Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.06.2014, Az. 5 B 11/14

5. Senat | REWIS RS 2014, 5100

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Gegenstand

Beihilfeberechtigung; Selbstbehalt; grundsätzliche Bedeutung; ausgelaufenes Recht; Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; Einverständniserklärung; Zeitraum zwischen Erklärung und Entscheidung


Leitsatz

Das Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) wird nicht allein durch den Ablauf eines erheblichen Zeitraums nach Abgabe der entsprechenden Erklärungen verbraucht oder unwirksam.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung und des [X.] gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3

Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung besteht (vgl. [X.]eschluss vom 15. Januar 2014 - [X.]VerwG 5 [X.] 57.13 - [X.] 2014, 52 Rn. 3 m.w.[X.]). Diese Voraussetzungen erfüllt das [X.]eschwerdevorbringen nicht.

4

a) Die [X.]eschwerde hält die Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 Sächs[X.]VO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist, auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage dann aber (erneut) bekannt gemacht worden ist, deshalb nichtig ist, weil eine erneute [X.]ekanntmachung der Verordnung, auf die die Teilregelung [X.]ezug nimmt, nicht erfolgt ist" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 8),

"ob eine Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 Sächs[X.]VO), die Teil einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage insgesamt nichtigen Verordnung ist und auf der Grundlage einer in der Folge geschaffenen Ermächtigungsgrundlage im Wege einer Änderungsverordnung 'neu gefasst' wird, bereits deshalb nichtig ist, weil eine nichtige Verordnung aufgrund eines fehlenden [X.] auch nicht mehr geändert werden kann" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 8),

"ob Vertrauen auf die Nichtigkeit einer Norm des revisiblen Landesrechts (hier: § 12 Sächs[X.]VO) erst entstehen kann, wenn deren Nichtigkeit in einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts ausgesprochen wurde oder diese offenkundig nichtig ist" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 12),

"ob im Hinblick auf in den [X.]eihilfevorschriften enthaltene Regelungen über einen Selbstbehalt ('Kostendämpfungspauschale') und einer vorgesehenen [X.]efreiung von diesem Selbstbehalt für [X.]eihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, bei der Erhebung des Selbstbehalts zwischen der 'Person des [X.]eihilfeberechtigten' und 'der [X.]eihilfe' dergestalt unterschieden werden darf, dass die Erhebung bei [X.]eihilfeberechtigten, die sich in Elternzeit befinden, für Aufwendungen berücksichtigungsfähiger Angehöriger gleichwohl stattfindet und damit ein (weiterer) Selbstbehalt erhoben wird" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 13 f.),

"ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn in [X.]eihilfevorschriften für die Erhebung eines Selbstbehalts nicht danach unterschieden wird, ob Aufwendungen des [X.]eihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähiger Angehöriger geltend gemacht werden (der Selbstbehalt damit nur einmal anfällt), bei der [X.]efreiung von diesem Selbstbehalt für [X.]eihilfeberechtigte, die sich in Elternzeit befinden, eine solche Unterscheidung aber vorgenommen wird, so dass neben dem Selbstbehalt für den [X.]eihilfeberechtigten (von dem befreit wird) noch ein weiterer Selbstbehalt für dessen berücksichtigungsfähige Angehörige angerechnet wird" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 14).

5

Diese allesamt mit [X.]lick auf die Regelung über den Selbstbehalt in § 12 [X.] [X.]eihilfenverordnung vom 22. Juli 2004 (SächsGV[X.]l S. 397) in der Fassung der [X.] der [X.]n Staatsregierung zur Änderung der [X.]n [X.]eihilfenverordnung vom 26. September 2008 (SächsGV[X.]l S. 590) - Sächs[X.]VO 2008 - aufgeworfenen Fragen führen schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie ausgelaufenes Recht betreffen. § 12 Sächs[X.]VO 2008 wurde zum 1. September 2009 durch die [X.]estimmung des § 35 Sächs[X.]VO vom 2. Oktober 2009 (SächsGV[X.]l S. 524) - Sächs[X.]VO 2009 - abgelöst, welche ihrerseits mit Wirkung zum 1. Januar 2013 durch die Regelung des § 60 Sächs[X.]VO vom 16. November 2012 (SächsGV[X.]l S. 626), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Oktober 2013 (SächsGV[X.]l S. 815) - Sächs[X.]VO 2013 - ersetzt wurde. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil dieser Zulassungsgrund die Revision eröffnen soll, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit [X.]lick auf die Zukunft richtungsweisend zu klären (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.]eschluss vom 5. Juni 2013 - [X.]VerwG 5 [X.] 7.13 - juris Rn. 6 m.w.[X.]).

6

[X.] wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in [X.]etracht, wenn sich bei der gesetzlichen [X.]estimmung, die der außer [X.] getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen. Trotz des Auslaufens des alten Rechts ist dann eine richtungsweisende Klärung zu erwarten, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (vgl. [X.]eschluss vom 18. November 2010 - [X.]VerwG 7 [X.] 23.10 - juris Rn. 8 m.w.[X.]). Die Voraussetzungen dieses Ausnahmegrundes sind nicht schon dann anzunehmen, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass sich die als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen im Rahmen des geltenden Rechts in gleicher Weise wie bei der früheren Gesetzeslage stellen. Dies muss vielmehr offensichtlich sein (vgl. [X.]eschlüsse 5. Juni 2013 a.a.[X.] Rn. 7 und vom 8. Dezember 2005 - [X.]VerwG 6 [X.] 81.05 - [X.]uchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 1 Rn. 5 jeweils m.w.[X.]). An dieser Offensichtlichkeit fehlt es hier.

7

§ 12 Abs. 2 Sächs[X.]VO 2008 ordnet an, dass der Selbstbehalt bei [X.]eihilfeberechtigten entfällt, die sich in Elternzeit befinden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bezog sich diese Privilegierung nach dem Wortlaut der Vorschrift allein auf den [X.]eihilfeberechtigten. Die von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf die vom Oberverwaltungsgericht vertretene und von der [X.]eschwerde angegriffene Rechtsansicht, dass § 12 Abs. 2 Sächs[X.]VO 2008 die berücksichtigungsfähigen Angehörigen des [X.]eihilfeberechtigten nicht erfasst. Der geltende § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sächs[X.]VO 2013 bestimmt hingegen ausdrücklich, dass der Selbstbehalt für Aufwendungen des sich in Elternzeit befindenden [X.]eihilfeberechtigten und dessen berücksichtigungsfähigen Angehörigen entfällt.

8

Eine weitere Ausnahme von der Regel, dass Fragen des auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen, ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts dann anerkannt, wenn das in Rede stehende Recht - hier also § 12 Sächs[X.]VO 2008 - noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von [X.]edeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist die [X.]eschwerde darlegungspflichtig. Es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von [X.] dargetan und ersichtlich sein (vgl. [X.]eschluss vom 30. Juli 2013 - [X.]VerwG 5 [X.] 2.13 - juris Rn. 8 m.w.[X.]). Diesen Darlegungsanforderungen wird die [X.]eschwerde nicht gerecht.

9

Sie trägt bereits zur Zahl der Fälle, die in Anwendung des § 12 Sächs[X.]VO 2008 abzuwickeln sind, nichts Konkretes vor. Sie beschränkt sich insoweit vielmehr auf den Hinweis, die aufgeworfenen Fragen könnten sich in einer Vielzahl von Fällen stellen, wenn aufgrund fehlender Ermächtigungsgrundlage nichtige Verordnungen nicht vollständig neu bekanntgemacht würden, sondern dies nur bei [X.] erfolge (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 12) bzw. wenn es zwar rechtskräftige Entscheidungen zur Nichtigkeit von gleichgelagerten Normen des [X.]undesrechts oder des Rechts eines anderen Landes, aber noch keine Entscheidung zum im konkreten Verfahren anwendbaren revisiblen Landesrecht gebe (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 13). Dass und in welchem Umfang § 12 Sächs[X.]VO 2008 trotz seines Außerkrafttretens noch für offene Altfälle entscheidungserhebliche [X.]edeutung hat, wird damit nicht ausreichend dargetan. Gleiches gilt, soweit die [X.]eschwerde bezüglich der aufgeworfenen Frage der Ungleichbehandlung von [X.]eihilfeberechtigten und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen behauptet, sie betreffe alle [X.]eihilfeberechtigten in Elternzeit, da nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden müsse, dass für ein Kind zwischen 0 und 3 Jahren in jedem Kalenderjahr Aufwendungen für Heilbehandlungen entstünden, und diese in der Regel auch einen [X.]etrag von 100 € übersteigen würden (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 16). Auch damit wird nicht substantiiert aufgezeigt, dass und für wie viele weitere noch nicht abgeschlossene Streitfälle die ausgelaufene Rechtsvorschrift des § 12 Sächs[X.]VO 2008 von entscheidungserheblicher [X.]edeutung sein soll.

b) Die als rechtsgrundsätzlich formulierten prozessrechtlichen Fragen,

"ob bei der Abgabe einer Erklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO durch die [X.]eteiligten, wenn diese Erklärung erkennbar zum Zwecke einer Verfahrensbeschleunigung erfolgt ist, ein Gericht, das auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums keine Entscheidung getroffen hat, verpflichtet ist, die [X.]eteiligten im Hinblick auf das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erneut anzuhören" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 16),

bzw.

"ob das Fehlen eines zeitlichen [X.]ezugsrahmens in § 101 Abs. 2 VwGO im Hinblick auf den zu gewährleistenden Anspruch auf rechtliches Gehör auch nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums (hier: 2 Jahre) nach Abgabe der Erklärungen noch eine gerichtliche Entscheidung ohne vorherige Anhörung der [X.]eteiligten zulässt oder ob das Gericht in diesen Fällen nicht verpflichtet ist, auf die nunmehr beabsichtigte Entscheidung hinzuweisen" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 17),

rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es kann dahinstehen, ob die [X.]eschwerde insoweit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Die Fragen führen jedenfalls der Sache nach nicht auf eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache. Sie lassen sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres in für die [X.]eschwerde negativer Weise beantworten, ohne dass es einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf.

Der Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung soll den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör sichern (vgl. [X.]eschluss vom 8. November 2005 - [X.]VerwG 10 [X.] 45.05 - juris Rn. 5 m.w.[X.]). Die Verfahrenswahl einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Was die Voraussetzungen anbelangt, unter denen im Verwaltungsprozess eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zulässig ist, ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts dahin geklärt, dass § 101 Abs. 2 VwGO insoweit eine eigenständige und abschließende Regelung enthält (vgl. [X.]eschlüsse vom 13. Dezember 2013 - [X.]VerwG 6 [X.] 3.13 - juris Rn. 10 und vom 9. September 2009 - [X.]VerwG 4 [X.] 4.09 - juris Rn. 27 jeweils m.w.[X.]). Danach kann das Gericht mit Einverständnis der [X.]eteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO ist eine grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung (vgl. [X.]eschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.[X.] Rn. 8 m.w.[X.]). Es muss nach dem Grundsatz der Klarheit einer verfahrensbestimmenden Prozesserklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden (vgl. [X.]eschlüsse vom 8. November 2005 - [X.]VerwG 10 [X.] 45.05 - juris Rn. 4 und vom 17. Oktober 1997 - [X.]VerwG 4 [X.] 161.97 - [X.]uchholz 310 § 87a VwGO Nr. 3 S. 4 jeweils m.w.[X.]). Die Einverständniserklärung unterliegt keiner zeitlichen [X.]efristung. § 101 Abs. 2 VwGO sieht eine zeitliche [X.]indung des Gerichts nach Verzicht auf die mündliche Verhandlung nicht vor (vgl. [X.]eschluss vom 9. September 2009 a.a.[X.] und vom 8. Juli 2008 - [X.]VerwG 8 [X.] 29.08 - juris Rn. 7 jeweils m.w.[X.]). § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO, der eine Drei-Monatsfrist bestimmt, ist nicht entsprechend über § 173 VwGO anwendbar (vgl. [X.]eschlüsse vom 9. September 2009 a.a.[X.] und vom 19. Dezember 2001 - [X.]VerwG 1 [X.] 120.01 - [X.]uchholz 310 § 116 VwGO Nr. 27 S. 6 jeweils m.w.[X.]). Der Verzicht auf mündliche Verhandlung bezieht sich seinem Inhalt nach aber lediglich auf die nächste Entscheidung des Gerichts und wird - wenn diese kein abschließendes Urteil ist - dadurch verbraucht. Er ist deshalb dann nicht mehr wirksam, wenn nach diesem Verzicht ein [X.]eweisbeschluss ergeht, den [X.]eteiligten durch einen Auflagenbeschluss eine Stellungnahme abgefordert wird oder Akten zu [X.]eweiszwecken beigezogen oder sonst neue [X.] in den Prozess eingeführt werden (vgl. [X.]eschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.[X.]). Eine Änderung der Prozesslage führt hingegen im Verwaltungsprozess weder von selbst zur Unwirksamkeit eines einmal erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung noch - wie in § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgesehen - zu dessen [X.] (vgl. [X.]eschluss vom 13. Dezember 2013 a.a.[X.] m.w.[X.]).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung liegt es auf der Hand und bedarf keiner erneuten Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass ein erklärtes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht allein durch den Ablauf eines erheblichen Zeitraums verbraucht oder unwirksam wird. Des Weiteren folgt daraus, dass das Verstreichen eines erheblichen Zeitraums nach der Einverständniserklärung für sich auch nicht die Verpflichtung des Gerichts begründet, den [X.]eteiligten mitzuteilen, ob von der durch das Einverständnis eröffneten Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, Gebrauch gemacht werde und wann eine Entscheidung ergehen soll. Das Verwaltungsprozessrecht schreibt dem erkennenden Gericht solche Erklärungen nicht vor (vgl. [X.]eschluss vom 10. Juni 1994 - [X.]VerwG 6 [X.] 45.93 - [X.]uchholz 310 § 101 Nr. 20). Mit welchem Motiv bzw. Ziel das vorbehaltlos abzugebende Einverständnis erklärt wird, ist unerheblich. Daher spielt es - entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde - insoweit auch keine Rolle, dass das entscheidende Motiv für das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegebenenfalls die [X.]eschleunigung des Verfahrens war, das Verfahren durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung aber im Ergebnis nicht beschleunigt wurde.

Rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht im Hinblick auf die von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Fragen auch insofern nicht, als noch in entscheidungserheblicher Weise zu klären wäre, in welchen Fällen der Anspruch auf rechtliches Gehör dem Gericht gebieten kann, nach Ablauf eines (erheblichen) Zeitraums im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 101 Abs. 2 VwGO davon abzusehen, von dem erklärten Verzicht Gebrauch zu machen. Insoweit ist in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass es zwar im Ermessen des Gerichts steht, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet, das Gericht aber in diesem Zusammenhang dafür einzustehen hat, dass trotz der unterbleibenden mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der [X.]eteiligten nicht verletzt wird. Danach kann etwa die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung notwendig sein, wenn ein [X.]eteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung (vgl. [X.]eschlüsse vom 1. März 2006 a.a.[X.] und vom 13. Dezember 2013 - [X.]VerwG 7 [X.] 90.05 - juris Rn. 12). Eine solche Lage hat der Kläger hier jedoch weder substantiiert geltend gemacht noch ist ihr Vorliegen sonst erkennbar.

2. Soweit die [X.]eschwerde schließlich einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO daraus herleiten will, dass das angegriffene Urteil erst mehr als zwei Jahre, nachdem der Kläger zur [X.]eschleunigung des Verfahrens sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt habe, ergangen sei (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 18), fehlt es bereits an der schlüssigen [X.]ezeichnung des behaupteten [X.]. Die [X.]eschwerde legt nicht dar, dass der Verzicht des [X.] auf mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr wirksam gewesen wäre, weil der Verwaltungsgerichtshof eine den Verzicht verbrauchende Zwischenentscheidung erlassen hätte oder die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung aus Gründen des rechtlichen Gehörs - etwa wegen einer vom Kläger begründet geltend gemachten wesentlichen Änderung der Prozesslage - das allein ermessensgerechte Verhalten des Gerichts gewesen wäre.

3. Von einer weiteren [X.]egründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

Meta

5 B 11/14

04.06.2014

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 27. November 2013, Az: 2 A 506/11, Urteil

§ 12 BhV SN 2004, § 101 Abs 2 VwGO, § 173 VwGO, § 128 Abs 2 S 2 ZPO, § 128 Abs 2 S 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.06.2014, Az. 5 B 11/14 (REWIS RS 2014, 5100)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5100

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

BayAGH I-1-14/15

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