Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.03.2018, Az. IX R 23/17

9. Senat | REWIS RS 2018, 12428

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Gegenstand

Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer - Zusammentreffen von Erwerben von Todes wegen und Vorerwerben - Berücksichtigung von persönlichen Steuerbefreiungen


Leitsatz

1. Die nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte müssen aus der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes herrühren, der sowohl von Todes wegen erworben worden ist als auch tatsächlich der Erbschaftsteuer unterlegen hat; der in Anspruch genommene persönliche Freibetrag (§ 16 ErbStG) ist anteilig abzuziehen .

2. Die auf die begünstigten Einkünfte anteilig entfallende Einkommensteuer ist nach dem Verhältnis der begünstigten Einkünfte zur Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) zu ermitteln .

3. Beim Zusammentreffen von Erwerben von Todes wegen und Vorerwerben ermittelt sich der Ermäßigungsprozentsatz des § 35b Satz 2 EStG durch Gegenüberstellung der anteiligen, auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallenden Erbschaftsteuer und des Betrags, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) der anteilige Freibetrag nach § 16 ErbStG hinzugerechnet wird .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2017  2 K 489/16 E aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Revision der Kläger wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Höhe der Steuerermäßigung nach § 35b des [X.]inkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2011 anwendbaren Fassung ([X.]StG).

2

Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden für das Streitjahr als [X.]heleute zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt. Der Kläger und sein Vater gründeten mit notariellem Vertrag vom ... November 2008 die [X.] (GmbH). Im Rahmen der Gründung brachte der Vater des [X.] sein [X.]inzelunternehmen in die GmbH ein. Der Kläger war zu 49 % und sein Vater zu 51 % an der GmbH beteiligt. Aufgrund des persönlichen Freibetrags des [X.] fiel für ihn keine Schenkungsteuer an.

3

Am ... Juli 2009 starb der Vater. Auf den Kläger wurde infolge eines Vermächtnisses ein weiterer GmbH-Anteil in Höhe von 26 % übertragen. Sein Bruder schlug das auf ihn entfallende Vermächtnis aus, so dass der Kläger als [X.]rsatz-Vermächtnisnehmer auch den restlichen Geschäftsanteil von 25 % erhielt.

4

Im Streitjahr veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile an der GmbH und erzielte einen Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 [X.]StG in Höhe von 786.167 €.

5

Die [X.]rbschaftsteuer des Klägers wurde auf 28.336 € festgesetzt:

[X.]rwerb durch Vermächtnis (GmbH-Anteil)

322.570 €

Steuerbefreiung nach § 13a des [X.]rbschaft- und Schenkungsteuergesetzes ([X.]rbStG)

   ./.  53.040 €

[X.]rwerb von Todes wegen

269.530 €

Gesamtwert der Vorerwerbe (§ 14 [X.]rbStG)

+  388.080 €

Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 [X.]rbStG

./. 400.000 €

steuerpflichtiger [X.]rwerb (abgerundete Bemessungsgrundlage)

    257.600 €

        

x Steuersatz von 11 %

=   28.336 €

6

Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) gewährte mit dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen [X.]inkommensteuerbescheid für 2011 vom 16. Juni 2014 zunächst antragsgemäß wegen der Belastung mit [X.]rbschaftsteuer und [X.]inkommensteuer eine Steuerermäßigung nach § 35b [X.]StG in Höhe von 13.809 €. Nach Überprüfung kam das [X.] zu dem [X.]rgebnis, dass die Steuerermäßigung auf 4.412 € zu kürzen sei und änderte die [X.]inkommensteuerfestsetzung für 2011 mit [X.] vom 28. August 2015 entsprechend (Summe der [X.]inkünfte: 963.292 €; um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche [X.]inkommensteuer: 382.826 €).

7

Hiergegen legten die Kläger [X.]inspruch ein, mit dem sie geltend machten, die [X.]inkommensteuer sei gemäß § 35b [X.]StG um insgesamt 11.262 € zu ermäßigen. Das [X.] wies den [X.]inspruch mit [X.]inspruchsentscheidung vom 15. Januar 2016 als unbegründet zurück.

8

Das Finanzgericht ([X.]) hat der gegen den geänderten [X.]inkommensteuerbescheid in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 15. Januar 2016 gerichteten Klage teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Nach Auffassung des [X.] ist die [X.]inkommensteuer gemäß § 35b [X.]StG um insgesamt 4.616 € zu ermäßigen. Zur Begründung hat das [X.] in seinem in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte ([X.][X.]) 2017, 1450 veröffentlichten Urteil vom 31. Mai 2017  2 K 489/16 [X.] u.a. ausgeführt, begünstigt seien nur Vermögensteile, die als [X.]rwerb von Todes wegen der [X.]rbschaftsteuer unterlegen haben. Nicht begünstigt seien dagegen Vorerwerbe durch Schenkung. [X.]s komme daher nur eine anteilige [X.]rmäßigung nach § 35b [X.]StG in Betracht. Der [X.]rwerb von Todes wegen sei bei der Anwendung von § 35b Satz 1 [X.]StG aber nicht um den persönlichen Freibetrag nach § 16 [X.]rbStG zu mindern. Dieser werde bei der [X.]rmittlung des [X.]rmäßigungsprozentsatzes nach § 35b Satz 2 [X.]StG zu Ungunsten des Steuerpflichtigen hinzugerechnet und bleibe deshalb bei der Anwendung von § 35b Satz 1 [X.]StG außer Betracht. Als [X.]rwerb von Todes wegen seien somit 269.530 € anzusetzen. Der Prozentsatz i.S. des § 35b Satz 2 [X.]StG betrage 4,31 % (Summe der [X.]rbschaftsteuer = 28.336 € : 657.610 € [steuerpflichtiger [X.]rwerb 257.610 € [X.] persönlicher Freibetrag 400.000 €] = 0,04308, aufgerundet 4,31 %). Die Steuerermäßigung sei daher wie folgt zu berechnen:

Begünstigte [X.]inkünfte

269.530 €

        

x um Steuerermäßigung gekürzte tarifliche [X.]inkommensteuer

382.826 €

        

: Summe der [X.]inkünfte

963.292 €

        

= anteilige [X.]inkommensteuer auf die begünstigten [X.]inkünfte

107.115 €

        

x Prozentsatz (4,31 %) Steuerermäßigung

4.616 €

        

9

Gegen das Urteil haben sowohl die Kläger als auch das [X.] Revision eingelegt. Beide rügen jeweils die Verletzung materiellen Rechts (§ 35b [X.]StG).

Das [X.] meint, das [X.] habe § 35b Satz 1 [X.]StG unzutreffend ausgelegt. Begünstigt seien nur [X.]inkünfte, die auch betragsmäßig in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage (steuerpflichtiger [X.]rwerb) eingegangen seien. Deshalb müsse der persönliche Freibetrag nach § 16 [X.]rbStG bei der Anwendung von § 35b Satz 1 [X.]StG (zumindest anteilig) abgezogen werden.

[X.]ntfalle die festgesetzte [X.]rbschaftsteuer --wie im [X.] teilweise auf nach § 35b Satz 1 [X.]StG nicht begünstigte Vorerwerbe durch Schenkung und teilweise auf einen begünstigten [X.]rwerb von Todes wegen, müsse der persönliche Freibetrag nach § 16 [X.]rbStG für die Anwendung von § 35b [X.]StG zudem verhältnismäßig aufgeteilt werden. [X.]s könne nicht angenommen werden, dass der persönliche Freibetrag nach § 16 [X.]rbStG in voller Höhe vorrangig den Vorerwerb durch Schenkung gemindert habe. Dann ergebe sich eine Steuerermäßigung von nur noch 1.809 € (rechnerisch richtig: 1.808 €).

Mit Datum vom 18. Mai 2017 hob das [X.] den Vorbehalt der Nachprüfung auf und änderte insoweit den [X.]inkommensteuerbescheid für 2011 vom 28. August 2015 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 15. Januar 2016.

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, den [X.]inkommensteuerbescheid für 2011 vom 18. Mai 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Steuerermäßigung gemäß § 35b [X.]StG in Höhe von 11.262 € angesetzt wird und die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Die Kläger meinen, das [X.] habe § 35b Satz 2 [X.]StG unrichtig angewandt. Der [X.]rmäßigungsprozentsatz betrage 10,51 %. Der festgesetzten [X.]rbschaftsteuer (28.336 €) sei der Betrag gegenüber zu stellen, der sich ergibt, wenn der steuerpflichtige [X.]rwerb von Todes wegen (257.610 €) nur um den anteiligen noch nicht durch Vorerwerbe verbrauchten persönlichen Freibetrag nach § 16 [X.]rbStG (400.000 € ./. 388.080 € = 11.920 €) erhöht wird (28.336 € : 269.530 € = 10,51 %). Im Hinblick auf die Anwendung von § 35b Satz 1 [X.]StG halten die Kläger das angefochtene Urteil dagegen für zutreffend. Die Steuerermäßigung betrage deshalb (107.115 € x 10,51 % = 11.261,13 €, bzw. rechnerisch richtig: 11.258 €).

Entscheidungsgründe

[X.]

Die Revision des [X.] ist begründet (1.). Das [X.] hat § 35b Satz 1 EStG rechtsfehlerhaft angewandt. Entfällt die festgesetzte Erbschaftsteuer teilweise auf nach § 35b Satz 1 EStG nicht begünstigte Vorerwerbe und teilweise auf einen begünstigten Erwerb von Todes wegen, muss der persönliche Freibetrag nach § 16 [X.] für die Anwendung von § 35b Satz 1 EStG, d.h. bei der Ermittlung der nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte, verhältnismäßig aufgeteilt werden. Die begünstigten Einkünfte betragen danach im Streitfall nur 105.570 €; die auf sie anteilig entfallende Einkommensteuer 41.955 €.

Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg (2.). Das [X.] hat den [X.] nach § 35b Satz 2 EStG im Ergebnis zutreffend mit 4,31 % bemessen.

1. a) Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier [X.] als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird gemäß § 35b Satz 1 EStG auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, um den in Satz 2 bestimmten Prozentsatz ermäßigt. Der Prozentsatz bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 [X.]) die Freibeträge nach den §§ 16 und 17 und der steuerfreie Betrag nach § 5 [X.] hinzugerechnet werden (§ 35b Satz 2 EStG).

b) Die durch das [X.] vom 24. Dezember 2008 ([X.], 3018) eingeführte Vorschrift entspricht nahezu wörtlich der zwischen 1975 und 1998 geltenden und durch das [X.] vom 24. März 1999 ([X.], 402) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 aufgehobenen Bestimmung des § 35 EStG i.d.F. des Einkommensteuerreformgesetzes vom 5. August 1974 ([X.], 1769) --EStG a.F.--. Da nach der Gesetzesbegründung § 35b EStG inhaltlich dem § 35 EStG a.F. entspricht (Bericht des Finanzausschusses vom 26. November 2008, BTDrucks 16/11107 S. 25), ist die zu § 35 EStG a.F. ergangene Rechtsprechung des [X.] ([X.]) im Grundsatz auch bei der Auslegung des § 35b EStG zu berücksichtigen.

c) Zur Berechnung der Steuerermäßigung müssen zunächst zwei Maßgrößen ermittelt werden, zum einen die anteilig auf die nach § 35b Satz 1 begünstigten Einkünfte entfallende Einkommensteuer und zum anderen der [X.] gemäß § 35b Satz 2 EStG. Der Betrag nach § 35b Satz 1 EStG multipliziert mit dem [X.] ergibt den Betrag der Steuerermäßigung.

d) Begünstigt sind nach § 35b Satz 1 EStG "Einkünfte, die als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben". Der Wortlaut des Relativsatzes ist ungenau, da der Erbschaftsteuer nicht Einkünfte, sondern Bereicherungen unterliegen (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]; so bereits [X.]-Urteile vom 7. Dezember 1990 [X.], [X.]E 163, 137, [X.] 1991, 350; vom 21. Dezember 1994 I R 79/94, [X.]E 176, 417, [X.] 1995, 321, jeweils zu § 35 EStG a.F.). Bei [X.] Verständnis erfasst § 35b EStG danach Fälle, in denen der von Todes wegen hinzu erworbene Vermögensgegenstand --z.B. nach einer steuerpflichtigen Veräußerung-- mit seinem Wert zusätzlich der Einkommensteuer unterworfen ist.

Nicht nach § 35b Satz 1 EStG begünstigt sind dagegen solche Einkünfte, die sich aus (der Veräußerung von) Vermögensgegenständen ergeben, die einer Vorbelastung mit Schenkungsteuer unterlegen haben. Zwar kann es auch insoweit zu einer Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommen. Der Wortlaut der Vorschrift ist insofern aber eindeutig. [X.] verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht.

Werden sowohl Anteile veräußert, die im Wege der Erbfolge erworben worden sind, als auch Anteile, die nicht im Wege der Erbfolge oder nicht in dem in § 35b EStG vorgesehenen zeitlichen Zusammenhang mit der Erbfolge erworben worden sind, muss der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn aufgeteilt werden. Begünstigt ist der Veräußerungsgewinn nur insoweit, als er sich aus der Veräußerung der mit Erbschaftsteuer belasteten Anteile ergibt (so schon [X.]-Urteil vom 10. März 1988 IV R 226/85, [X.]E 153, 318, [X.] 1988, 832, unter [X.], zu § 35 EStG a.F.).

e) Die nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte müssen bei ihrem Hinzuerwerb tatsächlich mit Erbschaftsteuer belastet worden sein (so schon [X.]-Urteil in [X.]E 163, 137, [X.] 1991, 350, zu § 35 EStG a.F.). Sie müssen eine Belastung mit Erbschaftsteuer ausgelöst haben. Nach ihrem Sinn und Zweck soll die Vorschrift der "Doppelbelastung" bestimmter Vermögenswerte mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer Rechnung tragen (vgl. Bericht des Finanzausschusses vom 26. November 2008, BTDrucks 16/11107, S. 25). An einer Doppelbelastung fehlt es aber, soweit der hinzuerworbene Vermögensgegenstand z.B. im Anwendungsbereich des persönlichen Freibetrags nach § 16 [X.] eine Belastung mit Erbschaftsteuer nicht ausgelöst hat. Insoweit besteht kein Grund für eine tarifliche Entlastung.

Daraus ergibt sich, dass im Anwendungsbereich von § 35b Satz 1 EStG der persönliche Freibetrag nach § 16 [X.] in Abzug zu bringen ist. Soweit die nach dem [X.] steuerbare Bereicherung aufgrund des persönlichen Freibetrags nicht zu einer Belastung mit Erbschaftsteuer geführt hat, kommt die Anwendung von § 35b Satz 1 EStG nicht in Betracht.

Der davon abweichenden Auffassung des [X.] folgt der [X.] nicht. Die systematische Erwägung des [X.], wonach der persönliche Freibetrag gemäß § 16 [X.] bereits bei der Ermittlung des [X.]es nach § 35b Satz 2 EStG zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden muss, trifft zwar im Ausgangspunkt zu, erlaubt aber angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift und ihres erkennbaren Sinns und Zwecks nicht den Schluss, auch solche Einkünfte als begünstigt anzusehen, die aufgrund des persönlichen Freibetrags tatsächlich eine Belastung mit Erbschaftsteuer nicht ausgelöst haben.

f) Sind in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer sowohl nach § 35b Satz 1 EStG begünstigte, als auch nach § 35b Satz 1 EStG nicht begünstigte "Einkünfte" eingegangen, ist der persönliche Freibetrag gemäß § 16 [X.] im Verhältnis der Einkünfte zueinander aufzuteilen und anteilig bei den jeweiligen Einkünften abzuziehen.

Der [X.] folgt damit der vom [X.] mit der Revision vertretenen Auffassung. Die gegenteilige Ansicht, wonach der persönliche Freibetrag nach § 16 [X.] vorrangig bis zur Höhe des [X.] von diesem abzuziehen ist, findet in § 35b Satz 1 EStG keine hinreichende Grundlage. Es kann dahinstehen, ob der Ansicht der Kläger zu folgen ist, dass der persönliche Freibetrag bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer vorrangig vom notwendig früheren Vorerwerb abzuziehen ist. Diese für die Erbschaftsteuer geltende Systematik entfaltet jedenfalls keine Bindungswirkung für die Einkommensteuer und prägt auch nicht die Anwendung von § 35b Satz 1 EStG. In Anbetracht des Sinns und Zwecks der Vorschrift, eine effektive Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer zu mindern, besteht im vorliegenden Zusammenhang auch kein Grund für eine Meistbegünstigung des Steuerpflichtigen. Dem Auftrag des Gesetzes entspricht es vielmehr, in solchen Mischfällen danach zu fragen, welcher Teil der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage auf den Erwerb von Todes wegen entfällt. Dies gebietet eine anteilige Berücksichtigung des persönlichen Freibetrags nach § 16 [X.].

g) Die auf die begünstigten Einkünfte anteilig entfallende Einkommensteuer ist nach dem Verhältnis der begünstigten Einkünfte zur Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) zu ermitteln ([X.]/[X.], § 35b EStG Rz 37; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 35b Rz [X.] 8; [X.]/[X.], 36. Aufl., § 35b Rz 22; a.[X.], [X.] 1975, 595, 597, zu § 35 EStG a.F.: Gesamtbetrag der Einkünfte). Der [X.] lässt sich zwar der Bestimmung nicht ausdrücklich entnehmen, allerdings entspricht die Formulierung insoweit dem Wortlaut des § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG. Der in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG vorgesehene [X.], wonach der maßgebliche Teil der Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln ist, dass die Einkommensteuer im Verhältnis der betreffenden Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird, lässt sich insoweit auf § 35b EStG übertragen. Um die Einkommensteuer auf die begünstigten Einkünfte zu berechnen, ist daher der Betrag der um sonstige Steuerermäßigungen gekürzten tariflichen Einkommensteuer mit dem Quotienten aus dem Betrag der begünstigen Einkünfte und dem Betrag der Summe der Einkünfte zu multiplizieren.

h) Nach diesen Grundsätzen ergeben sich im Streitfall gemäß § 35b Satz 1 EStG begünstigte Einkünfte von 105.570 € und eine auf diese Einkünfte entfallende anteilige (begünstigte) Einkommensteuer von 41.955 €:

        

Erwerb von Todes wegen

Vorerwerb

        

   322.570 €

    588.000 €

Steuerbefreiung    (§ 13a [X.])

./. 53.040 €

./. 199.920 €

Gesamterwerb 657.610 €

   269.530 €

    388.080 €

        

= 40,99 % des [X.]

= 59,01 % des [X.]

Persönlicher Freibetrag (§ 16 [X.])

40,99 % von 400.000 € = 163.960 €

59,01 % von 400.000 € = 236.040 €

Erwerb von Todes wegen, der der Erbschaftsteuer unterlegen hat

105.570 € 

        
        

Begünstigte Einkünfte

105.570 €

x um Steuerermäßigung gekürzte tarifliche Einkommensteuer

382.826 €

: Summe der Einkünfte

963.292 €

= anteilige begünstigte Einkommensteuer

41.955 €

2. Im Ergebnis zutreffend hat das [X.] den Prozentsatz nach § 35b Satz 2 EStG mit 4,31 % ermittelt.

a) Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist bei der Anwendung von § 35b Satz 2 EStG der persönliche Freibetrag nach § 16 [X.] (u.a.) dem steuerpflichtigen Erwerb im Grundsatz in voller Höhe hinzuzurechnen. Der Gegenansicht der Kläger kann sich der [X.] nicht anschließen. Ein Grund für eine bloße Anrechnung des noch nicht durch Vorerwerbe verbrauchten persönlichen Freibetrags besteht nicht und ist auch nicht dargetan.

b) Sind in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer sowohl nach § 35b Satz 1 EStG begünstigte, als auch nach § 35b Satz 1 EStG nicht begünstigte "Einkünfte" eingegangen und ist der persönliche Freibetrag nach § 16 [X.] deshalb bei der Ermittlung der nach § 35b Satz 1 EStG begünstigten Einkünfte verhältnismäßig aufgeteilt worden, ist nur der anteilige Freibetrag nach § 16 [X.] hinzuzurechnen.

Der Ermäßigungsprozentsatz ermittelt sich dann durch Gegenüberstellung der anteilig auf die von Todes wegen erworbenen Vermögensteile entfallende Erbschaftsteuer und dem Betrag, der sich ergibt, wenn dem anteiligen steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 [X.]) der anteilige Freibetrag nach § 16 [X.] hinzugerechnet wird:

anteilige Erbschaftsteuer (28.336 € x 0,4099)

        

11.615 € (aufgerundet)

                                                           

begünstigte Einkünfte

105.570 €

        

anteiliger Freibetrag

163.960 €

269.530 €

        

11.615 : 269.530 = 4,31 % (aufgerundet)

c) Nach diesen Maßstäben beträgt die Steuerermäßigung gemäß § 35b EStG im Streitfall 1.808 €:

anteilige Einkommensteuer

41.955 €

Ermäßigungsprozentsatz

4,31 %

41.955 x 4,31 : 100 = 1.808 €

        

3. Die Sache ist spruchreif. Die Revision des [X.] führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Revision der Kläger ist zurückzuweisen.

An einer höheren Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr ist der [X.] wegen des Verböserungsverbots gehindert, so dass es insoweit bei der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 18. Mai 2017 gewährten Steuerermäßigung nach § 35b EStG in Höhe von 4.412 € verbleibt.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

IX R 23/17

13.03.2018

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 31. Mai 2017, Az: 2 K 489/16 E, Urteil

§ 17 EStG 2009, § 35b EStG 2009, § 35 EStG vom 05.08.1974, § 3 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 5 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 10 Abs 1 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 14 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 16 Abs 1 Nr 2 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 17 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.03.2018, Az. IX R 23/17 (REWIS RS 2018, 12428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12428

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