Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2011, Az. 1 AZR 495/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 559

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Gegenstand

Entgeltfortzahlungsansprüche während eines Arbeitskampfes - suspendierende Betriebsstilllegung


Leitsatz

Eine suspendierende Betriebsstilllegung während eines Arbeitskampfes muss gegenüber Arbeitnehmern erklärt werden. Hierfür genügt die Bekanntgabe der Stilllegungsentscheidung in betriebsüblicher Weise. Einer individuellen Benachrichtigung der betroffenen Arbeitnehmer bedarf es nicht.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. Juli 2010 - 5 [X.]/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche während eines [X.].

2

Der Kläger ist bei der [X.] als Omnibusfahrer im Bereich „Fahrdienst“ beschäftigt. Im Rahmen von [X.] um den Abschluss eines Verbandstarifvertrags riefen die [X.] [X.] und [X.] die bei der [X.] beschäftigten Arbeitnehmer im Zeitraum vom 27. Februar 2009 4.00 Uhr bis zum 28. Februar 2009 4.00 Uhr zu einem Warnstreik auf. Als Reaktion auf den Streikaufruf beschloss der Vorstand der [X.], in diesem Zeitraum den U-Bahn-, Bus- und Straßenbahnverkehr mit eigenen Fahrzeugen einzustellen. Die [X.] der [X.] wurden am 27. Februar 2009 im Rahmen eines [X.] teilweise von privaten Busunternehmen bedient.

3

Die Beklagte informierte die Öffentlichkeit über die Einschränkungen ihres Bus- und Schienenverkehrs durch eine Presseinformation am 24. Februar 2009. Die Führungskräfte wurden über den am 27. Februar 2009 geplanten Warnstreik und die vom Vorstand getroffenen betrieblichen Maßnahmen durch eine E-Mail in Kenntnis gesetzt, die in den Organisationseinheiten durch Aushang bekannt gegeben wurde. Darüber hinaus informierte die Beklagte teilweise die Busfahrer telefonisch darüber, dass am 27. Februar 2009 kein Busverkehr stattfindet. Der Kläger, der an diesem Tag arbeitsunfähig erkrankt war, wurde von der [X.] über die Einstellung des Busverkehrs nicht unterrichtet.

4

Die Beklagte kürzte für den Monat Februar 2009 die Vergütung des Klägers um den auf den 27. Februar 2009 entfallenden Betrag für die Entgeltfortzahlung iHv. 73,14 Euro brutto, dies entspricht 40,02 Euro netto.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn im Fall seiner Arbeitsfähigkeit mit anderen Tätigkeiten beschäftigen können. Seinen Entgeltfortzahlungsanspruch habe er nicht aufgrund des [X.] verloren, weil er von der [X.] nicht über die Einstellung des Busverkehrs in Kenntnis gesetzt worden sei.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 40,02 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2009 zu zahlen,

        

hilfsweise,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 73,14 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

8

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag entsprochen. Das [X.] hat die Klage auf die Berufung der [X.] abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, wobei er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat das Verhältnis seiner Anträge umgekehrt hat.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Klageanträge zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann für die am 27. Februar 2009 ausgefallene Arbeitszeit keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen.

I. Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 3 Abs. 1 [X.]atz 1 EFZG). Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen. Demzufolge setzt der Entgeltfortzahlungsanspruch voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte ([X.] 24. März 2004 - 5 [X.] 355/03 - zu I 3 a der Gründe, [X.] EntgeltFG § 3 Nr. 22).

II. Für den Vergütungsanspruch während eines [X.] gelten Besonderheiten.

1. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das [X.] oder Wirtschaftsrisiko. Er ist zur Zahlung der Vergütung auch dann verpflichtet, wenn er den Arbeitnehmer ohne sein Verschulden aus betriebstechnischen Gründen nicht beschäftigen kann (Betriebsrisiko) oder wenn die Fortsetzung des Betriebes wegen Auftrags- oder Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird (Wirtschaftsrisiko).

2. Diese Risikoverteilung gilt nicht bei einer Betriebsstörung durch einen rechtmäßigen Arbeitskampf (Arbeitskampfrisiko).

a) Können Arbeitnehmer während eines [X.] nicht beschäftigt werden, beurteilt sich die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach den Grundsätzen der arbeitskampfrechtlichen Parität. [X.]törungen des Betriebsablaufs, die auf [X.]treiks oder Aussperrungen beruhen und die Fortsetzung des Betriebs ganz oder teilweise unmöglich oder für den Arbeitgeber wirtschaftlich unzumutbar machen, führen dazu, dass jede [X.]eite das auf sie entfallende Kampfrisiko zu tragen hat. Die vom Arbeitskampf betroffenen Arbeitnehmer verlieren unter diesen Voraussetzungen für die Dauer der arbeitskampfbedingten [X.]törung ihre Beschäftigungs- und Vergütungsansprüche ([X.] 12. November 1996 - 1 [X.] 364/96 - zu II 2 b, c der Gründe, [X.]E 84, 302). Diese grundsätzliche Risikoverteilung gilt nicht nur bei Auftreten von Betriebsstörungen aufgrund der Fernwirkung in einem am unmittelbaren Kampfgeschehen nicht beteiligten Betrieb, sondern auch bei einer Betriebsstörung, die auf einem Arbeitskampf im selben Betrieb beruht ([X.] 15. Dezember 1998 - 1 [X.] 289/98 - zu I 2 a der Gründe, [X.]E 90, 280; 27. Juni 1995 - 1 [X.] 1016/94 - zu II der Gründe, [X.]E 80, 213). Andernfalls hätte der unmittelbar kampfbetroffene Arbeitgeber nicht nur das Risiko der arbeitskampfbedingten Betriebsstörung durch den gegen ihn gerichteten [X.]treik, sondern zusätzlich das Risiko der Lohnfortzahlung an die nicht am [X.]treik beteiligten Arbeitnehmer zu tragen, die infolge der [X.] nicht beschäftigt werden können. Durch eine solche Risikoverteilung der gewerkschaftlichen Kampfmaßnahme würde das Kräfteverhältnis der kampfführenden Parteien gestört ([X.] 14. Dezember 1993 - 1 [X.] 550/93 - zu I 2 der Gründe, [X.]E 75, 186).

b) Nach der [X.]enatsrechtsprechung muss der Arbeitgeber allerdings die Folgen einer gegen ihn gerichteten streikbedingten Arbeitsniederlegung nicht widerstandslos hinzunehmen. Er kann vielmehr - abgesehen von Aussperrungsmaßnahmen - versuchen, durch betriebsorganisatorische Gegenmaßnahmen die Folgen der streikbedingten Betriebsstörung zu begrenzen. [X.]olche Maßnahmen sind durch die Arbeitsniederlegung bedingt und Teil des [X.]ystems von Druck und Gegendruck, das den Arbeitskampf kennzeichnet. Dass in derartigen Fällen die Nichtbeschäftigung der Arbeitnehmer des bestreikten Betriebs durch Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers mitverursacht ist, steht einer Anwendung der Grundsätze des Arbeitskampfrisikos nicht entgegen ([X.] 12. November 1996 - 1 [X.] 364/96 - zu II 3 b aa der Gründe, [X.]E 84, 302). Die arbeitswilligen Arbeitnehmer behalten ihren Vergütungsanspruch, wenn deren Beschäftigung dem Arbeitgeber rechtlich möglich und wirtschaftlich zumutbar ist ([X.] 11. Juli 1995 - 1 [X.] 161/95 - zu III 1 der Gründe, [X.]E 80, 277).

c) Zu den Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers gehört auch die Befugnis, die vom [X.]treik betroffene betriebliche Einheit für die Dauer des [X.]treiks ganz oder teilweise stillzulegen. Dies gilt auch, wenn ihm deren teilweise Aufrechterhaltung technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar wäre. Eine suspendierende [X.]tilllegung hat zur Folge, dass auch arbeitswillige Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch verlieren ([X.] 27. Juni 1995 - 1 [X.] 1016/94 - zu III 1 der Gründe, [X.]E 80, 213; 31. Januar 1995 - 1 [X.] 142/94 - zu I 2 der Gründe, [X.]E 79, 152; 22. März 1994 - 1 [X.] 622/93 - zu II 3 b und c der Gründe, [X.]E 76, 196). Zudem werden vom [X.]treikaufruf erfasste, aber arbeitswillige Außenseiter in die Risikogemeinschaft der Arbeitnehmer im [X.] einbezogen ([X.] 22. [X.]eptember 2009 - 1 [X.] 972/08 - Rn. 60, [X.]E 132, 140). Eine solche Maßnahme ist allerdings nur innerhalb des Rahmens möglich, den der [X.]treikaufruf in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht gesetzt hat ([X.] 27. Juni 1995 - 1 [X.] 1016/94 - aaO). Die vorübergehende Betriebsstilllegung setzt voraus, dass die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers während des [X.] weder von diesem selbst oder einem von ihm beauftragten [X.] ausgeführt wird.

Der Arbeitgeber kann sich gegenüber einem den gesamten Betrieb erfassenden [X.]treikaufruf auch darauf beschränken, nicht den gesamten Betrieb, sondern organisatorisch abgegrenzte betriebliche Einheiten stillzulegen. Auch eine solche Entscheidung stellt sich wegen der Einbeziehung der davon betroffenen Außenseiter als Gegenmaßnahme gegenüber dem von der [X.] geführten Arbeitskampf dar. Dem entspricht es, dass auch deren Arbeitskampfmaßnahmen auf Teile eines Betriebs beschränkt werden können ([X.] 35 [X.]. 115, 120).

d) Die [X.]tilllegung des Betriebs oder einer organisatorisch abgrenzbaren betrieblichen Einheit setzt aus Gründen der Rechtsklarheit eine darauf gerichtete Erklärung des Arbeitgebers an die Arbeitnehmer voraus. Die Einstellung der Beschäftigung allein ist nicht eindeutig. Die Erklärung ist an die betroffenen Arbeitnehmer zu richten, deren Arbeitsverhältnisse dadurch suspendiert werden ([X.] 11. Juli 1995 - 1 [X.] 161/95 - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 80, 277). [X.]ie muss in einer Form erfolgen, die nach dem gewöhnlichen Verlauf erwarten lässt, dass die vom [X.] erfassten Arbeitnehmer von ihr Kenntnis erlangen. Dazu ist es ausreichend, wenn die Bekanntgabe in einer im Betrieb üblichen Kommunikationsform erfolgt. Der Arbeitgeber kann davon ausgehen, dass sich seine [X.]tilllegungsabsicht unter den Arbeitnehmern des Betriebs herumspricht. Die Wirksamkeit der vorübergehenden [X.]tilllegung ist nicht von einer individuellen Unterrichtung aller betriebsangehörigen Arbeitnehmer abhängig. Eine solche Informationspflicht würde die Eignung der vorübergehenden Betriebsstilllegung als Kampfmittel in Frage stellen.

III. Danach hätte der Kläger im Fall seiner Arbeitsfähigkeit am 27. Februar 2009 keinen Anspruch auf eine Vergütung aus § 615 [X.]atz 1, § 611 Abs. 1 BGB gehabt, zu deren Fortzahlung die Beklagte nach § 3 Abs. 1 [X.]atz 1 EFZG verpflichtet gewesen wäre.

1. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte als Reaktion auf die angekündigten [X.]treikmaßnahmen ihren Busbetrieb am 27./28. Februar 2009 tatsächlich stillgelegt hat, wovon das [X.] offenbar ausgegangen ist. Zwar hat die Beklagte während des Warnstreiks den Busverkehr nicht mit eigenen Bussen durchgeführt. An ihrer [X.]telle haben jedoch private Busunternehmen ein eingeschränktes Verkehrsangebot aufrechterhalten. Diesen Umstand durfte das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht unberücksichtigt lassen. Die Durchführung eines [X.] stünde der Annahme einer arbeitskampfbedingten Betriebsstilllegung entgegen, weil diese voraussetzt, dass die betriebliche Tätigkeit des Arbeitgebers weder von diesem selbst noch von einem von ihm beauftragten Drittunternehmen ausgeführt wird. Ansonsten liegt keine suspendierende Betriebsstilllegung, sondern eine Fremdvergabe der betrieblichen Arbeiten vor, die ebenso wie der Einsatz von arbeitswilligen Betriebsangehörigen oder von Fremdpersonal die Aufrechterhaltung der vom Unternehmen verfolgten Geschäftstätigkeit zum Ziel hat. Mit einer solchen Maßnahme beugt sich der Arbeitgeber nicht dem gegen ihn geführten Arbeitskampf, sondern versucht, dessen wirtschaftliche Auswirkungen durch organisatorische Gegenmaßnahmen möglichst gering zu halten. Die Beauftragung eines [X.] steht der Annahme einer suspendierenden Betriebsstilllegung nur dann nicht entgegen, wenn es sich bei den Tätigkeiten, die diesem übertragen werden, um Erhaltungs- oder Notstandsarbeiten handelt.

2. Einer Zurückverweisung zur Aufklärung des Umfangs des am 27. Februar 2009 durchgeführten [X.] bedarf es indes nicht. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nicht. Die Beklagte ist weder nach den Grundsätzen über die Verteilung des Lohnrisikos im Arbeitskampf noch nach denen, die für die suspendierende Betriebsstilllegung gelten, in Annahmeverzug geraten.

a) Nach den Grundsätzen über die Verteilung des Lohnrisikos im Arbeitskampf bestünde für die Beklagte nur dann eine Vergütungspflicht, wenn sie den Kläger während des [X.] vertragsgemäß einsetzen konnte und ihr diese Beschäftigung wirtschaftlich zumutbar war ([X.] 11. Juli 1995 - 1 [X.] 63/95 - zu II 3 der Gründe, [X.]E 80, 265). Eine solche Beschäftigungsmöglichkeit hat der Kläger nicht dargetan.

aa) Zwischen den Parteien steht außer [X.]treit, dass während des Warnstreiks eine Beschäftigungsmöglichkeit in der bisher ausgeübten Tätigkeit als Busfahrer bei der [X.] nicht bestanden hat.

bb) Für das Bestehen einer Beschäftigungsmöglichkeit in anderen Unternehmensbereichen hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger keinen ausreichenden Vortrag gehalten.

(1) Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Der Arbeitnehmer hat zunächst die Tätigkeiten anzuführen, mit denen er während des [X.] hätte beschäftigt werden können. Dazu muss er auch darlegen, dass ein solcher Einsatz ohne Vertragsänderung im Rahmen des Direktionsrechts rechtlich zulässig gewesen wäre. Der Arbeitgeber darf einem arbeitswilligen Arbeitnehmer auch während eines [X.] nur solche Tätigkeiten zuweisen, zu deren Übernahme er arbeitsvertraglich verpflichtet ist (vgl. [X.] 14. Dezember 1993 - 1 [X.] 550/93 - zu I 3 b der Gründe, [X.]E 75, 186). Erst nach einer schlüssigen Darlegung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit durch den Arbeitnehmer ist es [X.]ache des Arbeitgebers anzugeben, aus welchem Grund ihm die aufgezeigte Beschäftigung wirtschaftlich nicht zumutbar ist.

(2) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des [X.] nicht. Zwischen den Parteien ist in der Berufungsinstanz unstreitig geworden, dass am 27. Februar 2009 weder Weiterbildungsmaßnahmen stattgefunden haben noch theoretischer Unterricht durchgeführt wurde, an dem der Kläger hätte teilnehmen können. [X.]oweit der Kläger geltend macht, er hätte während des [X.] im Bereich Fahrpersonal und [X.]ervice oder in der Werkstatt eingesetzt werden können, fehlt es an Vortrag zur Zulässigkeit einer solchen Umsetzung. Es ist weder offenkundig noch vom Kläger vorgetragen, dass die Beklagte aufgrund ihres Direktionsrechts berechtigt gewesen wäre, ihm Tätigkeiten in diesen Unternehmensbereichen zu übertragen.

(3) Auf die in diesem Zusammenhang vom Kläger erhobene Verfahrensrüge, mit der dieser geltend macht, das [X.] habe das Bestreiten des [X.]vorbringens aus dem [X.]chriftsatz vom 3. Mai 2010 zu Unrecht als verspätet ausgeschlossen, kommt es aufgrund der fehlenden Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Verfahrensfehlers nicht an. Da der Kläger zu den anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten keinen ausreichenden Tatsachenvortrag gehalten hat, war die Klage ohnehin unschlüssig und abweisungsreif.

cc) Danach bedarf es auch keiner weiteren [X.]achaufklärung zu der Frage, ob es sich bei dem von [X.] durchgeführten Busverkehr um Notstandsarbeiten gehandelt hat. Ebenso muss der [X.]enat nicht darüber befinden, ob es für die vom Kläger geltend gemachte anderweitige Beschäftigung eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots (§§ 294, 295 BGB) bedurft hätte, an dem es vorliegend fehlt.

b) Ein Anspruch auf Annahmeverzug hat auch dann nicht bestanden, wenn die Beklagte ihren Unternehmensbereich Bus- und [X.]chienenverkehr während des Warnstreiks stillgelegt hätte.

aa) Die vom Vorstand der [X.] beschlossene suspendierende Teilbetriebsstilllegung hielt sich in den Grenzen des gewerkschaftlichen [X.]treikaufrufs.

Die Beklagte hat den Bus- und [X.]chienenverkehr mit eigenen Fahrzeugen am 27. Februar 2009 als Reaktion auf den von [X.] und der [X.] ausgerufenen Warnstreik stillgelegt. Der [X.]treikaufruf umfasste alle Unternehmensbereiche der [X.] für den Zeitraum vom 27. Februar 2009 4.00 Uhr bis zum 28. Februar 2009 4.00 Uhr.

bb) Das Arbeitsverhältnis des [X.] war von der vorübergehenden [X.]tilllegung des Bus- und [X.]chienenverkehrs erfasst.

Zu dem Bereich Busverkehr gehörte der Betriebshof [X.], bei dem der Kläger zu diesem Zeitpunkt eingesetzt war. Der Kläger hätte am 27. Februar 2009 zwischen 5.04 Uhr und 13.16 Uhr einen Bus führen müssen.

cc) Die Beklagte hat die suspendierende Betriebsstilllegung ausreichend bekannt gegeben.

Nach den Feststellungen des [X.]s hat die Beklagte nicht nur die Öffentlichkeit durch eine Pressemitteilung über die Einstellung des [X.]chienen- und Busverkehrs in Kenntnis gesetzt, sondern auch die an den [X.] eingesetzten Fahrer durch einen Aushang über die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit informiert. Damit lag eine [X.] Bekanntmachung der suspendierenden Betriebsstilllegung vor. Einer besonderen Benachrichtigung des vor dem [X.]treikbeginn arbeitsunfähig erkrankten [X.] bedurfte es daneben nicht.

dd) Mit der [X.]tilllegungserklärung der [X.] sind die Hauptpflichten aus den Arbeitsverhältnissen suspendiert worden, die den betroffenen Bereichen zugeordnet sind. Anders als bei einer Betriebsfortführung ist der Arbeitgeber bei einer suspendierenden [X.]tilllegung nicht verpflichtet, die Arbeitnehmer anderweitig einzusetzen. [X.]eine Gegenmaßnahme ist gerade darauf gerichtet, durch [X.]tilllegung des gesamten Betriebs oder einzelner Betriebsbereiche die Beschäftigungs- und Vergütungsansprüche der Außenseiter durch deren Einbeziehung in den Arbeitskampf zu beseitigen, um auf diese Weise die kampfführende [X.] unter Druck zu setzen. Dieses [X.] würde unterlaufen, wenn der Arbeitgeber die von der [X.]tilllegung betroffenen Arbeitnehmer in anderen Unternehmensbereichen einsetzen müsste, um ihnen den Vergütungsanspruch zu erhalten.

        

    [X.]chmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Frischholz    

        

    M. [X.]eyboth    

                 

Meta

1 AZR 495/10

13.12.2011

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Nürnberg, 21. Oktober 2009, Az: 2 Ca 4113/09, Urteil

Art 9 Abs 3 GG, § 3 Abs 1 S 1 EntgFG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2011, Az. 1 AZR 495/10 (REWIS RS 2011, 559)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 559

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