Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2012, Az. V ZB 31/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2717

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Gegenstand

Abschiebungshaft: Begründungszwang für Haftantrag


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] vom 9. Januar 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschwerde zurückgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 22. September 2011 den Betroffenen auch insoweit in seinen Rechten verletzt hat, als die Haft für die [X.] vom 22. bis zum 27. September 2011 angeordnet worden ist.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein gambischer Staatsangehöriger, hielt sich seit 1997 in der [X.] auf. Er war bis zum [X.] mit einer [X.] Staatsangehörigen verheiratet, mit der er eine 1997 geborene Tochter hat. Weil er sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhielt, ging die beteiligte Behörde von dem Erlöschen seiner Niederlassungserlaubnis aus und vermerkte dies auf dem Aufenthaltstitel. Sein dagegen gerichteter Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war erfolglos. Er wurde zur Ausreise aufgefordert und erhielt eine Grenzübertrittsbescheinigung mit einer Ausreisefrist bis zum 12. Juli 2010. Im September 2011 wurde er aus [X.] nach [X.] rücküberstellt.

2

Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22. September 2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung für drei Monate angeordnet. Die Beschwerde hat dieser nach der am 27. Oktober 2011 erfolgten Abschiebung auf die Feststellung gerichtet, dass er durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden ist. Das [X.] hat der  Beschwerde für die [X.] ab dem 28. September 2011 stattgegeben und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung auch für die [X.] vom 22. bis zum 27. September 2011 feststellen lassen.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, bis zum 27. September 2011 sei die Haft noch zu Recht angeordnet worden; erst danach sei das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft erforderlich gewesen. Der Haftantrag habe hinreichende Angaben enthalten. Auch sei es ausreichend gewesen, dass er dem Betroffenen zu Beginn der Anhörung eröffnet worden sei.

III.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

5

1. Wegen Fehlens einer den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG entsprechenden Antragsbegründung hätte die Haft nicht angeordnet werden dürfen.

6

Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des [X.] (st. Rspr., näher Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 210, 211 Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Bei einer beabsichtigten Abschiebung muss die Behörde in dem Haftantrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG unter anderem die Vollstreckungsvoraussetzungen darlegen, zu denen auch die Abschiebungsandrohung nach § 59 [X.] aF gehört. Fehlt es an einer für die Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung, darf auch eine [X.] Gesetzes (§ 58 Abs. 2 Satz 1 [X.] aF) vollziehbare Ausreisepflicht nicht durch eine Abschiebung durchgesetzt werden (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - [X.] 252/10, juris Rn. 16). Dem genügte der Haftantrag nicht; die Beteiligte zu 2 hat darin nur die Tatsachen für die Begründung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen vorgetragen, ohne darzulegen, dass die Abschiebung angedroht worden ist.

7

2. Die Haftanordnung war ferner rechtswidrig, weil aus dem Protokoll nicht hervorgeht, dass der Haftantrag dem Betroffenen - wie es erforderlich ist - in Kopie ausgehändigt worden ist. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen (ausführlich Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 - [X.] 284/11, juris, mwN).

IV.

8

Die Kostenentscheidung des [X.] kann unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] im Hinblick auf die außergerichtlichen Auslagen keinen Bestand haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht es billigem Ermessen im Sinne von § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2 FamFG, dass diejenige Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG) - hier die [X.] - zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen verpflichtet wird. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Stresemann                                  Czub                                  Brückner

                         Weinland                              Kazele

Meta

V ZB 31/12

27.09.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Konstanz, 9. Januar 2012, Az: 12 T 220/11 E

§ 58 Abs 2 S 1 AufenthG vom 25.02.2008, § 59 AufenthG vom 25.02.2008, § 417 Abs 2 S 2 Nr 5 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2012, Az. V ZB 31/12 (REWIS RS 2012, 2717)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2717

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