Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.11.2022, Az. V R 23/20

5. Senat | REWIS RS 2022, 8567

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Gegenstand

(Umsatzsteuerfreiheit von Privatkliniken (nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F.))


Leitsatz

1. Die Umsatzsteuerfreiheit von Privatkliniken nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m.§ 67 Abs. 2 AO erforderte im Jahr 2006 keine Vorauskalkulation der Selbstkosten (Anschluss an BFH-Urteil vom 23.01.2019 - XI R 15/16, BFHE 263, 543).

2. Die durch das Jahressteuergesetz 2007 mit Rückwirkung zum 01.01.2003 geänderte Fassung des § 67 Abs. 1 AO ist für das Jahr 2006 verfassungsrechtlich unbedenklich.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 13.11.2018 - 5 K 5227/16 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Leistungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus dem Betrieb eines privaten Krankenhauses im Jahr 2006 (Streitjahr) steuerfrei sind.

2

Die Klägerin betreibt ein privates Krankenhaus zur Diagnose, Therapie und Behandlung von …erkrankungen sowie [X.]. In ihrer zu einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung führenden Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2006 behandelte sie die Umsätze aus der Privatklinik als nach § 4 Nr. 16 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG a.F.) i.V.m. § 67 der Abgabenordnung ([X.]) steuerfrei.

3

Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) den die bisherige Vorbehaltsfestsetzung ändernden Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 20.02.2012, mit dem die Steuerfreiheit der streitgegenständlichen Krankenhausumsätze versagt wurde. Im Einvernehmen mit der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im dafür maßgebenden Vorjahr (2005) nicht vorgelegen hätten, sodass alle Umsätze aus der Geschäftstätigkeit der Klinik im Streitjahr der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Die Klägerin habe in 2005 gegenüber ihren Patienten weder nach den Vorschriften der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze ([X.]) noch nach Fallpauschalen entsprechend dem Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz --KHEntgG--) abgerechnet, sondern stattdessen eine "Vielzahl von Abrechnungsmodalitäten" genutzt und nicht nachweisen können, dass die von ihr gegenüber den Patienten abgerechneten Leistungen zu mindestens 40 % der gesamten Belegungstage die gegenüber den allgemeinen Krankenkassen zulässigen Abrechnungen nach der [X.] und dem Krankenhausentgeltgesetz nicht überstiegen.

4

Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst wegen der Frage, ob die 40 %-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.[X.] verstößt. Während des [X.] erließ das [X.] aus hier nicht streitigen Gründen am 27.08.2015 einen Änderungsbescheid für 2006. Im [X.] an das Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) [X.] vom 15.11.2012 - [X.] ([X.]:[X.]) und die Folgeurteile des [X.] ([X.]) vom 18.03.2015 - [X.] R 8/13 ([X.]E 249, 369, [X.], 788) sowie [X.] ([X.]E 249, 380, [X.], 793) machte die Klägerin (erstmals) geltend, dass die Voraussetzungen des § 67 [X.] i.d.[X.].[X.] ([X.], 3866) von ihr in 2005 erfüllt worden seien und legte hierzu Aufstellungen und Berechnungen zu den von ihr abgerechneten Pflegesätzen vor. Das [X.] wies den Einspruch der Klägerin am 22.08.2016 als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2021, 583 veröffentlichten Urteil ab. Die Klägerin falle nicht in den Anwendungsbereich des § 67 Abs. 1 [X.] und habe auch die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 [X.] nicht erfüllt, weil sie unstreitig eine der [X.] entsprechende Vergleichsberechnung der Pflegesätze auf Selbstkostenbasis im Wege der Vorauskalkulation der eigenen Selbstkosten nicht vorgenommen habe. Vielmehr habe sie erst nachträglich eine im Einspruchsverfahren vorgelegte Kalkulation anhand der Buchführung erstellt. Eine nachträglich vorgenommene Berechnung stehe nicht im Einklang mit den Bestimmungen der [X.] und könne daher der Prüfung des § 67 Abs. 2 [X.] nicht zugrunde gelegt werden.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.[X.]. § 67 Abs. 2 [X.] a.F.) und begründet dies wie folgt:

7

Entgegen der Auffassung des [X.] sei sie nach dem Wortlaut des § 67 [X.] a.F. nicht zur Vorauskalkulation ihrer Selbstkosten verpflichtet gewesen. An keiner Stelle sei gesetzlich geregelt, dass die [X.] der Pflegesätze nach Selbstkostengrundsätzen im Voraus erstellt werden müsse. Das vom [X.] herangezogene [X.]-Urteil vom 02.10.2003 - IV R 48/01 ([X.]E 204, 80, [X.], 363) sei nicht einschlägig, da es nicht zur Umsatzsteuer, sondern zur Gewerbesteuer ergangen sei. Auch im Urteil vom 26.08.2010 - V R 5/08 ([X.]E 231, 298, [X.], 296) habe sich der [X.] nicht zu der Frage geäußert, ob die "Vorauskalkulation" noch nach dem maßgeblichen Zeitraum erstellt werden könne. Nach dem zwischenzeitlich ergangenen [X.]-Urteil vom 23.01.2019 - [X.] R 15/16 ([X.]E 263, 543) sei eine [X.] nach der [X.] für Krankenhäuser in privater Trägerschaft nicht erforderlich, das Fehlen der [X.] nach Selbstkostengrundsätzen stehe somit dem Vorliegen steuerfreier Krankenhausleistungen nicht entgegen ([X.]-Urteil in [X.]E 263, 543, Rz 59). Der [X.]. Senat habe zwar nur über eine Vergleichsberechnung nach dem Krankenhausentgeltgesetz entschieden und nicht, ob auch die [X.] nach der [X.] nachträglich erstellt werden könne. Es seien aber keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung von solchen privaten Krankenhäusern ersichtlich, die nach der [X.] abrechneten, zu solchen Krankenhäusern, die nach dem Krankenhausentgeltgesetz abrechneten.

8

Dieses Ergebnis werde durch die unionsrechtskonforme Auslegung des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der [X.]/[X.] des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/[X.]) gestützt. Danach dürfe die Umsatzsteuerbefreiung für private Einrichtungen nur versagt werden, wenn diese ihre Leistungen nicht unter in [X.] Hinsicht vergleichbaren Bedingungen wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbringen. Ob die Kalkulation nach der [X.] vor oder nach dem maßgeblichen Zeitraum erstellt werde, habe keinen Einfluss auf die [X.] Bedingungen der Leistungserbringung.

9

Hilfsweise berufe sie sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Buchst. b der Richtlinie 77/388/[X.]. Danach sei die Berücksichtigung einer nachträglich erstellten [X.] geboten. Es widerspreche dem [X.], wenn die Steuerbefreiung nur deswegen versagt werde, weil sie die Vergleichsberechnung nach dem maßgeblichen Veranlagungszeitraum erstellt habe. Die Bestimmungen der [X.] hätten lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung für die Steuerbefreiung und dürften daher die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung nicht unmöglich machen. Mit [X.] sei es nicht vereinbar, wenn die Vergleichbarkeit nur anhand einer Vorauskalkulation, nicht aber anhand einer auf tatsächlichen Zahlen beruhenden Vergleichsberechnung nachgewiesen werden könne. Darüber hinaus sei es mit dem [X.] unvereinbar, wenn zwar Krankenhäuser in privater Trägerschaft, die nach dem Krankenhausentgeltgesetz abrechnen, die Steuerbefreiung auch ohne Vorauskalkulation der Selbstkosten in Anspruch nehmen dürften, nicht aber Krankenhäuser, die --so wie [X.] nach Pflegesätzen abrechneten.

Die Klägerin beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die von der Klägerin vorgelegte Kalkulation als Maßstab ihrer Pflegesätze habe den Vorgaben der [X.] nicht entsprochen. Die bereits im Einspruchsverfahren erhobenen Zweifel an der vorgabegemäßen Berechnung nach der [X.] habe die Klägerin nicht behoben. Wenn sie nach den Vorschriften der [X.] mit den anderen Krankenhäusern verglichen werden wolle, müsse sie auch die gleichen Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehöre auch die Vorauskalkulation.

Die Klägerin müsse ihre Entgelte jedoch mit denen nach den Fallpauschalen des Krankenhausentgeltgesetzes vergleichen, da nahezu alle anderen Krankenhäuser in 2006 nach Fallpauschalen abrechnen mussten. Im Einspruchsverfahren habe die Klägerin lediglich Vergleichsrechnungen nach Fallpauschalen für einen Teil ihrer Leistungen und nur als [X.] (nicht für den Einzelfall) vorgelegt. Darüber hinaus seien die in den Berechnungen angesetzten Fallpauschalen nicht überprüfbar, weil grundsätzlich mit jedem Krankenhaus gesonderte Fallpauschalen vereinbart wurden, die auf die Klägerin nicht ohne weiteres übertragbar seien.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat unter Verstoß gegen § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.[X.]. § 67 Abs. [X.] entschieden, dass die Steuerfreiheit der Leistungen eines privaten Krankenhauses in 2006 eine Vorauskalkulation der Selbstkosten erforderte.

1. Das angegriffene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das [X.] hat in seinem Urteil verfahrensfehlerhaft über den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 20.02.2012 entschieden, obwohl der während des [X.] erlassene [X.] 2006 vom 27.08.2015 gemäß § 365 Abs. 3 Satz [X.] zum Gegenstand des [X.] wurde ([X.] vom [X.], [X.], 1443, unter [X.] cc). Einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 [X.]O bedarf es indes insoweit nicht. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist das Übersehen der Änderung des Verfahrensgegenstands ausnahmsweise unbeachtlich, wenn --wie hier-- durch den Änderungsbescheid keine neuen Streitpunkte eingeführt worden sind (vgl. zur [X.] des § 68 [X.]O: [X.] vom 26.03.2021 - IX B 45/20, [X.]/NV 2021, 767, Rz 22). Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 68 Satz 1 [X.]O und damit auch des § 365 Abs. [X.], die Vorentscheidung allein deswegen aufzuheben, um der Vorinstanz auf diese Weise Gelegenheit zu geben, den Änderungsbescheid [X.] zu erfassen ([X.] vom 29.08.2003 - II B 70/03, [X.]E 203, 174, [X.] 2003, 944, unter [X.]). In solchen Fällen reicht [X.] prozessökonomischen Gründen-- eine Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung aus ([X.] vom 07.08.2008 - I B 161/07, [X.]/NV 2008, 2053, unter [X.]). Danach bezieht sich die Entscheidung des [X.] auf den [X.] 2006 vom 27.08.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.08.2016.

2. [X.] hat das [X.] entschieden, dass § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.[X.]. § 67 Abs. [X.] im Streitjahr 2006 eine Vorauskalkulation der Selbstkosten voraussetzt.

a) Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. waren steuerfrei "die mit dem Betrieb der Krankenhäuser ... eng verbundenen Umsätze, wenn ... bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt ..." wurden.§ 67 [X.] in seiner durch das Jahressteuergesetz 2007 ([X.] 2007) vom 13.12.2006 ([X.], 2878, [X.], 28) mit Rückwirkung auf den 01.01.2003 geänderten Fassung lautet:

     

"(1) Ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der [X.] fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 des Krankenhausentgeltgesetzes, § 10 der [X.]) berechnet werden.
(2) Ein Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der [X.] fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 vom Hundert der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach Absatz 1 berechnet wird."

Unionsrechtliche Grundlage dieser --bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/[X.] bestehenden-- Umsatzsteuerbefreiung war im Streitjahr Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/[X.]. Danach befreien die Mitgliedst[X.]ten "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze" von der Steuer. Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen, der diese Leistungen erbringt, nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind diese Umsätze nur steuerfrei, wenn sie "unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in [X.] Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden".

b) Im Streitfall hat das [X.] zwar zu Recht entschieden, dass --wovon auch die Beteiligten ausgehen-- eine Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Krankenhausleistungen nicht aus § 67 Abs. [X.] folgt. [X.] hat das [X.] aber eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.[X.]. § 67 Abs. [X.] wegen Fehlens einer Vergleichsberechnung der Pflegesätze auf [X.] im Wege der Vorauskalkulation verneint.

[X.]) Zur Gleichstellung von Krankenhäusern, die --wie die [X.] nicht dem Krankenhausentgeltgesetz oder der [X.] unterliegen, mit den nach § 67 Abs. [X.] begünstigten Krankenhäusern war vor Einführung von Fallpauschalen entscheidend, dass das Krankenhaus auf [X.] abrechnet. Dies erforderte eine Vorauskalkulation der eigenen Selbstkosten (Senatsurteil in [X.]E 231, 298, [X.] 2011, 296, Rz 30, unter Hinweis auf das [X.]-Urteil in [X.]E 204, 80, [X.] 2004, 363, unter 1.c der Entscheidungsgründe). Denn nur auf diese Weise waren die berechneten Entgelte eines privaten Krankenhauses mit den im Anwendungsbereich der [X.] festzusetzenden Pflegesätzen vergleichbar ([X.]-Urteil in [X.]E 263, 543, Rz 60).

[X.]) Durch Art. 2 des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.04.2002 --Fallpauschalengesetz-- ([X.], 1412) wurde das sog. [X.] eingeführt, wonach stationäre Leistungen in Fallpauschalen zu berechnen sind. Hierzu regelte § 17b Abs. 6 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz) i.d.[X.], dass dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser verbindlich zum 01.01.2004 eingeführt wurde. Seitdem werden von der [X.] nur noch Einrichtungen der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie (psychiatrische Krankenhäuser und Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern) gemäß § 10 [X.] (bis 31.12.2012) bzw. gemäß § 7 [X.] (seit 01.01.2013) erfasst (vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 67 [X.] Rz 6 f.).

cc) Aus dieser Änderung des Vergütungssystems folgt, dass das Fehlen einer Vorauskalkulation nach Selbstkostengrundsätzen der Steuerfreiheit der Krankenhausleistungen nicht mehr entgegensteht. Denn nach der Änderung des Vergütungssystems auf die Abrechnung nach Fallpauschalen waren von den [X.] des § 67 Abs. [X.] weder Pflegesätze zu ermitteln noch konnte ein Vergleich mit diesen Krankenhäusern anhand solcher aufgrund einer Vorauskalkulation der Selbstkosten ermittelten Pflegesätze erfolgen. Vielmehr sind seitdem die Fallpauschalen mit denen eines Krankenhauses im Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes zu vergleichen ([X.]-Urteil in [X.]E 263, 543, Rz 61). Daher erfordert die mit § 67 Abs. [X.] bezweckte Gleichstellung der Krankenhäuser mit denen i.S. des § 67 Abs. [X.] auch im Streitfall keinen Vergleich von vorauskalkulierten Selbstkosten mehr, sondern an ihre Stelle tritt ein Vergleich auf Basis der Fallpauschalen.

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die auf den 01.01.2003 bezogene rückwirkende Änderung des § 67 Abs. [X.] (s. oben [X.]) jedenfalls für das hier vorliegende Streitjahr nicht verfassungswidrig.

[X.]) Die rechtsst[X.]tlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ziehen solchen Hoheitsakten enge Grenzen, die belastend in verfassungsmäßig verbürgte [X.] eingreifen (vgl. z.B. Beschlüsse des [X.] vom 10.04.1984 - 2 BvL 19/82, [X.] 67, 1, unter B.I[X.], und vom 08.04.2004 - 2 BvR 1811/03 , [X.], 147, unter I[X.]c [X.]). Demgemäß ist die Verfassungsmäßigkeit eines rückwirkenden Gesetzes nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt ([X.]-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08, [X.] 135, 1, Rz 63). Im Übrigen geht das [X.] sogar von einer Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen aus, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen und diese erwarten mussten (Beschluss in [X.] 135, 1, Rz 65).

[X.]) Im Streitfall ergibt sich danach aus einem Vergleich der zunächst geltenden mit der rückwirkenden Regelung des § 67 Abs. [X.], dass die Rückwirkung für die Klägerin keine belastende Wirkung hatte. Denn die rückwirkende Änderung eröffnete der Klägerin [X.] wie den unter § 67 Abs. [X.] fallenden Krankenhäusern-- erst (wieder) die Möglichkeit der [X.] ihrer Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. Es handelte sich lediglich um eine letztlich nur redaktionell wirkende Änderung der Gesetzesfassung, die die steuerrechtliche Definition des [X.] Krankenhaus in § 67 [X.] an die Entwicklung im Krankenhausrecht anpasste (zutreffend [X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 12.04.2011 - 3 K 526/08, E[X.] 2011, 1824, Rz 29). Darüber hinaus musste mit einer rückwirkenden Änderung des § 67 [X.] gerechnet werden.

(1) § 67 Abs. [X.] a.F. knüpfte das Vorliegen eines in den Anwendungsbereich der [X.] fallenden Krankenhauses als Zweckbetrieb daran, dass mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfielen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§§ 11, 13 und 26 [X.]) berechnet wurden.

(2) Seit 2004 wurden die stationären Leistungen der Krankenhäuser allerdings grundsätzlich in Fallpauschalen nach dem Krankenhausentgeltgesetz berechnet. Von der [X.], auf die § 67 Abs. [X.] a.F. verwies, waren nur noch Leistungen von psychiatrischen Krankenhäusern sowie Einrichtungen für Psychosomatik und Psychotherapie erfasst.

Die bezweckte steuerrechtliche Privilegierung stationärer Leistungen von (allgemeinen) Krankenhäusern lief aufgrund des fehlenden Verweises auf das Krankenhausentgeltgesetz in § 67 [X.] a.F. somit weitgehend leer ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 67 [X.] Rz 6). § 67 [X.] a.F. bot demnach keine Grundlage mehr für die Steuerbegünstigung von Krankenhäusern (BTDrucks 16/2712, S. 79 zu Nr. 7 (§ 67)). Dies betraf auch die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb ihres Krankenhauses. Da es im Streitjahr --von Einrichtungen der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie [X.] keine Krankenhäuser gab, die nach der [X.] abrechneten, fehlte es bereits an Vergleichskrankenhäusern als Maßstab für die Berechnung der 40 %-Sozialquote. Für die von der Klägerin beanspruchte Steuerfreiheit nach § 67 Abs. [X.] a.F. gab es daher keine Rechtsgrundlage.

(3) Zur Behebung des legislativen Versäumnisses, dass die nach der Normstruktur des § 67 [X.] erforderliche Anpassung des Zweckbetriebsbegriffs an die krankenhausrechtliche Rechtsentwicklung nicht rechtzeitig vorgenommen wurde, kam es durch Art. 11 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] 2007 in Art. 97 § 1c des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EG[X.]) zur Einfügung eines zusätzlichen Absatzes 3, wonach die Änderung des § 67 [X.] bereits "ab dem 1. Januar 2003 anzuwenden" war.

Seit dieser Änderung verweist § 67 Abs. [X.] für das Vorliegen eines Zweckbetriebs darauf, dass mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 [X.]) berechnet werden. Damit wurde der Anwendungsbereich des § 67 Abs. [X.] wieder für allgemeine Krankenhäuser eröffnet, die seit 2004 nach Fallpauschalen abrechnen. Dies hat zur Folge, dass nunmehr auch zugunsten der Klägerin eine Rechtsgrundlage dafür vorhanden ist, auf der Grundlage eines Vergleichs von Fallpauschalen die Steuerfreiheit ihrer Umsätze zu erlangen.

3. Mangels Spruchreife ist die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

a) Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 67 Abs. [X.] vorliegen, da das [X.] weder Feststellungen zur Höhe der von der Klägerin abgerechneten Entgelte (Fallpauschalen) getroffen noch diese mit den im Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes für allgemeine Krankenhausleistungen abrechenbaren Entgelten nach § 7 KHEntgG verglichen hat. Das [X.] wird diese Feststellungen und Vergleiche im zweiten Rechtsgang nachzuholen und in diesem Zusammenhang auch zu prüfen haben, ob mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfielen, bei denen die abgerechneten Entgelte nicht höher waren. Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, kann hierfür auch von Bedeutung sein, ob vergleichbare Bedingungen im Hinblick auf die Finanzierung von Investitionskosten vorliegen.

b) Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. ist für den Vergleich zwar auf das Vorjahr (hier: 2005) abzustellen. Aufgrund der [X.] dieser Regelung ergibt sich eine Steuerbefreiung jedoch unter Berücksichtigung des Unionsrechts auch dann, wenn die Voraussetzungen im Streitjahr 2006 erfüllt sind ([X.]-Urteil in [X.]E 263, 543, Rz 70).

4. Sollte das [X.] im zweiten Rechtsgang zum Ergebnis kommen, dass die Klägerin die Einhaltung der Quote von 40 % nicht nachgewiesen hat, wird es auch zu prüfen haben, ob eine (ggf. partielle) Steuerfreiheit der Krankenhausleistungen unter direkter Berufung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/[X.] in Betracht kommt. Im [X.] an das EuGH-Urteil Zimmermann ([X.]:[X.]) geht der [X.] zwar von einer Vereinbarkeit der 40 %-Quote mit Unionsrecht aus ([X.]-Urteile in [X.]E 249, 369, [X.] 216, 788, sowie in [X.]E 249, 380, [X.] 2016, 793), Zweifel an dieser Auffassung könnten sich jedoch aus dem EuGH-Urteil [X.] vom 05.03.2020 - [X.]/18 ([X.]:[X.]) ergeben (Lippross, [X.], 404 ff.; [X.], Der Steuerberater 2021, 214 ff.; [X.], [X.], 490, 493; [X.] in [X.], UStG, 2. Aufl., § 4 Nr. 14 Rz 222; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG Rz 51). In diesem Zusammenhang wird das [X.] auch das EuGH-Urteil I ([X.]) vom 07.04.2022 - [X.]/20 ([X.]:[X.], Rz 60 ff.) sowie die [X.]-Urteile vom 23.10.2014 - V R 20/14 ([X.]E 248, 376, [X.] 2016, 785), in [X.]E 249, 380, [X.] 2016, 793 und in [X.]E 263, 543 zu berücksichtigen haben.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 23/20

17.11.2022

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 13. November 2018, Az: 5 K 5227/16, Urteil

§ 4 Nr 16 Buchst b UStG 2005 vom 21.02.2005, § 67 Abs 1 AO vom 13.12.2006, § 365 Abs 3 AO, Art 97 § 1c Abs 3 AOEG 1977, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst b EWGRL 388/77, § 17b Abs 6 KHG, § 7 BPflV, § 10 BPflV, § 67 Abs 2 AO vom 13.12.2006, § 67 Abs 1 AO vom 01.10.2002, § 67 Abs 2 AO vom 01.10.2002, JStG 2007, UStG VZ 2006, § 127 FGO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.11.2022, Az. V R 23/20 (REWIS RS 2022, 8567)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8567

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