Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2015, Az. 2 StR 4/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3280

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:271015B2STR4.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 4/15
vom
27.
Oktober 2015
in der Strafsache
gegen

wegen
Totschlags

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und
des Beschwerdeführers
am 27.
Oktober 2015
gemäß §
349
Abs.
4
StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2.
Juli 2014 mit den [X.].
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Schwurgericht zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und mate-riellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

[X.]
1. Nach den Feststellungen geriet der Angeklagte mit seiner Ehefrau S.

D.

, die Trennungsabsichten hegte und bereits eine eigene Woh-nung angemietet hatte, am Abend des 8.
September 2012, einem Samstag, in 1
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-
3
-
Streit, in dessen Verlauf S.

D.

ug reagierte und zu Bett ging. Im Verlaufe der Nacht wachte er auf und grübelte angesichts der bevorstehenden Trennung, wie sein künftiges Leben ohne S.

und de-ren Tochter [X.]

, für die er die Vaterrolle übernommen hatte, aussehen [X.]. Er befürchtete, dass seine Frau andere Männer kennen lernen und diese die Vaterrolle für [X.]

übernehmen könnten; er entschloss sich dazu, am nächsten Morgen einen Versöhnungsversuch zu unternehmen. Weil er befürch-tete, dass sie reizbar sein werde, löste er eine Tablette Tavor, ein Beruhi-gungsmittel, in Wasser auf; anschließend träufelte er das [X.] mit Hilfe einer Einwegspritze und einem schmalen Schlauch in den Mund seiner schlafenden Ehefrau. Nachdem er am Sonntagmorgen, dem 9.
September
2012, zunächst gegen 11.22 Uhr zu einer Tankstelle in E.

ge-fahren war und dort für seine Ehefrau ein [X.] erstanden hatte, begab er sich nach Hause zurück, überreichte seiner soeben erwachten [X.] die Schokolade und schlug vor, gemeinsam
zu frühstücken und noch [X.] über alles zu reden. S.

D.

wies den Angeklagten schroff zurück, beschimpfte ihn, riss sich vom Angeklagten, der sie festgehalten hatte, los und ging in Richtung der Treppe, um in das Erdgeschoss des Hauses zu gelangen.
Der Angeklagte erkannte in diesem Moment, dass er die von ihm erhoffte Versöhnung nicht erreichen werde. Er entschloss sich spontan dazu, seine Ehefrau zu töten. In Umsetzung dieses Tatentschlusses gab er S.

D.

am Treppenabsatz im Obergeschoss des Hauses einen Stoß in den Rücken; er hoffte, dass sie die Treppe hinunterstürzen und sich das Genick brechen werde. S.

D.

stürzte die Treppe hinab, blieb aber am Fuß der Treppe liegen und versuchte, sich aufzurichten. Der Angeklagte nahm wahr, dass S.

D.

durch den Sturz nicht zu Tode gekommen war, lief die Treppe hinab, pack-te den Kopf seiner Ehefrau und riss ihn hin und her in der Absicht, ihr auf diese 3
-
4
-
Weise das Genick zu brechen. S.

D.

wehrte sich und forderte den [X.]. Der Angeklagte fasste die Geschädigte um den Hals und würgte sie so lange, bis Gesicht und Zunge blau anliefen und sie sich nicht mehr bewegte. Anschließend schleppte er sie die Treppe hoch in das Obergeschoss des [X.]. Weil er röchelnde Geräusche vernommen hatte und befürchtete, dass sie noch am Leben sein könne, legte er S.

D.

auf dem Ehebett ab und würgte sie erneut, bis er keine Lebenszeichen mehr wahrnahm. Die [X.] verstarb an den Folgen dieser Misshandlungen.
Feststellungen dazu, wie der Angeklagte die Leiche, die nicht gefunden worden ist, beseitigt hat, vermochte das Schwurgericht nicht zu treffen.
2. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, er habe seine Ehefrau nicht getötet. Er sei am Vorabend ihres Verschwindens über die bevorstehende Trennung mit ihr in Streit geraten. Sie habe ihn darum gebeten, die Kaution für die von ihr angemietete Wohnung zu entrichten, was er beschimpft, worauf er zu Bett gegangen sei. Als er am Sonntagmorgen aufge-wacht sei, sei seine Frau bereits weg gewesen, seitdem habe er sie nicht mehr gesehen. Mit ihrem Verschwinden habe er nichts zu tun. Gegenüber der Zeugin

A.

habe er später die Behauptung erfunden, er habe S.

er-würgt und ihre Leiche zerstückelt, weil die Zeugin den Fortbestand ihrer intimen Beziehung zu ihm

3. Das Schwurgericht hat sich im Wege der [X.] und auf der Grundlage der selbstbelastenden Angaben des Angeklagten gegenüber der Zeugin

A.

von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt. Es hat zunächst ausgeschlossen, dass S.

D.

noch am Leben sei und ihr per-4
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6
-
5
-
sönliches Lebensumfeld freiwillig verlassen haben könnte; ausgeschlossen wurde auch, dass sie infolge eines Unfalls ums Leben gekommen sein könnte. Die Täterschaft des Angeklagten hat das Schwurgericht angenommen, weil ein Dritter als Täter auszuschließen sei, der Angeklagte die Tat gegenüber der Zeugin

A.

gestanden habe und schließlich ein von ihm anlässlich eines Selbstmordversuchs hinterlassener Abschiedsbrief im Sinne eines Einge-ständnisses eigenen Fehlverhaltens gedeutet werden könne.

I[X.]
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweis-würdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§
261 StPO). Allein ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisi-onsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder wenn die Beweiserwägungen gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungs-sätze verstoßen. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter sämtliche Umstände, die g[X.]ignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu b[X.]influssen, erkannt und in seine Überlegun-gen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert voneinander bewertet, sondern sie müssen in eine umfassende Ge-samtwürdigung eingestellt werden. Werden diese Grundsätze beachtet, kann der Tatrichter seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch dann
gewinnen, wenn ein auf das Kerngeschehen der Tat bezogenes Beweis-7
8
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6
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mittel fehlt und die Überführung des Angeklagten darauf beruht, dass alle konk-ret in Frage kommenden Alternativen ausgeschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 2.
Mai 2012 -
2 StR 395/11, [X.], 466;
Urteil vom 30.
Dezember 2014 -
2 StR 439/13, [X.], 114, 115). Dieses methodische Vorgehen ist allerdings nur dann eine tragfähige Grundlage für die Verurteilung wegen eines Tötungsverbrechens, wenn alle relevanten Alternativen mit einer den [X.] an die tatrichterliche Überzeugungsbildung genügenden Weise abgelehnt werden, wobei ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht auf bloß denktheoretische [X.] gegründete Zweifel nicht zulässt (Senat, [X.]O, [X.], 466). Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit setzt zudem ausreichende objektive Grundlagen voraus. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung
auf einer nachvollziehbaren [X.] beruht, und dass sich die vom Gericht gezogene Schlussfol-gerung nicht als bloße Vermutung erweist, die nicht mehr als einen -
wenn auch schwerwiegenden
-
Verdacht zu begründen vermag (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Juli 1980 -
3
StR 204/80, NStZ 1981, 33; Beschluss vom 26.
September 1994 -
4
StR 453/94, [X.], 453).
2. Gemessen an diesen Maßstäben hält die tatrichterliche Beweiswürdi-gung rechtlicher Prüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand, denn sie ist lü-ckenhaft.
a) Das [X.] hat im Rahmen der Erörterung alternativer Gesche-hen, die das spurlose Verschwinden S.

D.

seit dem 9.
September 2012 erklären könnten, dargelegt, dass es ausgeschlossen erscheine, sie kön-ne ihr soziales Lebensumfeld freiwillig verlassen haben. Im Rahmen der inso-weit angestellten Beweiserwägungen hat das Schwurgericht insbesondere auf die enge Bindung von S.

D.

zu ihrer Tochter [X.]

und darauf abge-9
10
-
7
-
stellt, dass zum Tatzeitpunkt keine Veranlassung für einen solchen Schritt [X.] habe.
[X.]) Dabei hat das Schwurgericht zwar bedacht, dass S.

D.

ihr persönliches Lebensumfeld einige Jahre zuvor einmal spontan verlassen und zwei Wochen auf M.

verbracht habe; seine Überzeugung, die gegenwär-tige Situation erscheine mit dieser Episode nicht vergleichbar, weil S.

D.

damals ihren geschiedenen Ehemann

B.

über ihren Aufent-haltsort informiert habe, kann jedoch in Ermangelung der näheren Mitteilung der damaligen Umstände ihres Verschwindens und ihres aktuellen Verhältnisses zu

B.

nicht nachvollzogen werden.
[X.]) Soweit das Schwurgericht in diesem Zusammenhang entscheidend auf die enge Bindung S.

D.

s
zu ihrer Tochter [X.]

abgestellt hat, die der Annahme eines aus eigenem freien Entschluss erfolgten
plötzlichen
Verschwindens
entgegen stehe, hat der Tatrichter nicht erkennbar erwogen, ob dies auch in Ansehung des Umstands Geltung beansprucht, dass S.

D.

ausweislich der Feststellungen im September 2012 in einem Zwiespalt schien, weil sie selbst unter der Ehe mit dem Angeklagten litt, zugleich jedoch wusste, dass ihre Tochter [X.]

, die ein enges Verhältnis zum Angeklagten hatte, bei ihrem Vater bleiben
wollte.
b) Soweit das [X.] ausgeschlossen hat, dass S.

D.

mit einer unbekannten dritten Person verabredet gewesen sein könnte, wie dies der erscheinenden gestützt hat, dass sie allein an einer Beziehung mit

L.

interes-siert gewesen sei, hat es nicht erkennbar bedacht, dass der Zeuge bereits [X.] erklärt hatte, an einer Beziehung kein Interesse zu haben. Vor diesem 11
12
13
-
8
-
Hintergrund hätte es der näheren Darlegung und Erörterung bedurft, dass und aus welchen Gründen es ausgeschlossen erscheint, dass S.

D.

nicht
-
wie bereits früher geschehen
-
über das [X.] Kontakt zu einer bislang un-bekannten Person aufgenommen und mit diesem [X.] verabredet gewesen sein könnte.
c) Soweit das Schwurgericht neben den Umständen des Verschwindens von S.

D.

und des zwischen den Eheleuten bestehenden erheblichen Konfliktpotentials, das Anlass für eine eskalierende Auseinandersetzung bieten konnte, ein wesentliches Indiz für die Täterschaft des Angeklagten in dem ge-genüber der Zeugin

A.

abgelegten Geständnis" des Angeklagten gesehen hat, sind die Beweiserwägungen lückenhaft.
Zwar hat das [X.] nicht übersehen, dass es sich bei

A.

um eine problematische Zeugin handelt. Die Ende der 90iger Jahre mit S.

D.

befreundet gewesene Zeugin hatte bereits anlässlich ihrer [X.] polizeilichen Befragung Ende November 2012 die Auffassung vertreten, dass S.

D.

von ihrem Ehemann umgebracht worden sei; nach eige-nen Recherchen im [X.] hatte sie sich mit anderen Personen über das [X.] von S.

D.

ausgetauscht und sich nach Ausstrahlung des Falles in der Sendung Aktenzeichen [X.] ungelöst

auf der [X.]seite Allmys-tery

unter der Rubrik Kriminalfälle

in einem Chat angemeldet, um dort mal zu erzählen, wie es wirklich war". Die Einzelheiten ihrer damaligen Spekulationen sind in den Urteilsgründen nicht wiedergegeben; hierzu hätte aber Anlass [X.]. Denn die Zeugin A.

, die sich anschließend mit weiteren Perso-nen auf Spurensuche begeben hatte, ging Ende April oder Anfang Mai 2013 eine auch intime Beziehung zum Angeklagten ein, weil sie -
wie sie in ihrer poli-zeilichen Vernehmung vom 8.
August 2013 gegenüber [X.] W.

bekundete
-
annahm, dass sie etwas aus ihm 'rauskriege'.
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15
-
9
-
Dies und der Umstand, dass sich für die ihr gegenüber angeblich offen-barte, teils mit bizarr anmutenden Details ausgeschmückte aufwändige Lei-chenbeseitigung im Verlaufe der Ermittlungen nicht die geringsten Spuren ge-funden haben, obwohl dies in Ansehung der geschilderten Einzelheiten zu er-warten gewesen wäre, gaben zu einer besonders sorgfältigen Würdigung ihrer Angaben Anlass. Dies hat das Schwurgericht zwar nicht übersehen. Die in den Urteilsgründen wiedergegebenen Erwägungen lassen jedoch besorgen, dass es die Bekundungen der Zeugin A.

nicht der gebotenen umfassenden und kritischen Würdigung unterzogen hat.
[X.]) So bleibt unerörtert, dass die Angaben der Zeugin, die spätestens im Juli 2013 über den Angeklagten Kenntnis vom Inhalt der Ermittlungsakte erlangt hatte, zum Zeitpunkt des Erwerbs des [X.]es durch den Angeklag-ten am Tattag unzutreffend waren. Ausweislich der Bekundungen der Zeugin hatte der Angeklagte ihr erzählt, dass er -
nachdem er seiner schlafenden [X.] im Verlaufe der Nacht ein [X.] eingeflößt habe
-
das Haus gegen 8.00 Uhr morgens verlassen und an einer Tankstelle ein Schoko-ladenherz zur Versöhnung gekauft habe. Tatsächlich hat der Angeklagte dieses Herz jedoch erst um 11.22 Uhr erworben. Mit dieser Abweichung setzt sich die Kammer nicht auseinander, obwohl hierzu in Ansehung der Besonderheiten der Aussage und der schwierigen Beweissituation Anlass bestand.
[X.]) Zwar war sich das [X.] der Gefahr bewusst, dass die Anga-ben und Schilderungen des Angeklagten zum Tötungsgeschehen auch Ergeb-nis einer suggestiven Befragung des Angeklagten durch die Zeugin A.

sein konnten. Es hat die Angaben der Zeugin jedoch nicht -
wie geboten
-
einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. So bleibt unerörtert, ob die Bekundungen zu der ersten Tatschilderung des Angeklagten ihr gegenüber plausibel erscheinen. Danach soll der Angeklagte auf ihre
Fragen zunächst -
wahrheitswidrig
-
be-16
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-
kundet haben, dass er seine Ehefrau in ein Bordell verkauft habe. Wenig später soll er ihr -
beim Versöhnungssex

nach einem
Streit
-
die letzten Worte S.

s
(ich habe Dir doch nichts getan)
zugeflüstert haben. [X.] später habe er jeweils eine Andeutung zum Tötungsgeschehen gemacht und auf ihren Vorhalt erklärt, seine Ehefrau erwürgt und zerstückelt zu haben. In der Folgezeit habe er ihr das Tötungsgeschehen zusammenhängend und gleich-bleibend geschildert, während er das Geschehen um die Beseitigung der Lei-che immer weiter ausgeschmückt habe. In diesem Zusammenhang fehlt es an einer zusammenhängenden Darstellung der Tatschilderung durch den Ange-klagten gegenüber der Zeugin, bevor diese sich dazu entschloss, Gespräche mit dem Angeklagten über die Tat aufzuzeichnen, um gegenüber der Polizei, die ihr zunächst keinen Glauben schenkte, einen Beweis in Händen zu halten. Auch die Aussag[X.]ntstehung hätte hier in Ansehung der Besonderheiten des Einzelfalls einer ins Einzelne gehenden Darlegung und kritischen Würdigung bedurft.
[X.]) Es fehlt schließlich auch an der erforderlichen Aussageanalyse im Hinblick auf das vom Angeklagten geschilderte Tatgeschehen im engeren [X.]. Insoweit hätte es der näheren Erörterung bedurft, ob und inwieweit die Be-kundungen des Angeklagten oder Teile dieser Bekundungen auf Suggestivfra-gen der Zeugin zurückzuführen sein könnten. Darüber hinaus kann die von der Kammer als [X.] angeführte [X.] der Angaben des Ange-klagten gegenüber der Zeugin A.

in Ermangelung einer hinreichenden Wiedergabe ihrer früheren Angaben und ihrer Schilderungen in der [X.] nicht überprüft werden.
[X.]) [X.] bleibt schließlich auch, aus welchen Gründen die ermit-telnden Polizeibeamten den Bekundungen der Zeugin A.

am 8.
August 2013 zunächst keinen Glauben geschenkt und ihre Schilderungen später
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-
-
ungeachtet des Umstands, dass sich objektive Beweisanzeichen für ihre Be-kundungen nicht hatten finden lassen
-
für glaubhaft erachtet haben. Insoweit hätte es der näheren Erörterung und Wiedergabe des wesentlichen Gesprächs-inhalts der zwischen der Zeugin A.

und [X.] W.

geführten Gespräche bedurft, die eine solche Meinungsänderung nachvollziehbar machen.
[X.]) Soweit die Kammer den Angaben des Angeklagten gegenüber der Zeugin A.

Beweiswert mit der Erwägung beigemessen hat, schon der Umstand, dass der Angeklagte die Tötung eines Menschen gegenüber einem [X.] eingeräumt habe, sei ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Tatbege-hung, und dies damit begründet hat, dass die Beziehung zu dem [X.] durch eine solche Mitteilung immer

schwer belastet werde, lassen diese Ausführun-gen besorgen, dass die Kammer den Besonderheiten des Einzelfalls nicht hin-reichend Rechnung getragen hat. Denn der Angeklagte hatte sich
-
soweit ersichtlich nicht unplausibel und unwidersprochen
-
dahin eingelassen, dass die Zeugin A.

den Fortbestand der intimen Beziehung zu ihm davon abhängig gemacht hatte, dass er ihr gestehe, seine Ehefrau getötet zu haben. Mit diesen Besonderheiten hätte sich das Schwurgericht auseinander setzen müssen.
ff) Soweit die Kammer die Schilderungen
des Angeklagten zur [X.] als unsicher angesehen hat, weil es an Anhaltspunkten fehle, die dies für die Schilderung der Tötung, für die sich objektive Beweisanzeichen ebenfalls nicht haben finden lassen, anders sein sollte. Soweit die [X.] die Plastizität der Schilderungen der Leichenbeseitigung mit dem Beruf des [X.] als [X.] zu erklären versucht und angenommen hat, dass die auf das Tötungsgeschehen bezogenen Schilderungen für ein wirkliches Erleben sprächen, vermag der Senat diese unterschiedliche Bewertung der Aussagetei-21
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-
12
-
le nicht nachzuvollziehen. Vielmehr wäre zu erwägen gewesen, dass die [X.] dieses Teils der Aussage auch die Angaben des
Angeklagten gegenüber der Zeugin A.

zum Tötungsgeschehen im engeren Sinne in der Zeugin ausgegangen ist.
d) Schließlich fehlt es an einer jedenfalls gedrängten Wiedergabe
der Bekundungen der Zeugin

Sch.

, der die Zeugin

A.

erst-mals von dem Geständnis des Angeklagten berichtete und deren Angaben [X.] für die Entstehungsgeschichte und die Bewertung der Aussage der [X.] waren.
e) Soweit das Schwurgericht schließlich dem Abschiedsbrief des Ange-klagten nach einem Selbstmordversuch Indizwirkung für die Tatbegehung bei-gemessen hat, weil er darin eingeräumt habe, Fehler

gemacht zu haben (UA S.
73), und angenommen hat, dass der darin enthaltene Hinweis auf die [X.] seiner Ehefrau als Rechtfertigung für eine Tötungshandlung verstanden werden kann, erscheint dies vor dem Hintergrund des mitgeteilten Inhalts des [X.] nicht plausibel.
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung.
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13
-
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zu erwägen haben, ob er in Ansehung der problematischen Persönlichkeit der Belastungszeugin und der möglichen suggestiven Einflüsse einen aussagepsychologischen Sach-verständigen hinzuzieht, wenn er seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten -
auch
-
auf ihre Angaben zu stützen beabsichtigt.
Fischer Eschelbach
Ri[X.] Prof. Dr. Krehl

ist an der Unterschrifts-

leistung gehindert.

Fischer

Zeng Bartel

26

Meta

2 StR 4/15

27.10.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2015, Az. 2 StR 4/15 (REWIS RS 2015, 3280)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3280

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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