Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.05.2016, Az. 1 StR 103/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 11425

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Gegenstand

Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Sexualstraftäter: Pflicht des Tatgerichts zur Ermessensausübung; revisionsgerichtliche Ersetzung der Ermessensentscheidung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2015 im [X.] aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt mit der ausgeführten Sachrüge zur Aufhebung des [X.]. Im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

2

1. Die auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat die [X.] die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Es fehlt aber an der gesetzlich vorgeschriebenen Ermessensausübung.

3

a) Auch wenn sämtliche Voraussetzungen der Verhängung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB erfüllt sind, steht nach der gesetzlichen Formulierung die Verhängung der Maßregel im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters („kann“). Ordnet das Tatgericht eine in sein Ermessen gestellte Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an, muss aus den Urteilsgründen deutlich werden, dass es sich seiner Entscheidungsbefugnis bewusst war und welche Gründe für seine Ermessensausübung leitend waren (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juli 2015 – 3 [X.], [X.], 77 mwN).

4

b) Daran fehlt es vorliegend, wie auch die Formulierung in den Urteilsgründen belegt, die Verhängung der Sicherungsverwahrung sei „unumgänglich“. Es ist dem Senat verwehrt, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen; diese ist dem Tatrichter vorbehalten (vgl. [X.] aaO).

5

2. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen stehen.

Raum                         [X.]                     [X.]

                Fischer                          Bär

Meta

1 StR 103/16

12.05.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Ravensburg, 28. Oktober 2015, Az: 1 KLs 440 Js 5576/15

§ 66 Abs 3 S 1 StGB, § 177 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.05.2016, Az. 1 StR 103/16 (REWIS RS 2016, 11425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11425

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 612/18

1 StR 103/16

Zitiert

3 StR 170/15

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x

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