Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.10.2017, Az. 7 ABR 2/16

7. Senat | REWIS RS 2017, 3308

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Gegenstand

Wirksamkeit der Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen - Wählbarkeit gestellter Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in privatrechtlich organisierten Unternehmen - Kennwort bei Mehrheitswahl


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller, des Beteiligten zu 4. und der Beteiligten zu 5. gegen den Beschluss des [X.] vom 22. Oktober 2015 - 18 [X.], 18 [X.] 994/15 und 18 [X.] 997/15 - werden zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die [X.]irksamkeit der bei der Arbeitgeberin durchgeführten [X.]ahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen vom 28. Oktober 2014.

2

Die zu 5. beteiligte Arbeitgeberin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie erbringt mit ca. 2.500 Arbeitnehmern Leistungen für die [X.] (im Folgenden Klinik). Die Klinik ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der im Jahr 1956 geborene Beteiligte zu 4. steht seit Februar 1978 in einem Arbeitsverhältnis zur Klinik. Er ist seit dem 1. Januar 2006 aufgrund eines [X.] im Betrieb der Arbeitgeberin tätig. Im Zeitpunkt der [X.]ahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen war die Gestellung bis zum 31. Dezember 2018 befristet.

3

Am 15. September 2014 erließ der [X.]ahlvorstand ein [X.]ahlausschreiben für die [X.]ahl der Vertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung im Betrieb der Arbeitgeberin. Danach wurde die [X.]ahl als Briefwahl durchgeführt. Die Briefwahlunterlagen mussten am 28. Oktober 2014 bis 15:00 Uhr beim [X.]ahlvorstand eingegangen sein.

4

Für die [X.]ahl der Vertrauensperson wurden der Arbeitnehmer [X.] und der Beteiligte zu 4. vorgeschlagen. Der [X.]ahlvorstand lud diese Kandidaten als „Listenvertreter“ zur „Auslosung der [X.] der eingereichten Vorschlagslisten“ ein und machte nach der Ziehung der „[X.]“ die [X.]ahlvorschläge durch Aushang unter der Bezeichnung „Liste 1 gewerkschaftliche Vertreter“ und „Liste 2“ bekannt. In den Stimmzetteln waren der Kandidat [X.] unter „Liste 1 gewerkschaftliche Vertreter“ und der Beteiligte zu 4. unter „Liste 2 C“ aufgeführt. Außerdem enthielten die Stimmzettel folgenden Hinweis:

        

„Für die [X.]ahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen …

        

ist der Kandidat mit einem Kreuz (x) in dem zugehörigen [X.] zu kennzeichnen. Es ist 1 Vertrauensperson zu wählen, somit kann bei der Vertrauensperson maximal 1 Kreuz gemacht werden.“

5

Nach der vom [X.]ahlvorstand vorgenommenen Auszählung, bei der der Beteiligte zu 4. als Helfer hinzugezogen wurde, entfielen auf den Beteiligten zu 4. 37 Stimmen und auf den Kandidaten [X.] 36 Stimmen. Die [X.]ahl des Beteiligten zu 4. als Vertrauensperson wurde vom [X.]ahlvorstand mit Aushang vom 12. November 2014 bekannt gemacht.

6

Die Beteiligten zu 1. bis 3. sind bei der Arbeitgeberin beschäftigt und als schwerbehinderte Menschen anerkannt oder diesen gleichgestellt. Sie haben mit ihrer am 19. November 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift die Nichtigkeit, hilfsweise die Anfechtbarkeit der [X.]ahl geltend gemacht. Sie haben die Auffassung vertreten, die [X.]ahl leide unter mehreren Mängeln. Der Beteiligte zu 4. sei nicht wählbar, da er nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 5. stehe. Die Durchführung einer Listenwahl und die Verwendung eines Kennworts seien unzulässig. Der [X.]ahlvorstand habe Beschäftigte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und über einen Grad der Behinderung von weniger als 50 verfügten, zu Unrecht nicht in die [X.]ählerliste aufgenommen. [X.]ahlunterlagen seien mehrfach nicht vollständig und unter Einbeziehung von Personen, die nicht zum [X.]ahlvorstand gehörten, verschickt worden. Die [X.] für die Stimmzettel seien lediglich in [X.] versandt worden. Die Rücksendeadresse hätte nicht nur die Anschrift der Arbeitgeberin, sondern auch die genaue Bezeichnung des [X.]ahlvorstandsbüros unter Benennung [X.] und der [X.] enthalten müssen; nur so hätte sichergestellt werden können, dass [X.]ahlunterlagen nach Eingang in der [X.] der Arbeitgeberin dem [X.]ahlvorstand kurzfristig zugeleitet wurden. Die Heranziehung des Beteiligten zu 4. als [X.]ahlhelfer sei unzulässig gewesen.

7

Die Antragsteller haben beantragt,

        

die [X.]ahl von [X.] als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen vom 28. Oktober 2014 bei der Beteiligten zu 5. für nichtig zu erklären,

        

hilfsweise, die [X.]ahl von [X.] als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen vom 28. Oktober 2014 bei der Beteiligten zu 5. für unwirksam zu erklären.

8

Der Beteiligte zu 4. und die Arbeitgeberin haben beantragt, die Anträge abzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat den [X.] abgewiesen und dem [X.]ahlanfechtungsantrag stattgegeben. Das [X.] hat sowohl die Beschwerde der Antragsteller als auch die Beschwerden des Beteiligten zu 4. und der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Die Antragsteller verfolgen mit ihrer Rechtsbeschwerde den [X.] weiter. Der Beteiligte zu 4. und die Arbeitgeberin beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde der Antragsteller und begehren mit ihren Rechtsbeschwerden die Abweisung des [X.]ahlanfechtungsantrags. Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerden des Beteiligten zu 4. und der Arbeitgeberin.

B. Die Rechtsbeschwerden der Antragsteller, des Beteiligten zu 4. und der Arbeitgeberin sind unbegründet. Das [X.] hat zu Recht erkannt, dass die [X.]ahl der Vertrauensperson nicht nichtig, aber unwirksam ist.

I. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

1. Der als [X.] auszulegende Hauptantrag ist zulässig.

Der Antrag ist trotz seines auf einen Gestaltungsantrag hindeutenden [X.]ortlauts als [X.] zu verstehen. Die Nichtigkeit der [X.]ahl ist mit einem Feststellungsantrag geltend zu machen. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig. Die Feststellung der Nichtigkeit einer [X.]ahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen kann - unabhängig von den formellen Voraussetzungen einer [X.]ahlanfechtung nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SG[X.]X iVm. § 19 [X.] - von jedermann jederzeit geltend gemacht werden, sofern hieran ein rechtliches Interesse besteht. Dies ist bei den Antragstellern, die schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer der zu 5. beteiligten Arbeitgeberin sind, der Fall. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist unzweifelhaft, dass er sich ausschließlich auf die [X.]ahl der Vertrauensperson und nicht auf die [X.]ahl des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung, bei der es sich um eine von der [X.]ahl der Vertrauensperson getrennte [X.]ahl handelt (ausführlich [X.] 29. Juli 2009 - 7 [X.] - Rn. 17 ff.), bezieht.

2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die streitbefangene [X.]ahl ist nicht nichtig.

a) Ebenso wie die [X.] ist die [X.]ahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen [X.]ahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden [X.]ahl nicht mehr vorliegt. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der [X.]ahl zu versagen ist. Die [X.]ahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“ (st. Rspr., vgl. [X.] 23. Juli 2014 - 7 [X.] - Rn. 41; 13. März 2013 - 7 [X.] - Rn. 15, [X.]E 144, 290; 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 26, [X.]E 139, 197; 27. Juli 2011 - 7 [X.] - Rn. 39, [X.]E 138, 377; 20. April 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 3 der Gründe, [X.]E 114, 228).

b) Unter derart gravierenden Mängeln leidet die angegriffene [X.]ahl der Vertrauensperson nicht.

aa) Die [X.]ahl ist nicht wegen fehlender [X.]ählbarkeit des Beteiligten zu 4. nichtig. Es kann dahinstehen, ob die [X.]ahl einer nichtwählbaren Person zur Nichtigkeit der [X.]ahl führt oder nur zur Anfechtung berechtigt. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der Beteiligte zu 4. bei der [X.]ahl der Schwerbehindertenvertretung im Betrieb der Arbeitgeberin am 28. Oktober 2014 wählbar war.

(1) Nach § 94 Abs. 3 Satz 1 SG[X.]X sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle nicht nur vorübergehend Beschäftigten wählbar, die am [X.]ahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder der Dienststelle seit sechs Monaten angehören. Nicht wählbar ist, wer kraft Gesetzes dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat nicht angehören kann (§ 94 Abs. 3 Satz 2 SG[X.]X).

(2) Danach hat der [X.]ahlvorstand den bei der Klinik angestellten und bei der Arbeitgeberin aufgrund eines [X.] eingesetzten Beteiligten zu 4. bei der [X.]ahl der Vertrauensperson vom 28. Oktober 2014 zu Recht als wählbar behandelt.

(a) Der Beteiligte zu 4. ist ein im Betrieb der Arbeitgeberin „Beschäftigter“ iSd. § 94 Abs. 3 Satz 1 SG[X.]X. Dem steht nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 4. nicht bei der Arbeitgeberin, sondern bei der Klinik angestellt ist. Die Stellung als „Beschäftigter“ iSv. § 94 Abs. 3 Satz 1 SG[X.]X setzt ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber nicht voraus.

(aa) Das ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut. Anders als § 5 [X.] knüpft § 94 Abs. 3 SG[X.]X nicht an den Arbeitnehmerbegriff, sondern an den Begriff des „Beschäftigten“ und damit an die „Beschäftigung“ an. Der Begriff „Beschäftigung“ ist weiter als der der „Arbeit“. Nach [X.]ahrig (Deutsches [X.]örterbuch 9. Aufl. S. 256) bedeutet Beschäftigung „Beruf, Arbeit, Tätigkeit, Betätigung, Zeitvertreib“. Eine Beschäftigung setzt ein Arbeitsverhältnis nicht zwingend voraus (vgl. [X.] 27. Juni 2001 - 7 [X.] - zu [X.] 2 b aa der Gründe, [X.]E 98, 151 - zur aktiven [X.]ahlberechtigung von Rehabilitanden nach § 24 Abs. 2 SchwbG).

([X.]) Für dieses Verständnis sprechen auch Sinn und Zweck des § 94 Abs. 3 Satz 1 SG[X.]X. Die Einbeziehung aller in dem Betrieb nicht nur vorübergehend Beschäftigten beruht darauf, dass diese Personengruppe aufgrund ihrer Tätigkeit im Einsatzbetrieb von den dort getroffenen Entscheidungen des Betriebsinhabers betroffen ist. Vor diesem Hintergrund entspricht es dem Zweck der Regelung, wenn sich diese Betroffenheit auch in der Möglichkeit auswirkt, in das System der betrieblichen Interessenvertretung integriert, also auch zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen wählbar zu sein (vgl. zur [X.]ählbarkeit von gestelltem Personal bei der [X.]: [X.] 15. August 2012 - 7 [X.] - Rn. 19; 15. August 2012 - 7 [X.] - Rn. 22, [X.]E 143, 20).

(b) Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist der Beteiligte zu 4. trotz der zeitlich begrenzten Gestellung bis zum 31. Dezember 2018 „nicht nur vorübergehend“ im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigt. Bei diesem Tatbestandsmerkmal kommt es nicht auf die zurückliegende, sondern auf die am [X.]ahltag zu erwartende Beschäftigungsdauer an. Dabei kann hier offenbleiben, welche Dauer eine „nicht nur vorübergehende“ Beschäftigung voraussetzt. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung, ein alsbaldiges Ausscheiden der gewählten Vertrauensperson zu vermeiden und dadurch die Funktionsfähigkeit der Schwerbehindertenvertretung zu gewährleisten, ist von einer nicht nur vorübergehenden Beschäftigung jedenfalls dann auszugehen, wenn die Beschäftigung voraussichtlich während der gesamten anstehenden Amtszeit andauern wird. Das ist vorliegend der Fall. Im Zeitpunkt der [X.]ahl war die Gestellung des Beteiligten zu 4. bis zum 31. Dezember 2018 befristet. Anhaltspunkte dafür, dass eine vorzeitige Beendigung der Gestellung zu erwarten war, sind nicht ersichtlich.

(c) Auch die weiteren [X.]ählbarkeitsvoraussetzungen des § 94 Abs. 3 Satz 1 SG[X.]X sind erfüllt. Der im Jahr 1956 geborene Beteiligte zu 4. hatte am [X.]ahltag das 18. Lebensjahr vollendet. Er gehörte dem Betrieb der Arbeitgeberin seit dem 1. Januar 2006 und damit länger als sechs Monate an.

(d) Die [X.]ählbarkeit des Beteiligten zu 4. ist auch nicht nach § 94 Abs. 3 Satz 2 SG[X.]X deshalb ausgeschlossen, weil er dem Betriebsrat im Betrieb der Arbeitgeberin nicht angehören könnte. Er könnte als von der Klinik gestellter Arbeitnehmer Mitglied des bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats sein.

(aa) Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind, sind bei der [X.]ahl des Betriebsrats in diesen Betrieben wählbar. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 3, § 7 und § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] (dazu ausführlich [X.] 15. August 2012 - 7 [X.] - Rn. 17; 15. August 2012 - 7 [X.] - Rn. 20, [X.]E 143, 20). Der [X.]ählbarkeit steht § 14 Abs. 2 [X.] auch dann nicht entgegen, wenn gleichzeitig Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Zwar sind nach § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] Leiharbeitnehmer bei der [X.]ahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Dieser Regelung gehen aber die Bestimmungen der § 5 Abs. 1 Satz 3, § 7 und § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.], wonach Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind, in diesen Betrieben zum Betriebsrat wählbar sind, vor ([X.] 15. August 2012 - 7 [X.] - Rn. 22).

([X.]) Danach kann der Beteiligte zu 4. dem im Betrieb der Arbeitgeberin gewählten Betriebsrat angehören. Der Beteiligte zu 4. ist ein Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 [X.]. Er ist bei der Klinik, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, angestellt und bei der privatrechtlich organisierten Arbeitgeberin eingesetzt. Daher ist er nach §§ 7, 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] wählbar.

[X.]) Es kann dahinstehen, ob die weiteren von den Antragstellern geltend gemachten Verstöße gegen [X.]ahlvorschriften vorliegen. Sie wären nicht geeignet, die Nichtigkeit der [X.]ahl zu begründen.

II. Der Hilfsantrag hat Erfolg. [X.]ie das [X.] zutreffend erkannt hat, ist die [X.]ahlanfechtung begründet.

1. Nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SG[X.]X sind für die [X.]ahl der Vertrauensperson und des stellvertretenden Mitglieds die Vorschriften über die [X.]ahlanfechtung bei der [X.]ahl des Betriebsrats sinngemäß anzuwenden. Nach § 19 Abs. 1 [X.] kann die [X.]ahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das [X.]ahlrecht, die [X.]ählbarkeit oder das [X.]ahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das [X.]ahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Zur Anfechtung berechtigt sind nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] mindestens drei [X.]ahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene [X.] oder der Arbeitgeber. Die [X.]ahlanfechtung ist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 [X.] binnen einer Frist von zwei [X.]ochen, vom Tage der Bekanntgabe des [X.]ahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

a) Die formellen Voraussetzungen der [X.]ahlanfechtung liegen vor.

aa) Die Antragsteller sind zur Anfechtung berechtigt. Alle drei Antragsteller sind nach § 94 Abs. 2 SG[X.]X wahlberechtigt. Sie sind als schwerbehinderte Menschen anerkannt oder diesen gleichgestellt und im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigt.

[X.]) Die [X.]ahl ist innerhalb der Anfechtungsfrist von zwei [X.]ochen angefochten worden. Der [X.]ahlvorstand hat das [X.]ahlergebnis am 12. November 2014 bekannt gegeben. Der [X.]ahlanfechtungsantrag ist am 19. November 2014 beim Arbeitsgericht eingegangen.

b) Die materiellen Voraussetzungen einer [X.]ahlanfechtung nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SG[X.]X iVm. § 19 [X.] liegen ebenfalls vor. Bei der [X.]ahl wurde gegen wesentliche [X.]ahlvorschriften verstoßen. Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.]ahlergebnis hierauf beruht.

aa) Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der [X.]ahlvorstand zwar nicht gegen § 94 Abs. 6 Satz 1 SG[X.]X, aber gegen § 9 Abs. 2 SchwbV[X.] verstoßen hat.

(1) Entgegen der Ansicht der Antragsteller hat der [X.]ahlvorstand die [X.]ahl nicht unter Verstoß gegen § 94 Abs. 6 Satz 1 SG[X.]X nach den Grundsätzen der Verhältniswahl als Listenwahl durchgeführt.

(a) Nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SG[X.]X werden die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt. Mehrheitswahl ist Persönlichkeitswahl. Der [X.]ähler wählt Personen, nicht Listen. Gewählt ist der Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich vereint.

(b) Der [X.]ahlvorstand hat zwar die [X.]ahlvorschläge als „Listen“ bekannt gemacht und auf den Stimmzetteln als „Liste 1“ und „[X.]“ bezeichnet. Trotz dieser Angaben fand die [X.]ahl jedoch tatsächlich als Persönlichkeitswahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl statt. Da nur eine Vertrauensperson zu wählen war und auf jeder „Liste“ nur ein [X.]ahlbewerber aufgeführt war, hatte der [X.]ähler sich zwischen den beiden Kandidaten zu entscheiden. Gewählt war der Kandidat mit den meisten Stimmen.

(2) Der [X.]ahlvorstand hat aber gegen § 9 Abs. 2 SchwbV[X.] verstoßen, indem er einen [X.]ahlvorschlag auf dem Stimmzettel mit dem Kennwort „gewerkschaftliche Vertreter“ versehen hat. Die Verwendung eines Kennworts für einen [X.]ahlvorschlag ist bei der [X.]ahl der Schwerbehindertenvertretung nicht zulässig.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SchwbV[X.] sind auf dem Stimmzettel die Personen, die sich für das Amt der Vertrauensperson und als stellvertretendes Mitglied bewerben, getrennt in alphabetischer Reihenfolge unter Angabe von Familienname, Vorname, Geburtsdatum und Art der Beschäftigung aufgeführt. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine wesentliche Verfahrensvorschrift (zu § 20 [X.] [X.] Kreutz/Jacobs GK-[X.] 10. Aufl. § 20 [X.] Rn. 3). Sie schließt die Aufnahme eines Kennworts für den [X.]ahlvorschlag auf dem Stimmzettel aus. Schon die Formulierung „sind … aufgeführt“ spricht dafür, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 SchwbV[X.] die in den Stimmzettel aufzunehmenden Angaben abschließend festlegt. Dieses Verständnis entspricht dem Erfordernis eines formal ausgestalteten und für den [X.]ahlvorstand rechtssicher handha[X.]aren Verfahrens. Zudem besteht für die Verwendung eines Kennworts bei der nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchzuführenden [X.]ahl der Schwerbehindertenvertretung keine Veranlassung, da die [X.]ahl eine Persönlichkeitswahl ist. Die Bewerber werden persönlich und nicht als Mitglieder einer in einer Vorschlagsliste zusammengefassten Gruppe von Beschäftigten gewählt. Eine gesonderte Kennzeichnung des [X.]ahlvorschlags ist daher - anders als bei der Listenwahl - nicht geboten. Der [X.]ahlvorschlag ist durch die Benennung der Person des Bewerbers gekennzeichnet. Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich mit den Regelungen der [X.] zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes ([X.]ahlordnung - [X.]) bestätigt. Danach ist ein Kennwort nur bei der Listenwahl vorgesehen. Bei der [X.]ahl des Betriebsrats aufgrund von Vorschlagslisten ist jede eingereichte Liste zu kennzeichnen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Fehlt eine Kennzeichnung oder ist das Kennwort unzulässig, ist die Liste vom [X.]ahlvorstand mit Familienname und Vorname der beiden in ihr an erster Stelle benannten Bewerber zu bezeichnen ([X.] 15. Mai 2013 - 7 [X.] - Rn. 26, [X.]E 145, 120). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] ist auf den Stimmzetteln bei Listen, die mit Kennworten versehen sind, auch das Kennwort anzugeben. [X.]ird die [X.]ahl dagegen nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführt, weil nur eine Vorschlagsliste eingereicht ist, sind auf den Stimmzetteln nach § 20 Abs. 2 [X.] die Bewerberinnen oder Bewerber unter Angabe von Familienname, Vorname und Art der Beschäftigung im Betrieb aufzuführen. Eine gesonderte Kennzeichnung erfolgt nach dieser Bestimmung nicht. Die Kennzeichnung des [X.]ahlvorschlags wird durch die in § 20 Abs. 2 [X.] genannten Angaben gewährleistet. Entsprechendes gilt für die [X.]ahl der Schwerbehindertenvertretung, bei der die Kennzeichnung des [X.]ahlvorschlags durch die in § 9 Abs. 2 SchwbV[X.] genannten Personalien des [X.]ahlbewerbers erfolgt.

[X.]) Der Verstoß konnte das [X.]ahlergebnis beeinflussen.

(1) Nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SG[X.]X iVm. § 19 Abs. 1 letzter Halbs. [X.] berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche [X.]ahlvorschriften nicht zur Anfechtung der [X.]ahl, wenn er das [X.]ahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine [X.]ahl ohne den Verstoß gegen wesentliche [X.]ahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben [X.]ahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte [X.]ahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei Einhaltung der [X.]ahlvorschriften kein anderes [X.]ahlergebnis erzielt worden wäre (st. Rspr., vgl. etwa [X.] 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 31; 18. Juli 2012 - 7 [X.] - Rn. 30 mwN).

(2) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das [X.]ahlergebnis anders ausgefallen wäre, wenn das Kennwort „gewerkschaftliche Vertreter“ gestrichen und auf den Stimmzetteln ausschließlich der Familien- und Vorname des [X.]ahlbewerbers [X.] aufgeführt worden wäre. Die Angabe der [X.]szugehörigkeit des [X.]ahlbewerbers auf dem Stimmzettel ist geeignet, das Abstimmungsverhalten der [X.]ähler zu beeinflussen. Durch die Angabe des Kennworts auf dem Stimmzettel wird die Bedeutung der [X.]szugehörigkeit für die [X.]ahl der Vertrauensperson hervorgehoben. Daher kommt es nicht darauf an, ob die [X.]stätigkeit des [X.]ahlbewerbers [X.] durch dessen öffentliche Auftritte in den [X.] allgemein bekannt gewesen ist.

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    M. Rennpferdt    

        

        

        

    Holzhausen    

        

    Jacobi    

                 

Meta

7 ABR 2/16

25.10.2017

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Berlin, 25. März 2015, Az: 56 BV 16563/14, Beschluss

§ 94 Abs 3 S 1 SGB 9, § 94 Abs 3 S 2 SGB 9, § 5 Abs 1 S 3 BetrVG, § 7 BetrVG, § 8 Abs 1 S 1 BetrVG, § 94 Abs 6 S 2 SGB 9, § 19 Abs 1 BetrVG, § 94 Abs 6 S 1 SGB 9, § 9 Abs 2 S 2 SchwbWO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.10.2017, Az. 7 ABR 2/16 (REWIS RS 2017, 3308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3308

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2 BV 109/22 (Arbeitsgericht Aachen)


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