Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. 1 StR 415/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3921

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 415/15

vom
14. Oktober
2015
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 14. Oktober
2015
beschlos-sen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Juni 2015 mit den Feststellungen aufge-hoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurück-verwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
I.

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum [X.] Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ei-

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Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des [X.]. Sein Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit eine Unter-bringung in der Entziehungsanstalt unterblieben ist; im Übrigen ist es, wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 20. August 2015 ausgeführt hat, unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
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II.

Die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach
§ 64 StGB
kann nicht bestehen bleiben. Das [X.] hat ausgeführt, dass zwar ein polyvalenter Suchtmittelmissbrauch des Angeklagten in Bezug auf Alkohol, Cannabis, Koka-in und Amphetamin bzw. Metamphetamin vorliege, von einem Hang des Ange-klagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, könne jedoch nicht ausgegangen werden.

Allerdings hat das [X.] selbst festgestellt, dass der Angeklagte vor 3-4 Jahren begann, auf Partys Ecstasy zu konsumieren. Schon als [X.] hatte er mit Marihuana Kontakt und begann dann auch, dieses selbst zu kaufen, was er ein-
bis zweimal werktags, am Wochenende mit Gästen oder abends beim Fernsehen konsumierte. Außerdem konsumierte der Angeklagte Kokain, um den Schlafmangel auszugleichen oder sich nach Stresssituationen Entspannung zu verschaffen. [X.] und [X.] konsumierte er ebenfalls, [X.] nicht täglich und nicht intravenös. Zusätzlich trank der Angeklagte täg-lich zwischen ein und fünf Flaschen Bier, nachdem er den vormals erheblich umfangreicheren Alkoholkonsum auf Drängen seiner Ehefrau reduziert hatte.

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1. Das
[X.]
hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen einen
Hang des Angeklagten, berauschende Mittel, nämlich Alkohol und Dro-gen, im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht anzunehmen vermocht. Zwar liege beim Angeklagten ein problematischer Umgang mit Suchtmitteln vor; Anhalts-punkte für eine Depravation oder eine drogenbedingte Persönlichkeitsstörung seien aber nicht zu Tage getreten. Desgleichen fehlten Anzeichen für eine auf den Drogenkonsum zurückzuführende erhebliche Einschränkung der Arbeits-
und Leistungsfähigkeit des Angeklagten oder relevante Entzugserscheinungen.

2. Diese Begründung lässt besorgen, dass das
[X.]
von ei-nem
zu engen Verständnis eines
Hanges
im Sinne des § 64 StGB ausgegan-gen ist.

Für einen
Hang
ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung
noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit
erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des
§
64
StGB
ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende
auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl.
[X.],
Urteil vom 10.
November 2004

2 [X.], [X.],
210; Urteil vom 15. Mai 2014

3 [X.]). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den [X.] bereits die Gesundheit, Arbeits-
und Leistungsfähigkeit
des Betreffen-den
erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen ei-nes Hanges zukommen (vgl.
[X.],
Beschluss vom 1. April 2008

4 [X.], [X.], 198; Beschluss vom 14. Dezember 2005

1 [X.], NStZ-RR 2006,
103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit über-mäßigem [X.] einhergehen dürften, schließt deren Fehlen je-6
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doch nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus ([X.], Beschluss vom 1. April 2008

4 [X.], [X.], 198; Beschluss vom 2. April 2015

3 [X.]/15).

3. Dies zu Grunde gelegt, drängt sich das Vorliegen eines Hanges hier schon angesichts des festgestellten
und zutreffend als polyvalent bezeichneten Suchtmittelmissbrauchs auf, welcher deutlich auf eine den Angeklagten trei-bende Neigung hindeutet, Alkohol und Betäubungsmittel
im Übermaß zu kon-sumieren.

Der Bejahung eines Hanges steht im Übrigen nicht entgegen, dass der Angeklagte nach seiner Inhaftierung keine schweren körperlichen Entzugser-scheinungen aufwies; immerhin stellten sich bei ihm Schlafstörungen, [X.] und Juckreiz ein.
Zudem traten bei ihm bis zuletzt abendliche Kopfschmerzen und
ein Gefühl der Unruhe weiterhin auf.

4. [X.] wird deshalb das Vorliegen eines Hanges des [X.], alkoholische Getränke und Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, neu zu beurteilen und auch Feststellungen zu treffen haben, inwieweit ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Drogensucht und den [X.] des Angeklagten und eine hinreichend konkrete Thera-pieaussicht besteht.

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III.
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Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO;
[X.], Urteil 8
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vom 10. November 2004

2 [X.], [X.], 210; [X.] Beschluss vom 21. Oktober 2008

3 [X.], [X.], 59). Er hat die Nichtanwen-dung des
§ 64 StGB
durch das Tatgericht ausdrücklich nicht vom Rechtsmittel-angriff ausgenommen.
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Raum Graf Cirener

Radtke Bär

Meta

1 StR 415/15

14.10.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. 1 StR 415/15 (REWIS RS 2015, 3921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3921

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 511/15

Zitiert

3 StR 386/13

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