Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.12.2020, Az. I B 1/20

1. Senat | REWIS RS 2020, 3723

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Gegenstand

Keine Zulassung der Revision trotz Divergenz


Leitsatz

NV: Weicht das angefochtene Urteil von einem Urteil eines anderen FG ab, welches seinerseits ohne Begründung und in nicht nachvollziehbarer Weise von einer ständigen BFH-Rechtsprechung abweicht, bedarf es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keiner Entscheidung des BFH in einem Revisionsverfahren.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 14.11.2019 - 4 K 343/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, gewährte ihrer Schwestergesellschaft H-GmbH im Januar 2010 ein unbesichertes Darlehen über ... €. Im Dezember 2011 verzichtete die Klägerin gegen [X.] auf die zu diesem Zeitpunkt noch offene Darlehenssumme von ... € [X.] Zinsen von ... €. In ihrer Bilanz auf den 31.12.2011 buchte die Klägerin die Darlehens- und die Zinsforderung in Höhe von zusammen ... € gewinnmindernd aus.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) war der Auffassung, die Darlehenshingabe an die H-GmbH sei durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen, sodass der [X.] (Streitjahr) zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) geführt habe. Das [X.] erließ entsprechende körperschaft- und gewerbesteuerrechtliche Bescheide für das Streitjahr.

3

Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das [X.] ([X.]) hat sie mit Urteil vom [X.] - 4 K 343/17 als unbegründet abgewiesen. Das [X.] hat nicht geprüft, ob die Darlehensgewährung an die Schwestergesellschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen ist, aber den Verzicht mit [X.] als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst beurteilt. Den von der Klägerin geltend gemachten Einwand, der Verzicht habe der Sanierung der H-GmbH dienen sollen, hat das [X.] mangels Darlegung eines schlüssigen Sanierungskonzepts abgelehnt.

4

Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das [X.]-Urteil.

5

Das [X.] beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

7

1. Die Klägerin beruft sich u.a. auf den Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Voraussetzungen dieses [X.] hat sie jedoch nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargetan. Die Klägerin möchte in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt wissen, "ob die Behauptung der gesellschaftlichen Veranlassung mit der Verneinung eines Sanierungskonzepts begründet werden kann, wenn das betriebliche Interesse, und zwar im Hinblick auch und gerade auf einen Drittvergleich, trotz des [X.] eines Sanierungskonzepts evident ist". Die "Evidenz" des betrieblichen Interesses der Klägerin an einem Forderungsverzicht gegen [X.] leitet die Klägerin aus einem Vergleich mit dem anderen Großgläubiger der H-GmbH --der konzernfremden [X.] ab, welche am 10.04.2014 ebenfalls gegen [X.] auf einen Teil ihrer Forderungen gegen die H-GmbH verzichtet habe. Dieser von der Klägerin angestellte Vergleich krankt indessen daran --und ist folglich nicht schlüssig--, dass beiden Verzichtsfällen in einem wesentlichen Punkt unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen zugrunde gelegen haben. Die Klägerin hat ihren Forderungsverzicht im Dezember 2011 zu einem Zeitpunkt erklärt, als der andere Großgläubiger ([X.]), der nach den Angaben in der Beschwerdebegründung zum 31.12.2011 bereits fällige Forderungen in Höhe von ... € gegen die H-GmbH gehabt hat, noch nicht in die Sanierungsbemühungen eingebunden war. Es bestand mithin zum Verzichtszeitpunkt die Möglichkeit, dass die [X.] sich künftigen Sanierungsbemühungen verweigern und es daraufhin zu einer Insolvenz der Schuldnerin kommen würde, in deren Rahmen die Klägerin --anders als die [X.] aufgrund des Verzichts keine Befriedigungsmöglichkeiten mehr haben würde. Demgegenüber war die [X.] zu dem Zeitpunkt, in dem sie auf einen Teil ihrer Forderungen verzichtet hat (10.04.2014), nach der Darstellung in der Beschwerdebegründung die einzige verbliebene Großgläubigerin mit fälligen Forderungen gegen die H-GmbH und konnte daher sicher sein, dass die Sanierung der Schuldnerin nicht an der mangelnden Mitwirkung eines anderen Gläubigers scheitern würde.

8

2. Des Weiteren beruft sich die Klägerin auf den Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 FGO). Sie bezieht sich insoweit auf ein nicht veröffentlichtes Urteil des [X.] vom 22.12.2008 - 6 K 1683/07, dem zufolge aufgrund der Erforderlichkeit einer "endgültigen Gewinnminderung" eine vGA im Falle des Forderungsverzichts gegen [X.] nur angenommen werden könne, wenn die Finanzbehörde nachweise, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen sei, der [X.] werde nicht eintreten. Das [X.] hat das Erfordernis einer "endgültigen Gewinnminderung" bei der vGA und das vom [X.] daraus abgeleitete [X.] hingegen ausdrücklich abgelehnt und ist damit offen von jenem Urteil abgewichen.

9

Gleichwohl erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Denn das Urteil des [X.] weicht ohne Befassung mit den Voraussetzungen der vGA und den hierzu entwickelten Grundsätzen sowie ohne jede Begründung und daher in nicht nachvollziehbarer Weise von der ständigen [X.]-Rechtsprechung ab, der zufolge es für die Feststellung einer Vermögensminderung im Rahmen der vGA bei einer Kapitalgesellschaft auf eine (durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste) Minderung des [X.] gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes ankommt (z.B. Senatsurteile vom 07.08.2002 - I R 2/02, [X.]E 200, 197, [X.], 131; vom 24.10.2018 - I R 78/16, [X.]E 263, 153, [X.], 570). Dass eine Minderung jenes [X.] gegeben ist, wenn zum maßgeblichen Bilanzstichtag eine Forderung aufgrund eines Verzichts gegen [X.] (Verzicht unter der auflösenden Bedingung des Wiederauflebens der Forderung im [X.]) ausgebucht worden ist, steht außer Frage. Aus welchem Grund es auf dieser Grundlage für das Tatbestandsmerkmal der Vermögensminderung zu diesem Bilanzstichtag zusätzlich noch darauf ankommen soll, dass nicht mehr mit dem Eintritt des [X.]s zu rechnen ist, ist unerfindlich und wird in dem Urteil des [X.] auch nicht erläutert. In einem derartigen Fall einer ohne auch nur den Ansatz einer Begründung vorgenommenen, inhaltlich nicht nachvollziehbaren Abweichung von der ständigen [X.]-Rechtsprechung bedarf es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keiner Entscheidung des [X.] in einem Revisionsverfahren.

3. Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel an der Klärungsfähigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen in dem angestrebten Revisionsverfahren. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargetan, dass die Hingabe des der Schwestergesellschaft gewährten Darlehens trotz Fehlens einer Besicherung einem Fremdvergleich standhält (vgl. die neuere Senatsrechtsprechung zu unbesicherten Konzerndarlehen, z.B. Senatsurteil vom 27.02.2019 - I R 73/16, [X.]E 263, 525, [X.], 394). Sie hat dies allein mit der Höhe des vereinbarten Zinssatzes von 8 % begründet, der nach ihrer Darstellung deutlich über dem Marktzins von 5 % gelegen und daher das Ausfallrisiko ausgeglichen habe. Zur Beurteilung des Ausfallrisikos wären jedoch substantiierte Ausführungen zur finanziellen Situation der H-GmbH zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung erforderlich gewesen.

Wäre bereits die Gewährung des Darlehens nicht fremdvergleichskonform gewesen, dann wäre die spätere gewinnmindernde Ausbuchung der Forderungen jedenfalls als vGA zu beurteilen (vgl. Senatsurteile vom 11.11.2015 - I R 5/14, [X.]E 252, 353, [X.], 491, und vom 18.02.1999 - I R 62/98, [X.]/NV 1999, 1515; Senatsbeschluss vom 26.10.1993 - I B 112/93, [X.]/NV 1994, 415; [X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rz 694), ohne dass es noch darauf ankäme, ob der Verzicht seinerseits einem Fremdvergleich standhalten würde.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Meta

I B 1/20

16.12.2020

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 14. November 2019, Az: 4 K 343/17, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.12.2020, Az. I B 1/20 (REWIS RS 2020, 3723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3723

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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8 U 6521/20

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