Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.11.2013, Az. IV B 119/12

4. Senat | REWIS RS 2013, 1470

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Abtrennung selbständiger Klagegegenstände nach Aufnahme eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen und zwischenzeitlich in den Registern des BFH gelöschten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens


Leitsatz

1. NV: Wird der Beschwerdegegenstand inhaltlich in zulässiger Weise auf bestimmte Streitpunkte des FG-Urteils begrenzt, tritt in Bezug auf die übrigen (selbständigen) Streitgegenstände dieses Urteils Rechtskraft ein.

2. NV: Der Aufnahme eines unterbrochenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens steht nicht seine vormalige Löschung in den Registern des BFH entgegen.

Tatbestand

1

I. Mitte 1995 beteiligte sich die [X.] (Insolvenzschuldnerin) als GmbH-Komplementärin an der "[X.] & Co. KG" (im Folgenden: [X.]). Daneben beteiligten sich die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zu 1. bis 3. und die Beigeladenen als Kommanditisten an der [X.].

2

Im Juni 1998 traten --mit Ausnahme der Klägerin zu 1.-- alle Kommanditisten aus der [X.] aus, an der danach neben der Klägerin zu 1. nur noch die Insolvenzschuldnerin beteiligt war. Mit Wirkung zum 30. Juni 2004 übertrug die Klägerin zu 1. ihren Gesellschaftsanteil an der [X.] auf die Insolvenzschuldnerin.

3

Nach einer im Jahr 2003 für die [X.] 1996 bis 1998 durchgeführten Außenprüfung bei der [X.] änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) am 14. April 2004 die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ([X.]) für 1996 bis 1998, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31. Dezember 1996 bis 1998 und den Umsatzsteuerbescheid 1998. Zeitgleich erließ er den Bescheid über Gewerbesteuer für 1998 nebst Zinsen.

4

Nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhoben die Kläger zu 1. bis 3. und die Insolvenzschuldnerin im September 2004 Klage wegen [X.] 1998, die Kläger zu 2. und 3. sowie die Insolvenzschuldnerin Klage wegen [X.] 1996 und 1997 und die Insolvenzschuldnerin Klage wegen Gewerbesteuermessbescheids 1998, wegen vortragsfähigen [X.] auf den 31. Dezember 1996 und 1997 und wegen Umsatzsteuer 1998. Das Verfahren wurde beim Finanzgericht ([X.]) unter dem Aktenzeichen ([X.]) 6 K 2428/04 B geführt. Durch Beschluss vom 28. Juni 2010 lud das [X.] die Beigeladenen bei.

5

Parallel zum Klageverfahren beantragte die Insolvenzschuldnerin am 10. Juni 2005 aus Billigkeitsgründen beim [X.] eine nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) abweichende Festsetzung des [X.] 1998 sowie der Zinsen zur Gewerbesteuer 1998 auf null Euro. Das sich im Februar 2007 an das erfolglose behördliche Verfahren anschließende Klageverfahren wurde unter [X.] 6 K 6055/07 geführt.

6

Durch Beschluss vom 18. Mai 2010 verband das [X.] die beiden Klageverfahren, die fortan unter dem [X.] 6 K 2428/04 B geführt wurden.

7

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Die Revision ließ das [X.] nicht zu. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1143 veröffentlicht.

8

Am 14. Februar 2011 haben die Kläger zu 1. bis 3. sowie die Insolvenzschuldnerin durch ihren (zunächst gemeinsamen) Prozessbevollmächtigten fristgerecht Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt.

9

In der Beschwerdebegründungsschrift vom 14. März 2011 haben sie die Zulassung der Revision ausdrücklich (nur) wegen der Streitpunkte Nr. 1 (betrifft: [X.] 1997 und [X.] 1997), Nr. 3 (betrifft: [X.] 1998 und [X.] 1998) und Nr. 8 (betrifft: abweichende Festsetzung des [X.] 1998 sowie der Zinsen zur Gewerbesteuer 1998 aus Billigkeitsgründen) des [X.]-Urteils begehrt. Das Beschwerdeverfahren wurde beim [X.] ([X.]) zunächst unter dem [X.] IV B 23/11 geführt.

Während des Rechtsstreits wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August 2011 das Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zu 4. (Insolvenzverwalter) zum Insolvenzverwalter bestellt.

Das [X.] meldete Ende 2011 folgende --nicht beglichene-- Steuerforderungen zur Insolvenztabelle an, die im Prüfungstermin (1. Dezember 2011) --nur-- vom Insolvenzverwalter bestritten wurden:

Abgabenart:

Betrag:

Gewerbesteuer 1998

6.946.112 €

Zinsen zur Gewerbesteuer 1998

3.413.297 €

Säumniszuschläge zur Gewerbesteuer 1998

166.557 €

Umsatzsteuer 1998

313.148 €

Zinsen zur Umsatzsteuer 1998

76.675 €

Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1998

294 € 

Der Insolvenzverwalter gab [X.] [X.] keine Erklärung über die Aufnahme oder die Nichtaufnahme des (unterbrochenen) Rechtsstreits ab. Das [X.] ([X.] IV B 23/11) wurde am 25. September 2012 wegen Ungewissheit über seinen Fortgang --nach entsprechender Anhörung und unter Hinweis, dass das Verfahren später unter neuem Aktenzeichen fortgeführt werden könne-- in den Registern des [X.] gelöscht.

Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2012 --dem Prozessbevollmächtigten des Insolvenzverwalters am 11. Januar 2013 zugestellt-- hat das [X.] Folgendes erklärt:

"In dem Rechtsstreit ... [[X.] IV B 23/11] ... wegen [X.] 1998, gesonderter Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31.12.1996, 31.12.1997 und 31.12.1998, Umsatzsteuer 1998, Erlass der Gewerbesteuer 1998, Zinsen und Säumniszuschläge zur Gewerbesteuer 1998, Zinsen und Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1998, nehme ich nach § 179 (1) i.V.m. §§ 180 (2), 184 [X.] den Rechtsstreit auf und beantrage festzustellen, dass die [...] zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen ... berechtigt sind."

Nach Aufnahme des Verfahrens wurde dieses unter [X.] IV B 119/12 fortgeführt. Der Insolvenzverwalter hat durch Schriftsatz vom 28. Februar 2013 Stellung genommen. [X.] hat er nicht vorgetragen.

Entscheidungsgründe

II. 1. Das Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision wegen gesonderter Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31. Dezember 1997, Festsetzung des [X.] 1998 sowie beantragter abweichender Festsetzung des [X.] 1998 nebst Zinsen zur Gewerbesteuer 1998 nach § 163 AO wurde aufgenommen. Es wird gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgetrennt. Das Verfahren wird unter dem [X.]. IV B 108/13 fortgeführt.

2. Das Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision wegen der [X.] für 1997 und 1998 wird weiter unter hiesigem Aktenzeichen geführt. Das Verfahren ist nach § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) wegen des andauernden Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bzw. mangels Aufnahmeerklärung --weiterhin-- unterbrochen (vgl. [X.] vom 30. September 2004 IV B 42/03, [X.] 2005, 365, unter 2.).

3. Hinsichtlich der oben unter [X.] genannten Beschwerdegegenstände wurde das unterbrochene Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision durch das [X.] wirksam aufgenommen und konnte daher nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO abgetrennt werden.

a) Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde das --zunächst-- unter [X.]. IV B 23/11 geführte [X.] nach § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO insgesamt (also wegen sämtlicher Beschwerdegegenstände) unterbrochen. Sämtliche Gegenstände des Beschwerdeverfahrens betreffen die Insolvenzmasse; dies gilt auch für die Grundlagenbescheide (vgl. für die [X.] [X.] in [X.] 2005, 365, unter 2., m.w.N.; für Feststellungsbescheide bei der Gewerbesteuer vgl. [X.]-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 11/97, [X.], 365, [X.] 1998, 428).

b) Das [X.] hat das unterbrochene Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde durch Zustellung des [X.]es an den Prozessbevollmächtigten des Insolvenzverwalters teilweise, d.h. in dem unter [X.] genannten Umfang, wirksam aufgenommen (§ 250 ZPO).

aa) Die Aufnahmeerklärung des [X.] ist dahin zu verstehen, dass es das unterbrochene Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision nur hinsichtlich der Beschwerdegegenstände gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31. Dezember 1997, Festsetzung des [X.] 1998 sowie abweichende Festsetzung des [X.] 1998 nebst Zinsen zur Gewerbesteuer 1998 aufgenommen hat. Im [X.] vom 24. Oktober 2012 wird zwar nicht ausdrücklich zwischen den zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen, den Streitgegenständen des Klageverfahrens und den demgegenüber eingeschränkten Beschwerdegegenständen des Verfahrens wegen Nichtzulassung der Revision unterschieden. Nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung ist im Zweifel aber anzunehmen, dass eine zulässige Prozesserklärung abgegeben werden sollte ([X.]-Urteil vom 19. Dezember 2012 IV R 41/09, [X.], 73, [X.] 2013, 313, unter [X.]c). Im Schriftsatz vom 14. März 2011 haben die Kläger zu 1. bis 3. und die Insolvenzschuldnerin den [X.] inhaltlich in zulässiger Weise auf die Streitpunkte Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 8 des [X.] begrenzt und damit nur noch die Zulassung der Revision wegen der zuvor genannten Beschwerdegegenstände begehrt. In Bezug auf die übrigen (selbständigen) Streitgegenstände des [X.] ist damit Rechtskraft eingetreten (vgl. [X.] vom 11. Mai 2010 X B 183/09, [X.] 2010, 2077, unter 1.a).

Begehrt daher das [X.] im aufgenommenen Verfahren die Feststellung, dass sämtliche zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen berechtigt seien --auch soweit sie nicht Gegenstand des Klageverfahrens waren (z.B. Säumniszuschläge zur Gewerbesteuer 1998) oder [X.] geworden sind (z.B. Umsatzsteuer 1998)-- und nimmt es aber zugleich ausdrücklich "den Rechtsstreit" unter dem ursprünglichen [X.]. IV B 23/11 auf, versteht der erkennende Senat diese Erklärung des [X.] rechtsschutzgewährend dahingehend, dass die Berechtigung der zur Tabelle angemeldeten Steuerforderungen nur insoweit festgestellt werden soll, als diese Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden sind.

bb) Das [X.] war zur Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits wegen der unter [X.] bezeichneten Beschwerdegegenstände gegenüber dem Insolvenzverwalter nach § 179 Abs. 1 i.V.m. § 180 Abs. 2 der Insolvenzordnung ([X.]) befugt.

(1) Obgleich die [X.] [X.] durch Steuerbescheid tituliert sind und deshalb dem die Forderung bestreitenden Insolvenzverwalter die Verfolgung seines Widerspruchs durch Aufnahme des Passivprozesses nach §§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 2 [X.] oblag, war auch das [X.] gemäß § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2, § 185 Sätze 1 und 2 [X.], § 240 Satz 1 ZPO und § 155 FGO zur Aufnahme des unterbrochenen Beschwerdeverfahrens beim [X.] befugt (vgl. [X.]-Urteil vom 15. November 2011 I R 96/10, [X.] 2012, 991, unter B.I.1., m.w.N.; [X.], Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 179 Rz 27).

(2) Die Voraussetzungen zur Aufnahme des Passivprozesses nach § 180 Abs. 2 [X.] sind hinsichtlich der Beschwerdegegenstände [X.] auf den 31. Dezember 1997, [X.] 1998 und abweichende Festsetzung des [X.] 1998 sowie von Zinsen zur Gewerbesteuer 1998 aus Billigkeitsgründen erfüllt. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lagen bereits angefochtene Steuerbescheide zu den vom [X.] angemeldeten und vom Insolvenzverwalter im Prüftermin (1. Dezember 2011) bestrittenen Steuerforderungen vor, so dass nach § 180 Abs. 2 i.V.m. § 185 Satz 2 [X.] die Feststellung der Forderung durch Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsstreits über die Nichtzulassungsbeschwerde gegenüber dem Insolvenzverwalter zu betreiben war.

(3) Die vormalige Löschung des Verfahrens in den Registern des [X.] stand der Aufnahme nicht entgegen. Das Verfahren bleibt trotz Löschung rechtshängig (§ 66 FGO). Die Löschung bewirkt lediglich, dass die Gerichtsakte aus dem Geschäftsgang genommen und nicht mehr zur Bearbeitung vorgelegt wird ([X.] vom 19. April 2005 IV B 181/03, [X.] 2005, 1360, unter 2., m.w.N.).

cc) Der Insolvenzverwalter ist im aufgenommenen Rechtsstreit --auch ohne [X.] aufgrund seines Rechts, die Insolvenzmasse zu verwalten und hierüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 [X.]), an dem anhängigen Beschwerdeverfahren kraft Amtes beteiligt ([X.]-Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, [X.]E 212, 11, [X.] 2006, 573, unter II.4.; [X.] vom 10. November 2010 IV B 11/09, [X.] 2011, 649, unter [X.]). Der bestreitende Insolvenzverwalter tritt in die Beteiligtenrolle der Insolvenzschuldnerin ein ([X.], a.a.[X.], § 180 Rz 22, m.w.N.).

4. Der Beschluss ergeht gerichtskostenfrei.

Meta

IV B 119/12

05.11.2013

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 14. Dezember 2010, Az: 6 K 2428/04 B, Urteil

§ 240 Abs 1 S 1 ZPO, § 250 ZPO, § 80 Abs 1 InsO, § 179 Abs 1 InsO, § 179 Abs 2 InsO, § 180 Abs 2 InsO, § 185 InsO, § 66 FGO, § 73 Abs 1 S 2 FGO, § 121 S 1 FGO, § 155 FGO, § 163 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.11.2013, Az. IV B 119/12 (REWIS RS 2013, 1470)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1470

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV B 108/13 (Bundesfinanzhof)

Aufnahme eines wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens durch den Beschwerdegegner - Entscheidung über die …


IV R 43/07 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 08.09.2011 IV R 44/07 - Betriebsaufspaltung zwischen einer eingetragenen …


III R 34/21 (Bundesfinanzhof)

Aufteilung des Ersatzwirtschaftswertes für Zwecke der Ermittlung des einfachen gewerbesteuerrechtlichen Kürzungsbetrages


IV R 19/11 (Bundesfinanzhof)

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 01.08.2013 IV R 18/11 - Keine Tarifbegünstigung des Aufgabegewinns, soweit …


7 V 510/18 (FG München)

Überprüfung der vom Finanzamt gewählten Schätzungsmethode


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.