Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2016, Az. AnwZ (Brfg) 61/15, AnwZ (B) 2/16

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 5264

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Gegenstand

Richterablehnung im anwaltgerichtlichen Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung des Gerichts


Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen [X.] am [X.] Prof. Dr. K.    , [X.] am [X.] [X.]      und die anwaltliche Beisitzerin Rechtsanwältin S.     wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

1. Die Klägerin beantragt die Zulassung der [X.]erufung gegen das den Widerruf ihrer Rechtsanwaltszulassung wegen [X.] bestätigende Urteil des [X.]. Darüber hinaus wendet sie sich mit der sofortigen [X.]eschwerde zum einen gegen die vom [X.] vorgenommene Verwerfung ihres gegen die dort erkennenden [X.] gerichteten Ablehnungsgesuchs und zum anderen gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.

2

2. Der Senat hat der Klägerin auf deren [X.]itte hin mitgeteilt, in welcher [X.]esetzung er entscheiden wird. Daraufhin hat die Klägerin den Vorsitzenden [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], den [X.] am [X.] [X.]      und die anwaltliche [X.]eisitzerin Rechtsanwältin S.     wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit abgelehnt.

II.

3

[X.] ist zulässig, aber unbegründet.

4

1. Nach der gemäß § 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines [X.]s wegen der [X.]esorgnis der [X.]efangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte [X.] ihm gegenüber eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht der ablehnenden [X.] bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des [X.]s zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. März 2012 - [X.] ([X.]) 13/10, juris Rn. 5; vom 10. Juni 2013 - [X.] ([X.]rfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn. 6; vom 30. Dezember 2013 - [X.] ([X.]rfg) 60/13, juris Rn. 4; [X.]VerfG, NJW 2012, 3228; jeweils mwN).

5

2. Nach diesen Maßstäben liegen Ablehnungsgründe hier nicht vor.

6

a) Die Klägerin meint, eine [X.]esorgnis der [X.]efangenheit des Vorsitzenden [X.]s am [X.] Prof. Dr. K.     und des [X.]s am [X.] [X.]      ergebe sich aus deren Mitwirkung an dem in einem anderen Verfahren der [X.]en ergangenen Senatsbeschluss vom 25. August 2014 ([X.]        , juris). Die Klägerin hält diesen [X.]eschluss, durch den der Senat ihren dortigen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung gegen ein ihre Pflicht zur Zahlung rückständiger Kammerbeiträge bestätigendes Urteil des [X.] des Landes [X.] abgelehnt hat, für willkürlich, da dieser [X.]eschluss innerhalb der noch laufenden Antragsbegründungsfrist ergangen sei.

7

Dieses Vorbringen vermag der Klägerin indes bei vernünftiger Würdigung aller Umstände keinen Anlass zu geben, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der genannten [X.] zu zweifeln.

8

Eine Vorbefassung des abgelehnten [X.]s mit einem früheren - hier zudem einen anderen Sachverhalt betreffenden - Verfahren der Prozessparteien ist als solche regelmäßig nicht geeignet, die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Juni 2008 - [X.] ([X.]) 4/07, juris Rn. 7; vom 20. Januar 2014 - [X.] ([X.]rfg) 51/12, juris Rn. 9; [X.]GH, [X.]eschlüsse vom 8. Mai 2014 - 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 Rn. 12; vom 18. Dezember 2014 - IX Z[X.] 65/13, NJW-RR 2015, 444 Rn. 12; vom 12. April 2016 - [X.], juris Rn. 8; [X.]AG, [X.], 879; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 42 Rn. 14 ff.; [X.]/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 42 Rn. 15; jeweils mwN). Derartige Umstände zeigt die Klägerin weder auf noch sind diese sonst ersichtlich.

9

Soweit die Klägerin meint, einen solchen Umstand aus einem vermeintlich zu frühen Zeitpunkt der [X.]eschlussfassung des Senats im Verfahren [X.]          über ihren dortigen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung herleiten zu können, verkennt sie bereits im Ausgangspunkt, dass das [X.] - vom hier offensichtlich nicht gegebenen Ausnahmefall des Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) abgesehen - nicht dazu dient, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. März 2012 - [X.] ([X.]) 13/10, aaO Rn. 7; vom 25. September 2013 - [X.] ([X.]rfg) 51/12, juris Rn. 9; vom 20. Januar 2014 - [X.] ([X.]rfg) 51/12, aaO; [X.]GH, [X.]eschluss vom 8. Mai 2014 - 1 StR 726/13, aaO; jeweils mwN). Im Übrigen steht der von der Klägerin vertretenen Auffassung bereits ihr eigenes Vorbringen entgegen. Denn der Senat hat in dem im Ablehnungsgesuch angeführten [X.]eschluss vom 20. Oktober 2014 - mithin nach dem von der Klägerin für richtig erachteten Zeitpunkt - auf eine Anhörungsrüge das Vorbringen der Klägerin nochmals umfassend gewürdigt und die Richtigkeit seiner im [X.]eschluss vom 25. August 2014 vorgenommenen [X.]eurteilung bestätigt.

Soweit die Klägerin zudem geltend macht, die beiden abgelehnten [X.] hätten eine "ganz besondere Nähe" zum [X.]undesland [X.]         und insbesondere zu [X.]und [X.]     , ist diese pauschale - wohl auf den Wohnsitz oder den Ort einer früheren richterlichen Tätigkeit der abgelehnten [X.] sowie auf den Kammerbezirk der [X.]eklagten zielende - Erwägung bei vernünftiger Würdigung aus der Sicht der ablehnenden [X.] bereits im Ansatz nicht geeignet, eine [X.]esorgnis der [X.]efangenheit zu begründen.

b) [X.] bleibt schließlich auch hinsichtlich der anwaltlichen [X.]eisitzerin Rechtsanwältin S.     ohne Erfolg. Die Klägerin meint, eine [X.]esorgnis der [X.]efangenheit dieser [X.]in ergebe sich aus dem Umstand, dass deren Rechtsanwaltskanzlei Dr. von P.      und S.     in einem früheren Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der [X.] letztere im Revisionsverfahren vor dem [X.] (Aktenzeichen   ZR    ) als Prozessbevollmächtigte vertreten habe. Dieses Vorbringen greift nicht durch. Es begründet weder einen Ausschluss der [X.]in von der Ausübung des [X.]amtes kraft Gesetzes (§ 42 Abs. 1 Halbs. 1, § 41 ZPO) noch rechtfertigt es aus der Sicht der Klägerin bei vernünftiger Würdigung eine [X.]esorgnis der [X.]efangenheit (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 2 ZPO).

aa) Gemäß § 41 Nr. 4 ZPO ist ein [X.] von der Ausübung des [X.]amtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder [X.]eistand einer [X.] bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer [X.] aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieser Ausschlussgrund nur dann gegeben ist, wenn es sich um eine Tätigkeit in demselben Verfahren handelt. Denn jedenfalls erfordert das [X.] der "Sache" im Sinne des § 41 Nr. 4 ZPO eine Identität des Streitgegenstandes (vgl. [X.]AG, [X.], 1180 Rn. 15; [X.], [X.]eschluss vom 22. Juli 2014 - 20 Z[X.] 14.339, juris Rn. 3; [X.]/ [X.], 4. Aufl., § 41 Rn. 19; [X.]/Voit/[X.], ZPO, 13. Aufl., § 41 Rn. 11; vgl. auch [X.]SGE 78, 175, 179; 82, 150, 152; jeweils mwN). Daran fehlt es hier. Der von der Klägerin angeführte frühere Rechtsstreit hatte - selbst wenn er, wie die Klägerin vorbringt, Auswirkungen auf einen Teil ihrer Eintragungen im Schuldnerverzeichnis gehabt haben sollte - einen anderen Streitgegenstand als der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Widerruf der Rechtsanwaltszulassung der Klägerin wegen [X.] (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]).

bb) Der im Ablehnungsgesuch gegen die Mitwirkung der anwaltlichen [X.]eisitzerin Rechtsanwältin S.     angeführte oben genannte Umstand rechtfertigt aus der Sicht der Klägerin bei vernünftiger Würdigung auch nicht eine [X.]esorgnis der [X.]efangenheit dieser [X.]in (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 2 ZPO). Dies folgt bereits daraus, dass es im vorliegenden Verfahren - anders als von der Klägerin letztlich erstrebt - nicht um eine erneute [X.]eurteilung der den Eintragungen der Klägerin im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegenden Verfahren geht, sondern darum, ob sich die Klägerin zum maßgeblichen (späteren) Zeitpunkt des Widerrufs ihrer Rechtsanwaltszulassung in Vermögensverfall befunden hat und insbesondere ob ihr eine Widerlegung der mit den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis verbundenen gesetzlichen Vermutung des [X.] (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 [X.]) gelungen ist. [X.]ei vernünftiger Würdigung ist daher aus Sicht der Klägerin kein Grund für eine [X.]esorgnis ersichtlich, Rechtsanwältin S.     könnte diesen neuen Fall als [X.]in des erkennenden Senats nicht ausschließlich nach sachlichen Kriterien objektiv und unvoreingenommen beurteilen (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 12. April 2016 - [X.], aaO).

3. Der Senat kann über das Ablehnungsgesuch ohne dienstliche Stellungnahmen der abgelehnten [X.] entscheiden, weil sich die geltend gemachten Ablehnungsgründe sämtlich auf aktenkundige Vorgänge beziehen. Unter solchen Umständen könnte eine dienstliche Erklärung zur Sachaufklärung nichts beitragen und ist daher entbehrlich (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. März 2012 - [X.] ([X.]) 13/10, aaO Rn. 19; vom 30. Dezember 2013 - [X.] ([X.]rfg) 60/13, aaO Rn. 8; jeweils mwN; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 44 Rn. 9).

Limperg                          Seiters                      [X.]ünger

                    Lauer                          Wolf

Meta

AnwZ (Brfg) 61/15, AnwZ (B) 2/16

20.09.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 21. August 2015, Az: 1 AGH 19/15, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 42 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2016, Az. AnwZ (Brfg) 61/15, AnwZ (B) 2/16 (REWIS RS 2016, 5264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5264

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1 StR 726/13

IX ZB 65/13

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