Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2014, Az. 1 StR 693/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8149

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 693/13

vom
5. Februar
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an

Minderjährige u.a.

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2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 5. Februar
2014
gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Juli 2013
a) im Schuldspruch geändert und neu gefasst:

Der Angeklagte ist schuldig der unerlaubten gewerbsmäßi-gen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 36 Fällen, des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmit-teln in nicht geringer Menge, des unerlaubten Handeltre[X.] mit Betäubungsmitteln in 17 Fällen sowie der uner-laubten Verbrauchsüberlassung an Minderjährige in drei tateinheitlichen Fällen;
b) mit den Feststellungen aufgehoben
(1) im Strafausspruch hinsichtlich der Einzelstrafen, soweit der Angeklagte wegen versuchter unerlaubter ge-werbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an [X.] in 18 Fällen verurteilt wurde,
(2) im Gesamtstrafausspruch sowie
(3) im Ausspruch über den Verfall.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurück-verwiesen.
-
3
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3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter gewerbsmäßi-ger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 36 Fällen sowie wegen versuchter unerlaubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 18 Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und in einem weiteren Fall hiervon in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln sowie wegen vorsätzlicher unerlaubter Abgabe von Betäu-bungsmitteln
an Minderjährige
in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es Wertersatzverfall in [X.] von 650 Euro sowie die Einziehung
mehrerer Mobiltelefone angeordnet.
Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, [X.] mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts, hat auf die Sachrüge hinsichtlich des Schuldspruchs, soweit dieser die Verurteilung wegen unerlaubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 18 Fällen betrifft, und der dafür festgesetzten Einzelstrafen sowie der Ge-samtfreiheitsstrafe und des angeordneten Verfalls Erfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Der [X.] hat hinsichtlich der Verurteilung wegen uner-laubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 1
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3
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4
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18
Fällen in seiner Antragsschrift vom 14. Januar 2014 u.a. zutreffend ausge-führt:

Bedenken begegnet die Verurteilung des Angeklagten wegen [X.] unerlaubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minder-jährige gemäß §§ 29a Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG.
Objektive Voraussetzung des Versuchs ist, dass der Täter nach Maßgabe seines Tatplans zur Tat unmittelbar ansetzt (Fischer, StGB, 61. Auflage, § 22 Rn. 9).
Die Verurteilung des Angeklagten in den betroffenen Fällen beruht darauf, dass der Angeklagte in 18 Fällen Betäubungsmittel gekauft, übernommen, in seine Wohnung verbracht und dort zum gewinnbringenden Weiterverkauf aufbewahrt hat ([X.]). Damit hat der Angeklagte jedoch noch nicht unmittelbar zur

Im Übrigen setzt das Tatbestandsmerkmal des Abgebens im Sinne der §§ 29a Abs. 1 Nr. 1,
30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG eine Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsmacht an den Betäubungsmitteln auf einen Minderjährigen zu dessen eigener freier Verfügung voraus (vgl. [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Abgabe 1). Die Strafbarkeit knüpft -
im Unterschied zum weiter gefassten Begriff des [X.] -
damit an die tatsächliche Verschaffung der Verfügungsmacht an. Vor diesem Hintergrund kann in dem bloßen Aufbewahren von Betäubungsmitteln, auch wenn es
dem gewinnbringenden Weiterverkauf dient, ein unmittelbares An-setzen zum Tatbestand der unerlaubten gewerbsmäßigen Abgabe von Betäu-bungsmitteln an Minderjährige nicht gesehen werden.

Die Feststellungen tragen in den betroffenen Fällen jedoch eine Verurteilung we-gen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 BtMG in 17 Fällen (Fall 3: restliche 15 Fälle soweit geringe Mengen an Betäubungsmitteln, [X.] mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr.
2 BtMG (Fall 3: 2 kg Marihuana).

Die in den betroffenen Fällen verhängten Einzelstrafen können nicht bestehen bleiben. Zwar ist nach den Feststellungen in den Fällen des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG von der Verwirklichung des Regelbeispiels der [X.] gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG auszugehen. Dennoch wird der Strafzu-messung ein Strafrahmen zugrunde zu legen sein, der von einem Jahr bis zu 15 Jahren reicht.
Demgegenüber ist das [X.] von dem nicht gemäß § 23 Abs. 2 StGB ge-milderten Strafrahmen des §§ 29a Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG ausgegan-gen, der von zwei bis zu 15 Jahren reicht.

Der Schuldspruch im Fall fünf ist ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei. Nach den [X.] hat der Angeklagte in seiner Wohnung einen Joint mit
Tabak--
5
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Marihuana-Gemisch an drei Minderjährige zum sofortigen gemeinsamen [X.] an Ort und Stelle überlassen ([X.]).
Der Schuldspruch lässt erkennen, dass das [X.] insoweit nicht von einer gewerbsmäßigen Überlassung ausgegangen ist ([X.] 3).
Nach den Feststellungen liegt somit keine Abgabe, sondern lediglich eine Ver-brauchsüberlassung an Minderjährige im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG vor, was auch in der Entscheidungsformel zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 04.01.2000 -
3 StR 561/99).

Dem schließt sich der [X.] weitgehend an. Allerdings kann dem Gene-ralbundesanwalt insoweit nicht gefolgt werden, als dieser der Auffassung ist, es sei nur von einer einzigen Tat auszugehen, wenn ein Täter -
wie hier -
in einer [X.]runde ein Betäubungsmittel an mehrere Abnehmer überlässt (so auch [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 15 Rn. 158). [X.] überlässt er die zum [X.] übergebenen Betäubungsmittel jedem einzelnen der Minderjährigen, welche insoweit besonders schützenswert sind. Bereits die Überlassung zum
[X.] an Minderjährige ist ebenso wie die Ab-gabe von Betäubungsmitteln an diese Personengruppe besonders verwerflich und deshalb vom Gesetzgeber als Verbrechen in § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG auf-genommen worden (vgl. BT-Drucks. 12/989 S. 30 u. 54
f.). Der durch die Über-lassung ermöglichte [X.] betrifft drei Minderjährige, von denen jeder höchstpersönlich durch diese Vorschrift geschützt wird, sodass von drei Fällen auszugehen ist, welche allerdings tateinheitlich begangen sind.

Außerdem hatte die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Be-sitzes von Betäubungsmitteln im
Fall
4
zu entfallen, da neben der Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens der Besitz dieser zum Handeltreiben be-schafften Betäubungsmittel als unselbständiges Teilstück im Handeltreiben aufgeht ([X.]St 25, 290, 291).

§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht erfolgreicher hätte verteidigen können.

4
5
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6
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II.

Hinsichtlich der Verfallsanordnung hat der [X.] ausge-führt:

Die Anordnung des [X.] erweist sich ebenfalls als [X.].
Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob das [X.] das Vorlie-gen eines Härtefalls gemäß § 73c StGB geprüft hat (vgl. [X.] 27). Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte seit dem [X.] arbeitsunfähig ist und [X.] bezieht ([X.] 7), wäre dies angezeigt gewesen.

Dem kann sich der [X.] letztlich nicht verschließen.
Wahl

Rothfuß Graf

Jäger Mosbacher
7
8

Meta

1 StR 693/13

05.02.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2014, Az. 1 StR 693/13 (REWIS RS 2014, 8149)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8149

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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