Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2015, Az. 3 StR 170/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 7874

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Gegenstand

Anordnung der Sicherungsverwahrung: Revisionsgerichtliche Ersetzung der Ermessensausübung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2014 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt, seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf verfahrens- und materiellrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge zum [X.] Erfolg; im Übrigen zeigt sie aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1a StPO).

2

Der auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB gestützte [X.] hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat das [X.] rechtsfehlerfrei die insoweit erforderlichen formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung festgestellt und beachtet, dass sich hier nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.], Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., [X.]E 128, 326) erhöhte Anforderungen für die Unterbringung ergeben. Indes lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, dass die [X.] das ihr nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat. Ordnet das Tatgericht eine in sein Ermessen gestellte Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an, muss aus den Urteilsgründen deutlich werden, dass es sich seiner Entscheidungsbefugnis bewusst war und welche Gründe für seine Ermessensausübung leitend waren (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 4. Oktober 2012 - 3 [X.], juris Rn. 3 mwN). Hieran fehlt es. Die Urteilsgründe verhalten sich lediglich zu den Voraussetzungen der Maßregel sowie zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt. Demgegenüber fehlen insbesondere Erwägungen dazu, ob die Anordnung der Sicherungsverwahrung angesichts der verhängten langjährigen Freiheitsstrafe unerlässlich ist (vgl. [X.], Urteil vom 28. Mai 1998 - 4 StR 17/98, [X.]R StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6).

3

Der Senat kann als Revisionsgericht die fehlende Ermessensentscheidung nicht ersetzen. Sie ist dem neuen Tatgericht vorbehalten ([X.], Urteil vom 18. Mai 1972 - 4 StR 11/72, [X.]St 24, 345, 348; Beschluss vom 21. August 2003 - 3 StR 251/03, [X.], 12).

4

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

5

Die bisherigen, auf die Angaben des Sachverständigen gestützten Ausführungen der [X.] zu den materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung, namentlich dem Hang des Angeklagten zu erheblichen Straftaten und der dadurch bedingten Gefährlichkeit für die Allgemeinheit, sind zumindest teilweise nicht völlig bedenkenfrei. So erscheint es etwa mit Blick auf das Vorleben des Angeklagten - unter den zwar zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten befindet sich nur eine wegen eines bereits im Jahre 1999 begangenen erheblichen Sexualdelikts - nicht selbstverständlich und im Wesentlichen mit seiner gegenüber dem Sachverständigen verbalisierten Selbsteinschätzung begründbar, dass von ihm die hohe Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Straftaten ausgeht. Vor diesem Hintergrund könnte es sich anbieten, einen neuen Sachverständigen mit der Begutachtung des Angeklagten zu beauftragen.

[X.]     

Pfister     

     Schäfer

Ri[X.] Gericke befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Mayer     

[X.]

Meta

3 StR 170/15

21.07.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 4. Dezember 2014, Az: 2070 Js 38775/12 - 1 KLs

§ 66 Abs 2 StGB, § 66 Abs 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2015, Az. 3 StR 170/15 (REWIS RS 2015, 7874)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7874

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