Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. 2 StR 427/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1597

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 427/11
vom
9.
November 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9.
November 2011 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten B.

wird das Urteil des [X.] vom 23.
Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.].
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Banden-handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen
sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Von der Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Der [X.] rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein 1
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3
-
Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1. [X.] der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat im Schuld-
und Strafausspruch aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Hingegen hält die [X.] einer Maßregel gemäß §
64 StGB einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der [X.] hat dazu ausgeführt:
"Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte, der bereits im
Alter von 15
Jahren mit dem Genuss von Marihuana begonnen und ab 1998 für zwei Jahre Ecstasy konsumiert hatte, ab 1999 -
mit zeitlichen Unterbrechungen
-
regelmäßig, seit März 2010 täglich Amphetamin
(UA S.
23
f.).

Nach den Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten [X.] liegt bei dem Angeklagten ein Abhängigkeitssyndrom von
Cannabinoiden und Stimulanzien vor (UA S.
109 i.V.m. S.
69
ff.). Das [X.] hat weiter festgestellt, dass die urteilsgegenständlichen
Taten des Angeklagten auf seiner Betäubungsmittelabhängigkeit [X.].
Die Kammer hat eine Unterbringung des Angeklagten in einer Ent-ziehungsanstalt unter Bezugnahme auf die Entscheidung [X.], 494 abgelehnt, in welcher der 1.
Strafsenat des [X.] ausgeführt hatte, dass eine Tendenz zum [X.] und erhebliche Persönlichkeitsstörung nicht ausreichend sei, um einen Hang anzunehmen. Dies
hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der 1.
Strafsenat hat in einer späteren Ent-scheidung ([X.], 697) klargestellt, dass ein Hang i.S.d. §
64 StGB keine [X.] voraussetzt.

"[X.]" und "erhebliche Persönlichkeitsstörung" können im
Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines Hanges zum über-mäßigen Konsum von Betäubungsmitteln nicht gleichgesetzt werden mit den
Anforderungen, die die Rechtsprechung des [X.] für 2
3
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-
4
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die Annahme einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit wegen Betäubungsmittelabhängigkeit stellt. Danach begründet die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln eine erhebliche Verminderung
der Steuerungs-fähigkeit nur ausnahmsweise, z.B. wenn langjähriger Betäubungsmittel-genuss zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt hat. Solche schwersten Persönlichkeitsstörungen müssen für die Bejahung eines Hanges zum übermäßigen Konsum von Betäubungsmitteln nicht vorlie-gen (vgl. Senat, Beschluss vom 10.
August 2007 -
2 StR
344/07). Die Formulierungen in dem angefochtenen Urteil lassen besorgen, dass die [X.] insoweit zu hohe Anforderungen gestellt hat.

[X.]. §
64 StGB verlangt eine
chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychi-scher Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen, wobei auch das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz dem nicht entgegenstehen ([X.], 216; [X.] 58.
Aufl. §
64 Rn.
9 m.w.N.).
Ein solches Verhalten legen die Urteilsfeststellungen zumindest nahe. Die festgestellten Umstände legen auch nahe, dass der Angeklagte [X.] im Übermaß konsumiert. Denn ausreichend für die An-nahme eines Hanges zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial [X.] oder gefährlich erscheint (vgl. [X.], 210; [X.] vom 10.
September 1997 -
2 StR
416/97 und vom 10.
August 2007 -
2
StR
344/07). Das kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass
seine Gesundheit, Arbeits-
und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich be-einträchtigt werden, sondern insbesondere auch bei Beschaffungskrimi-nalität. Die Annahme, dass der Angeklagte seine Handelstätigkeit [X.] auch zu dem Zweck durchgeführt hat, seinen
eigenen Konsum zu finanzieren, drängt sich angesichts der Urteilsfeststellungen auf.

Einer etwaigen Nachholung der Unterbringung steht nicht entgegen, dass ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat (§
358 Abs. 2 Satz
2 StPO; BGHSt
37, 5)."

Dem folgt der Senat und schließt aus, dass die Freiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre, wenn das [X.] zugleich die Unterbringung des Ange-klagten angeordnet hätte.
5
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5
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Fischer [X.]

Berger

Eschelbach Ott

Meta

2 StR 427/11

09.11.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2011, Az. 2 StR 427/11 (REWIS RS 2011, 1597)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1597

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 427/11

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