Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.01.2011, Az. I B 118/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 10702

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Gegenstand

Abzinsung von Gesellschafterdarlehen - Schätzung der Restlaufzeit


Leitsatz

1. NV: Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch auf unbestimmte Zeit gewährte Gesellschafterdarlehen, die erst wenige Monate vor dem Bilanzstichtag gegeben wurden und die mit einer Frist von drei Monaten kündbar sind, abzuzinsen sind, wenn zum Bilanzstichtag aufgrund der tatsächlichen Umstände der Schluss gerechtfertigt ist, die Darlehen würden nicht gekündigt werden .

2. NV: Die mutmaßliche restliche Laufzeit der Darlehen kann analog § 13 Abs. 2 BewG geschätzt werden, wenn für eine objektive Schätzung keine Anhaltspunkte vorliegen .

3. NV: Die handelsrechtliche Pflicht, eine Verbindlichkeit auszuweisen, hindert eine Abzinsung nicht .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

3

a) Durch die Rechtsprechung ist entschieden, dass auch unverzinsliche Gesellschafterdarlehen nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) abzuzinsen sind (Senatsurteile vom 6. Oktober 2009 [X.], [X.], 347, [X.], 177; vom 27. Januar 2010 [X.]/09, [X.], 250, [X.], 478). Es ist ferner geklärt, dass Darlehen, die auf unbestimmte Zeit gewährt werden und daher nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden können (§ 488 Abs. 3 Satz 2 BGB) dann nicht als Darlehen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten angesehen werden können, wenn sich nach den Umständen des Falles bei wirtschaftlicher Betrachtung trotz der formalen Kündigungsmöglichkeit nach den Erkenntnissen zum Bilanzstichtag voraussichtlich eine längere Laufzeit ergibt. Nach den genannten Urteilen unterliegt die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 2002 angeordnete Abzinsung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist vielmehr vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, wenn dieser eine Regelung schafft, die im Fall der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens zunächst zu einer --im weiteren Verlauf durch [X.] kompensierten-- Erhöhung des Gewinns der Kapitalgesellschaft führt.

4

b) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen weiteren Klärungsbedarf aufgezeigt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch Gesellschafterdarlehen, die erst wenige Monate vor dem Bilanzstichtag gegeben wurden und die mit einer Frist von drei Monaten kündbar sind, abzuzinsen sind, wenn zum Bilanzstichtag aufgrund der tatsächlichen Umstände der Schluss gerechtfertigt ist, die Darlehen würden nicht gekündigt werden. Es ist auch nicht zweifelhaft, dass die mutmaßliche restliche Laufzeit von Verbindlichkeiten, deren Fälligkeit nicht vom Leben einer oder mehrerer bestimmter Personen abhängt, zu schätzen ist und dass dabei auf die Erkenntnisse zum Bilanzstichtag und nicht auf die tatsächliche spätere Rückführung der Darlehen abzustellen ist. Dabei ist der im Schreiben des [X.] vom 26. Mai 2005 (BStBl I 2005, 699, [X.]. 7) geäußerten Auffassung zu folgen, nach der die Restlaufzeit einer unverzinslichen Verbindlichkeit dann analog § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes ([X.]) geschätzt werden kann, wenn für eine objektive Schätzung der Restlaufzeit keine Anhaltspunkte vorliegen. Nach § 13 Abs. 2 [X.] sind Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer, die nicht vom Leben bestimmter Personen abhängen, mit dem 9,3-fachen des [X.] zu bewerten. Das Gesetz gibt damit einen Maßstab vor, auf den, sofern die tatsächlichen Umstände nicht auf eine geringere Laufzeit hinweisen, eine Schätzung gestützt werden kann. Es ist ferner nicht klärungsbedürftig, dass eine Verbindlichkeit auch dann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 2002 abzuzinsen ist, wenn die Verbindlichkeit handelsrechtlich als Verbindlichkeit mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr auszuweisen wäre (§ 268 Abs. 5 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs); denn für die Steuerbilanz sind die Regelungen des Einkommensteuergesetzes vorrangig.

5

c) Das Finanzgericht ([X.]) hat sich von diesen Grundsätzen leiten lassen. Soweit die Klägerin vorbringt, aufgrund des Umstandes, dass die Darlehen erst wenige Monate vor dem Bilanzstichtag gegeben worden seien, sei von einer kürzeren Laufzeit auszugehen als vom [X.] angenommen, ferner sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zum Bilanzstichtag über einen Steuererstattungsanspruch und liquide Mittel verfügt habe, mit denen die Darlehen hätten zurückgeführt werden können, wendet sie sich in erster Linie gegen die aus ihrer Sicht fehlerhafte tatsächliche Würdigung des Sachverhalts und die Schätzung der Laufzeit der Darlehen durch das [X.], die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen können.

6

Soweit die Klägerin vorträgt, das [X.] habe nicht beachtet, dass die Darlehen nur "bis auf weiteres" gegeben worden seien, ist nicht erkennbar, weshalb sich hieraus eine abweichende Beurteilung zu den [X.] in [X.], 347, [X.], 177 und in [X.], 250, [X.], 478, ergeben könnte. Zum einen waren auch diese Darlehen sowohl nach den Feststellungen des [X.] als auch nach dem Vortrag der Klägerin mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende kündbar, zum anderen liegt auf der Hand, dass auch bei derartigen Vereinbarungen aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse angenommen werden kann, trotz der formalen Kündigungsmöglichkeit habe nicht ernstlich mit einer Kündigung gerechnet werden müssen.

7

2. Dem [X.] ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O). Soweit die Klägerin rügt, im Tatbestand des [X.] sei zu Unrecht die Feststellung enthalten, die Gesellschafterin der Klägerin habe der Klägerin im Mai 2002 ein Darlehen gegeben, statt wie richtig im Mai 2003, hätte die Klägerin beim [X.] einen Antrag auf [X.] (§ 108 Abs. 2 [X.]O) stellen können. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass ein insoweit ggf. vorliegender Fehler des [X.] dessen Entscheidung maßgeblich beeinflusst haben könnte.

8

Soweit die Klägerin geltend macht, das [X.] habe seine Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) dadurch verletzt, dass es ihren erstinstanzlichen Vortrag nicht gewürdigt habe, die Klägerin habe über flüssige Mittel in Höhe von 400.000 € und über einen Steuererstattungsanspruch in Höhe von 362.000 € verfügt, ist nicht erkennbar, welche Aufklärungsmaßnahmen das [X.] aufgrund dieses Vortrages hätte ergreifen sollen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das [X.] das Vorbringen der Klägerin insoweit nicht zur Kenntnis genommen hat. Vielmehr ist anzunehmen, dass für das [X.] dieser Vortrag nicht ausreichte, eine kürzere Restlaufzeit der Darlehen zu schätzen, zumal der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hierzu u.a. ausgeführt hatte, angesichts der in der Bilanz des streitigen Bilanzstichtags ausgewiesenen Verbindlichkeiten von insgesamt 1,8 Mio. € sei gleichwohl zum Bilanzstichtag nicht mit einer alsbaldigen Tilgung zu rechnen gewesen.

Meta

I B 118/10

05.01.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. Juni 2010, Az: 12 K 12019/08, Urteil

§ 6 Abs 1 Nr 3 S 1 EStG 2002, § 76 Abs 1 FGO, § 108 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 13 Abs 2 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.01.2011, Az. I B 118/10 (REWIS RS 2011, 10702)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10702

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