Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.2012, Az. VII R 14/12

7. Senat | REWIS RS 2012, 567

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 13/12 - Kein Abrechnungsbescheid über Rückzahlungsanspruch der Bank wegen versehentlicher Überweisung nicht gepfändeter Beträge)


Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Kreditinstitut, bei dem [X.] (Vollstreckungsschuldner) ein Geschäftsgirokonto unterhielt. Wegen vollstreckbarer Steuerforderungen in Höhe von 2.073,86 € pfändete der [X.] und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. Februar 2010 (u.a.) gegen die Klägerin bestehende Ansprüche des [X.] auf Zahlung seiner gegenwärtigen und künftigen Kontoguthaben und forderte die Klägerin zur Zahlung der gepfändeten Beträge auf. Mit Schreiben an die Klägerin vom 16. Februar 2010 beschränkte das [X.] die Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf einen Betrag von 1.924,01 €. Aufgrund eines Irrtums ihres zuständigen Sachbearbeiters überwies die Klägerin dem [X.] diesen Betrag, obwohl das Konto des [X.] lediglich ein Guthaben in Höhe von 35,03 € aufwies.

2

Nachdem die Klägerin das [X.] zur Rücküberweisung des überzahlten Betrags aufgefordert hatte, erließ dieses einen [X.], mit dem ein Erstattungsanspruch der Klägerin als nicht bestehend festgestellt wurde.

3

Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das [X.] ([X.]) den [X.] auf und verurteilte das [X.], der Klägerin 1.888,98 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. April 2010 zu zahlen. Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch sei kein Erstattungsanspruch, sondern ein Bereicherungsanspruch nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]), über dessen Bestehen das [X.] nicht durch [X.] habe entscheiden dürfen. Da der [X.] im Hinblick auf die Anfechtung des an die Klägerin gerichteten [X.]s eröffnet sei und es sich bei der Anfechtung und dem geltend gemachten Zahlungsanspruch um zusammenhängende Ansprüche handele, sei der Rechtsweg zu den [X.]en auch hinsichtlich dieses Zahlungsanspruchs zulässig. Der Anspruch der Klägerin sei nach § 812 Abs. 1 Satz 1  1. Alternative [X.] begründet.

4

Mit seiner Revision vertritt das [X.] die Auffassung, es habe durch [X.] entscheiden dürfen, weil es sich bei dem seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des streitigen Betrags um einen Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) handele. Steuern könnten auch von [X.] mit befreiender Wirkung für den Steuerschuldner gezahlt werden. Die Klägerin habe im Streitfall auf die bestehende Steuerschuld des [X.] gezahlt und habe diese Schuld insoweit zum Erlöschen gebracht. Die Frage, ob die Klägerin im Verhältnis zum Vollstreckungsschuldner zur Zahlung verpflichtet gewesen sei, betreffe allein dieses Verhältnis zum Vollstreckungsschuldner. Rechtliche Grundlage für eine Erstattung des gezahlten Betrags seien § 37 Abs. 2 [X.], nicht aber bereicherungsrechtliche Vorschriften des [X.]. Ein Erstattungsanspruch nach jener Vorschrift könne im Streitfall nur vom Vollstreckungsschuldner geltend gemacht werden und bestehe im Übrigen wegen seiner Steuerschuld nicht.

5

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Sie schließt sich der Auffassung des [X.] an.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das angefochtene Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O).

9

1. Nach § 218 Abs. 2 [X.] wird über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt (sog. [X.]) entschieden; dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft, der nach § 37 Abs. 1 [X.] ebenfalls ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist. Gegenstand des [X.]s ist die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens reiner Zahlungsansprüche; er entscheidet, inwieweit bestimmte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 [X.]) noch bestehen oder durch einen der in § 47 [X.] aufgeführten Erlöschenstatbestände ganz oder teilweise erloschen sind [X.]/Rüsken, [X.], 11. Aufl., § 218 Rz 13, m.w.N.).

Ob ein Steuerpflichtiger einen Erstattungsanspruch hat, hängt nach § 37 Abs. 2 [X.] davon ab, ob auf seine Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden bzw. ein für die Leistung zunächst vorhandener rechtlicher Grund später weggefallen ist. Als rechtlicher Grund im Sinne dieser Vorschrift kommen nur die in § 218 Abs. 1 [X.] genannten Bescheide in Betracht [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 218 Rz 3). Der Erstattungsbetrag ist die Differenz zwischen dem bereits an die Finanzbehörde geleisteten Betrag und dem durch Bescheid i.S. des § 218 Abs. 1 [X.] festgesetzten Betrag ([X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 218 [X.] Rz 6). Sind die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach Grund oder Höhe im Streit, entscheidet die Finanzbehörde gemäß § 218 Abs. 2 [X.] durch [X.].

Bei dem vorliegend streitigen Rückzahlungsanspruch der Klägerin handelt es sich nicht um einen aus dem Steuerschuldverhältnis herrührenden Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 [X.], über dessen Bestehen dem Grund oder der Höhe nach im Wege eines [X.]s verbindlich entschieden werden kann.

Zwischen der Klägerin und dem [X.] besteht kein (mit dem Streitfall im Zusammenhang stehendes) Steuerschuldverhältnis. Anders als das [X.] meint, hat die Klägerin mit der Überweisung des streitigen Betrags an das [X.] auch nicht auf die Steuerschuld des Vollstreckungsschuldners geleistet. Sie hat vielmehr mit der Überweisung den ursprünglich dem Vollstreckungsschuldner zustehenden und nunmehr im Wege der Pfändung auf das [X.] übergegangenen Anspruch auf Auszahlung des auf dem Konto bestehenden Guthabens erfüllt. Dieser Anspruch ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern gründet sich auf den zwischen der Klägerin und dem Vollstreckungsschuldner geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag. Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe mehr überwiesen, als das [X.] aufgrund seines vom Vollstreckungsschuldner übergegangenen Anspruchs zu fordern berechtigt war, handelt es sich --wie das [X.] zutreffend entschieden hat-- um einen zivilrechtlichen Anspruch, dessen Bestehen oder Nichtbestehen das [X.] nicht durch [X.] feststellen kann.

2. a) Ob --wie das [X.] angenommen hat-- für die gerichtliche Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin der beschrittene [X.] zulässig ist, hat der erkennende Senat nicht zu entscheiden (§ 155 [X.]O i.V.m. § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

b) Zu Recht hat das [X.] den Anspruch der Klägerin als nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB begründet angesehen. Da die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. Februar 2010 (u.a.) nur Ansprüche des Vollstreckungsschuldners auf Auszahlung seines Kontoguthabens erfasste, ist dem [X.] mit dem überwiesenen Betrag etwas ohne Rechtsgrund geleistet worden, soweit dieser über das auf dem Konto bestehende Guthaben hinausging.

c) Das [X.] hat das [X.] auch zu Recht zur Zahlung von Zinsen seit dem 8. April 2010 verurteilt. Insoweit ist ergänzend auf die vom [X.] in den Entscheidungsgründen nicht erwähnten §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB hinzuweisen.

Meta

VII R 14/12

11.12.2012

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 15. Februar 2012, Az: 10 K 1942/10, Urteil

§ 37 Abs 2 AO, § 218 Abs 2 AO, § 812 Abs 1 BGB, § 17a Abs 5 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.2012, Az. VII R 14/12 (REWIS RS 2012, 567)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 567

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