B 8/18).

Meta

VIII B 63/22

06.09.2023

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 25. April 2022, Az: 7 K 2890/21, Beschluss

§ 191a Abs 1 GVG, § 191a Abs 2 GVG, § 1 ZMV, § 2 ZMV, § 3 ZMV, § 6 ZMV, § 78 Abs 1 S 1 FGO, § 78 Abs 1 S 2 FGO, § 78 Abs 2 S 5 FGO, § 78 Abs 3 S 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.09.2023, Az. VIII B 63/22 (REWIS RS 2023, 6221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6221

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