Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.01.2012, Az. V ZB 234/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9770

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 234/11
vom

26. Januar 2012
in der Abs[X.]hiebungshaftsa[X.]he

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgeri[X.]htshofs hat am 26. Januar 2012 dur[X.]h [X.] [X.], die Ri[X.]hter [X.] und Prof.
Dr.
S[X.]hmidt-Ränts[X.]h, die Ri[X.]hterin [X.] und [X.]
Czub

bes[X.]hlossen:

Auf die Re[X.]htsbes[X.]hwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Bes[X.]hluss des [X.] vom 27.
September 2011 und der Bes[X.]hluss des [X.] -
Zivilkammer
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-
vom 18.
Oktober 2011 die Be-troffene in ihren Re[X.]hten verletzt haben.

Geri[X.]htskosten werden ni[X.]ht erhoben. Die zur [X.] Re[X.]htsverfolgung notwendigen Auslagen der Be-troffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] be-trägt 3.000

-
3
-
Gründe:

I.
Die
Betroffene, eine syris[X.]he Staatsangehörige, reiste gemeinsam mit ih-rem
Ehemann
mehrmals, zuletzt am 20.
Februar 2011,
in das [X.] ein. Ihren
unter Angabe eines fals[X.]hen Namens gestellten Asylantrag wies das Bundesamt für Migration und Flü[X.]htlinge
mit Bes[X.]heid vom 25.
August 2011 als unzulässig zurü[X.]k und ordnete glei[X.]hzeitig die Abs[X.]hiebung an. Die für den 27.
September 2011 gemeinsam mit ihrem Ehemann beabsi[X.]htigte [X.] na[X.]h [X.] wurde ni[X.]ht dur[X.]hgeführt, weil dieser
si[X.]h selbst eine Verlet-zung zugefügt hatte.

Auf Antrag der Beteiligten zu
2 vom 27.
September 2011 hat das Amts-geri[X.]ht
am selben Tag
gegen die
Betroffene
die [X.] bis zur
Ab-s[X.]hiebung, längstens bis zum 27.
Oktober 2011,
angeordnet.

Die hiergegen geri[X.]htete Bes[X.]hwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Re[X.]htsbes[X.]hwerde will
die
Betroffene
na[X.]h der am 20.
Oktober 2011 erfolgten Abs[X.]hiebung na[X.]h [X.] die Feststellung
errei[X.]hen, dass sie
die Haftanord-nung und die Bes[X.]hwerdeents[X.]heidung
in ihren
Re[X.]hten verletzt haben.

II.

Das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht meint, der Haftanordnung habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde
gelegen. Der Abs[X.]hiebung habe
kein fehlendes Einver-ständnis der Staatsanwalts[X.]haften [X.] und [X.] entgegengestan-den.
Bei der Staatsanwalts[X.]haft [X.] sei kein Ermittlungsverfahren gegen 1
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3
4
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4
-
die Betroffene geführt worden. Das
im Jahr 2010 von der
Staatsanwalts[X.]haft [X.] eingeleitete
Ermittlungsverfahren sei im Zeitpunkt der [X.] eingestellt gewesen. Es habe der Haftgrund des §
62 Abs.
2 Nr.
5

AufenthG vorgelegen. Die beteiligte Behörde habe ni[X.]ht gegen das Bes[X.]hleuni-gungsgebot verstoßen, indem sie von einer Abs[X.]hiebung der Betroffenen ge-trennt von ihrem Ehemann am 27.
September 2011 abgesehen habe.

III.

Diese Erwägungen halten einer re[X.]htli[X.]hen Prüfung ni[X.]ht stand. Auf die mit dem Feststellungsantrag ohne Zulassung statthafte (vgl. nur Senat, [X.] vom 25.
Februar 2010 -
V
ZB
172/09, NVwZ 2010, 726, 727 Rn.
9) und au[X.]h sonst zulässige Re[X.]htsbes[X.]hwerde ist festzustellen, dass die
Betroffene dur[X.]h die Haftanordnung des Amtsgeri[X.]hts und die Aufre[X.]hterhaltung der Haft dur[X.]h das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht in ihren
Re[X.]hten verletzt worden ist.

1.
Das Amtsgeri[X.]ht durfte die Haft ni[X.]ht anordnen, weil es an einem
zu-lässigen Haftantrag fehlte.

a) Das Vorliegen eines sol[X.]hen Antrags ist Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.
Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den in §
417 Abs.
2 Satz
2 FamFG enthaltenen [X.] an die Begründung entspri[X.]ht; fehlt es daran, darf die beantragte Si-[X.]herungshaft ni[X.]ht angeordnet werden (siehe nur Senat, Bes[X.]hluss vom 15.
September 2011 -
V
ZB
123/11 Rn.
8, juris).
5
6
7
-
5
-

b) Dana[X.]h war der Haftantrag jedenfalls deshalb unzulässig, weil er ent-gegen der Regelung in §
417 Abs.
2 Satz
2 Nr.
5 FamFG keine Tatsa[X.]hen zu der
Dur[X.]hführbarkeit der Abs[X.]hiebung innerhalb der beantragten Haftdauer enthielt. Zwar heißt es in dem Antrag, die Dauer der Haft berü[X.]ksi[X.]htige, dass zunä[X.]hst ein erneutes Rü[X.]kübernahmeersu[X.]hen über das [X.] und Flü[X.]htlinge
an [X.] geri[X.]htet werden müsse
sowie die [X.] über die
Bundespolizeidirektion in [X.] anzufordern seien, um dann die ans[X.]hließenden Reisevorbereitungen zu treffen. Aber diese paus[X.]halen Anga-ben genügen dem Begründungszwang ni[X.]ht. Hinsi[X.]htli[X.]h der Dur[X.]hführbarkeit der Abs[X.]hiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderli[X.]h, in wel[X.]hes der Betroffene abges[X.]hoben werden soll; anzugeben ist, ob und [X.] wel[X.]hen Zeitraums Abs[X.]hiebungen in das betroffene Land übli[X.]herweise mögli[X.]h sind (Senat, Bes[X.]hluss vom 7.
Oktober 2011 -
V
ZB 311/10 Rn.
13, juris). Dies gilt au[X.]h für den vorliegenden Fall, in dem eine Haftdauer von weni-ger als drei Monaten beantragt worden
ist
(vgl. Senat, Bes[X.]hluss vom 11.
Mai 2011 -
V
ZB
265/10, [X.] 2011, 201 Rn.
9).

[X.]) Der Umstand, dass die Abs[X.]hiebung der Betroffenen na[X.]h [X.] und damit in einen anderen Mitgliedstaat der Europäis[X.]hen Union beabsi[X.]htigt war, ma[X.]ht die Begründung der Dur[X.]hführbarkeit der Abs[X.]hiebung innerhalb der be-antragten Haftdauer ni[X.]ht entbehrli[X.]h. Selbst wenn -
was naheliegend ist
-
die Abs[X.]hiebung der Betroffenen entspre[X.]hend den Regelungen in der Verordnung ([X.]) Nr.
343/2003 des Rates vom 18.
Februar 2003
zur Festlegung der Krite-rien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung ei-nes von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten [X.] zuständig ist ([X.]. Nr.
L 50 S.
1, na[X.]hfolgend: [X.] II-Verordnung) dur[X.]hgeführt werden sollte, enthielt der Haftantrag keine Ausführungen dazu, 8
9
-
6
-
dass [X.] zur Rü[X.]kübernahme der Betroffenen na[X.]h dieser Verordnung ver-pfli[X.]htet ist und für diesen Fall au[X.]h unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Regelungen in Art.
17 Abs.
2 und Art.
18 Abs.
7 [X.] II-Verordnung (vgl. hierzu Senat, [X.] vom 29.
September 2010 -
V
ZB
233/10 Rn.
13, juris, insoweit ni[X.]ht abgedru[X.]kt in NVwZ 2011, 320) die Abs[X.]hiebung der Betroffenen bis [X.] zum 27.
Oktober 2011 mögli[X.]h gewesen wäre.

d) Dass
die Abs[X.]hiebung der
Betroffenen tatsä[X.]hli[X.]h innerhalb des bean-tragten [X.] dur[X.]hgeführt worden ist, ändert an der Unzulässigkeit des [X.] ni[X.]hts.
Zwar hat der Senat für eine fehlende Prognose im Sinne von §
62
Abs.
2
Satz
4 AufenthG
ents[X.]hieden, dass aus den späteren Abläufen auf den mutmaßli[X.]hen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose ges[X.]hlossen werden kann mit der Folge, dass si[X.]h der Mangel im Ergebnis ni[X.]ht auswirkt (Senat, Bes[X.]hluss vom 22.
Juli 2010 -
V
ZB
29/10, InfAuslR
2011, 27, 29 Rn.
24). Dies gilt aber ni[X.]ht in glei[X.]hem Maß für den hier zu ent-s[X.]heidenden Fall. Ein unzulässiger Antrag wird
dur[X.]h den späteren tatsä[X.]hli-[X.]hen Ges[X.]hehensablauf ni[X.]ht zulässig.

2. Die beteiligte Behörde hat den Begründungsmangel
au[X.]h ni[X.]ht, was für die Zukunft mögli[X.]h gewesen wäre (siehe nur Senat, Bes[X.]hluss vom 15.
September 2011 -
V
ZB
123/11 Rn.
15, juris),
dur[X.]h eine Na[X.]hholung ge-heilt. Deshalb durfte das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht die Haftanordnung ni[X.]ht aufre[X.]ht-erhalten.

10
11
-
7
-
IV.

Die Kostents[X.]heidung beruht auf §
81 Abs.
1 Satz
1 und 2, §
83 Abs.
2 FamFG, §
128[X.] Abs.
3 Satz
2 [X.]. Unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Regelung in Art.
5 Abs.
5 EMRK entspri[X.]ht es billigem Ermessen, die Freie und Hansestadt [X.] als diejenige Körpers[X.]haft, der die
beteiligte Behörde angehört (vgl. §
430 FamFG), zur Erstattung der zur zwe[X.]kentspre[X.]henden Re[X.]htsverfolgung notwendigen Auslagen der
Betroffenen zu verpfli[X.]hten.

Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128[X.] Abs.
2 [X.] in Verbindung mit §
30
[X.].

Krüger
Lemke
S[X.]hmidt-Ränts[X.]h

Stresemann
Czub

Vorinstanzen:
AG [X.], Ents[X.]heidung vom 27.09.2011 -
219g XIV 332/11 -

LG [X.], Ents[X.]heidung vom 18.10.2011 -
329 [X.]/11 -

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Meta

V ZB 234/11

26.01.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.01.2012, Az. V ZB 234/11 (REWIS RS 2012, 9770)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9770

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